Sich sehen lassen können

Sich sehen lassen können

Ist ihnen mal aufgefallen, dass unter all den Lebewesen dieser Erde nur der Mensch Kleider trägt? Nun, ja werden sie sagen – der Mensch hat weder Federn noch ein dichtes Fell. Da braucht er Kleider, um nicht zu frieren. Doch ist das nur ein Teil der Wahrheit. Denn neben dem unbestrittenen Vorteil, dass Kleidung wärmt und schützt, hat sie noch viele andere Funktionen. Sie kann dafür sorgen, dass wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen – oder (umgekehrt) kann sie uns tarnen und verbergen. Kleidung kann ein Amt oder eine Funktion anzeigen, wie die Uniform des Polizisten oder der weiße Kittel des Arztes. Kleidung kann unsre Figur betonen, wenn sie sehenswert ist. Und Kleidung kann unsre Figur kaschieren, wenn sie’s nicht ist. Gepflegte Kleidung kann zeigen, dass sich der Träger vom gewöhnlichen Volk unterscheiden will. Und mit ungepflegter Kleidung kann man demonstrieren, dass man eben jene Geschniegelten von Herzen verachtet. So gibt uns Kleidung die Chance, in gewissen Grenzen selbst darüber zu bestimmen, wie wir von anderen gesehen werden. Und wie sich ein Schauspieler passend zu seiner Rolle kostümiert, so tun wir‘s auch im Alltag. Denn jeder will so aus dem Haus gehen, dass er „sich sehen lassen kann“. Man weiß, wie gern sich die Leute das Maul zerreißen. Darum zeigt man sich möglichst so, dass sie keinen Anlass finden. Jeder will selbst entscheiden, was öffentlich von ihm zu sehen ist. Und weil Nacktheit nun mal der Inbegriff der Blöße ist, machen wir ein großes Gewese um die Kleidung und ziehen uns über die erste Haut eine zweite Haut aus Stoff. Die Jungen und Schönen wollen zeigen, was sie sind. Die Alten wollen verbergen, was sie nicht mehr sind. Doch so oder so ist der Mensch nicht einfach „da“, sondern „präsentiert“ sich – und wird taxiert. Jeder will als etwas gesehen werden, das „sich sehen lassen kann“. Denn die anderen vergleichen und bewerten. Und wie mir fremde Aufmerksamkeit einerseits gefallen kann, ist sie doch andererseits auch bedrohlich. Denn ob mein Gegenüber die Nase rümpft, entzieht sich meiner Kontrolle. Ich selbst erlaube mir lieblose Urteile über andere. Wenn die es aber genauso machen, muss ich meine Wahrheit verhüllen, während ich aus ihrer Mimik und Gestik ihre Wahrheit zu lesen versuche. Am liebsten möchte man durchschauen, ohne durchschaut zu werden. Und so beginnt ein großes Tarnen, Tricksen und Täuschen. Man spielt eine Rolle und beobachte die Wirkung. Man übt die subtile Kunst, sich zu zeigen, ohne sich wirklich zu zeigen. Und nur von den Tieren und den ganz Dummen nimmt man an, dass sie sich nicht verstellen. Doch alle anderen vermeiden es, aus der Deckung zu kommen. Man muss nur möglichst viele davon überzeugen, dass man sei, was man scheint. Denn Tugend zu heucheln, kostet weniger Kraft, als wirklich tugendhaft zu sein. Und wenn die anderen mein wahres „Ich“ nicht kennen, können sie diese Kenntnis auch nicht gegen mich verwenden. So spielen dann alle Theater. Und wenn einer allzu ehrlich ist, wird es auch gar nicht honoriert. Nur, andererseits: Wie lange hält man das aus, immer Verstecken zu spielen? Lässt sich das unbegrenzt fortsetzen? Oder kommt am Ende doch der Tag, da alle Masken fallen, da man uns die Kostümierung herunterreißt, so dass wir nackt dastehen und dessen überführt werden, was wir wirklich sind? Ja, sagt die Bibel – und Jesus verkündet es unmissverständlich: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird“ (Mt 10,26). Einmal kommt alles ans Licht. Einmal werden alle erfahren, was wir verheimlichten. Dann tritt zu Tage, wer wir wirklich sind. Und der Effekt wird so überraschend sein, wie es Johannes Chrysostomus einmal geschildert hat. Er sagt: 

