Glaube und Erfahrung
1. Der Wunsch, das Geglaubte zu beweisen
Es gibt eine biblische Erzählung, die mich schon lange fasziniert, weil darin zwei Glaubensweisen ganz praktisch – und sozusagen „empirisch“ – auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Der Prophet Elia glaubt nämlich an den Gott Israels. Sein König aber glaubt an Baal. Und so schlägt Elia vor, doch einfach mal die Probe zu machen (1. Kön 18,17-40). Elia bereitet einen Altar vor – mit Brennholz und einem Opfertier darauf. Und die Baalspriester tun direkt daneben dasselbe auf einem zweiten Altar. Doch weder hier noch da wird das Brandopfer entzündet. Sondern das soll die jeweilige Gottheit selbst tun, wenn sie denn real ist und Macht hat. Die Baalspriester beten lang und heftig – und rein gar nichts geschieht. Dann aber ist Elia dran. Und als er ein kurzes Gebet gesprochen hat, fällt sofort Feuer auf seinen Altar und verzehrt sein Brandopfer vollständig. Damit ist vor aller Augen klargestellt, welcher Gott real ist. Der Gott Israels hat sich als mächtig erwiesen. Baal dagegen ist nichts und kann nichts. Und ich habe mir oft gewünscht, ich könnte dieses „Experiment“ vor möglichst vielen Zuschauern wiederholen. Denn damit würden ja alle Glaubenszweifel durch einen spektakulären Beweis göttlicher Macht beseitigt. Das entspräche ganz dem Geschmack unsrer Zeit, die immer nur glauben will, was sich prüfen lässt. Und wenn ich das Wunder beliebig oft wiederholte, müsste ich auch niemand mehr lange zum Glauben bereden, sondern könnte jeden durch diese Demonstration zum Glauben zwingen. Doch wahrscheinlich ahnen sie schon, dass es so nicht funktioniert. Und die Idee ist auch ziemlich albern. Denn der Glaube hat zwar viel mit Erfahrung zu tun – aber sehr wenig mit Empirie. Was ist der Unterschied?
2. Erfahrung ist nicht Empirie
„Empirisch“ nennen wir ein geplantes Verfahren, mit dem Wissenschaftler der Natur ihre Geheimnisse entlocken. Sie machen Experimente mit immer gleichem Versuchsaufbau, die sich beliebig oft wiederholen und vorführen lassen, so dass der Forscher sagen kann: „Siehst du? Immer wenn ich dies tue, passiert jenes.“ Er kann die Zustimmung zu diesem Satz erzwingen, so dass ihn jeder Zuschauer als allgemeingültig anerkennen muss. Denn die Personen bleiben ja außen vor, und subjektive Meinungen tun nichts zur Sache. Es geht nicht um die Wirkung des untersuchten Phänomens auf diesen oder jenen Menschen, sondern um seine Wirkung auf ein geeichtes Messgerät. Und jeder, der das korrekt bedient, muss zum selben Ergebnis kommen. „Erfahrung“ dagegen ist ein anderer, viel weiterer Begriff. Und das nicht nur, weil wir oft ungeplant von Erfahrungen überrascht werden, die einmalig sind und sich unter kontrollierten Bedingungen nicht wiederholen lassen. Sondern „Erfahrung“ ist vor allem deshalb anders als „Empirie“, weil der Mensch dabei nicht zuschaut, sondern mit seiner ganzen Person in die Erfahrung involviert ist. Wenn ich mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springe oder mich spontan verliebe, wenn ich einen Sterbenden begleite, im Lotto gewinne oder bei Nacht überfallen werde – dann ist das alles nicht Empirie, sondern es sind Erfahrungen, die auf kein anderes Messgerät treffen als auf mich selbst, meine Sinne und mein Gemüt. Erfahrung ist die individuelle Wirkung, die das Geschehen auf mich hat. Und hinterher spreche ich zu Recht von „meiner“ Erfahrung, weil kein anderer sie in derselben Weise macht. Sie ist eine Verbindung von äußerem und innerem Erleben, die meine persönliche Verarbeitung, Deutung und Bewertung immer schon einschließt. Denn Erfahrung ist die Spur, die das Erlebte in meinem Gemüt hinterlässt. Sie ist die Wirkung der Situation auf meine Person, der Niederschlag eines Widerfahrnis, das ein anderer Mensch – mit seinen biografischen Voraussetzungen und seiner Art, Dinge aufzufassen – vielleicht ganz anders erleben und interpretieren würde. Und so entspricht das, was wir „Erfahrung“ nennen, nicht der Beschreibung einer isolierten Chemikalie durch die passende Formel, sondern der Reaktion zweier verschiedener Chemikalien, von denen eine ich selbst bin, die andere aber das, was mir in der Außenwelt begegnet. Von dieser Reaktion will die empirische Forschung nichts wissen. Sie fragt nur nach dem Ding „an sich“. Die Erfahrung aber fragt, was es „mit mir macht“. Und so hat jede Herangehensweise ihren je eigenen Ertrag. Denn der Forscher, der sich aus seinem Experiment heraushält, gewinnt Messwerte. Der Erfahrende aber, der sich mit Leib und Seele in die Erfahrung „hineinstürzt“, wird möglicherweise ein anderer Mensch. Der Forscher lernt auf distanzierte Weise die Welt kennen. Der die Welt Erfahrende lernt sich selbst kennen. Empirie stellt fest, was der Gegenstand auch dann wäre, wenn‘s gar keinen Betrachter gäbe. Erfahrung dagegen stellt fest, was passiert, wenn Mensch und Situation aufeinandertreffen. „Empirie“ ist also, wenn ein Lebensmittelchemiker mit seinen Geräten analysiert, welche Inhaltsstoffe eine Eiscreme enthält. Und „Erfahrung“ ist, wenn er sie sich auf der Zunge zergehen lässt. Indem er davon probiert, hat er nicht nur „Kenntnis von“ Eiscreme, sondern „Erfahrung mit“ Eiscreme. Sein Geschmacksurteil ist dann aber auch subjektiv. Er weiß zwar genau, wie es ihm geschmeckt hat. Doch muss sein Urteil nicht von jedem geteilt werden. Warum reden wir aber davon?
3. Gott entzieht sich der Empirie
Sich den Unterschied klarzumachen, ist für Christen wichtig, weil es zwar durchaus „Gotteserfahrung“ gibt – aber beim besten Willen keine „Gottesempirie“. Und nachdem wir die Begriffe unterschieden haben, leuchtet das auch ein. Denn für ein empirisches Verfahren muss mir der zu untersuchende Gegenstand zur Verfügung stehen. Zum Zwecke der Demonstration muss ich mich seiner bemächtigen können. Und Flüssigkeiten, Metalle und Gase lassen sich das gefallen. Auch Pflanzen und Tiere können nicht verhindern, dass wir sie zerschneiden, fixieren und unters Mikroskop legen. Gott aber in seiner Überlegenheit erwehrt sich des neugierigen Zugriffs. Er entzieht sich der objektivierenden Betrachtung. Er lässt sich nicht unter „kontrollierten Bedingungen“ vorführen. Und darum kann man Elias Experiment mit den zwei Altären nicht mal eben wiederholen. Darum springt Jesus nicht demonstrativ von der Zinne des Tempels (Mt 4,5-7). Und darum lehnt er die Forderung nach himmlischen „Zeichen“ immer ab (Mt 12,38-42; 16,1-4). Denn die Erfahrung Gottes ist so unverfügbar wie Gott selbst. Er teilt seinen Geschöpfen nur mit, was er mitteilen will. Doch bedeutet das keineswegs, dass Gott sich (wie der Empirie, so auch) der Erfahrung entzöge. Sondern ganz im Gegenteil: Wenn ein Mensch bereit ist, sich selbst aufs Spiel zu setzen, ist er ausdrücklich eingeladen, mit Gott Erfahrungen zu machen.
