DAS SIEBZEHNTE KAPITEL. (1.B./17.K.)
DASS DER CHRISTEN ERBE UND GÜTER NICHT IN DIESER WELT SEIEN, DARUM SIE DAS ZEITLICHE ALS FREMDLINGE GEBRAUCHEN SOLLEN.
Inhalt.
1) Man soll alle zeitliche Dinge mit Furcht und Notdurft gebrauchen. 2) Denn sie sind ein Probierstein des Menschen, 3) wie der verbotene Baum. 4) Christen haben als Fremdlinge ihre Lust nicht an irdischen Dingen, 5) und hüten sich vor Missbrauch derselben. 6) Der Mensch stirbt ärmer, als er geboren wird; 7) darum ist ja der Geiz die größte Torheit. 8) Die Betrachtung des Zeitlichen und Ewigen wirket große Weisheit. 9) Die aber die Welt lieb haben, kommen nicht über den viehischen Verstand. 10) Die Welt zu verschmähen lehret uns das Exempel Christi; 11) das Exempel Davids; 12) das Exempel der Apostel des Herrn. 13) Hierin folgen Kinder Gottes dem edlen Leben Jesu; 14) weil sie ein besseres Vaterland wissen, als die Welt ist.
Wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnügen. 1 Tim. 6,7.8.
Alles, was Gott geschaffen, und dem Menschen gegeben an zeitlichen Gütern, das ist von Gott nur zur Leibes Notdurft geschaffen, dazu wir es auch allein ge-brauchen sollen, und alles von Gott nehmen mit Danksagung, mit Furcht und Zittern. Ist etwas überflüßig, Gold und Silber, Speise und Trank, Kleidung etc., so ist es alles dem Menschen zur Probe vorgestellt, wie er sich damit erzeigen, und damit umgehen will, ob er Gott wolle anhangen, und allein auf die unsichtbaren, himmlischen Güter sehen, und sich in Gott erfreuen; oder ob er von Gott abge-fallen, und sich in die zeitlichen Lüste und irdische Welt begeben, das irdische Paradies mehr liebe, als das himmlische.
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2. Darum hat Gott den Menschen, der zeitlichen Dinge halber, in eine freie Wahl gesetzt, und probieret ihn durch Reichtum, durch hohe Gaben, durch Ehre und Gunst, wie fest er an Gott halten wolle, ob er sich auch dadurch von Gott wolle lassen abwenden, ob er in Gott oder außer Gott, mit Gott oder wider Gott leben wolle, und alsdann nach seiner eigenen Wahl gerichtet würde, und keine Ent-schuldigung hätte, wie Moses spricht: 5 B. Mos. 30,19. Siehe, ich nehme heut Himmel und Erden zu Zeugen, dass ich euch vorgeleget habe den Segen und Fluch, das Leben und Tod, dass ihr das Leben erwählen sollet und den Segen überkommen.
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3. Darum stehen alle Dinge in dieser Welt vor unsern Augen, nicht um Wollust und Ergötzung willen, sondern als eine vorgestellte Probe, daran wir uns leicht vergreifen können, wenn wir das höchste Gut fahren lassen. Denn das alles ist der verbotene Baum mit seinen Früchten, davon wir nicht essen sollen, das ist, uns nicht gelüsten lassen diese Welt, also, dass wir unsers Herzens Lust und Freude daran haben; wie denn jetzt die ganze Welt tut, die ihre Wollust im Zeit-lichen suchet, zur Ergötzung ihres Fleisches mit köstlicher Speise und Trank, mit köstlicher Kleidung und anderer irdischer Freude, welches die meisten Leute von Gott abwendet.
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4. Dagegen sollen die Christen gedenken, dass sie hier Pilgrime und Gäste Gottes seien, darum sollen sie nur zur Notdurft und nicht zur Wollust das Zeit-liche gebrauchen. Gott soll allein unsere Lust und Freude sein, und nicht die Welt. Ist es anders, so tun wir Sünde, und essen täglich mit der Eva von dem verbotenen Baum durch die bösen Lüste. Christen haben ihre Lust nicht an der irdischen Speise, sondern ihre inwendigen Augen sind gerichtet auf die ewige Speise. Christen prangen nicht mit den irdischen Kleidern, sondern sehnen sich nach der himmlischen Kleidung der Klarheit Gottes, und der verklärten Leiber. In dieser Welt ist alles den Christen ein Kreuz, eine Versuchung, eine Anreizung zum Bösen, ein Gift und Galle. Denn was ein Mensch mit Lust anrühret und braucht zur Ergötzung des Fleisches, ohne Furcht Gottes, das ist der Seele ein Gift, ob es gleich dem Leibe eine Arznei und gut zu sein scheinet. Aber niemand will den verbotenen Baum mit seinen Früchten kennen lernen; jedermann greift mit großer Begierde nach der verbotenen Lust des Fleisches, das ist der verbotene Baum.