„Hier auf Erden geht es zu wie in einem Schauspiel (…). Da wird der eine zum Gelehrten und ist es nicht, ein anderer zum König und ist es nicht: Er hat vom König nur den Schein, indem er den König darstellt. Ein anderer wird zum Arzt und versteht nicht einmal ein Stück Holz richtig zu behandeln: Er ist eben nur nach Art der Ärzte gekleidet. Ein anderer wird zum Sklaven, obgleich er zu den Freien gehört, ein anderer zum Lehrer, obgleich er nicht einmal die Buchstaben kennt. Sie alle sind nichts von dem, was sie scheinen. Und was sie sind, das scheinen sie nicht (…). So lange nun die Zuschauer da sitzen, solange die Unterhaltung dauert, so lange sind auch die Masken in Geltung. Wenn aber der Abend kommt, wenn das Spiel zu Ende ist, und alles nach Hause geht, dann werden die Masken bei Seite gelegt. Und der im Theater ein König war, der wird jetzt vielleicht als Kupferschmied erfunden. Die Masken sind abgelegt, die Täuschung ist vorüber, die Wahrheit tritt zu Tage. Und so geht es auch am Ende dieses Lebens (…). Dann ist das Spiel zu Ende, die Masken sind abgelegt, und geprüft wird ein jeder und seine Werke: Nicht ein jeder und seine Reichtümer, oder ein jeder und sein Amt, oder ein jeder und seine Ehre, oder ein jeder und seine Gewalt, sondern: ein jeder und seine Werke (…). Wenn die Masken einmal abgelegt sind, dann stellt sich heraus, wer arm und wer reich ist. Und wie man bei uns manchmal nach dem Schlusse des Theaters, wenn man von einem erhöhten Platze herab den Gelehrten aus dem Schauspiel draußen als Kupferschmied wieder sieht, seine Verwunderung äußert und sagt: Ei, war der da nicht im Theater ein Gelehrter? Und hier sehe ich jetzt, dass er ein Kupferschmied ist! War jener nicht im Theater ein König? Und nun sehe ich, dass er ein ganz geringer Mann ist! So wird es auch einst in der andern Welt gehen…“ 

Ja, das ist mehr als nur ein Gleichnis. Wenn Chrysostomus Recht hat, fliegt unsre Tarnung eines Tages auf. Denn am Ende stehen wir Gott gegenüber, dem niemand etwas vormachen kann. Und wenn sich unser Leben dann als ein großer „Bluff“ erweist, werden wir das Tricksen und Täuschen bereuen. Schon Adam und Eva versteckten sich nach dem Sündenfall in den Büschen, um nicht nackt gefunden zu werden. Aber genützt hat es ihnen nichts. Die Bibel ist auch sonst voll von Leuten, die Gott etwas vormachen wollten. Doch gelungen ist es keinem. Vielmehr, indem sie die guten Menschen bloß spielten, die sie hätten sein sollen, haben sie alles nur schlimmer gemacht. Denn Gott hasst die Heuchler und lässt sich nicht zum Narren halten. Er wird einen jeden demaskieren, bis alle Karten auf dem Tisch liegen, und wir „echt“ sein müssen. Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird. Wenn’s aber so ist, dass wir doch nicht drum herumkommen – warum machen wir uns dann nicht gleich ehrlich? Auch dafür gibt es biblische Vorbilder! Als Petrus Jesus erkennt, fällt er ihm zu Füßen und spricht: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch“ (Lk 5,8). Als Jesus sich anschickt, den Hauptmann von Kapernaum zu besuchen, sagt der: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst“ (Mt 8,8). Und nachdem Gott mit ihm gesprochen hat, sagt Hiob: „Nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“ (Hiob 42,5-6). Als Petrus seinen Herrn verleugnet, hat er hinterher soviel Einsehen, dass er bitterlich über sich weint (Mt 26,75). Und selbst Johannes der Täufer bekennt, er sei nicht wert, Jesus die Riemen seiner Schuhe zu lösen (Lk 3,16). Diese Leute machen keinen Versuch, vor Gott „mehr“ zu scheinen, als sie tatsächlich sind. Denn der Allwissende blickt uns jederzeit bis auf den Grund unsres Herzens und kennt unsre Gedanken, bevor wir selbst sie kennen. Ihn blendet keine noch so geschickte Selbstdarstellung. Und darum sollten wir nicht warten, bis er unsre Wahrheit enthüllt, sondern sollten uns gleich jetzt ehrlich machen. Denn – das ist die gute Nachricht: Wenn wir Einsicht zeigen, hat Gott keine Freude daran, uns bloßzustellen. Er tut das, wenn‘s zur Wahrheitsfindung nötig ist – sonst aber nicht. Leugnet einer seine Blöße, so deckt Gott sie gnadenlos auf, bis sie erwiesen ist, und der Freche verstummt. Erkennt und beklagt der Mensch aber sein Ungenügen, so erbarmt sich Gott und bedeckt es mit dem Mantel seiner Gnade. Denn die Seinen sollen nicht schamrot werden (Ps 34,6). Die Hochnäsigen, die Großspurigen und anmaßend Stolzen, die Blender und Maulhelden, die Dünkelhaften und Selbstgerechten wird Gott tief beschämen. Aber den Schuldbewussten, die gesenkten Hauptes zu ihm kommen, bietet er Zuflucht (Lk 15,21). Und so gilt die seltsame Regel, dass wir durch den Versuch, vor Gott unser Gesicht zu wahren, unser Gesicht vor Gott verlieren, dass wir aber durch das Geständnis, unser Gesicht verloren zu haben, wieder eins erhalten, das wir zeigen dürfen. Durch geschickte Verstellung gelingt das nicht. Wenn wir Gott ins Gesicht lügen, müssen wir uns anschließend doppelt und dreifach schämen! Wir können die größte Show abziehen – Gott widert es nur an. Die Geständigen hingegen bekommen „mildernde Umstände“. Denn wenn sich einer selbst reinzuwaschen versucht, klagt Gott ihn an. Wenn er sich aber selbst anklagt, wäscht Gott ihn rein. „Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade“ (1. Petr 5,5; vgl. Mt 23,12). Was ist also besser? Und welchen Weg wollen wir gehen? Wenn wir Gottes Blick nicht entrinnen, und sich das, was er sieht, doch nicht sehen lassen kann – was ist dann die Lösung? Da hilft kein Kampf und keine Flucht, denn kein Loch ist tief genug, dass uns Gottes Blick nicht darin fände. Und darum liegt die Lösung, die Gott selbst anbietet, in etwas ganz anderem. Sie besteht darin, dass wir in die Kleider Jesu Christi schlüpfen und in Christus wie in einem weiten Mantel alles verschwinden lassen, was jemals an uns verkehrt war. Denn das ist Gottes Angebot, dass er allen Nackten diesen Mantel hinhält und sagt: „Du hast dein Gesicht verloren? Macht nichts, Christus leiht dir seines. Du hast nichts Gutes getan? Verweise stattdessen auf das Gute, das Christus für dich tat. Du hast keine Lebensgeschichte, die man erzählen könnte? Dann erzähle stattdessen seine. Du kommst dir vor wie tot? Dann lass künftig Christus in dir leben. Du hast dich schmutzig gemacht? Christus wäscht dich rein. Du hast ihm im Gegenzug nichts zu bieten? Das erwartet auch niemand. Denn gerade für solche wie dich ist die Gnade ja da. Aber freilich,“ sagt Gott, „deinen Eigensinn und dein Geltungsbedürfnis bemäntle ich nicht. Darum lass sie zuvor in Christus untergehen und nimm überhaupt