Calvin - Sakramente

 

Johannes Calvin handelt im Genfer Katechismus von den Sakramenten der Taufe und des Abendmahls:

 

5. Von den Sakramenten.

 

LEHRER:

Gibt es außer dem Worte nicht noch ein anderes Mittel, wodurch Gott sich uns mitteilt?

SCHÜLER:

Mit der Predigt seines Wortes hat er die Sakramente verbunden.

LEHRER:

Was ist ein „Sakrament“?

SCHÜLER:

Ein äußeres Zeugnis der göttlichen Liebe zu uns, welches durch ein sichtbares Zeichen geistige Gnadengaben abbildet, um Gottes Verheißungen in unsern Her-zen zu besiegeln, und so ihre Wahrheit zu bekräftigen.

LEHRER:

Hat das sichtbare Zeichen solche Kraft, dass es die Gewissen in der Zuversicht des zu erlangenden Heils befestigt?

SCHÜLER:

An sich selbst hat es diese Kraft zwar nicht, aber nach dem Willen Gottes, weil es zu diesem Zweck angeordnet ist.

LEHRER:

Da es eigentlich das Geschäft des heiligen Geistes ist, die Verheißungen Gottes in unserm Gemüte zu besiegeln, wie kannst du es denn den Sakramenten bei-legen?

SCHÜLER:

Es ist ein großer Unterschied zwischen dem heiligen Geist und den Sakramen-ten. Das Herz zu bewegen und zu rühren, den Verstand zu erleuchten und das Gewissen fest und ruhig zu machen, das ist in der Tat nur als das Werk des Geistes zu betrachten und von ihm herzuleiten, und das Lob gebührt ihm allein; des ungeachtet bedient sich Gott der Sakramente, als Werkzeuge zweiten Ranges, und gebraucht sie, wie es ihm beliebt, jedoch so, dass die Wirksamkeit des Geistes dadurch nicht beschränkt wird.

LEHRER:

Du meinst also, dass die Kraft und Wirksamkeit des Sakramentes nicht in dem äußern Zeichen enthalten sei, sondern gänzlich vom heiligen Geist ausgehe?

SCHÜLER:

Das ist meine Meinung, wie es nämlich dem Herrn gefallen hat, seine Kraft durch seine Werkzeuge zu offenbaren, nach der ihnen gegebenen Bestimmung. Das geschieht, ohne die Kraft seines Geistes zu beschränken.

LEHRER:

Kannst du mir die Ursache angegeben, weshalb er so verfährt?

SCHÜLER:

Auf diese Weise kommt er unsrer Schwachheit zu Hilfe. Denn wären wir ganz geistig, so könnten wir, wie die Engel, ihn und seine Gnadenbeweisungen geistig erkennen. Allein da wir die Bürden des irdischen Leibes tragen, so bedürfen wir der Bilder und Spiegel, um die geistigen und himmlischen Dinge gleichsam auf irdische Weise zu schauen. Auf anderem Wege können wir nicht dahin gelangen. Es ist aber heilsam für uns, dass wir an den Verheißungen Gottes alle unsre Fähigkeiten üben, damit sie uns desto gewisser werden.

LEHRER:

Wenn es wahr ist, dass die Sakramente deshalb von Gott eingesetzt sind, damit sie unserm Bedürfnis zu Hilfe kämen, müsste der nicht der Anmaßung beschul-digt werden, der da meinte, er könne sie entbehren, weil sie nicht notwendig seien?

SCHÜLER:

Allerdings. Und wer sich ihres Gebrauches freiwillig enthält, als bedürfte er ihrer nicht, der verachtet Christum, verschmäht seine Gnade, und vernichtet die Kraft des Geistes.

LEHRER:

Aber wie kann durch die Sakramente, deren Gute und Böse ohne Unterschied sich bedienen, Zuversicht zur Befestigung der Gewissen und eine völlige Ge-mütsruhe bewirkt werden?

