Die Textvorlage wurde freundlich zur Verfügung gestellt von www.glaubensstimme.de (Andreas Janssen)!
Jean Calvin
Der Genfer Katechismus.
An den Leser.
Man hat in der Kirche immer darauf geachtet und dafür gesorgt, dass die Kinder in der christlichen Lehre gehörig unterrichtet würden. Damit dies desto leichter geschehen könne, hat man nicht nur vor Zeiten Schulen eröffnet, und einem Jeden befohlen, seine Hausgenossen wohl zu unterweisen, sondern es ist auch als eine öffentliche Veranstaltung Sitte geworden, die Kinder in der Kirche über diejenigen Lehrstücke zu befragen, welche allen Christen gemein und bekannt sein müssen. Damit dies aber ordentlich geschehe, setzte man ein Formular auf, welches Katechismus genannt ward oder Unterweisung. Seit der Zeit hat der Teufel, der die Kirche des Herrn jämmerlich zerreißt und ihr einen furchtbaren Untergang bereitet (der Zeichen davon sieht man auf dem größten Teil der Erde nur zu viel) diese heilige Ordnung zerstört und nichts übrig gelassen, als einige Possen, die nur abergläubige Meinungen erzeugen, ohne irgendeine Frucht der Erbauung. Von dieser Art ist die so genannte Firmelung, die überladen ist mit allerlei Gebräuchen, die mehr als lächerlich sind und ganz für Affen passen, und schlechterdings keinen Grund haben. Das nun, was wir jetzt öffentlich vorlegen, ist nichts Anderes, als dasjenige, was längst von den Christen und wahren Ver-ehrern Gottes beobachtet, und niemals unterlassen ist, ausgenommen, wenn die Kirche durchaus verderbt war.
1. Vom Glauben.
LEHRER:
Welches ist der Hauptzweck des menschlichen Lebens?
SCHÜLER:
Dass die Menschen erkennen, der sie erschaffen hat.
LEHRER:
Aus welchem Grunde sagst du das?
SCHÜLER:
Weil er uns darum geschaffen und auf diese Welt gesetzt hat, damit er in uns verherrlicht werde. Und in der Tat, es ist billig, dass unser Leben, dessen Ur-sprung er ist, zu seiner Verherrlichung angewandt werde.
LEHRER:
Worin besteht aber das höchste Gut des Menschen?
SCHÜLER:
Eben darin.
LEHRER:
Warum hältst du dies für das höchste Gut?
SCHÜLER:
Weil ohne dasselbe unser Zustand viel unglücklicher ist, als der Zustand der Tiere.
LEHRER:
Daraus also erkennen wir genugsam, dass dem Menschen nichts Unglückliche-res begegnen könne, als wenn er nicht Gott lebte?
SCHÜLER:
So ist’s.
LEHRER:
Ferner, welches ist die wahre und richtige Erkenntnis Gottes?
SCHÜLER:
Wenn er so erkannt wird, dass ihm die Ehre erwiesen wird, die ihm gebührt.
LEHRER:
Welches aber ist dir rechte Art, ihn zu verehren?
SCHÜLER:
Wenn wir unser ganzes Vertrauen auf ihn setzen, wenn wir uns bemühen, ihn durch unser ganzes Leben zu verehren, indem wir seinem Willen gehorchen, wenn wir ihn anrufen, so oft die Not uns drängt, wenn wir unser Heil und jedes wünschenswerte Gut bei ihm suchen, wenn wir endlich mit Herz und Mund ihn als den alleinigen Urheber aller Güter anerkennen.
LEHRER:
Aber, um dies in der Ordnung zu erwägen und vollständig zu erörtern, was ist nach dieser deiner Einteilung das erste Stück?
SCHÜLER:
Dass wir unser ganzes Vertrauen auf Gott setzen.
LEHRER:
Wie soll das aber geschehen?
SCHÜLER:
Wenn wir erkennen, dass er allmächtig und vollkommen gut ist.
LEHRER:
Ist das genug?
SCHÜLER:
Keineswegs.
LEHRER:
Woher?
SCHÜLER:
Weil wir nicht wert sind, dass er, um uns zu helfen, seine Macht beweise, oder wie gut er ist, zu unserm Heil offenbare.
LEHRER:
Was ist denn noch weiter nötig?
SCHÜLER:
Dass ein jeder von uns in seinem Herzen glaube, dass Gott ihn liebe und sein Vater und der Urheber seines Heils sein wolle.
LEHRER:
Woher soll uns aber dieser Glaube kommen?
SCHÜLER:
Aus seinem Worte, worin er uns seine Gnade in Christo erklärt und seine Liebe gegen uns bezeugt.
LEHRER:
Der Grund und Anfang unsers Vertrauens auf Gott ist also, dass wir ihn in Christo kennen?
SCHÜLER:
Allerdings.
LEHRER:
Jetzt möchte ich in Kürze von dir den Hauptinhalt dieser Erkenntnis hören.
SCHÜLER:
Er ist enthalten in dem Glaubensbekenntnis, welches alle Christen miteinander gemein haben. Man nennt es gewöhnlich „das apostolische“, weil es seit dem Anfang der Kirche immer von allen Frommen angenommen, und entweder von den Aposteln diktiert oder aus ihren Schriften treulich zusammengestellt ist.
LEHRER:
Sage es her.
SCHÜLER:
„Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesum Christum, seinen einigen Sohn, unsern Herrn, der empfan-gen ist vom heiligen Geiste, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten hat unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, abgestiegen zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden ist von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige, allgemeine Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sün-den, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen.“
LEHRER:
Um die einzelnen Stücke genauer zu verstehen, in wie viel Teile teilen wir dies Bekenntnis?
SCHÜLER:
In vier Hauptteile.
LEHRER:
Nenne sie mir.
SCHÜLER:
Der erste wird von Gott, dem Vater handeln, der zweite von seinem Sohne Jesu Christo, der auch die ganze Lehre von der Erlösung der Menschen in sich fasst, der dritten vom heiligen Geist, der vierte von der Kirche und den ihr erwiesenen göttlichen Wohltaten.
LEHRER:
Da nur Ein Gott ist, warum erwähnst du hier denn drei: den Vater, den Sohn und den heiligen Geist?
