Bullinger - gute Werke

 

Heinrich Bullinger

Das Zweite Helvetische Bekenntnis

(Confessio Helvetica Posterior 1566)

 

Bullinger über die guten Werke:

 

XVI. KAPITEL: DER GLAUBE; DIE GUTEN WERKE UND IHR LOHN; DAS „VERDIENST“ DES MENSCHEN

 

Der christliche Glaube ist nicht bloß eine Meinung oder menschliche Über-zeugung, sondern ein felsenfestes Vertrauen, eine offenbare und beständige Zustimmung des Herzens und ein ganz gewisses Erfassen der Wahrheit Gottes, die in der Heiligen Schrift und im Apostolischen Glaubensbekenntnis dargelegt ist, ja Gottes selbst als des höchsten Gutes und besonders der göttlichen Verheißung, und Christi, der der Inbegriff aller Verheißungen ist. Dieser Glaube aber ist ganz und gar Gottes Gabe, die Gott allein um seiner Gnade willen und nach seinem Ermessen seinen Erwählten schenkt, wann, wem und in welchem Maße er will, und zwar durch den Heiligen Geist mittelst der Predigt des Evangeliums und des gläubigen Gebetes. Dieser Glaube hat auch sein Wachs-tum, und wenn dieses nicht ebenfalls von Gott gegeben wäre, hätten die Apostel nicht gesagt: „Herr, mehre uns den Glauben!“ (Luk. 17,5). All das, was wir bis jetzt vom Glauben gesagt haben, haben die Apostel schon vor uns so gelehrt. Paulus sagt nämlich: „Es ist aber der Glaube eine Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr. 11,1). Ferner sagt er: „So viele Verheißungen Gottes es gibt, in Christus ist das Ja, daher durch ihn auch das Amen“ (2. Kor. 1,20), und an die Philipper schreibt er: „Euch wurde verliehen .... an Christus zu glauben“ (Phil. 1,29). Sodann: „Gott hat jedem das Maß seines Glaubens zugeteilt“ (Röm. 12,3). Ferner sagt er: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“ (2. Thess. 3,2) und: „Nicht alle sind dem Evangelium gehorsam geworden“ (Röm. 10,16). Aber auch Lukas bezeugt: „Soviele zum ewigen Leben bestimmt waren, wurden gläubig“ (Apg. 13,48). Deshalb wiederum nennt Paulus den Glauben einen „Glauben der Auserwählten Gottes“ (Tit. 1,1). Und weiter: „Also kommt der Glaube aus der Predigt, die Predigt aber durch das Wort Christi“ (Röm. 10,17). An anderen Stellen seiner Briefe fordert er oft auf, um den Glauben zu bitten. Der gleiche Apostel nennt den Glauben „durch Liebe wirksam“ (Gal. 5,6). Dieser Glaube bringt unserem Gewissen Frieden und eröffnet uns den freien Zugang zu Gott, so dass wir mit Vertrauen zu ihm selbst kommen und von ihm erlangen, was uns nützlich ist und wir nötig haben. Der Glaube hält uns auch in den Schranken der Pflicht, die wir Gott und dem Nächsten schulden, und stärkt unsere Geduld in der Trübsal, formt und schafft das wahre Bekenntnis und erzeugt, um mit einem Worte alles zu sagen, gute Früchte und gute Werke aller Art. Wir lehren daher, dass wirklich gute Werke nur aus dem lebendigen Glauben durch den Heiligen Geist entstehen und dass sie von den Gläubigen getan werden nach dem Willen und Gebot des Wortes Gottes. Denn der Apostel Petrus sagt: „So bringet nun aber auch allen Fleiß auf und erweiset in eurem Glauben die Tugend, in der Tugend die Erkenntnis, in der Erkenntnis die Enthaltsamkeit“ (2. Pet. 1,5ff.). Wir haben früher gesagt, das Gesetz Gottes, das Gottes Wille ist, gebe uns die Richtlinien für die guten Werke. Und der Apostel Paulus sagt: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr euch der Unzucht enthaltet ... und dass niemand seinen Bruder im Handel übervorteilt“ (1. Thess. 