DAS EINUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./31.K.)
DASS EIGENE LIEBE UND EIGENE EHRE
AUCH DIE HÖCHSTEN UND SCHÖNSTEN GABEN DES MENSCHEN VERDERBEN UND ZUNICHTE MACHEN.
Inhalt.
1) Die Liebe ist die größte Tugend. 2) Es gibt eine wahre und eine falsche Liebe. 3) Ohne wahre Liebe sind alle Gaben nichts nütze, ja schädlich, 4) Wahre Liebe nimmt und gibt in aller Einfalt ohne eigene Ehre. 5) Ohne solche reine Liebe sind alle Gaben nichts. 6) Alle eigene Liebe und Ehre ist aus dem Teufel. 7) Das war Luzifers und Adams Fall, und aller Menschen Unart. 8) Diese Unart muß durch Christum geändert werden; 9) denn der Zweck seiner Menschwerdung ist unsere Wiedergeburt. 10) Aus dieser neuen Geburt müssen alle unsere Werke und Gaben kommen. 11) So sind sie Gott, im Glauben und Liebe getan, wohlgefällig.
Wenn ich mit Menschen- und Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle.
1 Kor. 13, v. 1. u. f.
Daß St. Paulus die Liebe so hoch erhebet, geschiehet darum, weil Gott selbst die Liebe ist. So hoch nun Gott zu loben ist, so hoch ist auch die Liebe in Gott zu loben; denn es ist keine größere Tugend, weder in Gott noch im Menschen, als die Liebe.
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2. Es ist aber zweierlei Liebe des Menschen, eine wahre, lebendige, reine, lau-tere, unbefleckte Liebe; und eine falsche, unreine, befleckte Liebe. Die reine, lautere Liebe ist also, wie St. Paulus sie allhie beschreibt, mit vielen Eigen-schaften und Früchten, wie vorhin gehört worden. Die falsche, unreine, befleckte Liebe ist, die in allen Dingen, in Worten, in Werken und Gaben, ihren eigenen Ruhm, Ehre und Nutzen suchet, und hat wohl den äußerlichen Schein, als wenn Gott und Menschen damit gedienet würde; aber im innern Grunde ist nichts als eigener Ruhm, eigene Ehre, eigener Nutzen, eigene Liebe, und was aus dem-selben Grunde geht, das geht nicht aus Gott, sondern aus dem Teufel, und ist ein Gift, das alle gute Werke und alle gute Gaben verderbet.
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3. Gleichwie eine Blume, wenn sie noch so schön ist von Farben, von Geruch, von Geschmack, und aber ein verborgenes Gift darinnen stecket, wie man der-selben etliche findet; so ist doch ihre schöne Farbe, Geruch und süßer Ge-schmack den Menschen nicht allein nichts nütze, sondern auch höchst schädlich. Also ein Mensch, wenn er noch so schöne Gaben hat, und wenn es englische Gaben wären, und ist voll Hoffart, eigener Ehre und Liebe, so sind dieselben nicht allein nichts nütze, sondern auch höchst schädlich. Denn alles, was gut sein soll, das muß lauter und rein aus Gott gehen, und aus Gott kommen, und sich in Gott enden; hat es keinen andern Ursprung und Ende, so kann es nicht gut sein. Denn Gott ist der Ursprung alles Guten; was gut ist, das kann sonst nirgends herkommen, als aus Gott. Dasjenige, was Gott allein in deinem Herzen wirket, das ist allein gut; was aber deine eigene Liebe, deine eigene Ehre, dein Eigen-tum, dein Eigennutz in dir wirket, und dich wozu beweget, das kann nicht gut sein, denn es kommt nicht aus Gott. Gott ist allein gut. Matth. 19,17. Gott ist aber die Liebe, darum kommt dem Nächsten aus der Liebe alles Gute, wie auch Gott selbst ist.