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5. Wer nun ein rechter wahrer Christ ist, der braucht alles mit Furcht, als ein Gast, und siehet sich wohl vor, dass er Gott, als den obersten Hausvater, mit Essen und Trinken, mit Kleidern und Wohnungen, oder mit dem Gebrauch zeitlicher Dinge nicht erzürne, und seine Mitgäste beleidige; hütet sich vor dem Missbrauch, und siehet immer mit dem Glauben in das ewige, zukünftige und unsichtbare Wesen, da die rechten Güter sein. Denn was hilft es dem Leibe, wenn er lange seine Wollust in dieser Welt gepflogen, darnach fressen ihn die Würmer? Gedenket an den heiligen Hiob, da er sprach: Ich bin nackend von meiner Mutter Leib kommen, nackend muß ich davon, Hiob 1,21. Wir bringen nichts mit, denn einen nackenden, dürftigen, schwachen und blöden Leib; also müssen wir wieder hinaus in jene Welt, müssen auch unser Leib und Leben hinter uns lassen, können es nicht mitnehmen.
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6. Was wir nun von der Stunde der Geburt an, bis in die Stunde des Todes, in dieser Welt empfangen haben, an Speise, Trank, Kleidung und Wohnung, ist alles Gnaden- und Schmerzensbrot gewesen, und die bloße Notdurft des Leibes; müssen alles dahinten lassen in der Stunde des Todes, und ärmer von hinnen scheiden, als wir herein gekommen; denn ein Mensch stirbt ärmer, als er ge-boren wird. Wenn er in die Welt kommt, bringt er ja noch Leib und Leben mit, und ist also seine Decke, Speise und Wohnung da; aber wenn er stirbt, muß er nicht allein das lassen, sondern sein Leib und Leben dazu. Wer ist nun ärmer, wenn er stirbt, als ein Mensch? Ist er aber nicht reich in Gott, wie könnte eine ärmere Kreatur sein.
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7. Weil wir denn nun Fremdlinge und Gäste sein, und alles Zeitliche weiter nicht gehet, als zu Erhaltung des sterblichen Leibes, was plagen und beschweren wir denn unsere arme Seele damit? Denn nach dem Tode ist es uns ja nichts mehr nütze. Siehe, welche Torheit ist es, so viele Güter für einen armen sterblichen Leib sammeln, welche du doch in der Welt lassen mußt, Luk. 12,20.21. Weißt du nicht, dass eine andere bessere Welt ist, dass ein anderer besserer Leib und Leben ist, als dieser sterbliche Leib, und das elende zeitliche Leben? Weißt du nicht, dass du ein Gast und Fremdling vor Gott bist? Psalm 39,15. Vor mir, spricht der Herr, vor meinen Augen, wiewohl ihr es nicht gedenket und meinet, 3 Mos. 25,23.
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8. Weil denn nun der Herr sagt, wir seien Gäste und Fremdlinge, so muß not-wendig unser Vaterland wo anders sein. Da findet sich, wenn wir betrachten die Zeit und Ewigkeit, die sichtbare und unsichtbare Welt, die irdischen und himmli-schen Wohnungen, das sterbliche und unsterbliche Wesen, das Vergängliche und Unvergängliche, das zeitliche und ewige Wesen. Wenn wir diese Dinge gegeneinander halten und betrachten, so wird unsere Seele geläutert, und wir sehen mit dem Glauben viele Dinge, die da von allen denen unerkannt bleiben, die solche Betrachtung nicht haben; die füllen sich mit irdischem Kot dieser Welt, wälzen sich darinnen, vertiefen sich in weltlichen Sorgen, Geiz und Wucher, die sind blind an ihren Seelen, ob sie wohl in zeitlichen Dingen noch so scharfsichtig sein. Denn sie meinen, es sei keine edlere und bessere Freude, kein edleres und besseres Leben und Wesen, als in dieser Welt; die doch den wahren Christen nur ein Jammertal ist, ja eine finstere Grube und tiefer Kerker.
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9. Darum auch diejenigen, die diese Welt lieb haben, und ihr Paradies darinnen suchen, die kommen über den viehischen Verstand nicht, fahren davon wie ein Vieh, Ps. 49,21. sind blind am innern Menschen, haben keine himmlischen Ge-danken, können sich in Gott nicht erfreuen, freuen sich nur im Kot dieser Welt; darinnen ist ihre Ruhe, wenn sie das haben, so ist ihnen wohl. Das sind rechte Viehmenschen. Ach die elenden, blinden Leute! sie sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, Luk. 1,79. und fahren in die ewige Finsternis.