4,3ff.). Denn Gott billigt nicht Werke und Gottesdienste nach eigenem Gutdünken, solche nennt Paulus „selbsterwählten Gottes-dienst“ (Kol. 2,23). Von diesen spricht auch der Herr im Evangelium: „Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie Lehren vortragen, welche Gebote von Menschen sind“ (Mt. 15,9). Wir verwerfen deshalb Werke dieser Art; solche dagegen billigen wir, die dem Willen und Gebot Gottes entsprechen, und dringen auch darauf. Diese sollen jedoch nicht getan werden mit der Absicht, damit das ewige Leben verdienen zu wollen. „Denn die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben“, wie der Apostel sagt (Röm. 6,23); auch nicht, damit wir von den Leuten gesehen werden, was der Herr (Mt. 6) verwirft, noch aus Gewinnsucht, was er ebenfalls verwirft (Mt. 23), sondern zur Ehre Gottes, zur Zierde unserer Berufung, und um Gott unsere Dankbarkeit zu beweisen und zum Nutzen unseres Nächsten. Ferner sagt unser Herr im Evangelium: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, preisen“ (Mt. 5,16). Aber auch der Apostel Paulus schreibt: „Ich ermahne euch ..., der Berufung würdig zu wandeln“ (Eph. 4,1) und: „Alles, was ihr tut mit Wort oder mit Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem Vater, durch ihn dankt“ (Kol. 3,17), „ein jeder sehe nicht bloß auf das Seine, sondern auch auf das, was der andern ist“ (Phil. 2.4), und: „Auch die Unsrigen sollen lernen, sich guter Werke zu befleißigen für die notwendigen Bedürfnisse, damit sie nicht ohne Frucht seien“ (Tit. 3,14). Obwohl wir also mit dem Apostel Paulus lehren, dass der Mensch ganz umsonst durch den Glauben an Christus gerechtfertigt werde und nicht durch irgendwelche guten Werke, wollten wir deswegen doch gute Werke nicht gering schätzen oder verwerfen, da wir wissen, dass der Mensch weder dazu erschaffen noch durch den Glauben wiedergeboren sei, damit er müßig gehe, sondern vielmehr unaufhörlich tue, was gut und nützlich ist. Denn im Evangelium sagt der Herr: „So bringt jeder gute Baum gute Früchte“ (Mt. 7,17; 12,33); ferner: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der trägt viel Frucht“ (Joh. 15,5). Weiter sagt der Apostel: „Denn sein Gebilde sind wir, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, zu denen uns Gott zum voraus bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollten“ (Eph. 2,10), und abermals: „Er hat sich für uns dahingegeben, um uns von allem gesetzwidrigen Wesen zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum Eigentum zu reinigen, das eifrig wäre in guten Werken“ (Tit. 2,14). Wir verwerfen daher alle, die gute Werke verachten und faseln, darum brauche man sich nicht zu kümmern, und sie seien unnütz. Indessen meinen wir ja nicht, wie schon früher gesagt wurde, durch gute Werke selig zu werden, oder jene seien zur Erlangung der Seligkeit unent-behrlich, als ob ohne sie nie jemand selig geworden sei. Denn durch die Gnade und durch die Wohltat von Christus allein werden wir selig. Die Werke aber müssen notwendig aus dem Glauben entstehen. So wird die Seligkeit nur im uneigentlichen Sinn mit ihnen in Verbindung gebracht; ganz eigentlich wird sie nur der Gnade zugeschrieben. Wohlbekannt ist ja jenes Apostelwort: „Wenn aber durch Gnade, dann nicht mehr aus Werken. Wenn aber aus Werken, dann ist es nicht mehr Gnade, weil sonst das