SCHÜLER:
Weil wir in dem einigen Wesen Gottes den Vater erblicken sollen, als den Anfang und Ursprung oder die erste Ursache aller Dinge, ferner den Sohn, der seine ewige Weisheit ist, endlich den heiligen Geist, als seine Kraft, die sich zwar über alles verbreitet, aber immer in ihm wohnt.
LEHRER:
Du gibst also zu verstehen, es sei nichts Ungereimtes, wenn wir in Einer Gottheit diese drei unterschiedenen Personen annehmen, und Gott werde deshalb nicht geteilt.
SCHÜLER:
So ist es.
LEHRER:
Sage nun den ersten Teil her.
SCHÜLER:
„Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“
LEHRER:
Warum nennst du ihn „Vater?“
SCHÜLER:
Zuerst in Rücksicht auf Christum, der auch seine Weisheit ist, von ihm vor aller Zeit gezeugt, in diese Welt geschickt und für seinen Sohn erklärt ward. Da aber Gott der Vater Jesu Christi ist, so schließen wir daraus, dass er auch unser Vater sei.
LEHRER:
In welchem Sinne legst du ihm den Namen des „Allmächtigen“ bei?
SCHÜLER:
Nicht, dass er Macht habe, ohne sie zu gebrauchen, sondern dass er Alles in seiner Gewalt und in seiner Hand habe, durch seine Vorsehung die Welt regiere, nach seinem Willen ordne, und über alle Geschöpfe herrsche, wie es ihm gefällt.
LEHRER:
Du stellst dir also die Macht Gottes nicht als müßig vor, sondern denkst sie dir als eine solche, welche die Hand niemals von dem Werke abzieht, so, dass nichts ohne ihn und seinen Ratschluss geschieht?
SCHÜLER:
So ist es.
LEHRER:
Warum fügst du hinzu: „Schöpfer des Himmels und der Erde?“
SCHÜLER:
Weil er sich durch seine Werke offenbart hat; in diesen müssen wir ihn suchen; denn sein Wesen kann unsre Seele nicht fassen. Die Welt ist also gleichsam ein Spiegel, in dem wir ihn erblicken können, wiefern es uns nützlich ist, ihn zu er-kennen.
LEHRER:
Verstehst du nicht unter Himmel und Erde alle übrigen Geschöpfe?
SCHÜLER:
Ja wohl; unter diesen beiden Wörtern werden sie alle zusammengefasst, die himmlischen, wie die irdischen.
LEHRER: Warum aber nennst du Gott nur „Schöpfer“, da es doch weit wichtiger ist, die Geschöpfe in ihrer Verfassung zu bewahren und zu erhalten, als sie ein Mal erschaffen zu haben?
SCHÜLER:
Durch dies Wörtchen wird nicht etwa nur angezeigt, dass Gott seine Werke Ein Mal erschaffen habe, sich aber weiter nicht um sie bekümmere. Vielmehr ist es so zu fassen, dass die Welt, wie sie ein Mal von ihm erschaffen ist, so auch jetzt von ihm erhalten werde, und dass die Erde und Alles andere nur insofern be-stehe, als es durch seine Kraft und gleichsam von seiner Hand gehalten wird. Da er Alles nun also in seiner Hand hält, so folgt, dass er der höchste Regierer und Herr aller Dinge sei. Daraus nun, dass er Schöpfer des Himmels und der Erde ist, muss man erkennen, dass er allein es ist, der mit Weisheit, Güte und Macht den Lauf und die Ordnung der ganzen Natur regiert, der des Regens und der Dürre, des Hagels und anderer Unwetter, wie des heitern Wetters Urheber ist, der durch seine Güte die Erde befruchtet, und sie wieder unfruchtbar macht, wenn er seine Hand zurückzieht, von dem die Gesundheit kommt, wie die Krankheiten, dessen Herrschaft Alles untertan ist, dessen Wink Alles gehorcht.
LEHRER:
Was aber sollen wir von den Gottlosen und von den Teufeln denken? Werden wir sagen dürfen, dass auch sie ihm untertan sind?
SCHÜLER:
Obgleich er sie nicht mit seinem Geiste regiert, so beschränkt er sie doch durch seine Macht, wie mit einem Zügel, so, dass sie sich nicht regen können, als wie-fern er es ihnen gestattet. Ja, er macht sie sogar zu Dienern seines Willens, so, dass sie gezwungen werden, wider ihren Willen und gegen ihre Absicht zu voll-bringen, was ihm gefällt.
LEHRER:
Welchen Nutzen hast du von dieser Erkenntnis?
SCHÜLER:
Einen sehr großen. Denn es würde übel mit uns stehen, wenn die Teufel und die gottlosen Menschen gegen Gottes Willen etwas vermöchten; wir würden niemals ruhig sein, indem wir glauben würden, ihrer Willkür Preis gegeben zu sein. Dann erst beruhigen wir uns völlig, wenn wir wissen, dass Gott sie zügelt und gleich-sam enge eingrenzt, so, dass sie nichts ohne seine Zulassung tun können, zu-mal, da Gott selbst uns verheißen hat, dass er unser Beschützer und der Bürge unsers Heils sein wolle.
LEHRER:
Lasst uns jetzt zum zweiten Teile fortschreiten.
SCHÜLER:
Er lautet: „Wir glauben an Jesum Christum, seinen Sohn, unsern Herrn.“
LEHRER:
Was enthält er vorzugsweise?
SCHÜLER:
Dass der Sohn Gottes unser Erlöser ist; er erklärt zugleich, wie er uns vom Tode errettet und uns das Leben erworben hat.
LEHRER:
Was bedeutet der Name „Jesus“, mit dem du ihn nennst?
SCHÜLER:
Was bei den Griechen Heiland, Retter heißt. Die Lateiner haben kein eigenes Wort, wodurch der Begriff gut ausgedrückt werden könnte. Deshalb hat man das Wort „salvator“ angenommen. Dem Sohne Gottes hat diese Benennung der En-gel gegeben, auf Gottes eigenen Befehl.
LEHRER:
Will das mehr sagen, als wenn Menschen sie ihm gegeben hätte?
SCHÜLER:
Allerdings. Denn da Gott wollte, dass er so genannt würde, so folgt notwendig daraus, dass er es auch wirklich sei.
LEHRER:
Was bedeutet ferner der Name „Christus“?
SCHÜLER:
Mit diesem Beinamen wird seine Wirksamkeit noch besser ausgedrückt; denn es bedeutet, dass er von seinem Vater „gesalbt“ sei zum Könige, Priester und Pro-pheten.