alles, was an dir misslungen ist, und versenke es in Christus wie in einem tiefen See. Deinen Stolz wirf ins Wasser, deine Rechthaberei und dein Anspruchsdenken, deine Gier und deine Gehässigkeit. Denn Christus ist ein bodenloser Abgrund. Versenke deine alte Identität in ihn hinein, lass sie in Christus verschwinden und zeige statt dem Gesicht, das du verloren hast, künftig das Gesicht eines Christen. Du hast dann keinen Namen mehr, außer Christi gutem Namen. Nichts gilt mehr, als was um Christi willen Geltung hat. Du bist dann nichts mehr als nur, was du in Christus bist. Aber du wirst feststellen: Was du dann bist, kann sich sehen lassen. Denn alles Weitere lebst nicht mehr du, sondern Christus lebt es in dir. Und seine Jünger müssen nicht schamrot werden. Sie bekennen zwar, dass sie menschlich gescheitert sind. Aber „nackt“ stehen sie doch nicht da, denn sie sind ja mit Christus bekleidet und in seine Kleider gehüllt. Sie leben mit ihm in Gütergemeinschaft, so dass ihre Schuld auf sein Konto geht, und sein Besitz sie reich macht.“ Christus ersetzt all das, was an den Christen fehlt. Und daraus erwächst die Zuversicht, die Zinzendorf so schön besingt: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn“ (EG 350,1). Für diesen Weg kann man sich bewusst entscheiden. Und niemand sollte lange zögern. Denn wenn uns alle Welt anschaut – was sollen sie dann sehen? Etwa einen Heuchler im Kostüm eines ehrlichen Menschen? Einen Wolf im Schafspelz? Einen Hochstapler, der als etwas gelten will, was er nicht ist? Soll man da nicht lieber eine ehrliche Haut sehen, die sich (auf alle Ansprüche verzichtend) unter Gottes Gnade gestellt hat? Was wollen wir denn lieber sein? Ein Prahlhans und Möchtegern? Oder ein Demütiger, der zu Christus gelaufen ist, damit der seine Blöße bedeckt? Freilich, viele fürchten die Enthüllung und errichten darum eine Fassade aus flotten Sprüchen und Geschichten. Aber hinter der Fassade sitzt letztlich doch ein armes Würstchen, das Angst hat, entdeckt zu werden. Und bevor der jüngste Tag das erbarmungslos ans Licht zerrt, ist es besser, sich gleich jetzt ehrlich zu machen und zu sagen: „Ja, hey, ich gebe es zu. Ich bin so krumm und verkehrt wie die anderen auch. Aber ich will nun meine gesamte Peinlichkeit in Christus hinein versenken – und freue mich, dass ich das darf. Meine alte Existenz ist wert, vergessen zu werden. Der schöne Schein war ja in Wahrheit gar nicht schön. Doch künftig bin ich nur noch, was ich in und durch Christus bin. Ich habe mein Gesicht verloren, er aber hat mir seines geliehen. Ich selbst konnte mich nicht sehen lassen, darf nun aber ihn sehen lassen – und das ist toll. Als ich mich töricht aller Welt zeigte, war ich eben darin peinlich. Aber als ich mich beschämt bei Christus verbarg, gab er mir meine Würde zurück. Und diese seltsame Regel sollen nun alle kennen: Leugnet der Mensch seine Blöße, so deckt Gott sie gnadenlos auf. Erkennt und beklagt er aber sein Ungenügen, so erbarmt sich Gott und schützt ihn vor allen gehässigen Blicken. Die Hochstapler und Maulhelden wird Gott einmal sehr beschämen. Und sie werden kein Loch finden, in dem sie sich verkriechen könnten. Aber den Beschämten bietet er Zuflucht. Gott birgt sie vor allen bösen Blicken. Und diese Chance ist wert, dass wir sie ergreifen. Denn eben dadurch, dass man seine Augen niederschlägt und bekennt, keiner Ehre wert zu sein, kann man etwas Ehrenwertes tun. Gerade der, der die