SCHÜLER:

Obgleich die Gottlosen die in den Sakramenten ihnen dargebotenen Gnaden-gaben Gottes, so weit sich dieselben auf sie beziehen, wenn ich so sagen darf, zunichte machen, so bewirken sie dadurch doch nicht, dass die Kraft und Eigen-tümlichkeit der Sakramente aufhört.

LEHRER:

Auf welche Weise also und wann bringen die Sakramente ihre Wirkung hervor?

SCHÜLER:

Wenn wir sie im Glauben empfangen, und in ihnen nur Christum und seine Gna-de suchen.

LEHRER:

Woher behauptest du, dass Christus darin gesucht werden müsse?

SCHÜLER:

Ich bin der Meinung, dass man nicht bei den sichtbaren Zeichen stehen bleiben müsse, um dadurch das Heil zu erlangen, oder sich einbilden, die Kraft, Gottes Gnade zu verleihen, sei in ihnen verborgen, dass man vielmehr das Zeichen als ein Hilfsmittel zu betrachten habe, um auf geradem Wege zu Christo zu gelan-gen, und bei ihm Heil und dauerndes Glück zu suchen.

LEHRER:

Da der Glaube nötig ist, wenn man sie gebrauchen will, wie kannst du denn sagen, sie seien uns zur Befestigung des Glaubens gegeben, um uns von der Gewissheit der Verheißungen Gottes zu vergewissern?

SCHÜLER:

Es ist nicht genug, dass der Glaube in uns angefangen ist, wenn er nicht ununter-brochen wächst und von Tage zu Tage immer mehr zunimmt. Um ihn zu nähren, zu stärken, zu ermahnen, hat der Herr die Sakramente eingesetzt. Das lehrt auch Paulus, wenn er sagt, dass sie zur Besiegelung der göttlichen Verheißungen die-nen.

LEHRER:

Allein ist das nicht ein Zeichen des Unglaubens, den Verheißungen Gottes nicht fest zu vertrauen, wenn sie nicht auf irgendeine Weise bestätigt werden?

SCHÜLER:

Es zeigt freilich einen schwachen Glauben an, der auch bei Kindern Gottes angetroffen wird, ohne dass sie deshalb aufhören, Gläubige zu sein, wiewohl sie nur einen schwachen und unvollkommenen Glauben haben. Denn solange wir auf dieser Welt leben, hangen unserm Fleische immer noch Überreste des Unglaubens an, von denen wir uns nicht anders befreien können, als durch ein festes Fortschreiten bis an das Ende unsers Lebens. Daher muss man immer vorwärts schreiten.

LEHRER:

Wie viel Sakramente hat die christliche Kirche?

SCHÜLER:

Es sind ihrer zwei, zum gemeinschaftlichen Gebrauche für alle Gläubigen be-stimmt.

LEHRER:

Welche sind es?

SCHÜLER:

„Die Taufe“ und „das heilige Abendmahl“.

LEHRER:

Welche Ähnlichkeit findet zwischen ihnen Statt und welcher Unterschied?

SCHÜLER:

Die Taufe ist für uns gleichsam der Eintritt in die Kirche. Sie gibt uns das Zeug-nis, dass wir, die wir sonst fremd und entfernt wären, in die Familie Gottes aufgenommen und zu den Seinen gezählt werden. Das Abendmahl aber be-zeugt, dass Gott sich uns als Vater beweiset, indem er unsern Seelen Nahrung gibt.

LEHRER:

Um beide Wahrheiten desto deutlicher zu erkennen, wollen wir von jedem Sakrament besonders handeln. Was ist zuvörderst die Bedeutung der Taufe?

SCHÜLER:

Es gehören dazu zwei Stücke. Denn sie stellt uns „die Vergebung der Sünden“ und „die geistliche Wiedergeburt“ dar.

LEHRER:

Was hat aber das Wasser für Ähnlichkeit mit diesen Dingen, dass es sie dar-stellt?

SCHÜLER:

Die Vergebung der Sünden ist eine Art Bad, wodurch die Seele von ihren Flecken gereinigt wird, wie man den Schmutz des Körpers mit Wasser abwäscht.

LEHRER:

Und die Wiedergeburt?