LEHRER:
Woher weißt du das?
SCHÜLER:
Weil die Schrift mit diesen drei Ämtern die Salbung verbindet; ferner, weil sie dieselben Christo öfters beilegt.
LEHRER:
Mit was für Öl aber ist er gesalbt?
SCHÜLER:
Nicht mit sichtbarem, wie es bei der Weihe der alten Könige, Priester und Pro-pheten gebraucht ward, sondern mit edlerem, nämlich mit dem heiligen Geiste; das ist das Wahre jener bloß äußerlichen Salbung.
LEHRER:
Was aber hat er für ein Reich, wie du erwähnst?
SCHÜLER:
Ein geistiges, das auf dem Worte und dem Geiste Gottes beruht, welche Ge-rechtigkeit und Leben gewähren.
LEHRER:
Und was für ein Priestertum?
SCHÜLER:
Es ist das Amt und Vorrecht, vor Gott zu treten, um Gnade zu erlangen, und durch Darbringung eines ihm wohlgefälligen Opfers seinen Zorn zu stillen.
LEHRER:
In welchem Sinne aber nennst du Christum einen Propheten?
SCHÜLER:
Weil er sich, als er auf die Erde herabkam, für einen Gesandten und Dolmetscher des Vaters bei den Menschen erklärte, und zwar zu dem Ende, um durch voll-ständige Belehrung über den Willen des Vaters allen Offenbarungen und Weis-sagungen ein Ende zu machen.
LEHRER:
Hast du davon denn einigen Nutzen?
SCHÜLER:
Ja, dies Alles zweckt nur auf unser Bestes ab. Denn der Vater hat Christum damit begabet, dass er es uns mitteilen und wir Alle aus seiner Fülle schöpfen.
LEHRER:
Setze mir dies etwas auseinander.
SCHÜLER:
Er war mit dem heiligen Geiste erfüllt, und mit dem vollen Reichtum aller seiner Gaben ausgerüstet, damit er sie uns erteilte, einem Jeden nach dem Maße, das ihm heilsam ist, wie der Vater weiß. Daher schöpfen wir Alles, was wir von geisti-gen Gütern besitzen, aus ihm, als der alleinigen Quelle.
LEHRER:
Was gewährt uns sein Reich?
SCHÜLER:
Dass wir durch diese Wohltat, damit wir ein frommes und heiliges Leben führen können, Freiheit des Gewissens gewonnen und seine geistlichen Schätze erlangt haben, und dadurch mit der Kraft gerüstet sind, die zur Besiegung der bestän-digen Feinde unsrer Seele, der Sünde, des Fleisches, des Satans und der Welt hinreicht.
LEHRER:
Wozu aber dient sein Priestertum?
SCHÜLER:
Zuerst, dass er auf diese Weise unser Mittler ist, uns mit dem Vater zu versöh-nen; sodann, dass uns durch ihn der Zugang zum Vater geöffnet ist, dass wir mit Zuversicht vor sein Angesicht treten, und uns selbst und Alles, was unser ist, ihm zum Opfer darbringen. So macht er uns gewissermaßen zu seinem Mitgenossen im Priestertum.
LEHRER:
Es ist noch das Prophetenamt übrig.
SCHÜLER:
Da dem Sohne Gottes das Lehramt übertragen ist bei den Seinen, ist der Zweck, dass er sie durch die richtige Erkenntnis des Vaters erleuchte, sie in der Wahrheit unterweise und sie zu vertrauten Schülern Gottes mache.
LEHRER:
Darauf also lässt sich Alles, was du gesagt hast, zurückführen, dass der Name Christi drei Ämter in sich begreife, welche der Vater dem Sohne übertragen hat, damit er ihre Kraft und Frucht den Seinen reichlich mitteile?
SCHÜLER:
So ist es.
LEHRER:
Warum nennst du ihn den „einigen“ Sohn Gottes, da Gott doch uns Alle dieses Namens würdigt?
SCHÜLER:
Dass wir Kinder Gottes sind, das haben wir nicht von Natur, sondern nur durch Annahme an Kindes Statt und aus Gnade, weil uns Gott nämlich so ansieht. Aber der Herr Jesus, der aus dem Wesen des Vaters gezeugt und Eines Wesens mit dem Vater ist, wird mit dem vollkommensten Recht der einige Sohn Gottes ge-nannt, da er allein es von Natur ist.
LEHRER:
Erkennst du also, dass diese Ehre sein Eigentum ist und ihm von Natur zu-kommt, uns aber als ein Gnadengeschenk mitgeteilt werde, wiefern wir seine Glieder sind?
SCHÜLER:
Allerdings. Darum wird er auch in Hinsicht auf diese Mitteilung anderswo „der Erstgeborne unter vielen Brüdern“ genannt. LEHRER: Wie verstehst du es, dass er unser „Herr“ sei?
SCHÜLER:
Wiefern er von dem Vater dazu bestimmt ist, dass wir unter seiner Oberherr-schaft stehen, dass er das Reich Gottes regiere im Himmel und auf Erden, und das Haupt der Menschen und der Engel sei.
LEHRER:
Was will das Folgende sagen?
SCHÜLER:
Es zeigt die Art und Weise, wie der Sohn vom Vater gesalbt ist, damit er uns ein Heiland sei, dass er nämlich, nachdem er unser Fleisch an sich genommen hat, alles das vollendet hat, was zu unserm Heile nötig war, wie es hier aufgezählt wird.
LEHRER:
Was willst du mit diesen beiden Sätzen sagen, dass er „empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren von der Jungfrau Maria“?
SCHÜLER:
Dass er in dem Leibe der Jungfrau gebildet sei, aus ihrem Wesen, damit er der wahre „Same Davids“ sei, wie es in den Weissagungen der Propheten vorher-gesagt war, und dass dies durch eine wunderbare und geheimnisvolle Kraft des Geistes bewirkt worden, ohne die Gemeinschaft eines Mannes.
LEHRER:
War es denn so nötig, dass er sich in unser Fleisch kleidete?
SCHÜLER:
Sehr nötig; denn der Ungehorsam, den der Mensch sich gegen Gott hatte lassen zu Schulden kommen, musste notwendig auch in menschlicher Natur gesühnt werden; auf andere Weise konnte er auch nicht unser Mittler sein, die Versöh-nung zwischen Gott und den Menschen zu Stande zu bringen.