Werk nicht mehr Werk ist“ (Röm. 11,6). Werke, die von uns aus dem Glauben getan werden, gefallen Gott, und diese billigt er, weil jene Menschen, die gute Werke tun, wegen ihres Glaubens an Christus Gott gefallen, und da diese Werke überdies durch den Heiligen Geist aus Gottes Gnade getan sind. Der heilige Petrus nämlich sagt: „...in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt, ist ihm willkommen“ (Apg. 10,35). Und Paulus sagt: „Deshalb hören wir ... nicht auf, für euch zu beten und zu bitten..., damit ihr des Herrn würdig wandelt zu allem Wohlgefallen, Frucht bringend in allem guten Werk“ (Kol. 1,9-10). Daher lehren wir eifrig wahre, und nicht falsche oder philosophische Tugenden, sondern wirklich gute Werke und die eigentlichen Christenpflichten, und schärfen sie allen mit großem Fleiß und Ernst ein; wir tadeln aber die Faulheit und Heuchelei all derer, die zwar mit dem Munde das Evangelium rühmen und bekennen, aber durch ein schändliches Leben verunehren, indem wir ihnen in diesem Stücke die schrecklichen Drohungen Gottes vor Augen stellen, doch auch die reichen Verheißungen Gottes und seine freigebigen Belohnungen, und sie so ermahnen, trösten und tadeln. Wir lehren nämlich auch, dass Gott denen, die Gutes tun, reichen Lohn gebe, nach dem Wort des Propheten: „Wehre deiner Stimme das Weinen, denn deine Mühe soll noch belohnt werden“ (Jer. 31,16; Jes. 4). Auch hat der Herr im Evangelium gesagt: „Freuet euch und frohlocket, weil euer Lohn groß ist in den Himmeln“ (Mt. 5,12), und: „Wer einem dieser Geringen auch nur einen Becher kalten Wassers zu trinken gibt, wahrlich, ich sage euch: Ihm soll sein Lohn nicht mangeln“ (Mt. 10,42). Doch schreiben wir diesen Lohn, den der Herr gibt, nicht dem Verdienst des Empfangenden zu, sondern der Güte, Freigebigkeit und Wahrhaftigkeit Gottes, der ihn verheißt und gibt, da er ja niemandem etwas schuldig ist, und dennoch verheißen hat, dass er seinen treuen Dienern Lohn geben werde; und er gibt ihnen diesen auch, damit sie ihn ehren. Allerdings findet sich auch in den Werken der Heiligen noch vieles, was Gottes nicht würdig ist, und recht viel Unvollkommenes. Da aber Gott diejenigen, die Gutes tun, gnädig annimmt und die um Christi willen Tätigen herzlich liebt, so bezahlt er auch die verheißene Belohnung. Sonst wird nämlich unsere Gerechtigkeit verglichen mit einem „befleckten Gewand“ (Jes. 64,6). Aber auch der Herr sagt im Evangelium: „So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, sagen: wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren“ (Luk. 17,10). Wenn wir also auch lehren, dass Gott für unsere guten Werke eine Belohnung gebe, so lehren wir doch zugleich mit Augustin: Gott kröne an uns nicht unser Verdienst, sondern seine eigenen Gaben. Und was wir daher an Lohn empfan-gen, betrachten wir ebenfalls als Gnade, und zwar mehr als Gnade, denn als Lohn, weil wir ja, was wir Gutes tun, mehr durch Gottes Hilfe, als aus uns selbst tun, und weil Paulus sagt: „Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? Hast du es aber doch empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?“ (1. Kor. 4,7). Diesen Schluss zieht auch der selige Blut-zeuge Cyprian: „An keiner Hinsicht haben wir uns zu rühmen, denn nichts ist unser.“ So wenden wir uns gegen diejenigen, die menschliche Verdienste derart verteidigen, dass sie Gottes Gnade entleeren.