Luther - Abendmahl
Der große Katechismus Dr. Martin Luthers
nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches ( Dresden 1580 )
Luthers Ausführungen zum Abendmahl im Großen Katechismus:
Von dem Sakrament des Altars
Wie wir von der heiligen Taufe gehört haben, müssen wir von dem andern Sakra-ment auch reden, nämlich die drei Stücke: was es sei, was es nütze, und wer es empfangen soll. Und solches alles aus den Worten gegründet, dadurch es von Christo eingesetzt ist, welche auch ein jeglicher wissen soll, der ein Christ will sein und zum Sakrament gehen. Denn wir sinds nicht gesinnt, dazu zu lassen und zu reichen denen, die nicht wissen, was sie da suchen oder warum sie kommen. Die Worte aber sind diese:
Unser HERR Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brachs und gabs seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis. Desselbengleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und gab ihnen den und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus, dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünde. Solches tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Hier wollen wir uns auch nicht in die Haare legen und fechten mit den Lästerern und Schändern dieses Sakraments, sondern zum ersten lernen, da die Macht anliegt (wie auch von der Taufe), nämlich dass das vornehmste Stück sei Gottes Wort und Ordnung oder Befehl. Denn es ist von keinem Menschen erdacht noch aufgebracht, sondern ohne jemandes Rat und Bedacht von Christo eingesetzt. Derhalben wie die zehn Gebote, Vaterunser und Glaube bleiben in ihrem Wesen und Würden, ob du sie gleich nimmermehr hältst, betest noch glaubst, also bleibt auch dies hochwürdige Sakrament unverrückt, dass ihm nichts abgebrochen noch genommen wird, ob wirs gleich unwürdig brauchen und handeln. Was meinst du, dass Gott nach unserm Tun oder Glauben fragt, dass er um deswillen sollte seine Ordnung wandeln lassen? Bleibt doch in allen weltlichen Dingen alles, wie es Gott geschaffen und geordnet hat, Gott gebe wie wirs brauchen und handeln. Solches muss man immerdar treiben, denn damit kann man fast aller Rottengeister Geschwätz zurückstoßen, denn sie sehen die Sakramente außer Gottes Wort an als ein Ding, das wir tun. Was ist nun das Sakrament des Altars? Antwort: Es ist der wahre Leib und Blut des HERRN Christi, in und unter dem Brot und Wein durch Christus Wort uns Christen befohlen zu essen und zu trinken. Und wie von der Taufe gesagt, dass es nicht schlechtes Wasser ist, so sagen wir hier auch: Das Sakrament ist Brot und Wein, aber nicht schlechtes Brot noch Wein, so man sonst zu Tische trägt, sondern Brot und Wein in Gottes Wort gefaßt und daran gebunden. Das Wort, sage ich, ist das, das dies Sakrament macht und unterscheidet, dass es nicht lauter Brot und Wein, sondern Christus Leib und Blut ist und heißt; denn es heißet: accedat verbum ad elementum et fit sacramentum, wenn das Wort zum äußerlichen Dinge kommt, so wirds ein Sakrament. Dieser Spruch S. Augustins ist so eigentlich und wohl geredet, dass er kaum einen besseren gesagt hat. Das Wort muss das Element zum Sakra-ment machen, wo nicht, so bleibts ein reines Element. Nun ists nicht eines Fürsten oder Kaisers, sondern der hohen Majestät Wort und Ordnung, davor alle Kreaturen sollen zu Füßen fallen und ja sprechen, dass es sei, wie er sagt, und mit allen Ehren, Furcht und Demut annehmen. Aus dem Worte kannst du dein Gewissen stärken und sprechen: Wenn hunderttausend Teufel samt allen Schwärmern herfahren: wie kann Brot und Wein Christus Leib und Blut sein? so weiß ich, dass alle Geister und Gelehrten auf einen Haufen nicht so klug sind als die göttliche Majestät im kleinsten Fingerlein. Nun steht hier Christus Wort: Nehmet, esset, das ist mein Leib; trinket alle daraus, das ist das neue Testament in meinem Blut, usw. Da bleiben wir bei und wollen sie ansehen, die ihn meistern werden und anders machen, denn ers geredet hat. Das ist wohl wahr, wenn