LEHRER:
Du behauptest also, Christus habe Mensch werden müssen, damit er gleichsam in unsrer Person vollbringe, was zu unserm Heile nötig war?
SCHÜLER:
Das ist meine Meinung. Denn von ihm müssen wir entlehnen, was uns selber fehlt, weil es auf andere Weise nicht möglich ist.
LEHRER:
Warum aber ist dies durch den heiligen Geist bewirkt, und nicht vielmehr auf die gewöhnliche und bekannte Weise, durch Zeugung?
SCHÜLER:
Weil der menschliche Same ganz und gar verdorben ist, so geziemt es sich, dass bei der Erzeugung des Sohnes Gottes die Wirksamkeit des heiligen Geistes da-zwischen kam, damit er nicht von dieser Ansteckung berührt würde, sondern ge-schmückt wäre mit der vollkommensten Reinheit.
LEHRER:
Hieraus also lernen wir, dass der, welcher Andere heiligt, frei sei von allen Flecken, und, wenn ich so sagen darf, mit ursprünglicher Reinheit von Mutter-leibe an begabt, damit er Gott ganz geheiligt sei und von keinem Gebrechen des menschlichen Geschlechtes befleckt.
SCHÜLER:
So verstehe ich es.
LEHRER:
Wie ist er unser „Herr“?
SCHÜLER:
Er ist von dem Vater bestimmt, dass er uns regiere, und, da er die Gewalt und Oberherrschaft Gottes im Himmel sowohl, als auf der Erde, erhalten hat, als das Haupt der Engel und der Frommen erkannt werde.
LEHRER:
Warum kommst du von seiner Geburt sogleich auf seinen Tod, und übergehst die Geschichte seines ganzen Lebens?
SCHÜLER:
Weil hier nur von dem die Rede ist, was so ganz zu unsrer Erlösung gehört, dass es gewissermaßen das Wesen derselben ausmacht.
LEHRER:
Warum sagst du nicht einfach und mit Einem Worte, er sei gestorben, sondern fügest auch den Namen des Statthalters hinzu, unter dem er gelitten habe?
SCHÜLER:
Dies geschieht nicht nur um der Zuverlässigkeit der Geschichte willen, sondern dient dazu, dass wir wissen, sein Tod sei mit einer Verurteilung verbunden ge-wesen.
LEHRER:
Erkläre dies deutlicher.
SCHÜLER:
Er ist gestorben, damit er die von uns verdiente Strafe litte und uns so von der-selben befreite. Da wir aber Alle, weil wir Sünder sind, vor dem Gerichte Gottes strafbar sein würden, so wollte er, um unsre Stelle einzunehmen, sich vor einen weltlichen Richter stellen und durch seinen Ausspruch verurteilt werden, damit wir vor dem himmlischen Richterstuhl Gottes freigesprochen würden.
LEHRER:
Aber Pilatus erklärt ihn für unschuldig; also verdammt er ihn nicht als einen Übel-täter.
SCHÜLER:
Beides muss man beachten. Denn deshalb gibt ihm der Richter das Zeugnis der Unschuld, damit es bezeugt werde, dass er nicht für seine eigenen Übeltaten bestraft sei, sondern für die unsre; dennoch wird er auf feierliche Weise durch den Ausspruch desselben Richters verurteilt, damit offenbar werde, er unterwerfe sich dem Urteil, welches wir verdient haben, als unser Bürge, um uns von der Schuld zu befreien.
LEHRER:
Gut gesagt. Denn wäre er ein Sünder, so wäre er nicht ein tauglicher Bürge, um die Strafe für fremde Sünde zu leiden. Damit aber seine Verurteilung uns zur Lossprechung diene, musste er unter die Übeltäter gerechnet werden.
SCHÜLER:
So verstehe ich es.
LEHRER:
Dass er „gekreuzigt“ worden, hat das mehr Gewicht, als wenn er auf irgendeine andere Art getötet wäre?
SCHÜLER:
Allerdings, wie auch Paulus erinnert, indem er schreibt, Christus sei „an das Holz gehängt“, damit er unsern Fluch auf sich nähme und wir von demselben befreit würden. Denn jene Todesart war mit dem Fluch belegt.
LEHRER:
Wie aber? Wird dem Sohne Gottes nicht eine Schmach zugefügt, wenn man sagt, er sei dem Fluche unterworfen gewesen, selbst vor Gott?
SCHÜLER:
Keineswegs. Denn indem er ihn auf sich nahm, hat er ihn aufgehoben; er hat aber indessen nicht aufgehört, der Gesegnete zu sein, damit er seinen Segen über uns ausgieße.
LEHRER:
Fahre fort.
SCHÜLER:
Weil der Tod den Menschen als Strafe auferlegt war, um der Sünde willen, so erduldete ihn der Sohn Gottes, und besiegte ihn, indem er ihn erduldete. Und damit umso mehr offenbar würde, dass er den wahren Tod litt, so wollte er, wie andere Menschen, in das Grab gelegt werden.
LEHRER:
Allein es scheint doch, als brächte dieser Sieg uns keinen Vorteil, da wir nichts desto weniger sterben.
SCHÜLER:
Das steht nicht entgegen; denn jetzt ist der Tod für die Gläubigen nicht Anderes, als der Übergang in ein besseres Leben.
LEHRER:
Daraus folgt, dass wir vor dem Tode nicht mehr erschrecken dürfen, als wäre er etwas Furchtbares, sondern dass wir mit getrostem Mute unserm Führer, Christo, folgen sollen, der, wie er selbst im Tode nicht umkam, auch uns nicht umkommen lässt.
SCHÜLER:
So ist es.
LEHRER:
Was unmittelbar darauf von seinem „Hinabsteigen zur Hölle“ hinzugefügt wird, welchen Sinn hat das?
SCHÜLER:
Dass er nicht nur den wirklichen Tod gelitten habe, der in der Trennung der Seele vom Körper besteht, sondern auch „die Schmerzen des Todes,“ wie Petrus es nennt. Unter diesem Ausdruck aber verstehe ich die furchtbare Angst, von der seine Seele ergriffen war.
LEHRER:
Sage mir die Ursache und die Beschaffenheit derselben.
