Melanchthon - Beichte

 

Melanchthon in der Augsburgischen Konfession:

 

Der XI. Artikel: Von der Beichte

 

Von der Beichte wird also gelehrt, daß man in der Kirche privatam absolutionem erhalten und nicht fallen lassen soll, wiewohl in der Beicht nicht not ist, alle Missetat und Sünden zu erzählen, dieweil doch solches nicht muglich ist. Psalm 19,13: Wer kennt die Missetat?

 

Melanchthon in der Apologie der Augsburgischen Konfession:

 

Artikel XI. Von der Beichte.

 

Den elften Artikel, da wir sagen von der Absolution, lassen ihnen die Widersacher gefallen. Aber was die Beichte belangt, setzen sie dieses dazu, daß mit der Beichte soll gehalten werden nach dem Kapitel 'Omnis utriusque sexus,' daß ein jeder Christ alle Jahr einmal beichte, und ob er alle Sünden so rein nicht kann erzählen, daß er doch Fleiß habe, sich deren aller zu erinnern, und soviel er sich erinnern mag, daß er die in der Beichte sage. Vom ganzen Artikel wollen wir hernach weiter handeln, wenn wir von der christlichen Buße werden reden. Es ist am Tage und es können die Widersacher nicht leugnen, daß die Unsern von der Absolution, von den Schlüsseln, also christlich, richtig, rein gepredigt, geschrie-ben und gelehrt haben, daß viel betrübte, angefochtene Gewissen daraus großen Trost empfangen, nachdem sie dieses nötigen Stücks klar unterrichtet sind, nämlich daß es Gottes Gebot ist, daß es der rechte Brauch des Evangelii ist, daß wir der Absolution glauben und gewiß bei uns dafürhalten, daß ohne unser Verdienst uns Sünden vergeben werden durch Christum, daß wir auch so wahrhaftig, wenn wir dem Wort der Absolution glauben, Gotte werden versöhnt, als hörten wir eine Stimme vom Himmel. Diese Lehre, welche sehr nötig, ist vielen angefochtenen Gewissen fast tröstlich gewesen. Auch haben viel redliche, verständige Leute, viel fromme Herzen im Anfang dieser unserer Lehre halben D. Luther hoch gelobt und des eine sondere Freude gehabt, daß der nötige, gewisse Trost wiederum wäre an den Tag gebracht. Denn zuvor war die ganze nötige Lehre von der Buße und Absolution unterdrückt, nachdem die Sophisten keinen rechten und beständigen Trost des Gewissens lehrten, sondern weiseten die Leute auf ihre eigenen Werke, daraus eitel Verzweiflung in erschrockene Gewissen kommt. Was aber die gewisse Zeit der Beichte belangt, so ist es wahr und den Widersachern unverborgen, daß in unsern Kirchen viele Leute des Jahrs nicht allein einmal, sondern oft beichten, der Absolution und des heiligen Sakra-ments brauchen. Und die Prediger, wenn sie von dem Brauch und Nutz der heiligen Sakramente lehren, lehren sie also, daß sie das Volk mit Fleiß ver-mahnen, des heiligen Sakraments oft zu gebrauchen. Und es sind auch die Bücher und Schriften der Unsern am Licht, welche also geschrieben, daß die Widersacher, welche ehrbare, gottesfürchtige Leute sind, solche nicht anfechten, sondern loben müssen. So wird auch von unsern Predigern allezeit daneben gemeldet, daß die sollen verbannt und ausgeschlossen werden, die in öffent-lichen Lastern leben, Hurerei, Ehebruch usw.; item, so die heiligen Sakramente verachten. Das halten wir also nach dem Evangelio und nach den alten canonibus. Aber auf gewisse Tage oder Zeit im Jahr wird niemand zum Sakrament gedrungen; denn es ist nicht möglich, daß die Leute alle gleich auf eine gewisse Zeit geschickt seien, und wenn sie alle in einer ganzen Pfarre auf eine Zeit zum Altar laufen, können sie nicht so fleißig verhört und unterrichtet werden, wie sie bei uns unterrichtet werden. Und die alten Canones und Väter setzen keine gewisse Zeit; allein also sagt der Kanon: „So etliche sich zu der Kirche begeben und befunden werden, daß sie das Sakrament nicht brauchen, soll man sie vermahnen.