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4. Darum ein heiliger Mann gewünscht hat, dass er dem lieben Gott das sein möge, was ihm seine Hand ist, das ist, wie unsere Hand etwas zu sich nimmt, und wieder weggibt, eignet darum ihr keinen Ruhm und Ehre zu, denn sie ist ein bloßes Instrument und Werkzeug, hinzunehmen und wegzugeben; also soll ein Mensch in großer Einfalt dem lieben Gott sein, wie seine Hand, und was er von Gott empfangen, das soll er in großer Einfalt, ohne einigen Ruhm und Ehre, aus reiner, lauterer Liebe und Gütigkeit wieder weggeben, denn er hat es auch von Gott empfangen, darum er sich auch nichts rühmen kann. Der Ruhm aber ist allein deß, von welchem er es empfangen hat, das ist, Gott gehört die Ehre allein, wir sind nur bloße Werkzeuge Gottes, von Gott zu empfangen seine Gaben, und dieselben wieder auszuteilen.
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5. Wer nun eine solche lautere und reine Liebe nicht hat, der ist nichts mit allen seinen Gaben, und wenn er gleich mit Engelzungen reden könnte, alle Geheim-nisse und Erkenntnis wüßte, den wundertätigen Glauben hätte, und alle seine Habe den Armen, ja gar sein Leib und Leben dahin gäbe.
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6. Denn alle eigene Liebe, eigener Ruhm, Ehre und Nutz ist aus dem Teufel, und ist des Teufels Fall, dadurch er vom Himmel verstoßen ist. Denn, nachdem Gott den Luzifer zum schönen Engel geschaffen, ihn mit besondern hohen Gaben, Schönheit, Weisheit, Licht und Herrlichkeit begabt, hat er sich in seinen eigenen Gaben gespiegelt, als ein Pfau in seinen Federn, und angefangen sich selbst zu lieben, zu ehren und zu rühmen; das ist der Anfang seines Falls, dass er die Ehre nicht Gott, sondern sich selbst gegeben, seine Liebe von Gott abgewandt zu sich selbsten, da hat ihn Gott verstoßen mit seinen Engeln, die er verführt hatte mit seiner Hoffart. Denn der Luzifer hat ein Fürstentum unter den Engeln gehabt, wie St. Judas sagt: Epist. v. 6. Die Engel, die ihr Fürstentum nicht behalten. Und St. Paulus: Kol. 2,15. Er hat ausgezogen die Fürstentümer und Gewaltigen, sie öffentlich zur Schau getragen, und einen Triumph aus ihnen gemacht.
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7. Wodurch nun der Satan gefallen, dadurch hat er den Menschen auch gefället, hat ihn von Gottes Liebe und Ehre abgewandt zu sich selbst, dass im Menschen entstanden eigene Liebe und eigene Ehre, dass er Gott hat wollen gleich sein; dadurch ist er aus dem Paradies gestoßen worden, wie Luzifer aus dem Himmel. Und haben uns nun unsere ersten Eltern die eigene Liebe und eigene Ehre ange-erbet. Das ist der Fall Adams, welchen noch alle Menschen tun, und das wird uns allen durch Fleisch und Blut angeboren.
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8. Soll nun dieser Fall wieder gut gemacht und verbessert werden, so muß es geschehen durch das teure Verdienst Christi, durch den Glauben begriffen, durch welchen wir auch in Christo erneuert werden, und das Fleisch kreuzigen, also, dass dafür, da sonst ein Mensch sich selbst liebt, dagegen sich selbst lernet hassen, Luk. 14,26. das ist, keinen Gefallen an sich selbst haben; dafür, dass ein Mensch sich selbst ehret, muß er lernen sich selbst verleugnen, Luk. 9,23. das ist, für nichts halten; dafür, dass ein Mensch seinen eigenen Ruhm und Nutzen suchet, muß er lernen absagen alle dem, was er hat, Luk. 14,33. nicht das ge-ringste Vertrauen und Trost auf etwas Irdisches setzen, und mit seinem eigenen Fleisch und Blut stets kämpfen, oder er kann des Herrn Jünger nicht sein. So ganz muß durch Christum, durch wahre herzliche Buße, die verkehrte böse Unart des menschlichen Herzens geändert werden.