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10. Und damit wir ja wohl lernen mögen, dass wir Fremdlinge und Gäste in dieser Welt seien, sollen wir auf das Exempel Christi sehen, und ihm nachfolgen, seiner Lehre und Leben; derselbe ist unser Vorgänger gewesen, unser Exemplar und Vorbild, dem sollen Christen begehren gleichförmig zu werden. Siehe die Lehre und Leben Christi an, siehe, er war der edelste Mensch in der Welt! Was aber war sein Leben? Nichts anders, denn eitel Armut und Verachtung der weltlichen Ehre, Lust und Güter? Welche drei die Welt für ihren dreifachen Gott hält. Sagt er nicht selbst: Des Menschen Sohn hat nicht so viel, dass er sein Haupt hinlege, Matth. 8,20.
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11. Siehe an den David, wie arm, verachtet und verfolget er war, ehe er zum Königreich kam; und als er König ward, hat er alle seine königliche Ehre und Würde so hoch nicht geachtet, als die Freude des ewigen Lebens, wie er im 84. Ps. v. 2. spricht: Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth, meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn. Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausende etc. Ich habe ja Land und Leute, auch eine königliche Wohnung, die Burg Zion; aber es ist nichts gegen deine liebliche Wohnung. So tat auch Hiob, da er sich seines Erlösers tröstete, Hiob 19,25.
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12. Siehe an Petrum, Paulum und alle Apostel, wie sie ihre Güter, ihren Reichtum nicht in dieser, sondern in der zukünftigen Welt gesucht haben; wie sie das edle Leben Christi an sich genommen, gewandelt in seiner Liebe, Sanftmut, Demut und Geduld, wie sie diese Welt verschmähet haben. Hat ihnen einer geflucht, sie haben ihn dafür gesegnet; hat sie jemand geschmähet, sie haben ihm dafür gedankt, 1 Kor. 4,12. Apost. Gesch. 5,41. hat sie jemand verfolgt, sie haben Gott dafür gedient; hat sie jemand gegeißelt, sie haben es mit Geduld gelitten, und gesagt: Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen, Apost. Gesch. 14,22. und hat sie jemand getötet, sie haben für sie gebetet, und mit ihrem Erlöser gesagt: Vater, vergib es ihnen, rechne ihnen die Sünde nicht zu, Ap. Gesch. 7,59. So gar sind sie abgestorben dem Zorn, der Rachgier und Bitter-keit, dem Ehrgeiz, der Hoffart, der Liebe dieser Welt, und ihres eigenen Lebens, und haben gelebt in Christo, das ist in seiner Liebe, Sanftmut, Geduld und De-mut. Diese sind recht in Christo lebendig worden im Glauben, die also leben.
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13. Von diesem edlen Leben Christi können die Weltkinder nicht viel wissen, denn die in Christo leben, noch wissen, dass in Christo ein rechtschaffenes Leben sei, Eph. 4,21. die sind tot in Sünden, in ihrem Zorn, Haß, Neid, Geiz, Wucher, Hoffart und Rachgier; und so lange ein Mensch darinnen, bleibt, tut er nimmer Buße, wird nimmermehr in Christo lebendig durch den Glauben, er gebe es auch so gut vor, als er immer wolle. Die wahren Christen aber wissen, dass sie in die Fußstapfen ihres Erlösers treten müssen, 1 Petr. 2,22. und sie haben sein Leben zum Fürbilde, und ihr Buch ist Christus selbst, sie lernen seine Lehre und Leben von ihm, da heißt es: In Christo ist ein rechtschaffenes Leben. Das Leben Christi kann uns alles lehren. Die sprechen mit den Aposteln: Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig, 2 Kor. 4,18. Item: Wir haben hie keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir, Hebr. 13,14.
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14. So wir denn nun Fremdlinge und Gäste in dieser Welt sein, und hie keine bleibende Statt haben, so muß ja daraus folgen, dass wir nicht um dieser sicht-baren Welt willen erschaffen sind. Darum ist diese Welt nicht unser rechtes Vaterland und Eigentum, wir wissen ein bessers und edlers, um welches willen wir lieber sollten zwei Welten verlieren, ja Leib und Leben, dass wir jenes be-halten möchten. Darum freuet sich ein Christ dieser Erkenntnis, dass er reich möge in Gott werden, und dass er zum ewigen Leben erschaffen sei. Sehet doch, wie elende, verblendete Leute die Weltmenschen sind, welche Torheit sie in der Welt begehen, dass sie ihre edle Seele, um des Zeitlichen willen, be-schweren, ja wohl gar verlieren etc.
Gebet um Verachtung des Zeitlichen, und Liebe des Ewigen.
O dreieiniger Gott! weil du mich nicht zu diesem zeitlichen, sondern zu dem ewigen Leben erschaffen, erlöset und geheiliget hast, so laß mich nur nach dir selbst, und nach den geistlichen Gaben und himmlischen Schätzen trachten, indessen die zeitlichen Güter bloß zur Not, Nutzen meines Nächsten, und deiner Ehre, im Glauben, mit Gebet und Danksagung, als ein Fremdling, der hier keine bleibende Statt hat, sondern die Zukünftige suchet, gebrauchet, Amen.