SCHÜLER:
Weil er, um für die Sünder genug zu tun, sich vor den Richterstuhl Gottes stellte, so musste sein Gewissen von dieser Angst gequält werden, als wäre er ver-lassen von Gott, ja, als wäre Gott feindlich gegen ihn gesinnt. In dieser Angst war er, als er zu seinem Vater rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich ver-lassen?“
LEHRER:
Zürnte denn der Vater auf ihn?
SCHÜLER:
Keineswegs; sondern er bewies diese Strenge gegen ihn, damit erfüllt würde, was vorhergesagt ist durch Jesaias, „dass er geschlagen sei von der Hand Gottes wegen unsrer Sünden, verwundet wegen unsrer Missetaten.“
LEHRER:
Aber da er Gott ist, wie konnte er von solcher Angst ergriffen werden, als wäre er von Gott verlassen?
SCHÜLER:
Man muss das so nehmen, dass er den Empfindungen seiner menschlichen Natur gemäß dahin gebracht war. Damit dies geschähe, hielt sich inzwischen seine Gottheit ein wenig verborgen, das heißt, sie äußerte ihre Kraft nicht.
LEHRER:
Wie ist es aber möglich, dass Christus, das Heil der Welt, dieser Verdammnis unterworfen war?
SCHÜLER:
Er ward derselben nicht so unterworfen, dass er unter ihr bliebe. Er ward nämlich von jener Angst ergriffen, jedoch nicht überwältigt; vielmehr kämpfte er mit der Macht der Hölle, und besiegte und zerstörte dieselbe.
LEHRER:
Hieraus nehmen wir ab, wie die Gewissensqual, welche er erduldet, sich von der unterscheidet, von der die Sünder geplagt werden, welche die Hand des erzürn-ten Gottes verfolgt. Denn was bei ihm vorübergehend war, ist bei diesen dauernd, und was bei ihm nur gleichsam ein Stachel war, zum Stechen, ist bei ihnen ein tödliches Schwert, das Herz, wenn ich so sagen darf, zu verwunden.
SCHÜLER:
So ists. Auch hörte der Sohn, als er von solchen Kämpfen ergriffen war, nicht auf, dem Vater zu vertrauen; die Sünder aber, welche durch das Gericht Gottes ver-urteilt sind, stürzen in Verzweiflung, wüten gegen ihn, und lassen sich bis zu offenbaren Gotteslästerungen hinreißen.
LEHRER:
Können wir daraus schließen, welchen Gewinn die Gläubigen vom Tode Christi haben?
SCHÜLER:
Allerdings. Denn zuvörderst sehen wir, dass er das Opfer ist, wodurch er unsre Sünden vor Gott abgebüßt, und durch Besänftigung des göttlichen Zornes uns mit ihm ausgesöhnt hat; ferner, dass sein Blut das Bad ist, durch welches unsre Seelen von allen Flecken gereinigt werden; endlich dass das Gedächtnis unsrer Sünden vertilgt worden, so dass sie nie wieder vor Gottes Augen kommen, und dass auf diese Weise die Handschrift, die uns anklagte, durchstrichen und abge-tan ist.
LEHRER:
Bringt er uns sonst keinen Nutzen?
SCHÜLER:
Ja wohl. Durch diese Wohltat nämlich wird, wenn wir wahre Glieder Christi sind, unser alter Mensch gekreuzigt, der Leib der Sünde wird abgetan, damit die bösen Lüste des Fleisches nicht weiter in uns herrschen.
LEHRER:
Fahre fort mit dem, was noch übrig ist.
SCHÜLER:
Es folgt: „am dritten Tage auferstanden von den Toten“, wodurch er sich als Überwinder der Sünde und des Todes gezeigt hat; denn durch seine Aufer-stehung hat er den Tod verschlungen, die Bande des Teufels zerbrochen und seine ganze Macht in nichts verwandelt.
LEHRER:
Ein wie vielfacher Nutzen geht für uns aus dieser Auferstehung hervor?
SCHÜLER:
Ein dreifacher. Denn teils haben wir durch dieselbe die Gerechtigkeit erlangt, teils ist sie uns ein sichres Unterpfand unsrer Unsterblichkeit, teils werden wir schon jetzt durch ihre Kraft zum neuen Leben erweckt, damit wir durch ein reines und heiliges Leben dem Willen Gottes gehorchen.
LEHRER:
Lass uns noch das Übrige durchgehen.
SCHÜLER:
„Aufgefahren gen Himmel.“
LEHRER:
Ist er so aufgefahren, dass er nicht mehr auf Erden ist?
SCHÜLER:
Ja. Denn nachdem er Alles vollbracht hatte, was ihm von seinem Vater aufge-tragen war, und was zu unserm Heil diente, war es nicht nötig, dass er länger auf Erden verweilte.
LEHRER:
Welchen Vorteil erlangen wir durch diese Himmelfahrt?
SCHÜLER:
Der Nutzen ist zwiefach. Denn da Christus unsertwegen in den Himmel einge-gangen ist, gleich wie er um unsertwillen auf die Erde herabgekommen war, hat er auch uns den Eingang geöffnet, so, dass uns jetzt die Tür offen steht, die um der Sünde willen vorher verschlossen war. Sodann erscheint er vor Gott als unser Mittler und Fürsprecher.
LEHRER:
Hat sich aber Christus, da er sich wieder zum Himmel erhoben, so von uns ent-fernt, dass er aufgehört hat, bei uns zu sein?
SCHÜLER:
Keineswegs; vielmehr hat er versichert, dass er bei uns sein werde bis an das Ende der Welt.
LEHRER:
Dass er bei uns wohnt, ist das von der leiblichen Gegenwart zu verstehn?
SCHÜLER:
Nein. Denn anders verhält es sich mit seinem Leibe, der in den Himmel aufge-nommen ist, anders mit seiner Kraft, die überall hin verbreitet ist.
LEHRER:
In welchem Sinne sagst du, „er sitze zur Rechten des Vaters“?
SCHÜLER:
Diese Worte bedeuten, dass der Vater ihm die Regierung des Himmels und der Erde übertragen habe, so, dass er Alles beherrscht.
LEHRER:
Was aber bedeutet „die Rechte“ und „das Sitzen“?
SCHÜLER:
Die Vergleichung ist von Fürsten hergenommen, welche diejenigen zu ihrer Rechten zu setzen pflegen, von denen sie sich vertreten lassen.