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9. Und weil nun dies im menschlichen Vermögen nicht stund, denn von Natur kann der Mensch nichts anders, als sich selbst lieben, ehren, rühmen, und sei-nen eigenen Nutzen in allen Dingen suchen; das ist, er kann nichts als sündigen, das ist ihm angeboren, so mußte Gottes Sohn selbst den Anfang zu unserer Wiederbringung machen, ja das Mittel und Ende, und mußte Gottes Sohn Mensch werden, auf dass durch ihn die menschliche Natur erneuert würde, und wir durch ihn, in ihm, und aus ihm neu geboren, und neue Kreaturen würden. Denn gleichwie wir im Adam leiblich und auch geistlich gestorben sind: also müssen wir in Christo geistlich wieder lebendig werden, 1 Kor. 15,22. Und wie wir durch die fleischliche Geburt die Sünde aus Adam geerbet haben, also müssen wir in Christo, durch die geistliche Geburt, durch den Glauben, die Gerechtigkeit erben. Denn gleichwie uns durch die fleischliche Geburt aus Adam die Sünde, eigene Liebe, eigene Ehre und eigener Ruhm angeboren wird, also muß aus Christo, durch den Glauben und heiligen Geist, unsere Natur erneuert, gereiniget und geheiliget werden, und alle eigene Liebe, Ehre und Ruhm in uns sterben, und wir müssen ein neues Herz und einen neuen Geist aus Christo bekommen, wie wir aus Adam das sündliche Fleisch empfangen. Wegen solcher neuen Ge-burt wird Christus der Herr genannt ewiger Vater, Jes. 9,6.
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10. So müssen nun aller Christen Werke, die Gott gefallen sollen, und alle Gaben aus der neuen Geburt kommen, das ist, aus dem Glauben, aus Christo, aus dem heiligen Geist, sonst taugen die höchsten Gaben vor Gott nicht, und wenn es auch Wunderwerke wären. Wir müssen gegen unsern Nächsten alles in der Lie-be tun, 1 Kor. 16,14. ohne allen eigenen Nutzen und Ruhm. Darum hat Gott uns seinen lieben Sohn zum Exempel vorgestellet. In dem ist keine eigene Liebe, keine eigene Ehre, kein Eigennutz, kein Eigenruhm gewesen, sondern eine reine, lautere Liebe und Demut, die von Herzen gegangen. Er ist aber uns nicht zu einem solchen Exempel vorgestellet, wie andere Heiligen, deren Exempel wir von außen ansehen, sondern zu einem lebendigen Exempel, dass er in uns leben solle und müsse, durch den Glauben. So geht dann all unser Tun, Reden, Er-kenntnis, Werk aus Christo, als aus dem lebendigen Grunde und Ursprung. Wo das nicht geschieht, ist all unser Tun nichts, und wenn es auch englische Gaben und Werke wären. Denn wo eigene Liebe ist, da ist Gottes Feindschaft, wo eige-ne Ehre und Ruhm ist, da ist Gottes Verachtung; wie können denn die Werke, so daraus geschehen, Gott gefallen?
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11. Darum bittet Gott um den Glauben, und die reine, ungefärbte Liebe, die nicht befleckt ist mit eigener Ehre, Nutzen und Ruhm, sondern dass sie vom Herzen gehe; so werden nicht allein große Gaben und Werke in solchem Glauben Gott wohl gefallen, sondern auch die allerkleinsten und geringsten, und wenn es nur ein Trunk kalten Wassers wäre, Matth. 10,42. Denn ein geringes Werk, so aus lauter Liebe und Demut geschieht, ist besser und größer, als ein großes Werk, so aus Hoffart und eigenem Ruhm geschieht, etc.
Gebet um geistliche Reinigung.
Es ist, o Gott! dein Geschenk und Gabe, alles, was ich bin und habe, und du hast mirs nicht gegeben, dass ichs bloß zu meinem Nutzen behalte, Ehre und Ruhm darinnen suche, sondern dass ich es als deine Hand, und aus deiner Hand aus-teile zu deinem Lob und des Nächsten Dienst. Ach! laß mich darin als einen treuen Haushalter deiner Gaben allezeit erfunden werden, damit ich dermaleinst die fröhliche Stimme hören möge: Du frommer und getreuer Knecht, du bist über Wenigem getreu gewesen, ich will dich über Viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude, Amen.