SCHÜLER:

Da der Anfang derselben die Ertötung unsrer Natur ist, ihr Ende aber, dass wir neue Kreaturen werden, so wird uns ein Bild des Todes vorgehalten, indem Wasser auf unser Haupt gegossen wird, ein Bild des neuen Lebens aber, weil wir nicht unter dem Wasser bleiben, sondern nur für einen Augenblick gleichsam ins Grab steigen, um sogleich wieder emporzukommen.

LEHRER:

Glaubst du, dass das Wasser ein Bad unsrer Seele sei?

SCHÜLER:

Keineswegs. Diese Ehre darf dem Blute Christi nicht entzogen werden, welches darum vergossen ist, damit es alle unsre Flecken hinweg nehme und uns vor Gott rein und unbefleckt darstelle. Die Frucht dieser Reinigung empfangen wir, wenn der heilige Geist unser Gewissen mit jenem heiligen Blute besprengt. Die Gewissheit gibt uns das Sakrament.

LEHRER:

Aber behauptest du von dem Wasser nur, dass es ein bloßes Bild der Abwa-schung sei?

SCHÜLER:

Ich halte es für ein Bild, jedoch so, dass etwas Wahres damit verbunden ist. Denn wenn Gott uns seine Gnadengaben verheißt, so täuscht er uns nicht. Daher ist es gewiss, dass in der Taufe Vergebung der Sünden und Erneuerung des Lebens in der Taufe uns dargeboten, und von uns empfangen werde.

LEHRER:

Wird diese Gnade Allen ohne Unterschied zu Teil?

SCHÜLER:

Viele verschließen ihr durch ihre Bosheit den Weg, und machen, dass sie an ihnen ihre Kraft verliert. Daher wird die Frucht nur den Gläubigen zu Teil. Allein dadurch verliert das Sakrament nichts von seinem Wesen.

LEHRER:

Wodurch aber wird die Wiedergeburt bewirkt?

SCHÜLER:

Durch den Tod und die Auferstehung Christi. Denn diese Kraft hat sein Tod, dass durch ihn unser alter Mensch gekreuzigt, und die Sündhaftigkeit unsrer Natur ge-wissermaßen begraben wird, so, dass sie nicht weiter in uns herrscht. Dass wir aber umgeschaffen werden zu einem neuen Leben, der Gerechtigkeit Gottes zu gehorchen, das ist eine Wohltat seiner Auferstehung.

LEHRER:

Wie werden uns durch die Taufe diese Güter zu Teil?

SCHÜLER:

Wenn wir die durch dieselbe uns dargebotenen Verheißungen nicht verschmä-hen und auf diese Weise unfruchtbar machen, so werden wir mit Christo beklei-det und mit seinem Geiste beschenkt.

LEHRER:

Was haben wir aber zu tun, um die Taufe auf die rechte Weise zu gebrauchen?

SCHÜLER:

Der rechte Gebrauch der Taufe beruht auf dem Glauben und der Buße, das heißt, darauf, dass wir zuvörderst mit fester Zuversicht glauben, dass wir, von allen Flecken durch das Blut Christi gereinigt, Gott wohl gefallen, dass wir ferner empfinden, wie sein Geist in uns wohnt, und es durch unsre Werke Andern be-weisen, und dass wir uns unermüdet üben, unser Fleisch zu töten und der Ge-rechtigkeit Gottes zu gehorchen.

LEHRER:

Wenn das zum rechten Gebrauch der Taufe erfordert wird, wie geht es zu, dass wir Kinder taufen?

SCHÜLER:

Es ist nicht notwendig, dass der Taufe immer Glaube und Buße vorhergeht; beides wird nur von denen gefordert, die dem Alter nach dazu fähig sind. Es ist daher genug, dass die Kinder, wenn sie erwachsen sind, die Kraft der Taufe bewähren.

LEHRER:

Kannst du beweisen, dass dies nicht ungereimt ist?