du das Wort davon tust oder ohne Wort ansiehst, so hast du nichts denn reines Brot und Wein. Wenn sie aber dabei bleiben, wie sie wollen und müssen, so ists laut derselbigen wahrhaftig Christi Leib und Blut. Denn wie Christi Mund redet und spricht, also ist es, - als der nicht lügen noch trügen kann. Daher ist nun leicht zu antworten auf allerlei Frage, damit man sich jetzt bekümmert, als diese ist, ob auch ein böser Priester könnte das Sakrament handeln und geben, und was dergleichen mehr ist. Denn da schließen wir und sagen: Ob gleich ein Bube das Sakrament nimmt oder gibt, so nimmt er das rechte Sakrament, das ist Christi Leib und Blut, eben sowohl als der es aufs allerwürdigste handelt. Denn es ist nicht gegründet auf Menschen Heiligkeit, sondern auf Gottes Wort. Und wie kein Heiliger auf Erden, ja kein Engel im Himmel, das Brot und Wein zu Christi Leib und Blut machen kann, also kanns auch niemand ändern noch wandeln, ob es gleich missbraucht wird. Denn um der Person oder Unglaubens willen wird das Wort nicht falsch, dadurch es ein Sakrament geworden und eingesetzt ist. Denn er spricht nicht: Wenn ihr glaubt oder würdig seid, so habt ihr meinen Leib und Blut, sondern: Nehmet, esset und trinket, das ist mein Leib und Blut; weiter: Solches tut (nämlich das ich jetzt tue, einsetze, euch gebe und nehmen heiße). Das ist soviel gesagt: Gott gebe du seist unwürdig oder würdig, so hast du hier seinen Leib und Blut aus Kraft dieser Worte, so zu dem Brot und Wein kommen. Solches merke und behalte nur wohl; denn auf den Worten steht alle unser Grund, Schutz und Wehre wider alle Irrtümer und Verführung, so je gekommen sind oder noch kommen mögen. Also haben wir kürzlich das erste Stück, so das Wesen dieses Sakraments belangt. Nun sieht weiter auch die Kraft und Nutzen, darum endlich das Sakrament eingesetzt ist, welches auch das Nötigste darin ist, dass man wisse was wir da suchen und holen sollen. Das ist nun klar und leicht, ehe aus den gedachten Worten: Das ist mein Leib und Blut, FÜR EUCH GEGEBEN und vergossen zur Vergebung der Sünde. Das ist kürzlich soviel gesagt: Darum gehen wir zum Sakrament, dass wir da empfangen solchen Schatz, durch und in dem wir Vergebung der Sünde überkommen. Warum das? Darum dass die Worte dastehen und uns solches geben. Denn darum heißt er mich essen und trinken, dass es mein sei und mir nütze, als ein gewisses Pfand und Zeichen, ja eben dasselbige Gut, so für mich gesetzt ist wider meine Sünde, Tod und alles Unglück. Darum heißt es wohl eine Speise der Seele, die den neuen Menschen nährt und stärkt. Denn durch die Taufe werden wir erstlich neugeboren; aber daneben, wie gesagt ist, bleibt gleichwohl die alte Haut im Fleisch und Blut am Menschen, da ist so viel Hindernis und Anfechtung vom Teufel und der Welt, dass wir oft müde und matt werden und zuweilen auch straucheln. Darum ist es gegeben zur täglichen Weide und Fütterung, dass sich der Glaube erhole und stärke, dass er in solchem Kampf nicht zurückfalle, sondern immer je stärker und stärker werde. Denn das neue Leben soll also getan sein, dass es stets zunehme und fortfahre. Es muss aber dagegen viel leiden. Denn so ein zorniger Feind ist der Teufel: Wo er sieht, dass man sich wider ihn legt und den alten Menschen angreift und uns nicht mit Macht über-poltern kann, da schleicht und streicht er auf allen Seiten umher, versucht alle Künste und lässt nicht ab, bis er uns zuletzt müde mache, dass man entweder den Glauben lässt fallen oder Hände und Füße gehen und wird unlustig oder ungeduldig. Dazu ist nun der Trost gegeben: wenn das Herz solches fühlt, dass ihm will zu schwer werden, dass es hier neue Kraft und Labsal hole. Hier verdrehen sich aber unsere klugen Geister mit ihrer großen Kunst und Klugheit, die schreien und poltern: Wie kann Brot und Wein die Sünde vergeben oder den Glauben stärken? So sie doch hören und wissen, dass wir solches nicht von Brot und Wein sagen, als an sich selbst