Ursinus - Vaterunser
Ursinus, Zacharias / Olevian, Caspar
Der Heidelberger Katechismus (1563)
Ursinus und Olevian im Heidelberger Katechismus über das Vaterunser:
Vom Gebet
116. Warum ist das Gebet für den Christen nötig?
Weil es das vornehmste Stück der Dankbarkeit ist, welche Gott von uns fordert, und weil Gott seine Gnade und heiligen Geist allein denen geben will, die ihn mit herzlichem Seufzen ohne Unterlaß darum bitten und ihm dafür danken.
117. Was gehört zu einem solchen Gebet, das Gott gefällt und von ihm erhört wird?
Erstens, daß wir allein den einzigen, wahren Gott, der sich uns in seinem Wort geoffenbart hat, um alles, was er uns zu bitten befohlen hat, von Herzen anrufen; zum anderen, daß wir unsere Not und unser Elend recht gründlich erkennen, um uns vor dem Angesicht seiner Majestät zu demütigen; zum dritten, daß wir diesen festen Grund haben, daß er unser Gebet, unbeachtet dessen, daß wir unwürdig sind, doch um des Herrn Christi willen sicher erhören will, wie er uns in seinem Wort verheißen hat.
118. Was hat uns Gott befohlen, von ihm zu bitten?
Alle geistliche und leibliche Notdurft, die der Herr Christus in dem Gebet, das er uns selbst gelehrt hat, zusammengefaßt hat.
119. Wie lautet dieses Gebet?
Unser Vater, der du bist in den Himmeln! Geheiliget werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Unser täglich Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
120. Warum hat uns Christus befohlen, Gott so anzureden: Unser Vater?
Damit er gleich im Anfang unseres Gebetes in uns die kindliche Furcht und Zu-versicht gegen Gott erwecke, nämlich daß Gott unser Vater durch Christus ge-worden ist und uns deshalb viel weniger verweigere, worum wir ihn im Glauben bitten, als unsere Väter uns irdische Dinge verweigern.
121. Warum wird hinzugefügt: Der du bist in den Himmeln?
Damit wir von der himmlischen Majestät Gottes nicht irdisch denken und von seiner Allmacht alle Notdurft des Leibes und der Seele erwarten.
122. Was ist die erste Bitte?
Geheiligt werde dein Name.
Das heißt: Gib uns, daß wir dich recht erkennen und dich in allen deinen Werken, in denen deine Allmacht, Weisheit, Güte, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Wahrheit leuchten, heiligen, rühmen und preisen. Gib uns auch, daß wir unser ganzes Leben, Gedanken, Worte und Werke danach ausrichten, daß dein Name um unseretwillen nicht gelästert, sondern geehrt und gepriesen werde.
123. Was ist die zweite Bitte?
Zu uns komme dein Reich.
Das heißt: Regiere uns durch dein Wort und deinen Geist, damit wir uns dir je länger je mehr unterwerfen; erhalte und mehre deine Kirche und zerstöre die Werke des Teufels und alle Gewalt, die sich wider dich erhebt, und alle bösen Ratschläge, die wider dein heiliges Wort erdacht werden, bis die Vollkommenheit deines Reiches herzukomme, in dem du alles in allen sein wirst.
124. Was ist die dritte Bitte?
Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Das heißt: Verleihe, daß wir und alle Menschen unserem eigenen Willen absa-gen und deinem allein guten Willen ohne alles Widersprechen gehorchen, damit jedermann sein Amt und seinen Beruf so willig und treu ausrichte wie die Engel im Himmel. Auf wen beziehen sich die ersten drei Bitten? Sie beziehen sich auf Gott und seine Verherrlichung.
125. Was ist die vierte Bitte?
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Das heißt: Du willst uns mit aller leiblichen Notdurft versorgen, damit wir dadurch erkennen, daß du der einzige Ursprung alles Guten bist und daß ohne deinen Segen weder unsere Sorgen und Arbeit noch deine Gaben gedeihen, und damit wir deshalb unser Vertrauen von allen Kreaturen abziehen und allein auf dich setzen. Auf wen beziehen sich die letzten drei Bitten? Sie beziehen sich auf uns, das ist, unsere Notdurft an Leib und Seele.
126. Was ist die fünfte Bitte?
Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Das ist: Du mögest uns armen Sündern alle unsere Missetat, auch das Böse, das uns noch immer anhängt, um des Blutes Christi willen nicht zurechnen, wie wir ja auch das Zeugnis deiner Gnade in uns finden, damit unser ganzer Vorsatz ist, unserem Nächsten von Herzen zu verzeihen.
127. Was ist die sechste Bitte?
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse und von dem Bösen.
Das heißt: Weil wir aus uns selbst so schwach sind, daß wir nicht einen Augen-blick bestehen können, und dazu unsere abgesagten Feinde, der Teufel, die Welt und unser eigenes Fleisch nicht aufhören, uns anzufechten, mögest du uns erhalten und stärken durch die Kraft deines heiligen Geistes, damit wir ihnen festen Widerstand leisten und in diesem geistlichen Streit nicht unterliegen, bis wir endlich den vollkommenen Sieg erreichen.
128. Wie beendest du dies Gebet?
Denn dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Das heißt: Dies alles bitten wir von dir, da du, als unser König und aller Dinge mächtig, uns alles Gute geben willst und kannst, und daß dadurch nicht wir, sondern dein heiliger Name ewig gepriesen werden soll.
129. Was bedeutet das Wörtlein Amen?
Amen heißt, das soll wahr und gewiß sein. Denn mein Gebet ist viel gewisser von Gott erhört, als ich in meinem Herzen fühle, daß ich solches von ihm begehre.