SCHÜLER:

Ja, wenn man nur einräumt, dass der Herr nichts angeordnet hat, was mit der Vernunft streitet. Denn Moses und alle Propheten lehren, dass die Beschneidung ein Zeichen der Reue gewesen, und nach dem Zeugnis des Paulus war sie auch ein Sakrament des Glaubens, und doch sehen wir, dass Gott die Kinder nicht da-von ausgeschlossen hat.

LEHRER:

Sind sie also aus demselben Grunde, der bei der Beschneidung galt, jetzt auch zur Taufe zuzulassen?

SCHÜLER:

Allerdings aus demselben Grunde, da die Verheißungen, welche Gott ehemals dem israelitischen Volke gegeben hat, jetzt über die ganze Welt ausgebreitet sind.

LEHRER:

Schließest du daraus, dass wir uns auch des Zeichens bedienen müssen?

SCHÜLER:

Wer beides gehörig erwägt, wird die Richtigkeit dieses Schlusses einsehen. Denn Christus hat uns der Gnade, welche vormals den Israeliten war zu Teil geworden, nicht so teilhaft gemacht, dass sie für uns zweifelhafter und unvoll-kommener wäre; vielmehr hat er sie noch offenbarer und reicher über uns aus-gegossen.

LEHRER:

Meinst du, dass, wenn man die Kinder nicht tauft, die Gnade Gottes dadurch beschränkt werde, so, dass man sagen könnte, sie sei durch die Erscheinung Christi vermindert worden?

SCHÜLER:

Das ist offenbar. Denn wenn man das Zeichen wegnähme, welches so nach-drucksvoll die göttliche Barmherzigkeit bezeugt und die Verheißungen Gottes bekräftigt, so fehlte uns der herrliche Trost, dessen die Alten sich erfreuten.

LEHRER:

Du meinst also, da Gott im alten Testament, um zu zeigen, dass er der Vater der Kinder sei, wollte, dass die Verheißung ihrer Seligkeit durch ein sichtbares Zei-chen an ihrem Leibe ausgedrückt würde, so wäre es seiner unwürdig, wenn die Gläubigen seit der Erscheinung Christi nicht eine ebenso kräftige Bestätigung haben sollten, da uns doch dieselbe Verheißung bestimmt ist, die einst den Vätern gegeben war, und Gott uns in Christo einen noch einleuchtendern Beweis seiner Gnade dargeboten hat.

SCHÜLER:

Das ist meine Meinung. Da es überdies bekannt ist, dass die Kraft und das Wesen der Taufe auch den Kindern zu Gute kommen soll, so geschähe ihnen Unrecht, wenn man ihnen das Zeichen versagte, das doch geringer ist, als die Sache selbst.

LEHRER:

Auf welche Bedingung soll man denn die Kinder taufen?

SCHÜLER:

Zum Zeugnis, dass sie Erben sind des Segens, der den Nachkommen der Gläubigen verheißen ist, damit sie, wenn sie erwachsen sind, das Wesen der Taufe erkennen und die Früchte derselben genießen und hervorbringen.

LEHRER:

Wir wollen zum „Abendmahl“ übergehen. Zuerst möchte ich hören, welche Be-deutung es hat.

SCHÜLER:

Es ist von Christo eingesetzt, um uns zu lehren und zu überzeugen, dass unsre Seelen durch die Gemeinschaft seines Leibes und Blutes zur Hoffnung des ewi-gen Lebens gebildet werden.

LEHRER:

Warum wird aber durch „das Brot“ der Leib, durch „den Wein“ das Blut des Herrn abgebildet?

SCHÜLER:

Wir lernen daraus, dass der Leib des Herrn dieselbe Kraft habe, unsre Seelen geistlich zu ernähren, wie das Brot zur Ernährung des Leibes und zur Erhaltung des gegenwärtigen Lebens. Wie der Wein das Herz des Menschen erfreut, die Kraft wiederherstellt, und den ganzen Menschen stärkt, ebenso wirkt das Blut des Herrn auf unsre Seele.

LEHRER:

Genießen wir also den Leib und das Blut des Herrn?

