Hunnius - gute Werke

 

Nikolaus Hunnius: Kurzer Inhalt Dessen,

Was ein Christ von Göttlichen unnd Geistlichen Dingen

zu wissen und zu gleuben bedürfftig (1625)

 

Nikolaus Hunnius über die guten Werke:

 

(Von guten Werken.)

 

527. Diese Frucht des Glaubens und der Gerechtigkeit, nämlich die guten Werke, sind ausführlicher zu betrachten, und ist davon in acht zu nehmen: 1) welches die rechten guten Werke seien, 2) ob sie vollkommen seien, 3) ob sie notwendig seien, 4) ob sie eine Belohnung haben, und welche die sei?

a. welches die rechten guten Werke seien? Gute Werke sind, die aus einem gehorsamen und gläubigen Herzen nach Gottes Willen und Befehl getan werden. Denn gleichwie oftmals Knechte oder Mägde etwas guter Meinung verrichten, dadurch sie gedenken ihrer Herren Gunst zu erlangen; weil aber solche Werke nicht nach dem Willen des Hausherrn oder der Hausfrau getan sind, wird damit ihr Zorn erweckt, dass sie anstatt der Belohnung Strafe ausgeben. Gleich also dienen wir Gott vergeblich mit solchen Werken, die nichts sind, denn Menschen-gebot, wie §. 498. weitläufiger gehandelt ist.

 

529. b. ob die guten Werke vollkommen seien? Die guten Werke der Gerechtig-keit sind unvollkommen, erstlich, weil an allen guten Werken die Sünde klebt, mit welcher sie verunreinigt werden. Denn „alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid“, Jes. 64,6. Röm. 7,18: „wollen habe ich wohl, aber vollbringen das gute finde ich nicht. Denn das gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das böse, das ich nicht will, das tue ich“; v. 21: „so finde ich mir nun ein Gesetz, der ich will das gute tun, dass mir das böse anhanget“; Gal. 5,17: „das Fleisch ge-lüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch; dieselbigen sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollet“.

 

529. Darnach, weil neben den guten Werken die bösen immer mit einlaufen, sintemal niemand sagen kann: „ich bin rein in meinem Herzen und lauter von Sünden“, Sprüchw. 20,9. „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir an Gott haben sollen“, Röm. 3,23. Alle Heiligen müssen um Vergebung der Sünden bitten, Ps. 32,6. Ob nun schon jemand dem ganzen Gesetz gehor-sam wäre und fehlete an einem, der müsste des ganzen Gesetzes schuldig sein, Jak. 2,10., dessen Gehorsam wäre verloren, seine guten Werke unvollkommen und ungiltig; denn es will Gott einen völligen Gehorsam haben, so dass er auch alle verflucht, so nicht alle Worte des Gesetzes erfüllen, 5 Mose 27,26. Gal. 3,10.

 

530. c. ob gute Werke notwendig seien. Die guten Werke sind notwendig, nicht dass sie die Gerechtigkeit mit sich bringen und wirken, wie zuvor bewiesen ist, sondern dass man Gottes Willen, der gute Werke von uns fordert, so viel möglich Gehorsam leiste. Gott hat aber geboten (Kol. 1,10.): „wandelt würdiglich dem Herrn zu allem Gefallen und seid fruchtbar in allen guten Werken“; 1 Petr. 2,24: „Christus hat unsere Sünde geopfert an seinem Leibe auf dem Holz, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben“; Tit. 3,8: „solches will ich, dass du fest lehrest, auf dass die, so an Gott gläubig sind, in einem Stand guter Werke gefunden werden“.

 

531. dass, nachdem wir von Gott zu seinem Volk sind angenommen worden, durch unsere guten Werke sein Name unter andern Völkern gepreiset und andere zu der Gottseligkeit bewegt werden, Matth. 5,16: „lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und Gott preisen“.

 

532. dass wir uns nicht von neuem mit Werken der Ungerechtigkeit besudeln, den Zorn Gottes und ewige Verdammnis auf uns laden, laut der klaren Schrift-zeugnisse, 2 Petr. 2,20.22: „das letzte ist ärger worden denn das erste. Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprüchwort: der Hund frisset wieder, was er gespeiet hat, und die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder im Kot“; Röm. 8,13: „wo ihr nach dem Fleisch lebet, werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben“; 1 Kor. 6,9: „wisset ihr nicht, dass die Ungerechten werden das Reich Gottes nicht ererben? Weder die Hurer noch Abgöttischen etc. werden das Reich Gottes ererben“.