Brot Brot ist, sondern von solchem Brot und Wein, das Christus Leib und Blut ist und die Worte bei sich hat. Dasselbige, sagen wir, ist je der Schatz und kein anderer, dadurch solche Vergebung erworben ist. Nun wird es uns ja nicht anders denn in den Worten „für euch gegeben und vergossen“ gebracht und zugeeignet. Denn darin hast du beides, dass es Christus Leib und Blut ist und dass es dein ist als ein Schatz und Geschenk. Nun kann je Christi Leib nicht ein unfruchtbares vergebliches Ding sein, das nichts schaffe noch nütze. Doch wie groß der Schatz für sich selbst ist, so muss er in das Wort gefasst und uns gereicht werden, sonst würden wirs nicht können wissen noch suchen. Darum ists auch nichts geredet, dass sie sagen: Christi Leib und Blut ist nicht im Abendmahl für uns gegeben noch vergossen, darum könnte man im Sakrament nicht Vergebung der Sünde haben. Denn obgleich das Werk am Kreuz geschehen und die Vergebung der Sünde erworben ist, so kann sie doch nicht anders denn durchs Wort zu uns kommen. Denn was wüssten wir sonst davon, dass solches geschehen wäre oder uns geschenkt sein sollte, wenn mans nicht durch die Predigt oder mündliches Wort vortrüge? Woher wissen sie es oder wie können sie die Vergebung ergreifen und zu sich bringen, wo sie sich nicht halten und glauben an die Schrift und das Evangelium? Nun ist je das ganze Evangelium und der Artikel des Glaubens: ich glaube eine heilige christliche Kirche, Vergebung der Sünde usw. durch das Wort in dies Sakrament gesteckt und uns vorgelegt. Warum sollten wir denn solchen Schatz aus dem Sakrament lassen reißen, so sie doch bekennen müssen, dass es eben die Worte sind, die wir allenthalben im Evangelio hören, und ja sowenig sagen können, diese Worte im Sakrament seien kein nutz, sowenig sie sprechen dürfen, dass das ganze Evangelium oder Wort Gottes außer dem Sakrament kein nütze sei. Also haben wir nun das ganze Sakrament, beide, was es an sich selbst ist und was es bringt und nützt. Nun muss man auch sehen, wer die Person sei, die solche Kraft und Nutz empfange. Das ist aufs kürzeste, wie droben von der Taufe und sonst oft gesagt ist: Wer da solches glaubt, wie die Worte lauten und was sie bringen. Denn sie sind nicht Stein noch Holz gesagt oder verkündigt, sondern denen, die sie hören, zu welchen er spricht: Nehmet und esset usw. Und weil er Vergebung der Sünde anbietet und verheißt, kann es nicht anders denn durch den Glauben empfangen werden. Solchen Glauben fordert er selbst in dem Worte, als er spricht: Für euch gegeben und vergossen. Als sollte er sagen: Darum gebe ichs und heiße euch essen und trinken, dass ihr euchs sollt annehmen und genießen. Wer nun sich solches lässt gesagt sein und glaubt, dass wahr sei, der hat es; wer aber nicht glaubt, der hat nichts, als ders sich lässt umsonst vortragen und nicht will solches heilsamen Gutes genießen. Der Schatz ist wohl aufgetan und jedermann vor die Tür, ja auf den Tisch gelegt; es gehört aber dazu, dass du dich auch seiner annehmest und gewisslich dafür hältst, wie dir die Worte geben. Das ist nun die ganze christliche Bereitung, dies Sakrament würdig zu empfangen; denn weil solcher Schatz gar in den Worten vorgelegt wird, kann mans nicht anders ergreifen und zu sich nehmen denn mit dem Herzen; denn mit der Faust wird man solches Geschenk und ewigen Schatz nicht fassen. Fasten und beten usw. mag wohl eine äußerliche Bereitung und Kinderübung sein, dass sich der Leib züchtig und ehrerbietig gegen den Leib und Blut Christi hält und gebärdet; aber das darin und damit gegeben wird, kann nicht der Leib fassen noch zu sich bringen. Der Glaube aber tuts des Herzens, so da solchen Schatz erkennt und seiner begehrt. Das sei genug, soviel zum gemeinen Unterricht not ist von diesem Sakrament; denn was weiter davon zu sagen ist, gehört auf eine andere Zeit. Am Ende, weil wir nun den rechten Verstand und die Lehre von dem Sakrament haben, ist wohl not auch eine Vermahnung und