4. Gott lädt zur Erfahrung ein
Wie anders sollten Menschen auch zum Glauben kommen, wenn nicht mittels einer Erfahrung, die in ihnen Glauben weckt? Das Neue Testament ist da pragmatischer, als viele denken. Jesus verlangt keineswegs, dass man ihm „blind“ glauben soll. Sondern als ihn jemand in Frage stellt, fordert er ausdrücklich dazu auf, seine Lehre zu prüfen und zu erproben. Was Jesus lehrt, kommt ja gar nicht von ihm, sondern von seinem himmlischen Vater. Und so sagt er: „Wenn jemand dessen Willen tun will, wird er innewerden, ob diese Lehre von Gott ist…“ (Joh 7,16-17). Jeder kann also testen, ob etwas dran ist. Und wenn er den Weg Jesu mitgeht, wird er erfahren, ob Jesus den Mund zu voll nahm. Keiner muss ihm „einfach so“ glauben. Jeder darf die christliche Lehre im Selbstversuch erproben. Und hinterher wird er aufgrund persönlicher Erfahrung kompetent sein, über den christlichen Weg zu urteilen. Wer den Versuch aber nicht wagt – auf welcher Grundlage will der mitreden über Dinge, von denen er keine Erfahrung hat, und mit denen Erfahrungen zu machen, er sich nicht traut? Der Theologe Ole Hallesby empfiehlt darum jedem Zweifler, einfach mal ein paar Tage nach Jesu goldener Regel zu leben: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Mt 7,12). Und Hallesby verspricht jedem, der‘s versucht, dass er ganz erstaunliche Erfahrungen machen und viel über sich selbst und über Gott lernen wird. Niemand muss sich auf fremde Autoritäten verlassen – jeder kann‘s probieren! Und wenn er den Weg Jesu versuchsweise geht, merkt er von selbst, ob er etwas taugt. Denn mit einiger Wahrscheinlichkeit macht er Erfahrungen der niederschmetternden und der beseligenden Art, die sein Selbstverständnis und seine Vorstellung von Gott grundlegend verändern.
5. Erfahrung führt zum Glauben
Dieser Prozess verläuft bei jedem anders. Er kann viele Jahre dauern – oder auch nur Stunden. Er kann unauffällig sein – oder spektakulär. Denn Gott geht mit jedem einen ganz eigenen Weg. Doch erfährt der Betroffene, wie Gottes Wort über ihn Macht gewinnt, wie es ihn seiner Schwäche überführt – und ihn doch zugleich mit Zuversicht erfüllt. Er merkt, dass er sich aus dem Glauben, in den er sich probeweise „hineingedacht“ hat, gar nicht wieder „herausdenken“ kann. Er spürt, wie ihm Gottes Wort falsche Sicherheiten nimmt, wie es ihn aber im Gegenzug auch mit neuen Gewissheiten ausstattet. Der Glaube ergreift sein Herz und hält es bei Gott fest, ohne dass er recht sagen könnte, wie oder warum. Und doch ist dieses Gebunden-Sein am Ende eine Tatsache seines inneren Erlebens, die er nicht mehr leugnen kann. Und dass es auch dann noch religiöse Nicht-Schwimmer gibt, die an solchen Erfahrungen nicht teilhaben und drüber spotten, irritiert den Gläubigen nicht allzu sehr. Denn dass Gott ihn nicht mehr los lässt, spürt er schließlich. Er hat nicht nötig, dass ihn andere über eine Erfahrung belehren, die sie selbst gar nicht kennen. Und wenn er Tag für Tag über dieselbe Brücke geht, die ihn offensichtlich trägt, dann ist ihm ihre Belastbarkeit eben dadurch bewiesen, ohne dass er erst noch einen Statiker fragen müsste. Eine distanzierte Betrachtung des Evangeliums wird diesem Menschen zunehmend fremd. Und nach Beweisen fragt er zuletzt gar nicht mehr. Denn wenn mich etwas Mächtiges erfasst und umgeworfen hat – brauche ich dann „Gründe“, um am Boden zu liegen? Und wenn mich dies Mächtige anschließend wieder auf die Füße stellt und herzlich umarmt – muss ich dann lange überlegen, ob es mich beglückt? Muss ich in der Kälte erst nachdenken, bevor ich friere? Oder muss ich in der Hitze lange überlegen, ob ich schwitzen soll? Nein. Und gerade so beruht auch der Glaube weniger auf Gründen als auf Ursachen (W. Busch). Er geschieht ebensowenig durch Gründe, wie das Schmecken und Sehen (J. G. Hamann). Denn seine Macht wird nicht aus sicherer Distanz „empirisch untersucht“, sondern am eigenen Leib erfahren und gespürt. Ionesco sagt: „Wir glauben Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.