LEHRER:
Du meinst also nichts Anderes, als was Paulus sagt, nämlich, „Christus sei gesetzet zum Haupt der Gemeine, und über alle Fürstentümer erhaben, habe er einen Namen erhalten, der über alle Namen ist.“
SCHÜLER:
Wie du sagst.
LEHRER:
Wir wollen weiter gehen.
SCHÜLER:
„Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Der Sinn dieser Worte ist: Er wird sichtbar kommen, den Weltkreis zu richten, wie man ihn gesehen hat gen Himmel fahren.
LEHRER:
Da der Tag des Gerichtes nicht kommen wird vor dem Ende der Welt, wie kannst du sagen, dass alsdann noch einige Menschen übrig sein werden, indem doch Allen gesetzt ist, Ein Mal zu sterben.
SCHÜLER:
Diese Frage löset Paulus, indem er lehrt, dass diejenigen, welche dann übrig sind, durch eine plötzliche Verwandlung werden umgeschaffen werden, indem sie das Verwesliche des Fleisches ablegen und das Unverwesliche anziehen.
LEHRER:
Du bist also der Meinung, dass diese Veränderung bei ihnen die Stelle des Todes vertreten werde, weil sie die Vernichtung des ersten und der Anfang des neuen Zustandes sein wird.
SCHÜLER:
Das ist meine Meinung.
LEHRER:
Gewährt es unserm Gewissen denn eine Freude, dass Christus einst der Richter der Welt sein wird?
SCHÜLER:
Allerdings, und zwar eine große; denn wir wissen gewiss, dass es nicht anders, als zu unserm Heil kommen werde.
LEHRER:
Wir haben also dies Gericht nicht zu fürchten, so dass es uns Schrecken ein-jagte?
SCHÜLER:
Durchaus nicht, da wir nur vor dem Thron des Richters stehen werden, der auch unser Fürsprecher ist und unsre Verteidigung übernommen hat.
LEHRER:
Lasst uns zum dritten Teile fortgehen.
SCHÜLER:
Er handelt vom „Glauben an den heiligen Geist.“
LEHRER:
Was aber gibt er uns?
SCHÜLER:
Er lehrt uns erkennen, dass Gott, wie er uns durch seinen Sohn erlöset und errettet hat, so auch durch seinen Geist uns dieser Erlösung und dieses Heils teilhaft mache.
LEHRER:
Wie das?
SCHÜLER:
Wie wir gereinigt werden durch das Blut Christi, so muss auch unser Gewissen damit besprengt und dadurch abgewaschen werden.
LEHRER:
Das bedarf noch einer deutlichern Erklärung.
SCHÜLER:
Ich will sagen, dass der Geist Gottes, da er in unsern Herzen wohnt, bewirkt, dass wir die Kraft Gottes empfinden; denn dass wir die Segnungen Christi in unsre Seele aufnehmen, das geschieht durch die Erleuchtung des heiligen Geistes; durch die von ihm bewirkte Überzeugung werden sie in unsern Herzen versiegelt; endlich führt er allein sie uns zu, indem wir durch ihn wiedergeboren und neue Geschöpfe werden. Alle Gaben also, die uns in Christo dargeboten werden, empfangen wir durch die Kraft des Geistes.
LEHRER:
Weiter.
SCHÜLER:
Es folgt der vierte Teil, in dem wir bekennen, dass „wir eine heilige, allgemeine Kirche glauben.“
LEHRER:
Was ist „die Kirche?“
SCHÜLER:
Der Leib und die Gemeinschaft der Gläubigen, welche Gott zum ewigen Leben vorherbestimmt hat.
LEHRER:
Ist dies auch ein Hauptstück, das wir glauben müssen?
SCHÜLER:
Allerdings, wenn wir den Tod Christi nicht unnütz machen, und Alles, was bis dahin angeführt ist, für nichts achten wollen. Denn die alleinige Wirkung von Allem besteht darin, dass die Kirche vorhanden ist.
LEHRER:
Du siehst, dass bis jetzt von der Bedingung des Heils gehandelt und der Grund desselben gezeigt ist, indem du erklärt hast, dass durch das Verdienst und die Vermittlung Christi wir die Liebe Gottes wieder erlangt haben, und dass diese Gnade durch die Kraft des Geistes in uns befestigt sei; jetzt aber muss die Wir-kung von dem Allen dargelegt werden, damit der Glaube desto sicherer sich da-rauf gründe.
SCHÜLER:
Allerdings.
LEHRER:
Weiter – in welchem Sinne nennst du die Kirche „heilig“?
SCHÜLER:
Weil nämlich Gott Alle, die er erwählt hat, gerecht macht und zur Heiligkeit und Unschuld des Lebens umbildet, damit in ihnen seine Herrlichkeit sichtbar werde. Das will auch Paulus sagen, wenn er erinnert, dass Christus die von ihm erlösete Gemeine geheiligt habe, damit sie heilig sei und rein von allen Flecken.
LEHRER:
Was bedeutet das Beiwort „katholisch“ oder „allgemein“?
SCHÜLER:
Es belehrt uns, dass, wie die Gläubigen Ein Haupt haben, so auch Alle zu Einem Körper zusammenwachsen müssen, damit Eine Kirche sei, die sich über die ganze Erde verbreitet, nicht mehrere.
LEHRER:
Was aber will das sagen, was sogleich von der „Gemeinschaft der Heiligen“ hinzugefügt wird?
SCHÜLER:
Es ist hinzugefügt, um die Einheit, die zwischen den Gliedern der Kirche Statt findet, deutlicher zu bezeichnen. Zugleich wird dadurch angezeigt, dass alle Wohltaten, die Gott der Kirche schenkt, zur gemeinschaftlichen Wohlfahrt Aller abzwecken, da Alle mit einander Gemeinschaft haben.
LEHRER:
Ist aber die Heiligkeit, welche du der Kirche beilegst, schon vollkommen?
SCHÜLER:
Das ist sie noch nicht, so lange sie nämlich in dieser Welt streitet. Denn sie leidet immer an Schwachheiten, und wird nicht eher von der Sünde, die ihr noch an-hängt, gereinigt werden, als bis sie Christo, ihrem Haupte, von dem sie geheiligt wird, ganz und gar anhängt.
LEHRER:
Kann aber die Kirche anders erkannt werden, als indem man ihr Dasein glaubt?