Reizung, dass man nicht lasse solchen großen Schatz, so man täglich unter den Christen handelt und austeilt, umsonst vorübergehen, das ist, dass, die Christen wollen sein, sich dazu schicken, das hochwürdige Sakrament oft zu empfangen. Denn wir sehen, dass man sich eben lass und faul dazu stellt und ein großer Haufe ist derer, die das Evangelium hören, welche, weil des Papstes Tand ist abgekommen, dass wir befreit sind von seinem Zwang und Gebot, gehen sie wohl dahin, - ein Jahr, zwei oder drei und länger ohne Sakrament, als seien sie so starke Christen, die seiner nicht bedürfen, und lassen sich etliche hindern und davon schrecken, dass wir gelehrt haben, es solle niemand dazu gehen, ohne die Hunger und Durst fühlen, so sie treibt. Etliche wenden vor, es sei frei und nicht vonnöten, und sei genug, dass sie sonst glauben; und kommen also das mehrere Teil dahin, dass sie gar roh werden und zuletzt beide, das Sakrament und Gottes Wort, verachten. Nun ists wahr, was wir gesagt haben, man soll beileibe niemand treiben noch zwingen, auf dass man nicht wieder eine neue Seelmörderei anrichte. Aber das soll man dennoch wissen, dass solche Leute für keine Christen zu halten sind, die sich so lange Zeit des Sakraments äußern und entziehen; denn Christus hat es nicht darum eingesetzt, dass mans für ein Schauspiel handle, sondern seinen Christen geboten, dass sie es essen und trinken und seiner darüber gedenken. Und zwar, welche rechte Christen sind und das Sakrament teuer und wert halten, sollen sich wohl selbst treiben und hinzudrängen. Doch dass die Einfältigen und Schwachen, die da auch gerne Christen wären, desto mehr gereizt werden, die Ursache und Not zu bedenken, so sie treiben sollen, wollen wir ein wenig davon reden. Denn wie es in andern Sachen, so den Glauben, Liebe und Geduld betrifft, ist nicht genug allein lehren und unterrichten, sondern auch täglich vermahnen, also ist es auch hier not mit Predigen anhalten, dass man nicht lass noch verdrossen werde, weil wir wissen und fühlen, wie der Teufel sich immer wider solches und alles christliche Wesen sperrt und, soviel er kann, davon hetzt und treibt. Und zum ersten haben wir den hellen Text in den Worten Christi: DAS TUT zu meinem Gedächtnis. Das sind Worte, die uns heißen und befehlen, dadurch denen, so Christen wollen sein, aufgelegt ist, das Sakrament zu genießen. Darum wer Christi Jünger will sein, mit denen er hier redet, der denke und halte sich auch dazu, nicht aus Zwang, als von Menschen gedrungen, sondern dem Herrn Christo zu Gehorsam und Gefallen. Sprichst du aber: steht doch dabei: „so oft ihrs tut“; da zwingt er ja niemand, sondern lässts in freier Willkür. Antwort: Ist wahr; es steht aber nicht, dass mans nimmermehr tun solle, ja weil er eben die Worte spricht: „so oft als ihrs tut“, ist dennoch mit eingebunden, dass mans oft tun soll, und ist darum hinzugesetzt, dass er will das Sakrament frei haben ungebunden an sonderliche Zeit, wie der Juden Osterlamm, welches sie alle Jahre nur einmal und eben auf den vierzehnten Tag des ersten vollen Mondes des Abends mussten essen und keinen Tag überschreiten. Als ob er damit sagen wollte: Ich setze euch ein Osterfest oder Abendmahl, das ihr nicht eben diesen Abend des Jahres einmal, sondern oft sollt genießen, wann und wo ihr wollt, nach eines jeglichen Gelegen-heit und Notdurft, an keinem Ort oder bestimmte Zeit angebunden; wiewohl der Papst hernach solches umgekehrt und wieder ein Judenfest daraus gemacht hat. Also siehst du, dass nicht also Freiheit gelassen ist, als möge mans verachten. Denn das heiße ich verachten, wenn man so lange Zeit hingeht und sonst kein Hindernis hat und doch seiner nimmer begehrt. Willst du solche Freiheit haben, so habe eben so mehr Freiheit, dass du kein Christ seiest und nicht glauben noch beten dürfest; denn das ist ebenso wohl Christi Gebot als jenes. Willst du aber ein Christ sein, so musst du je zuweilen diesem Gebot genug tun und