Luther - Beichte

 

Der große Katechismus Dr. Martin Luthers

nach der Fassung des deutschen Konkordienbuches ( Dresden 1580 )

 

Luthers Ausführungen zur Beichte im Großen Katechismus:

 

Eine kurze Vermahnung zu der Beicht

 

Von der Beichte haben wir allzeit so gelehrt, dass sie solle frei sein, und des Papstes Tyrannei niedergelegt, dass wir alle seines Zwanges los sind und befreit von der unerträglichen Bürde und Last, die der Christenheit aufgelegt ist. Denn bisher ist kein schwerer Ding gewesen, welches wir alle versucht haben, als dass man jedermann zur Beichte gezwungen hat bei der höchsten Todsünde, dazu dasselbige so hoch beschweret hat und die Gewissen gemartert mit so mancher-lei Sünden zu erzählen, dass niemand hat können rein genug beichten. Und das das Ärgste gewesen ist, dass niemand gelehret noch gewusst hat, was die Beichte wäre oder wie nutz und tröstlich, sondern haben eitel Angst und Höllen-qualen draus gemacht, dass man‘s hat tun müssen und doch keinem Ding so feind ist gewesen. Diese drei Stück sind uns nun abgenommen und geschenkt, dass wir‘s aus keinem Zwang noch Furcht dürfen tun, auch der Qual entledigt sind, die Sünde alle genau aufzuzählen. Zudem haben wir den Vorteil, dass wir wissen wie wir sie zur Seligkeit gebrauchen sollen zum Trost und Stärkung unseres Gewissens. Aber solches kann nun jedermann und haben‘s leider allzu gründlich gelernt, dass sie tun, was sie wollen, und diese Freiheit verstehen, als sollten oder dürften sie nie mehr beichten. Denn das hat man bald begriffen, was uns besonders wohltut, und über die Maßen leicht eingeht, wo das Evangelium (besonders) sanft und weich ist. Aber solche Säu (habe ich gesagt) sollten nicht bei dem Evangelium sein noch etwas davon haben, sondern unter dem Papst bleiben und sich treiben und plagen lassen, indem sie beichten müßten, fasten etc. mehr als je zuvor. Denn wer das Evangelium nicht glauben, noch darnach leben will und tun, was ein Christ tun soll, der soll es auch nicht genießen. Was wäre das, dass Du nur Nutzen haben wolltest und nichts dazu tun noch darauf irgendeine Mühe wenden? Darum wollen wir solchen nichts gepredigt haben, auch nach unserem Willen nichts von unserer Freiheit zugestehen noch einen Nutzen haben lassen, sondern wieder den Papst oder seinesgleichen über sie (kommen / regieren) lassen, der sie zwinge wie ein rechter Tyrann. Denn es gehöret doch unter den Pöbel, der dem Evangelium nicht gehorchen will, nichts anderes als ein solcher Stockmeister, der Gottes Teufel und Henker sei. Den anderen aber, die ihn gerne sagen lassen, müssen wir immer predigen, anhalten, reizen und locken, dass sie solchen teuren und tröstlichen Schatz, durchs Evangelium vorgetragen, nicht umsonst hingehen lassen. Darum wollen wir auch von der Beicht etwas reden, um die Einfältigen zu unterrichten und zu ver-mahnen. Zum ersten habe ich gesagt, dass außer diese Beicht, von der wir hier reden, es noch zweierlei Beichte gibt, die eher heißen mögen ein allgemeines Bekenntnis aller Christen, nämlich, wenn man Gott selbst allein oder dem Nächsten allein beichtet und um Vergebung bittet, welche auch im Vaterunser gefasst sind, wenn wir sprechen: „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern“ etc. Ja, das ganze Vaterunser ist nichts anderes als eine solche Beichte. Denn was ist unser Gebet (anderes), als dass wir bekennen, was wir nicht haben noch tun, was wir schuldig sind, und begehren Gnade und ein fröhliches Gewissen? Solche Beicht soll und muss ohn Unterlass geschehen, solang wir leben. Denn darin besteht eigentlich ein christliches Wesen, dass wir uns als Sünder erkennen und um Gnade bitten. Ganz genau so die andere Beicht, welche ein Jeglicher vor seinem Nächsten tut, - die ist auch ins Vater-unser eingebunden, dass wir untereinander unsere Schuld beichten und vergeben, ehe wir vor Gott kommen und um Vergebung bitten. Nun sind wir allesamt alle untereinander schuldig, darum sollen und müssen wir wohl öffent-lich vor jedermann beichten und darf keiner den anderen scheuen. Denn es geht wie im Sprichwort: „Ist einer fromm, so sind sie es alle“, und tut keiner Gott und dem Nächsten, was er soll. Doch ist neben der allgemeinen Schuld auch eine besondere, wenn einer einen andern erzürnt hat, damit er es diesem abbitte. Also haben wir im Vaterunser zwei Absolutionen: Dass uns vergeben ist, was wir verschuldet haben gegen beide, Gott und den Nächsten, wenn wir dem Nächsten vergeben und uns mit ihm versöhnen. Außer solcher öffentlichen, täglichen und nötigen Beichte gibt es nun diese vertrauliche (heimliche) Beichte, welche zwischen einem Bruder allein geschieht, und dazu dienen soll, wenn uns etwas besonders beschäftigt oder anficht, womit wir uns herumschlagen und nicht zufrieden sein können, uns auch im Glauben nicht stark genug finden, dass wir solches einem Bruder klagen, Rat, Trost und Stärke zu holen, wann und sooft wir wollen. Denn es ist nicht in ein Gebot gefasst, wie jene zwei, sondern einem jeglichen, der es braucht, anheim gegeben, dass er‘s, wenn nötig gebrauche. Und das kommt daher und ist geordnet, weil Christus selbst die Absolution seiner Christenheit in den Mund gelegt und befohlen hat, uns von den Sünden zu lösen. Wo nun ein Herz ist, das seine Sünde fühlt und Trost begehrt, hat es hier eine sichere Zuflucht, in der es Gottes Wort findet und hört, dass ihn Gott durch einen Menschen von Sünden entbindet und losspricht. So merke nun, wie ich oft gesagt habe, dass die Beichte aus zwei Stücken besteht. Das erste ist unser Werk und Tun, dass ich meine Sünde klage und begehre Trost und Erquickung meiner Seele. Das andere ist ein Werk, das Gott tut, der mich durch das Wort, dem Menschen in den Mund gelegt, losspricht von meinen Sünden, welches auch das Vornehmste und Edelste ist, da es lieblich und tröstlich machet. Nun hat man bisher allein unser Werk hervorgehoben und nicht weiter gedacht als dass wir nur ja säuberlich gebeichtet hätten, und das nötigste andere Stück nicht geachtet und gepredigt, geradeso als wäre es für sich allein ein gutes Werk, mit dem man Gott bezahlen sollte, und wo die Beichte nicht vollkommen und auf das allergenaueste getan werde, sollte die Absolution nicht gelten und die Sünde nicht vergeben sein. Damit hat man die Leute soweit getrieben, dass jedermann verzweifelt sein musste (über der Aufgabe), so rein zu beichten (wie es gar nicht möglich war) und kein Gewissen hat zur Ruhe kommen mögen, noch auf die Absolution vertrauen können. Auf diese Weise haben sie uns die liebe Beichte nicht nur unnütz, sondern auch schwer und sauer gemacht mit merklichem Schaden und Verderben für die Seele. Darum sollen wir es so ansehen, dass wir die zwei Stück weit voneinander scheiden und setzen und unser Werk gering, aber Gottes Wort hoch und groß achten und nicht hingehen, als wollten wir ein köstlich Werk tun und ihm geben, sondern nur von ihm nehmen und empfangen. Du darfst nicht kommen und sagen, wie krumm oder böse Du bist. Bist Du ein Christ, so weiß ich‘s ohnehin, bist Du keiner, so weiß ich‘s noch viel mehr. Vielmehr darum geht es, dass Du Deine Not klagst und Dir helfen und ein fröhlich Herz und Gewissen machen lässt. Dazu darf Dich niemand mit Geboten dringen, sondern wir sagen so: Wer ein Christ ist oder gerne sein wollte, der hat hier einen treuen Rat, hinzugehen und den köstlichen Schatz zu holen. Bist Du kein Christ oder begehrst Du solchen Trost nicht, so überlassen wir Dich dem Zwang eines anderen. Damit heben wir nun des Papstes Tyrannei, Gebot und Zwang insgesamt auf, da wir sie nirgends zu brauchen, denn wir lehren (wie gesagt) also: Wer nicht willig und um der Absolution willen zur Beicht geht, der lasse es bleiben. Ja, wer auch hingeht wegen seines Werkes, wie rein er seine Beicht getan habe, der bleibe nur fort. Wir vermahnen aber, Du sollst beichten und Deine Not nicht deswegen anzeigen, dass Du es als ein Werk tust, sondern hörst, was Gott Dir sagen lässt. Das Wort, sage ich, oder Absolutio sollst Du ansehen, groß und teuer achten wie einen trefflichen großen Schatz, der mit allen Ehren und Dank anzunehmen ist. Wenn man solches ausführlich darlegte und dazu