SCHÜLER:

Das ist meine Meinung. Denn da die Hoffnung unsrer Seligkeit ganz darauf be-ruht, dass der Gehorsam, den er seinem Vater bewies, uns zugerechnet wird, als wäre er von uns bewiesen, so ist es notwendig, dass wir ihn besitzen; denn er teilt uns seine Gaben nicht auf andere Weise mit, als indem er der unsre wird.

LEHRER:

Hat er sich uns aber nicht damals gegeben, als er sich in den Tod hingab, um uns von der Verdammnis des Todes zu erlösen und mit seinem Vater zu ver-söhnen?

SCHÜLER:

Das ist wahr; aber es genügt uns nicht, wenn wir ihn nicht in uns aufnehmen, damit die Wirkung und Frucht seines Todes uns zu Teil werde.

LEHRER:

Wird er aber nicht durch den Glauben in uns aufgenommen?

SCHÜLER:

Das gestehe ich; allein ich füge noch hinzu, dies geschehe, wenn wir nicht allein glauben, dass er gestorben sei, um uns vom Tode zu erretten, und auferweckt, um uns das Leben zu erwerben, sondern wenn er auch in uns wohnt, und wir so mit ihm vereint sind, wie die Glieder mit ihrem Haupte, damit wir durch diese Ver-einigung aller seiner Gnadengeschenke teilhaft werden.

LEHRER:

Gelangen wir zu dieser Gemeinschaft durch das Abendmahl allein?

SCHÜLER:

Nein. Denn auch durch das Evangelium wird nach dem Zeugnisse des Paulus Christus uns mitgeteilt. Und Paulus lehrt das mit Recht, indem wir darin ver-nehmen, dass wir Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein sind, dass er das lebendige Brot ist, das vom Himmel kam, unsre Seelen zu ernähren, dass wir Eins sind mit ihm, wie er mit dem Vater, und dergleichen.

LEHRER:

Was verdanken wir sonst noch dem Sakrament, oder welchen Nutzen haben wir weiter davon?

SCHÜLER:

Dass die erwähnte Gemeinschaft uns bestätigt und erhöht wird; denn obgleich Christus uns in der Taufe, wie im Abendmahl dargeboten wird, so nehmen wir ihn doch nicht ganz, sondern nur einem Teile nach in uns auf.

LEHRER:

Was empfangen wir nun unter dem Zeichen des Brotes?

SCHÜLER:

Den Leib Christi, der, wie er ein Mal für uns geopfert ist, um uns mit Gott zu ver-söhnen, so auch jetzt uns dargereicht wird, damit wir gewiss wissen, dass wir an der Versöhnung Teil haben.

LEHRER:

Was unter dem Zeichen des Weines?

SCHÜLER:

Wie Christus sein Blut Ein Mal zur Genugtuung für die Sünder und als Preis unsrer Erlösung vergossen hat, so reicht er es uns jetzt dar, zu trinken, damit wir den Segen genießen, der dadurch für uns herbeigeführt werden soll.

LEHRER:

Diesen beiden Antworten nach weiset das Abendmahl des Herrn uns hin auf seinen Tod, damit wir der Kraft desselben teilhaft werden.

SCHÜLER:

Allerdings; denn durch diesen Tod ist das einzige und ewige Opfer vollendet, das zu unsrer Seligkeit genug ist. Es ist also nichts weiter übrig, als dass wir seine Frucht genießen.

LEHRER:

Also ist das Abendmahl nicht zu dem Ende gestiftet, dass Gott der Leib seines Sohnes geopfert werde?

SCHÜLER:

Keineswegs. Er allein hat diesen Vorzug, da er ein ewiger hoher Priester ist. Und so lauten auch seine Worte: „Nehmet und esset!“ Er gebietet uns hier nicht, sei-nen Leib zu opfern, sondern nur, ihn zu essen.

LEHRER:

Warum gebrauchen wir zwei Zeichen?

SCHÜLER:

Dadurch kommt der Herr unsrer Schwachheit zu Hilfe, um uns deutlicher zu lehren, dass er nicht nur eine Speise, sondern auch ein Trank für unsre Seele sei, damit wir nirgend sonst, als bei ihm allein, Nahrung für unser geistiges Leben suchen.