gehorchen; denn solches Gebot sollte dich je bewegen, in dich selbst zu schla-gen und zu denken: Siehe, was bin ich für ein Christ? Wäre ichs, so würde ich mich je ein wenig sehnen nach dem, das mein Herr befohlen hat zu tun. Und zwar, weil wir uns so fremd dazu stellen, spürt man wohl, was wir für Christen in dem Papsttum gewesen sind, als die aus lauter Zwang und Furcht menschlichen Gebotes sind hingegangen, ohne Lust und Liebe und Christi Gebot nie ange-sehen. Wir aber zwingen noch dringen niemand, darfs auch niemand zu Dienst oder Gefallen tun. Das soll dich aber reizen und selbst zwingen, dass ers haben will und ihm gefällt. Von Menschen soll man sich weder zum Glauben noch irgendeinem guten Werk nötigen lassen. Wir tun nicht mehr, denn dass wir sagen und vermahnen, was du tun sollst, - nicht um unsert-, sondern um deinetwillen. Er lockt und reizt dich; willst du solches verachten, so antworte selbst dafür. Das soll nun das erste sein, sonderlich für die Kalten und Nachlässigen, dass sie sich selbst bedenken und erwecken. Denn das ist gewißlich wahr, als ich wohl bei mir selbst erfahren habe und ein jeglicher bei sich finden wird, wenn man sich also davon zieht, dass man von Tag zu Tage je mehr roh und kalt wird und gar in Wind schlägt; sonst muss man sich je mit dem Herzen und Gewissen befragen und stellen als ein Mensch, der gern wollte mit Gott recht stehen. Je mehr nun solches geschieht, je mehr das Herz erwärmt und entzündet wird, dass es nicht gar erkalte. Sprichst du aber: Wie denn, wenn ich fühle, dass ich nicht geschickt bin? Antwort: Das ist meine Anfechtung auch, sonderlich aus dem alten Wesen her unter dem Papst, da man sich so zermartert hat, dass man ganz rein wäre und Gott kein Tädlein an uns fände; davon wir so schüchtern davor geworden sind, dass flugs sich jedermann entsetzt und gesagt hat: weh, du bist nicht würdig. Denn da hebt Natur und Vernunft an zu rechnen unsere Unwürdigkeit gegen das große, teuere Gut, da findet sichs denn als eine finstere Laterne gegen die lichte Sonne oder Mist gegen Edelsteine, und weil sie solches sieht, will sie nicht hinan und harrt, bis sie geschickt werde, so lange, dass eine Woche die andere und ein halbes Jahr das andere bringt. Aber wenn du das willst ansehen, wie fromm und rein du seist, und darnach arbeiten, dass dich nichts beiße, so musst du nimmermehr hinzukommen. Derhalben soll man hier die Leute unterscheiden. Denn was freche und wilde sind, denen soll man sagen, dass sie davonbleiben; denn sie sind nicht geschickt, Vergebung der Sünde zu empfangen, als die sie nicht begehren und ungern wollten fromm sein. Die andern aber, so nicht solche rohe und lose Leute sind und gern fromm wären, sollen sich nicht davon sondern, ob sie gleich sonst schwach und gebrechlich sind. Wie auch S. Hilarius gesagt hat: Wenn eine Sünde nicht also getan ist, dass man jemand billig aus der Gemeinde stoßen und für einen Unchristen halten kann, soll man nicht vom Sakrament bleiben, auf dass man sich nicht des Lebens beraube. Denn so weit wird niemand kommen, dass er nicht viel täglicher Gebrechen im Fleisch und Blut behalte. Darum sollen solche Leute lernen, dass die höchste Kunst ist, dass man wisse, dass unser Sakrament steht nicht auf unserer Würdigkeit. Denn wir lassen uns nicht taufen, als die würdig und heilig sind, kommen auch nicht zur Beichte, als seien wir rein und ohne Sünde, sondern das Widerspiel, als arme, elende Menschen, und eben darum, dass wir unwürdig sind; es wäre denn ein solcher, der keine Gnade und Absolution begehrt noch sich dächte zu bessern. Wer aber gern wollte Gnade und Trost haben, soll sich selbst treiben und niemand davon schrecken lassen und also sprechen: Ich wollte wohl gern würdig sein, aber ich komme auf keine Würdigkeit, sondern auf dein Wort, dass du es befohlen hast, als der gern dein Jünger wäre; meine Würdigkeit bleibe, wo sie kann. Es ist aber schwer, denn das liegt uns immer im Wege und hindert, dass