SCHÜLER:
Es gibt zwar auch eine „sichtbare“ Kirche Gottes, die er uns nach gewissen Kennzeichen und Merkmalen beschrieben hat; hier aber ist eigentlich von der Versammlung derer die Rede, die er durch seine geheimnisvolle Erwählung aufgenommen hat zum Heil. Diese aber wird weder immer mit Augen gesehen, noch an gewissen Zeichen erkannt.
LEHRER:
Was folgt weiter?
SCHÜLER:
„Ich glaube Vergebung der Sünden.“
LEHRER:
Was soll das Wort „Vergebung“ bedeuten?
SCHÜLER:
Dass Gott aus freier Gnade den Gläubigen ihre Sünden verzeihe und vergebe, so, dass sie nicht ins Gericht kommen oder bestraft werden.
LEHRER:
Hieraus folgt, dass wir die Vergebung der Sünden, die wir von dem Herrn erlangen, schlechterdings nicht durch unsre eigene Genugtuung verdienen.
SCHÜLER:
Gewiss. Christus allein hat durch Erduldung der Strafe genug getan. Was uns betrifft, so haben wir nichts, was wir Gott als Genugtuung darbieten könnten; sondern wir empfangen diese unverdiente Wohltat aus seiner Gnade allein.
LEHRER:
Warum bringst du die Vergebung der Sünden mit der Kirche in Verbindung?
SCHÜLER:
Weil Niemand dieselbe erlangt, wenn er nicht zuvor vereinigt ist mit dem Volke Gottes, und die Vereinigung mit dem Leibe Christi beharrlich bis an das Ende bewahrt, und so das Zeugnis ablegt, dass er ein echtes Glied der Kirche sei.
LEHRER:
Auf diese Weise behauptest du, dass außer der Kirche nur Verdammnis und Verderben sei?
SCHÜLER:
Allerdings. Denn wer sich von dem Leibe Christi trennt und durch Parteiung die Einheit desselben trennt, dem ist alle Hoffnung des Heils geraubt, so lange er in dieser Trennung verbleibt.
LEHRER:
Sage das noch Übrige her.
SCHÜLER:
„Ich glaube Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben.“
LEHRER:
Warum steht dieser Satz in dem Glaubensbekenntnis?
SCHÜLER:
Damit wir erinnert werden, dass unsre Glückseligkeit nicht auf dieser Erde ihren Sitz hat. Diese Erkenntnis hat einen zwiefachen Nutzen. Zuerst lernen wir daraus, dass wir auf dieser Welt wohnen sollen, wie Fremdlinge, und immer-während an die Reise denken, und unsre Herzen nicht mit irdischen Sorgen beschweren; ferner, dass wir, obgleich die Frucht der in Christo uns zu Teil gewordenen Gnade uns noch unbekannt und vor unsern Augen verborgen ist, deshalb doch nicht den Mut sinken lassen, sondern in Geduld ausharren sollen bis zum Tage der Offenbarung.
LEHRER:
In welcher Ordnung wird diese Auferstehung erfolgen?
SCHÜLER:
Die vorher gestorben sind, werden ihre Leiber wieder erhalten, dieselben, welche sie gehabt haben, aber in einem neuen Zustande, das heißt, nicht mehr dem Tode unterworfen und der Verwesung. Die aber alsdann noch übrig sein werden, die wird Gott durch eine schnelle Umwandlung auf wunderbare Weise erwecken.
LEHRER:
Steht aber den Frommen und den Gottlosen dieselbe Auferstehung bevor?
SCHÜLER:
Die Auferstehung ist eine und dieselbe für Alle, aber das Schicksal ist ver-schieden; denn Einige werden auferstehen zum Heil und zur Seligkeit, Andere zum Tode und zum äußersten Elende.
LEHRER:
Warum geschieht hier nur „des ewigen Lebens“ Erwähnung, „der Hölle“ aber nicht?
SCHÜLER:
Weil hier nur das berücksichtigt wird, was zum Troste frommer Seelen gehört; daher werden nur die Belohnungen erwähnt, die der Herr seinen Knechten bereitet hat. Es wird deshalb nicht hinzugefügt, welches Los die Gottlosen er-wartet, die, wie wir wissen, vom Reiche Gottes fern sind.
LEHRER:
Haben wir den Grund, auf den der Glaube sich stützen muss, so wird sich daraus leicht der Begriff „des wahren Glaubens“ herleiten lassen.
SCHÜLER:
Allerdings. Wir müssen ihn so erklären, dass wir sagen, er sei die sichere und unerschütterliche Erkenntnis des väterlichen Wohlwollens Gottes gegen uns, wie er uns im Evangelium bezeugt, dass er durch das Verdienst Christi unser Vater und Heiland sein wolle.
LEHRER:
Erlangen wir diesen Glauben durch uns selbst, oder empfangen wir ihn von Gott?
SCHÜLER:
Die Schrift lehrt, dass er ein besonderes Geschenk Gottes ist, und die Erfahrung bestätigt es.
LEHRER:
Was willst du mit der Erfahrung sagen?
SCHÜLER:
Unser Verstand ist zu beschränkt, als dass er die geistliche Weisheit Gottes fassen könnte, die uns durch den Glauben offenbart wird, und unser Herz ist mehr zum Unglauben oder zum fehlerhaften Vertrauen auf uns selbst und die Geschöpfe geneigt, als dass er aus eigenem Triebe bei Gott seine Beruhigung fände. Aber der heilige Geist macht uns durch seine Erleuchtung fähig, das zu verstehen, was sonst unsre Fassungskraft weit überstiege, und empfänglich für eine feste Überzeugung, indem er die Verheißungen des Heils in unserm Herzen versiegelt.
LEHRER:
Welch ein Vorteil entspringt für uns aus diesem Glauben, wenn wir ein Mal dazu gelangt sind?
SCHÜLER:
Er rechtfertigt uns vor Gott, und macht uns durch die so erlangte Gerechtigkeit zu Erben des ewigen Lebens.
LEHRER:
Wie? Werden die Menschen denn nicht durch ihre „guten Werke“ gerecht, wenn sie sich bemühen, durch ein heiliges und unschuldiges Leben Gottes Beifall zu erlangen?
SCHÜLER:
Wenn Jemand gefunden würde, der durchaus vollkommen wäre, so verdiente er, gerecht genannt zu werden; allein da wir Alle Sünder und auf mannigfache Weise vor Gott schuldig sind, so müssen wir anders woher das Verdienst suchen, das uns mit ihm aussöhnt.
