Der Eselreiter
Anonymer Meister: Christ on a donkey and the Pope on a horse / The servant goes above the master
Museum Catharijneconvent, Public domain, via Wikimedia Commons
Dieses Bild kann verwirren. Denn wer ist da eigentlich Herr? Und wer ist Knecht? Wer ist wirklich groß? Und wer tut nur so? Der eine will wohl mehr scheinen, als er ist. Und der andere ist mehr, als er nach außen hin scheint. Während der auf dem Pferd offenbar Anspruch auf „Ehre“ erhebt, kommt der auf dem Esel bescheiden daher. Jesus hat nicht mal Schuhe an, während der Papst neben einer Krone sogar feine Handschuhe trägt! Doch von wem ist wohl mehr zu erwarten? Ich fürchte, der Menschheit unterläuft da immer derselbe Fehler, weil sie sich blenden lässt. Sie erwartet einen Retter, der „eine große Welle macht“, der imponierend und stolz auftritt, breit dasteht und laut redet. Sie möchte Anführer, die sie durch Macht und Glanz beeindrucken. Und hat sie mal wieder einer von dieser Sorte enttäuscht, sucht sie gleich die nächste „Lichtgestalt“ – sucht nämlich einen noch unverbrauchten „Star“, der ihr bringen soll, was er darstellt an Kraft und Reichtum. Der schlichte Eselreiter passt aber nicht ins Schema solcher Erwartungen. Jesus wird nicht im Palast geboren, sondern im Stall. Er erwirbt keine Ämter und Titel, sondern lernt ein Handwerk. Er mischt sich unter gewöhnliches Volk – und verspricht nicht Wohlstand für Erfolgreiche, sondern Gnade für Versager. Statt die Macht an sich zu reißen, stirbt er einen schändlichen Tod. Und das trifft nicht den Geschmack des Publikums. Denn Jesus trumpft nicht auf. Um in der Politik oder in der Medienwelt etwas zu werden, ist er zu demütig, zu fromm und zu radikal. Er hat keine Star-Allüren und prahlt nicht. Jeder Angeber stellt ihn in den Schatten. Doch so war es Gottes Plan. Er wollte uns keinen „strahlenden Helden“ schicken. Denn von der Sorte hatten wir schon genug. Es gab viele Menschen, die sich wie Götter feiern ließen. Aber es gab nur einen Gott, der Mensch werden wollte. Und der strebte nicht stolz hinauf, sondern strebte demütig zu uns hinab. Gott gab uns nicht das, was wir wollten, sondern den, den wir brauchten. Und das war dieser Eselreiter, dem Ehre gebührt hätte, der auf Ehrungen aber keinen Wert legte. Er hätte sich die Menschheit unterwerfen können. Aber er kam unbewaffnet und sanftmütig. Er hätte lauter sein können als alle, sprach aber leise. Und statt seine Feinde „plattzumachen“ half er ihnen auf die Füße. Mit Fug und Recht hätte er den Schimmel reiten können, wählte aber den Esel. Denn er kam nicht, um anderen Lasten aufzulegen, sondern um (wie ein Esel) unsre Last für uns zu tragen. Das ist seltsam! Wir wären nie drauf gekommen, dass einer, der glänzen könnte, nicht glänzen wollte. Und so ist Jesus bis heute unverstanden. Alle träumen sich auf’s hohe Ross hinauf – keiner verstehen den, der freiwillig herunterkommt. Uns fiele das ja nicht ein! Jesus aber war so. Er trat an unsre Seite, um unsre Not zu wenden. Und es ist verblüffend, dass wir ihm die Mühe wert waren!