LEHRER:

Sollen Alle gleichmäßig und ohne Ausnahme beide Zeichen gebrauchen?

SCHÜLER:

So bringt es der Befehl Christi mit sich. Es wäre der größte Frevel, diesen aufzu-heben und etwas gegen denselben zu tun.

LEHRER:

Haben wir im Abendmahl nur die Zusicherung der erwähnten Gnadengaben, oder werden sie uns in der Tat dargereicht?

SCHÜLER:

Da Christus, unser Herr, die Wahrheit selbst ist, so ist es nicht zweifelhaft, dass er die Verheißungen, welche er uns in denselben gibt, auch erfüllt, und den Bil-dern Wahrheit verleiht. Daher zweifle ich nicht, dass, wie er es durch die Worte und Zeichen bezeugt, uns auch seines Wesens teilhaft macht, um uns mit sich zu Einem Leben zu vereinen.

LEHRER:

Aber wie kann das geschehen, da der Leib Christi im Himmel ist, wir aber noch auf Erden wallen?

SCHÜLER:

Dies bewirkt er durch die wunderbare und geheimnisvolle Kraft seines Geistes, dem es nicht schwer ist, das durch Entfernung des Orts sonst Getrennte zu ver-einigen.

LEHRER:

Du bildest dir also nicht ein, dass der Leib in dem Brote und das Blut im Kelche enthalten sei?

SCHÜLER:

Durchaus nicht. Ich bin vielmehr der Meinung, dass wir, um das zu erlangen, was die Zeichen bedeuten, die Seele zum Himmel erheben müssen, wo Christus ist, und von wo wir ihn als Richter und Erlöser erwarten, dass man ihn aber in den irdischen Elementen vergebens suchen würde.

LEHRER:

Um das, was du gesagt hast, zusammenzufassen, du behauptest, im Abendmahl seien zwei Dinge, nämlich Brot und Wein, die wir mit den Augen sehen, mit den Händen berühren, mit dem Geschmacke kosten, sodann Christus, den unsre Seele, als ihre eigentümliche Nahrung genießt?

SCHÜLER:

Ja, und zwar so, dass auch die Auferstehung der Leiber uns dadurch, wie durch ein Pfand, zugesichert wird, da auch sie Teil haben an den Zeichen des Lebens.

LEHRER:

Welches aber ist der rechte und vorschriftsmäßige Gebrauch dieses Sakra-ments?

SCHÜLER:

Der, den Paulus schildert, dass der Mensch sich prüft, ehe er hinzutritt.

LEHRER:

Was solle er bei dieser Prüfung untersuchen?

SCHÜLER:

Ob er ein echtes Glied Christi sei.

LEHRER:

An welchen Merkmalen wird er dies erkennen?

SCHÜLER:

Wenn er wahre Buße und wahren Glauben hat, wenn er gegen seine Neben-menschen aufrichtige Liebe hegt, wenn er sein Herz von Hass und Feindschaft rein erhält.

LEHRER:

Verlangst du von den Menschen vollkommnen Glauben und vollkommne Liebe?

SCHÜLER:

Beide sollen allerdings rein und ungefärbt sein. Aber vergebens würde man eine solche Vollendung fordern, bei der nichts vermisst würde, da sie in dem Grade nie bei einem Menschen gefunden werden kann.

LEHRER:

Hindert uns denn die Unvollkommenheit, an der wir leiden, nicht, uns ihm zu nahen?

SCHÜLER:

Im Gegenteil würde das Abendmahl, wenn wir vollkommen wären, keinen Nutzen für uns haben, da es ein Mittel sein soll, unsre Schwachheit zu unterstützen und unsrer Unvollkommenheit aufzuhelfen.

LEHRER:

Dienen diese beiden Sakramente nicht auch zu einem andern Zweck?

SCHÜLER:

Sie sind auch Zeichen und gleichsam Unterpfänder unsers Bekenntnisses.

Denn durch den Gebrauch derselben bekennen wir vor den Menschen unsern Glauben, und bezeugen, dass wir mit ihnen uns zum Christentum halten.