Aufmerksamkeit am wenigsten sucht, ist der Aufmerksamkeit am meisten wert. Und der nicht mehr gesehen werden will, eben der könnte sich in seiner Demut noch am ehesten sehen lassen. Ja, indem der Mensch gesteht, inakzeptabel zu sein, nimmt er zum ersten Mal eine akzeptable Haltung ein, stirbt in sich selbst, lebt dann aber in Christus. Wenn aber jemand meint, auf diese Weise käme einem doch jedes Selbstwertgefühl abhanden, so irrt er sich. Denn es schwindet zwar die anmaßende Überzeugung, der Mensch könne sich selbst Bedeutung verleihen. Zugleich wächst in ihm aber das Bewusstsein, dass er Gott etwas bedeutet. Und das stellt sein Selbstwertgefühl auf eine neue, viel verlässlichere Basis. Es ist dem Christen durchaus versagt, sich selbst zu lieben, denn aus dieser Selbstliebe resultiert alles nur denkbare Unglück. Aber er weiß sich dafür von Gott geliebt. Und weil Gott ihn bejaht, bejaht der Christ dann auf indirekte Weise auch sein eigenes Dasein. Gott will ihn nicht missen. Und das hindert ihn, von der Bühne zu verschwinden, so dass auch ein Christ für sich und die Seinen Sorge trägt. Doch hat das nichts mehr mit plumper Selbstdurchsetzung zu tun und mit „Platz da, jetzt komm‘ ich!“ Sondern in der Selbstfürsorge respektiert man den Willen dessen, der uns geschaffen und begnadigt hat, und uns auch erlösen und vollenden will. Christen sind nicht mehr in der selbstherrlichen Weise „da“, wie jene Dreisten, die sich vorzeigbar und großartig finden. Aber sie sind „für Gott da“. Nicht Eigenliebe ist eines Christen Daseinsgrund, sondern Gottes Liebe. Die genügt aber vollkommen. Denn Gott in seiner Barmherzigkeit nimmt uns wichtiger, als wir uns jemals nehmen dürften. Und so geht es dann zu wie in dem Gedicht von Brecht, in dem ein Mensch staunend erkennt, wie sehr er geliebt wird, und fortan nicht um seiner selbst willen, sondern um des Liebenden willen auf sich Acht gibt, dass ihn kein Regentropfen erschlage. Jede unmittelbar-egozentrische Selbstbejahung wird damit überwunden. An ihre Stelle tritt aber eine indirekten Selbstbejahung, die das eigene Dasein um Gottes Willen bewahrt und beschützt und sagt: Wenn ihm soviel an mir liegt, muss ich auf mich aufpassen, damit ich ihn nicht traurig mache. Das ist nicht mehr Eigensinn und Anmaßung, sondern die Fürsorge für jenes krummes Gewächs in Gottes Garten, das ich selber bin. Es bedeutet, sich selbst nur darum einen Wert beizumessen, weil Gott es tut. Und dadurch wird unsere Selbstachtung durchaus nicht geringer, sondern wird resistenter und stärker, weil sie nicht mehr abhängig ist vom Applaus anderer Menschen. Christen leben nicht von einer Anerkennung, die sie sich selbst verschaffen, sondern von jener, die sie von Gott erfahren. Sie können sich damit bescheiden, das zu sein, was sie in seinen Augen sind. Und wenn am Ende des Tages das große Welttheater geschlossen wird, kann man als Christ auch keine Maske verlieren, weil man ja schon längst keine mehr trägt. Nachdem der Christ sein Gesicht verlor, bekam er von Christus ein neues. Und wie er das auf der Weltbühne trägt, so auch am Tage des Gerichts, ja er behält es in der Zeit und in der Ewigkeit – und muss es nirgends verleugnen. Denn er hat begonnen, Christus ähnlich zu sehen. Und was immer dem auch nur von Ferne ähnelt, kann sich sehen lassen (vgl. Röm 8,29; Gal 4,19; 2. Kor 3,18; 1. Joh 3,2).

 

 

Bild am Seitenanfang: Behind The Scenes

Ludwig Knaus, Public domain, via Artvee