“ Eine besondere Form von Erfahrung macht Ungläubige zu Gläubigen. Und so „unerklärlich“ wie es scheint, ist es gar nicht. Denn auch aus anderen Zusammenhängen kennen wir es, dass starke Erfahrungen mit einem Aspekt des Daseins dergestalt „etwas mit uns machen“, dass wir künftig unser Dasein insgesamt unter diesem einen Aspekt betrachten – ja, dass uns diese Weise, die Dinge zu sehen, zur bestimmenden Weise unsres Seins und somit zu unsrem „Wesen“ wird. Eine massive Erfahrung von Angst kann dazu führen, dass ich anschließend jede Situation primär unter dem Aspekt ihrer Bedrohlichkeit sehe. Eine massive Erfahrung von Liebe kann dazu führen, dass ich ein Leben lang danach strebe, diese herrliche Erfahrung nochmal zu durchlaufen. Und so kann eine Gotteserfahrung dergestalt „etwas mit mir machen“, dass ich künftig alle Dinge danach beurteile, in welcher Beziehung sie zu Gott stehen. Wenn ich das aber ganz und gar verinnerliche, bin ich nicht mehr einer, der das „tut“, sondern einer, der so „ist“ und gar nicht mehr anders kann – d.h. nicht ich habe eine Erfahrung gemacht, sondern die Erfahrung hat mich gemacht und hat mich zu einem gläubigen Menschen geformt. So kommt kein Mensch ohne Erfahrung zum Glauben. Und der Glaube als Perspektivwechsel ermöglicht ihm weitere Erfahrungen, die er anders gar nicht haben könnte. Denn die Welt wird ihm „transparent“ für Gottes darin wirkende Hand.
6. Glaube wird von Erfahrung unabhängig
Zugleich macht der Mensch aber auch betrübliche Erfahrungen mit seinem Glauben. Denn sein „gefühlter“ Glaube ist auf die Dauer nicht so zuverlässig und stark, wie er sich das wünschen würde, sondern schwankt mit den Stimmungen seines Gemüts. Manchmal fühlt er sich Gott sehr „nah“ – und dann wieder ganz „fern“. Religiöse Hochstimmung ist kein Dauerzustand. Mancherlei Nöte verunsichern den Glauben. Und glücklich erlangte Gewissheit kann auch wieder schwinden. Denn der alltägliche Augenschein spricht oft gegen unseren Glauben. Und wir lernen daraus, dass dieser Glaube, obwohl er sich in der seelischen Verfassung niederschlägt, doch nicht mit einer seelischen Verfassung verwechselt werden darf. Oder anders gesagt: Die Erfahrung von Glaubensschwankungen lehrt uns, den Glauben besser nicht auf unser Erfahren und Empfinden zu gründen, sondern auf das Wort Gottes, an dem sich unser Glaube ursprünglich entzündet hat. Denn stabil und verlässlich ist nicht das „fromme Empfinden“ unsres Gemüts, sondern der himmlische Vater, der frommes Empfinden manchmal schenkt – und manchmal nicht. Gott in seinem Wort bleibt sich ewig gleich, ob wir ihn nun gerade „spüren“ oder nicht. Und so ist es klüger, sich im Glauben nicht auf das eigene Empfinden zu verlassen, sondern auf das Wort der Schrift, das auch dann noch gilt, wenn widrige Eindrücke scheinbar alles widerlegen, was wir je geglaubt haben. Denn ganz abgesehen von den Schwankungen unsres Gemüts kann ja auch vieles, woran Christen glauben, gar kein Gegenstand von Erfahrung werden, weil es entweder noch in der Zukunft liegt (wie etwa das endzeitliche Heil) – oder weil es überhaupt transzendenter Natur ist (wie die Ratschlüsse und die internen Beziehungen des dreieinigen Gottes). Es bleibt also die korrekte