“ Wo etliche nicht kommunizieren, sollen sie zur Buße vermahnt werden; so sie aber wollen für Christen gehalten sein, sollen sie sich nicht allezeit davon halten. Paulus 1 Kor. 11 sagt, daß diejenigen das Sakrament zum Gericht empfangen, die es unwürdig empfangen. Darum zwingen unsere Pfarrer diejenigen nicht, die nicht geschickt sind, das Sakrament zu empfangen. Von dem Erzählen aber und Erinnerung der Sünden in der Beichte unterrichten unsere Prediger also die Leute, daß sie doch die Gewissen nicht verstricken. Wiewohl es nun gut ist, die Groben, Unerfahrenen dazu zu unterweisen, daß sie etliche Sünden in der Beichte namhaftig machen, was sie drückt, damit man sie leichtlicher unterrichten kann: so disputieren wir doch davon hier nicht, sondern davon, ob Gott geboten habe, daß man die Sünden also alle erzählen müsse, und ob die Sünden unerzählt nicht mögen vergeben werden. Derhalben sollten die Widersacher uns nicht angezogen haben das Kapitel Omnis utruisque sexus, welches wir sehr wohl kennen, sondern aus der Heiligen Schrift, aus Gottes Wort, uns bewiesen haben, daß solch Erzählen der Sünden von Gott geboten wäre. Es ist leider allzu klar am Tage und ruchbar durch alle Kirchen in ganz Europa, wie diese particula des Kapitels Omnis utriusque sexus, da es gebietet, man solle schuldig sein, alle Sünden zu beichten, die Gewissen in Elend, Jammer und Verstrickung gebracht hat. Und der Text an ihm selbst hat nicht so viel Schaden getan als hernach der Summisten Bücher, darin die Umstände, der Sünden zusammengelesen; denn damit haben sie erst die Gewissen recht irregemacht und unsäglich geplagt, und dazu eitel gutherzige Leute, denn die Frechen und Wilden haben danach nicht viel gefragt. Darüber, nachdem der Text also lautet: ein jeder sollte seinem eigenen Priester beichten, was großes Zanks und wie mördlichen Neid und Haß hat zwischen Pfarrern und Mönchen allerlei Ordens diese Frage angerichtet, welches doch der eigene Priester wäre! Denn da war alle Brüderschaft, alle Freundschaft aus, wenn es um die Herrschaft, um den Beichtpfennig zu tun war. Darum halten wir, daß Gott nicht geboten hat, die Sünden namhaftig zu machen und zu erzählen. Und das hält auch Panormitanus und viel andere Gelehrte. Darum wollen wir keine Bürde auf die Gewissen legen durch das Kapitel Omnis utriusque sexus, sondern sagen von demselben wie von andern Menschensatzungen, nämlich daß es nicht ein Gottesdienst sei, der nötig sei zur Seligkeit. Auch so wird in dem Kapitel ein unmöglich Ding geboten, nämlich daß wir alle Sünden beichten sollen. Nun ist's gewiß, daß wir vieler Sünden nicht können gedenken, auch wohl die größten Sünden nicht sehen, wie der Psalm sagt: „Wer kennet seine Fehle?“ Wo verständige, gottesfürchtige Pfarrherren und Prediger sind, die werden wohl wissen, wiefern not und nütze sein mag, die Jugend und sonst unerfahrene Leute in der Beichte zu fragen. Aber diese Tyrannei über die Gewissen, da die Summisten als die Stockmeister die Gewissen ohne Unterlaß geplagt haben, können noch wollen wir nicht loben; welche dennoch weniger beschwerlich gewesen wären, wenn sie doch mit einem Wort auch des Glaubens an Christum, dadurch die Gewissen recht getröstet werden, gedacht hätten. Nun aber ist von Christo, vom Glauben, von Vergebung der Sünde nicht eine Silbe, nicht ein Tüttel in so viel großen Büchern ihrer Dekretale, ihrer Kommente, ihrer Summisten, ihrer Konfessionale; da wird niemand ein Wort lesen, daraus er Christum, oder was Christus sei, möge lernen. Allein gehen sie mit diesen Registern um, die Sünden zu sammeln, zu häufen, und wäre noch etwas, wenn sie doch die Sünden verstünden, die Gott für Sünden hält. Nun ist der größere Teil ihrer Summen nichts anderes denn von Narrenwerk, von Menschensatzungen. O was hat die heillose, gottlose Lehre viel fromme Herzen und Gewissen, die gern recht getan hätten, zur Verzweiflung gebracht, welche nicht haben ruhen können! Denn sie wußten nicht anders, sie müßten sich also fressen und beißen mit dem Erzählen, Zusammenrechnen der Sünden, und befanden doch immer Unruhe, und daß es ihnen unmöglich war. Aber nicht weniger ungeschicktes Dinges haben die Widersacher von der ganzen Buße gelehrt, welches wir hernach wollen erzählen.