LEHRER:
Aber sind denn alle gute Werke so verwerflich und ganz ohne allen Wert, dass sie bei Gott uns keine Gnade verdienen können?
SCHÜLER:
Zuerst ist Alles, was von uns ausgeht, so, dass es im eigentlichen Sinn unser heißen kann, fehlerhaft, und daher kann es Gott nur missfallen und von ihm ver-worfen werden.
LEHRER:
Du behauptest also: Ehe wir wiedergeboren und durch den Geist Gottes umge-schaffen sind, können wir nichts, als sündigen, wie ein schlechter Baum nur schlechte Früchte trägt?
SCHÜLER:
So ist es in der Tat. Denn welchen Schein sie auch haben mögen in den Augen der Menschen, sie sind nichts desto weniger schlecht, so lange das Herz, worauf Gott besonders sieht, böse ist.
LEHRER:
Daraus folgerst du also, dass wir durch kein Verdienst Gott für uns einnehmen oder sein Wohlwollen uns erwerben können, dass vielmehr Alles, was wir von Werken versuchen oder unternehmen, seinen Zorn und seine Verurteilung verdiene?
SCHÜLER:
Das ist meine Meinung. Er nimmt uns allein aus Barmherzigkeit und ohne Rück-sicht auf Werke sonder Verdienst in Christo auf und hat Wohlgefallen an uns, indem er dessen ihm wohlgefällige Gerechtigkeit auf uns überträgt, als wäre es die unsre, unsre Sünden aber uns nicht zurechnet.
LEHRER:
Wie werden wir denn gerecht durch den Glauben?
SCHÜLER:
Indem wir mit festem Vertrauen unsers Herzens die Verheißungen des Evange-liums annehmen, so gelangen wir gewissermaßen zum Besitz der Gerechtigkeit.
LEHRER:
Du willst also sagen, die Gerechtigkeit werde von uns durch den Glauben ange-nommen, wie sie uns von Gott durch das Evangelium dargeboten wird?
SCHÜLER:
Ja.
LEHRER:
Aber wenn uns Gott ein Mal angenommen hat, haben dann die Werke seinen Beifall; die wir unter der Leitung des heiligen Geistes vollbringen?
SCHÜLER:
Sie gefallen ihm, jedoch nicht durch das Verdienst der eigenen Würdigkeit, sondern weil er sie aus freier Gnade seines Beifalls würdigt.
LEHRER:
Da sie aber von dem heiligen Geist ausgehen, verdienen sie nicht seinen Beifall?
SCHÜLER:
Wegen der Schwachheit des Fleisches ist ihnen doch immer etwas Unreines bei-gemischt, wovon sie befleckt werden.
LEHRER:
Wie aber und auf welche Weise können sie Gott gefallen?
SCHÜLER:
Es ist der Glaube allein, der ihnen Gnade verschafft, indem wir das feste Ver-trauen fassen, dass sie nicht nach dem höchsten Recht werden beurteilt werden, weil Gott sie nicht nach der Strenge seines Gesetzes richten will, sondern ihre Fehler und Flecken bedeckt und mit der Fleckenlosigkeit Christi begräbt, und sie so annimmt, als wären sie vollkommen und tadellos.
LEHRER:
Aber dürfen wir daraus schließen, dass der Christ, nachdem er von Gott berufen ist, durch seine Werke gerecht werde, oder durch das Verdienst seiner Werke dahin komme, dass Gott ihn liebt, dessen Liebe für uns ewiges Leben ist?
SCHÜLER:
Keineswegs. Vielmehr müssen wir festhalten, was geschrieben steht, dass kein Sterblicher vor Gott gerechtfertigt werden könne, und deshalb bitten, dass er mit uns nicht in das Gericht gehen wolle.
LEHRER:
Des ungeachtet glauben wir nicht, dass die guten Werke der Gläubigen unnütz sind.
SCHÜLER:
Nichts weniger. Denn nicht umsonst verheißt ihnen Gott Belohnung in dieser Welt, wie im künftigen Leben. Aber diese Belohnung entspringt aus der freien Liebe Gottes, wie aus ihrer Quelle, weil er uns zuerst zu Kindern annimmt, und sodann, indem er das Andenken an unsre Fehler begräbt, das, was wir leisten, gnädig ansieht.
LEHRER:
Lässt sich aber diese Gerechtigkeit nicht so von den guten Werken trennen, dass, wer jene besitzt, diese entbehren kann?
SCHÜLER:
Das ist unmöglich. Denn da wir Christum im Glauben aufnehmen, wie er sich uns darbietet, er uns aber nicht nur Erlösung vom Tode und Versöhnung mit Gott verheißt, sondern auch die Gnade des heiligen Geistes, durch die wir zu einem neuen Leben sollen wiedergeboren werden; so muss beides vereinigt sein, damit wir nicht Christum von sich selbst trennen.
LEHRER:
Hieraus folgt, dass der Glaube die Wurzel ist, aus der alle guten Werke ent-springen müssen. So wenig kann er uns von dem Streben danach abziehen.
SCHÜLER:
So ist es gewiss. Daher ist die ganze Lehre des Evangeliums in diesen zwei Stücken enthalten: „im Glauben und in der Buße.“
LEHRER:
Was ist „Buße“?
SCHÜLER:
Missfallen und Hass gegen die Sünde, und Liebe zur Gerechtigkeit, die aus Gottesfurcht entspringt, wodurch wir zur Verleugnung unsrer selbst und zur Abtötung des Fleisches geführt werden, so, dass wir uns der Leitung des Geistes Gottes hingeben, und alle Handlungen unsers Lebens zur Befolgung des gött-lichen Willens lenken.
LEHRER:
Das war aber das zweite Stück der Einteilung, die wir zu Anfange aufstellten, als du die Art und Weise der rechten Gottesverehrung erklärtest.
SCHÜLER:
Allerdings. Zugleich ward hinzugefügt, die wahre und echte Regel der Gottes-verehrung sei, dass wir seinem Willen gehorchen.
LEHRER:
Wieso?
SCHÜLER:
Weil nicht die Verehrung seinen Beifall hat, die wir nach unserm Belieben uns ersinnen, sondern die, welche er selbst nach seinem Willen vorgeschrieben hat.
LEHRER:
Was hat er uns denn für eine Regel des Verhaltens gegeben?