wir mehr auf uns selbst denn auf Christi Wort und Mund sehen. Denn die Natur wollte gerne so handeln, dass sie gewiß auf sich selbst möchte fußen und stehen, wo nicht, so will sie nicht hinan. Das sei genug vom ersten Stück. Zum andern ist über das Gebot auch eine Verheißung, wie auch oben gehört, die uns aufs allerstärkste reizen und treiben soll; denn da stehen die freundlichen, lieblichen Worte: „das ist mein Leib, FÜR EUCH gegeben“, „das ist mein Blut, FÜR EUCH vergossen zur Vergebung der Sünden“. Diese Worte, habe ich gesagt, sind keinem Stock noch Stein gepredigt, sondern mir und dir, sonst möchte er eben so mehr stillschweigen und kein Sakrament einsetzen; darum denke und bringe dich auch in das „euch“, dass er nicht umsonst mit dir rede. Denn da bietet er uns an alle den Schatz, so er uns vom Himmel gebracht hat, dazu er uns auch sonst lockt aufs allerfreundlichste, als da er spricht Mt 11,28: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nun ists je Sünde und Schande, dass er uns so herzlich und treu fordert und vermahnt zu unserm höchsten und besten Gut, und wir uns so fremd dazu stellen und so lange hingehen, bis wir gar erkalten und verhärten, dass wir keine Lust noch Liebe dazu haben. Man muss je das Sakrament nicht ansehen als ein schädliches Ding, dass man davor laufen solle, sondern als eitel heilsame, tröstliche Arznei, die dir helfe und das Leben gebe, - beide, an Seele und Leib. Denn wo die Seele genesen ist, da ist dem Leibe auch geholfen. Wie stellen wir uns denn dazu, als sei es ein Gift, daran man den Tod fresse? Das ist wohl wahr, dass, die es verachten und unchristlich leben, nehmens sich zum Schaden und Verdammnis, denn solchen soll nichts gut noch heilsam sein, eben als einem Kranken, der aus Mutwillen isst und trinkt, das ihm vom Arzt verboten ist. Aber die, so ihre Schwachheit fühlen und ihrer gern los wären und Hilfe begehren, sollens nicht anders ansehen und brauchen denn als ein köstlich Theriak wider das Gift, so sie bei sich haben. Denn hier sollst du im Sakrament empfangen aus Christi Mund Vergebung der Sünde, welche bei sich hat und mit sich bringt Gottes Gnade und Geist, mit allen seinen Gaben, Schutz, Schirm und Gewalt wider Tod und Teufel und alles Unglück. Also hast du von Gottes wegen beides, des Herrn Christi Gebot und Verheißung; zudem soll dich deinethalben treiben deine eigene Not, so dir auf dem Hals liegt, um welcher willen solches Gebieten, Locken und Verheißen geschieht. Denn er spricht selbst: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, das ist, die mühselig und beschwert sind mit Sünde, Furcht des Todes, Anfechtung des Fleisches und Teufels. Bist du nun beladen und fühlst deine Schwachheit, so gehe fröhlich und lasse dich erquicken, trösten und stärken. Denn willst du harren, bis du solches loswerdest, dass du rein und würdig zum Sakrament kommest, so musst du ewig davonbleiben; denn da fällt er das Urteil und spricht: Bist du rein und fromm, so bedarfst du meiner nichts und ich deiner wieder nichts. Darum heißen die allein unwürdig, die ihr Gebrechen nicht fühlen noch wollen Sünder sein. Sprichst du aber: Wie soll ich ihm denn tun, wenn ich solche Not nicht fühlen kann noch Hunger und Durst zum Sakrament empfinden? Antwort: Denselbigen, die so gesinnt sind, dass sie sich nicht fühlen, weiß ich keinen besseren Rat, denn dass sie doch in ihren Busen greifen, ob sie auch Fleisch und Blut haben. Wo du denn solches findest, so gehe doch dir zu gut in S. Pauli Epistel zu den Galatern und höre, was dein Fleisch für ein Früchtlein sei: Offenbar sind aber (spricht er) die Werke des Fleisches, als da sind: Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Geilheit, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifer, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Hass, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen. Derhalben, kannst du es nicht fühlen, so glaube doch der Schrift, die wird dir nicht