 

533. dass man den versprochenen Lohn guter Werke erlange. Die guten Werke haben ihre Belohnung, beides in dieser Zeit und in dem zukünftigen ewigen Leben; Jes. 3,10: „prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben, denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen“; 1 Tim. 4,8: „die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens“.

Auf dieses Leben ist große Verheißung der Gottseligkeit gesetzt; Jes. 1,19: „wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen“; Pred. 2,26: „dem Menschen, der ihm gefällt, gibt er Weisheit, Vernunft und Freude“. Gott hat 5 Mose 28,1.ff. den Stämmen Israel den Segen gesprochen: „wenn du des Herrn Stimme gehorchen wirst, so werden über dich kommen alle diese Segen und werden dich treffen. Gesegnet wirst du sein in der Stadt, gesegnet auf dem Acker; gesegnet wird sein die Frucht deines Leibes, die Frucht deines Landes, die Frucht deines Viehes und die Früchte deiner Ochsen und die Früchte deiner Schafe; gesegnet wird sein dein Korb und dein übriges; gesegnet wirst du sein, wenn du eingehest; gesegnet, wenn du ausgehest“.

 

534. In das zukünftige Leben gehören diese Verheißungen: Jes. 57,1: „die Ge-rechten werden weggerafft vor dem Unglück und die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern“; Sprüchw. 10,7: „das Gedächtnis der Gerechten bleibet im Segen“; 1 Korinth. 3,8: „ein jeglicher wird seinen Lohn empfahen nach seiner Arbeit“; 2 Kor. 5,10: „wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfahe, nachdem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse“; 1 Kor. 4,5: „der Herr wird ans Licht bringen, was im finstern verborgen ist, und den Rat der Herzen offen-baren; alsdann wird einem jeglichen von Gott Lob widerfahren“; Matth. 19,29: „wer verlässet Häuser oder Brüder oder Schwester oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wirds hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben“.

 

535. Aber diese Belohnung muss nicht also verstanden werden, gleich als gebe Gott einen Lohn aus, und zwar nach Verdienst der guten Werke, so er vermöge seiner Gerechtigkeit zu geben schuldig wäre. Denn es ist und bleibt eine unver-diente Belohnung, so aus Güte und Gnade herkommt. Gleichwie ein Vater seinen Sohn, der ihm alle seine Befehle auszurichten schuldig ist, aus väterlicher Zu-neigung den Gehorsam mit einer besondern Gabe belohnt, da er solches wohl hätte einstellen können; also belohnt Gott der Gottseligen Frömmigkeit aus väterlicher Zuneigung ohne alle Schuldigkeit. Solches ist daraus zu verstehen, einmal, dass kein Heiliger lebt, welcher unserm lieben Gott das tägliche Brot könnte mit Recht abfordern, als ob ers ihm abverdient hätte, sondern er muss ihn darum bitten und beten: Vater unser, unser täglich Brot gib uns heute; hernach, dass keiner lebt, der nicht mit Jakob müsste bekennen: „ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knecht getan hast“, 1 Mose 32,10., und mit St. Paulo: „wer hat Gott etwas zuvor gegeben, das ihm werde wieder vergolten?“ Röm. 11,35.

 

536. Dass aber die hl. Schrift die Gerechten vertröstet, ihre guten Werke sollen ihnen belohnt werden, so ist zu wissen, dass auch eine unverdiente Belohnung gleichwohl genannt werde eine Belohnung; wie Gott zu Abraham spricht: „ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn“, 1 Mose 15,1., da doch Abraham einen solchen Lohn, der Gott ist, nimmermehr hätte verdienen können. Psalm 127,4: „Kinder sind eine Gabe Gottes des Herrn und Leibesfrucht ist ein Geschenk;“ da heißets in der Propheten Sprach eine Belohnung, und der Psalm nennt eben das eine Gabe Gottes, welches er einen Lohn genannt hat.