LEHRER:

Wenn Jemand ihren Gebrauch verschmähte, wie wäre über ihn zu urteilen?

SCHÜLER:

Dies wäre eine versteckte Verleugnung Christi. Wer sich nicht für einen Christen bekennen will, der ist wenigstens unwert, den Christen beigezählt zu werden.

LEHRER:

Ist es genug für das ganze Leben, beide Sakramente Ein Mal empfangen zu haben?

SCHÜLER:

Ein Mal getauft zu sein, reicht hin, und es ist nicht erlaubt, die Taufe zu wieder-holen. Mit dem Abendmahl aber verhält es sich anders.

LEHRER:

Was findet denn für ein Unterschied Statt?

SCHÜLER:

Durch die Taufe macht uns der Herr zu seinen Kindern, und nimmt uns in seiner Kirche auf, so dass wir ganz ihm angehören. Nachdem er uns der Zahl der Seinen einverleibt hat, bezeugt er im Abendmahl, dass er uns immerfort ernähren will.

LEHRER:

Kommt die Verwaltung der Taufe und des Abendmahls Allen ohne Unterschied zu?

SCHÜLER:

Keineswegs. Sie ist das eigentliche Geschäft derer, denen das öffentliche Lehr-amt übertragen ist. Denn die Kirche durch die Lehre des Heils weiden und die Sakramente verwalten, sind Dinge, die durch ein festes Band miteinander ver-knüpft sind.

LEHRER:

Kannst du mir das durch ein Zeugnis der Schrift beweisen?

SCHÜLER:

Den Befehl zu taufen, hat Christus insbesondere den Aposteln gegeben; bei der Feier des Abendmahls hat er uns befohlen, seinem Beispiel zu folgen. Die Evan-gelisten aber erzählen, dass er es selbst ausgeteilt habe.

LEHRER:

Dürfen aber die Geistlichen, welchen die Austeilung übertragen ist, Alle ohne Unterschied zulassen?

SCHÜLER:

Was die Taufe betrifft, so findet keine Unterscheidung Statt, da sie nur den Kindern erteilt wird. Bei dem Abendmahl aber muss der Diener der Kirche sich hüten, dass er es Niemand reiche, der als ein Unwürdiger bekannt ist.

LEHRER:

Warum das?

SCHÜLER:

Weil es nicht ohne Herabwürdigung und Entweihung des Sakraments geschehen könnte.

LEHRER:

Hat aber nicht Christus den Judas, obgleich er gottlos war, der Teilnahme ge-würdigt?

SCHÜLER:

Ich gestehe es, allein zu seiner Zeit, da seine Gottlosigkeit noch verborgen war. Denn obgleich Christus sie kannte, so war sie doch noch nicht offenbar und den Menschen bekannt geworden.

LEHRER:

Wie wird es denn den Heuchlern ergehen?

SCHÜLER:

Der Geistliche kann sie nicht als Unwürdige zurückweisen, sondern er muss abwarten, bis Gott ihre Schlechtigkeit aufdeckt, so, dass sie Allen bekannt wird.

LEHRER:

Wie aber, wenn er selbst Jemand als unwürdig kennt, oder darauf aufmerksam gemacht ist?

SCHÜLER:

Das würde nicht genug sein, um solche von der Teilnahme ausschließen zu dürfen, wenn nicht eine gehörige Untersuchung und das Urteil der Gemeine hinzukäme.

LEHRER:

Es ist also der Mühe wert, dass in den Gemeinen eine Kirchenzucht festgestellt werde?

SCHÜLER:

Gewiss; sonst sind sie nicht gehörig geordnet und zusammengesetzt. Das ge-schieht aber, indem man Älteste wählt, welche Sittenrichter sein und darüber wachen sollen, dass kein Ärgernis gegeben werde; diejenigen, von denen sie wissen, dass sie des Abendmahlsgenusses nicht fähig sind, und zum Sakrament nicht ohne Entweihung desselben zugelassen werden können, sollen sie von der Teilnahme zurückweisen.