lügen, als die dein Fleisch besser kennt denn du selbst. Ja, weiter schließt S. Paulus Röm. 7,18: Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes. Darf S. Paulus solches von seinem Fleisch reden, so wollen wir auch nicht besser noch heiliger sein. Dass wirs aber nicht fühlen, ist soviel desto ärger; denn es ist ein Zeichen, dass ein aussätziges Fleisch ist, das da nichts empfindet und doch wütet und um sich frisst. Doch wie gesagt, bist du so gar erstorben, so glaube doch der Schrift, so das Urteil über dich spricht. Und Summa, je weniger du deine Sünde und Gebrechen fühlst, je mehr Ursache hast du hinzugeben, Hilfe und Arznei zu suchen. Zum andern: Siehe dich um, ob du auch in der Welt seiest; oder weißt dus nicht, so frage deine Nachbarn darum. Bist du in der Welt, so denke nicht, dass es an Sünden und Not werde fehlen. Denn fange nur an und stelle dich, als wolltest du fromm werden und beim Evangelio bleiben, und siehe zu, ob dir niemand werde feind werden, dazu Leid, Unrecht, Gewalt tun, weiter zu Sünden und Untugend Ursache geben. Hast du es nicht erfahren, so lass dirs die Schrift sagen, die der Welt allenthalben solchen Preis und Zeugnis gibt. Über das wirst du ja auch den Teufel um dich haben, welchen du nicht wirst gar unter dich treten, weil es unser Herr Christus selbst nicht hat umgehen können. Was ist nun der Teufel? Nichts anderes, denn wie ihn die Schrift nennt: ein Lügner und ein Mörder, ein Lügner, das Herz zu verführen von Gottes Wort und verblenden, dass du deine Not nicht fühlst noch zu Christo kommen könntest; ein Mörder, der dir keine Stunde das Leben gönnt. Wenn du sehen solltest, wie viel Messer, Spieße und Pfeile alle Augenblick auf dich gezielt werden, du solltest froh werden, so oft du könntest zu dem Sakrament zu kommen. Dass man aber so sicher und unachtsam dahingeht, macht nichts anders denn dass wir nicht denken noch glauben, dass wir im Fleische und der bösen Welt oder unter des Teufels Reich seien. Darum versuche und übe solches wohl und gehe nur in dich selbst oder siehe dich ein wenig um und halte dich nur an die Schrift. Fühlst du alsdann auch nichts, so hast du desto mehr Not zu klagen, beiden, Gott und deinem Bruder. Da lass dir raten und für dich bitten und lasse nur nicht ab so lange, bis der Stein von deinem Herzen komme, so wird sich die Not wohl finden und du gewahr werden, dass du zweimal tiefer liegst denn ein anderer armer Sünder und des Sakraments viel mehr bedürfest wider das Elend, so du leider nicht siehst, ob Gott Gnade gebe, dass du es mehr fühlst und je hungriger dazu würdest, sonderlich weil dir der Teufel so zusetzt und ohne Unterlass auf dich hält, wo er dich erhasche und bringe dich um Seele und Leib, dass du keine Stunde vor ihm sicher sein kannst. Wie bald möchte er dich plötzlich in Jammer und Not gebracht haben, wenn du dichs am wenigsten versiehst? Solches sei nur zur Vermahnung gesagt nicht allein für uns Alte und Große, sondern auch für das junge Volk, so man in der christlichen Lehre und Verstand aufziehen soll; denn damit könnte man desto leichter die zehn Gebote, Glauben und Vaterunser in die Jugend bringen, dass es ihnen mit Lust und Ernst einginge und also von Jugend auf übten und sich gewöhnten. Denn es ist doch nun fast mit den Alten geschehen, dass man solches und anders nicht erhalten kann, man ziehe denn die Leute auf, so nach uns kommen sollen und in unser Amt und Werk treten, auf dass sie auch ihre Kinder fruchtbarlich erziehen, damit Gottes Wort und die Christenheit erhalten werde. Darum wisse ein jeglicher Hausvater, dass er aus Gottes Befehl und Gebot schuldig ist, seine Kinder solches zu lehren oder lernen lasse, was sie können sollen. Denn weil sie getauft sind und in die Christenheit aufgenommen, sollen sie auch solcher Gemeinschaft des Sakraments genießen, auf dass sie uns mögen dienen und nütze werden, denn sie müssen uns doch helfen glauben, lieben, beten und wider den Teufel fechten.