Definition des Glaubens, dass er nicht zweifelt an dem, was man nicht sieht (Hebr 11,1). Der Glaube richtet sich nicht nach dem, was er fühlt und erlebt, sondern nach dem Wort, das Gott redet. Und erst im Himmel wird solcher Glaube vom „Schauen“ abgelöst (2. Kor 5,7; 1. Kor 13,12). Aktuell ist die Schöpfung aber in einem Zustand, der Gottes Wirklichkeit eher verbirgt als offenbart. Und darum muss Gottes Gnade nicht selten gegen den Augenschein geglaubt werden. Es bleibt trotzdem richtig, dass kein Mensch ohne Erfahrung zum Glauben kommt. Am Anfang ist sie unentbehrlich. Doch wenn Gott den Menschen erst einmal an sein Wort gebunden und darin verankert hat, entspricht die Erfahrung einer Leiter, die an Bedeutung verliert, nachdem man daran hinaufgestiegen ist. Wer noch kein Christ ist, braucht diese Leiter ganz dringend, um auf die Höhe des Glaubens zu gelangen. Doch wenn er mal oben ist, bleibt er nicht auf ihren Sprossen stehen, sondern hat (auf dem Hochplateau des Glaubens angekommen) den festeren Boden unter den Füßen, der aus Gottes Verheißungen besteht. Und das macht ihn zunehmend unabhängig von der schwankenden Leiter der Empfindungen. Denn erst das ist Glaube in reiner Form, wenn der Mensch auf sein subjektives Erleben pfeifen kann, wenn er unbeirrt Gott bei seinem Wort behaftet und stur daran festhält.
7. Der Glaube wird zum Schauen
Ist der Erfahrungsbezug damit aufgegeben? Soll man immer nur glauben, ohne je etwas zu prüfen? Lässt sich nie etwas mit Händen greifen, beweisen oder widerlegen? Nein, so ist es dann doch nicht. Denn die Schrift sagt deutlich, dass alles Verborgene offenbar wird, wenn diese Welt endet (Mt 10,26). Wir glauben an die sichtbare Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag. Und den Empirikern, die Beweise fordern, weil sie weder auf subjektive Erfahrungen noch auf biblische Worte etwas geben, können wir versprechen, dass sie am Tag der Auferstehung genügend Beweise sehen werden. Wenn am Jüngsten Tag nicht passiert, was nach Aussage der Schrift passieren soll, dürfen sie das Christentum als „falsifiziert“ ansehen. Denn letztlich kommt die Wahrheit so deutlich ans Licht, dass sie jeder mit Händen greifen kann. Und alle Empiriker werden dann restlos zufrieden gestellt. Denn wenn Gott sie von den Toten auferweckt, dürfen sie prüfen, was immer sie wollen. Nur, leider – vorwegnehmen können wir das nicht. Und wenn sie damit unzufrieden sind, kann ich es verstehen. Denn die „objektiven Fakten“ kommen erst auf den Tisch, wenn unser Erdenleben vorbei, und die Zeit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden, verstrichen ist. Aus Sicht der Zweifler kommen die Beweise dann eindeutig „zu spät“ – und jetzt im Moment, wo sie uns das Risikos einer ungesicherten Glaubensentscheidung abnehmen könnten, liegen sie noch nicht vor. Doch ich denke, das ist Absicht. Der Mensch soll seinen Weg gehen, ohne schon im Voraus zu wissen, dass es der richtige ist, weil nur so der von ihm gewählte Weg die wahre Neigung seines Herzens verrät. Gott verbirgt sich ein wenig, damit des Menschen Innerstes offenbar wird. Und das ärgert alle, die sich gern hinter „gesicherten Fakten“ verstecken würden. Christen muss es aber nicht stören. Denn uns ist das besondere Talent verliehen, dass wir uns mit oder auch ohne Beweise auf Gott verlassen, mit oder ohne Gefühle, mit oder gegen den Augenschein – einfach, weil der Unverfügbare uns sein Wort gab. Dass es uns seither aber trägt und tröstet, sei ihm gedankt in Ewigkeit.
Bild am Seitenanfang: The Sacrifice of Elijah Before the Priests of Baal
Domenico Fetti, Public domain, via Wikimedia Commons