die Not anzeigte, welche uns dazu bewegen und reizen sollte, bräuchte man nicht viel zu nötigen oder zu zwingen, - sein eigen Gewissen würde einen jeglichen wohl treiben und so bange machen, dass er seines Gewissens froh würde und wie ein armer elender Bettler täte, der hört, dass man an einem Ort eine reiche Spende, Geld oder Kleider austeilt: Da bräuchte man keinen Büttel, der ihn triebe und schlüge, er würde wohl selbst laufen aus Leibeskräften, damit er nichts versäumt. Wenn man nun ein Gebot daraus machte, dass alle Bettler dahin laufen sollten, ohne Angabe von Gründen, und verschwiege außerdem, was man da suchen und holen sollte, was wäre das anders, als das man hinginge mit Unlust und nicht daran dächte, etwas zu holen, sondern nur sich sehen zu lassen als ein armer und elender Bettler? Daraus würde man nicht viel Freude oder Trost schöpfen, sondern nur dem Gebot umso feindlicher werden. Genauso haben bisher die Prediger des Papstes dieses treffliche reiche Almosen und unaussprechlichen Schatz verschwiegen und nur mit Haufen hingetrieben zu nichts anderem, als dass man sähe wie unreine und unflätige Leute wir sind. Wer konnte da gerne zur Beicht gehen? Wir aber sagen nicht, dass man sehen solle, wie voll Unflats Du bist, und sich darin spiegeln, sondern raten und sagen: Bist Du arm und elend, so gehe hin und gebrauche die heilsame Arznei. Wer nun sein Elend und Not fühlt, wird wohl ein solches Verlangen darnach kriegen, dass er mit Freuden hinzulaufe. Welche es aber nicht achten und von selbst kommen, die lassen wir auch gehen. Sie sollen aber wissen, dass wir sie nicht für Christen halten. So lehren wir nun, wie trefflich, köstlich und tröstlich Ding es ist um die Beichte, und vermahnen dazu, dass man solch teuer Gut nicht verachte ange-sichts unserer großen Not. Bist Du aber ein Christ, so bedarfst Du wiederum meines Zwanges noch des Papstes Gebot in keiner Weise, sondern wirst Dich wohl selbst zwingen und mich darum bitten, dass Du solches haben kannst. Willst Du es aber verachten und so stolz ohne Beichte hingehen, so fällen wir das Urteil, dass Du kein Christ bist und auch das Sakrament nicht genießen sollst. Denn Du verachtest, was kein Christ verachten soll und machst damit, dass Du keine Vergebung der Sünde haben kannst. Und dies ist ein sicheres Zeichen, dass Du auch das Evangelium verachtest. Summa, wir wollen von keinem Zwang wissen. Wer aber unsere Predigt und Vermahnung nicht hört noch sie befolgt, mit dem haben wir nichts zu schaffen und soll auch nichts von dem Evangelium haben. Wärst Du ein Christ, so sollstest Du froh werden, dass Du gleich über hundert Meilen danach laufen möchtest und Dich nicht nötigen lässt, sondern kommst und uns zwingst. Denn da muss der Zwang umgekehrt werden, dass wir ins Gebot und Du in die Freiheit kommst; wir drängen niemand, sondern er-dulden, dass man zu uns dringet, gleichwie man uns verpflichtet, dass wir predigen und das Sakrament reichen müssen. Darum, wenn ich zur Beichte vermahne, tue ich nichts anderes, als dass ich vermahne, ein Christ zu sein. Wenn ich Dich dahin bringe, so habe ich Dich auch wohl zur Beicht gebracht. Denn welche darnach verlanget, dass sie gerne fromme Christen und ihrer Sünde ledig wären und fröhliche Gewissen haben wollten, die haben schon den rechten Hunger und Durst, dass sie nach dem Brot schnappen, so wie ein gejagter Hirsch durch Hitze und Durst entbrennt, wie der 42. Psalm sagt: „Wie der Hirsch schreiet nach den Wasserbächen, so schreiet meine Seele, Gott, zu Dir“, das ist, wie ein solcher sich sehnt und bangt nach einem frischen Quell, so angst und bange ist mir nach Gottes Wort oder Absolution und Sakrament etc. Siehe, das wäre recht von der Beicht gelehret, wenn man Lust und Liebe dazu machen könnte, dass die Leute herzukämen und uns nachliefen, mehr als wir gerne hätten. Die Papisten lassen wir plagen sich und andere Leute, welche solchen Schatz nicht achten und vor sich selbst zuschließen. Uns aber lasset die Hände aufheben, Gott loben und danken, dass wir zu solcher Erkenntnis und Gnade gekommen sind.