DAS VIERUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./34.K.)
EIN MENSCH KANN ZU SEINER SELIGKEIT NICHTS TUN,
GOTT TUT ES ALLEIN, WENN SICH NUR DER MENSCH
GOTT DURCH SEINE GNADE ERGIBT, UND MIT SICH HANDELN LÄSST, WIE EIN ARZT MIT DEM KRANKEN; UND WIE OHNE BUSSE
CHRISTI VERDIENST NICHT ZUGERECHNET WERDE.
Inhalt.
1) Christus hat uns alles verdient, was zur Seligkeit gehöret, 2) denn der ge-fallene Mensch kann sich selbst nicht helfen. 3) Wir konnten uns nicht erschaffen, vielweniger erlösen und heiligen; 4) darum mußte Christus kommen, 5) der muß nun allein unser Arzt sein. 6) Sobald der Mensch Buße tut, sobald wirket Christus in ihm. 7) Doch kann der Mensch auch das nicht von Natur, sondern die Gnade züchtiget ihn. 8) Folget er derselben, so wirket sie Glauben, Liebe etc. 9) Denn ohne Buße hilft Christi Verdienst nichts; 10) darum ließ Christus erst Buße pre-digen, 11) und in solcher Ordnung verheißet er Vergebung der Sünden. 12) Der Glaube kann keine herrschende Sünden leiden. 13) Das bezeuget Zachäi Exem-pel. 14) Wir müssen Gott mit uns handeln lassen, wie ein Arzt mit dem Kranken. 15) Gott wirket alles Gute in uns, 16) und rechnet es uns aus Gnaden zu. 17) Christus schaffet selbst auch den guten Willen in uns.
Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heili-gung und Erlösung. 1 Kor. 1,30.
Mit diesem gewaltigen Spruch lehret uns der heilige Apostel, dass Jesus Christus unser Herr alles verdient habe, was zu unserer Seligkeit gehöret. Da wir nichts wußten von dem Wege des Lebens, ist er unsere Weisheit geworden; da wir Sünder waren, ist er unsere Gerechtigkeit geworden; da wir vor Gott ein Gräuel waren, ist er unsere Heiligung geworden; da wir verdammt waren, ist er unsere Erlösung geworden.
2. Hiezu kann aller Menschen Verdienst, Vermögen und freier Wille nicht eines Stäubleins wert bringen, nicht so viel hinzu tun, als ein Stäublein wert ist, das in der Sonne fliegt, weder im Anfang, Mittel, noch Ende. Sündigen hat der Mensch wohl können, aber sich selbst nicht wiederum gerecht machen; verlieren hat er sich selbst wohl können, aber nicht selbst wieder finden; töten hat er sich selbst wohl können, aber nicht selbst wieder lebendig machen; dem Teufel hat er sich können unterwürfig machen, aber vom Teufel erretten, hat er sich selbst nicht gekonnt. Denn wie ein toter Leib sich nicht selbst kann lebendig machen, also alle Menschen, die tot in Sünden sein, wie Paulus sagt, Ephes. 3,5. können sich selbst nicht helfen.
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3. Gleichwie wir nichts haben tun können zu unserer Schöpfung, denn wir haben uns selbst nicht schaffen können, also können wir auch nichts tun zu unserer Erlösung, Heiligung und neuen Geburt, denn die Erlösung ist mehr als die Schöpfung. Könnten wir uns selbst gerecht machen, wir täten mehr, als wenn wir uns selbst schaffeten.
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4. Darum ist nun Gottes Sohn Mensch geworden, dass er alles wiederbrachte, was in Adam verloren war, und alles wieder lebendig machte, was in Adam ge-storben war.
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5. Das geht nun also zu, wie das Gleichnis ausweiset, Luk. 10,30. seq. von dem verwundeten Menschen, so unter die Mörder gefallen war, und sich selbst nicht helfen konnte. Der getreue Samariter mußte ihm seine Wunden verbinden, ihn aufheben, in die Herberge führen, und mit ihm handeln, wie ein Arzt mit einem Kranken. Wie aber nun der Verwundete mit ihm handeln ließ, wie es seinem Arzt, dem Samariter, gefiel, also müssen wir auch tun, wollen wir anders selig werden. Hie müssen wir Christum allein mit uns handeln lassen, und ihm stille halten, unsere Wunden reinigen und verbinden lassen, darein lassen gießen Öl und Wein, und uns ganz und gar seinem Willen lassen und ergeben, so wird er uns wohl helfen.
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6. Sobald nun ein Mensch Buße tut, sich durch Gottes Gnade zu Gott wendet und bekehret, sich die Sünde läßt leid sein, sich die Sündenwunden läßt wa-schen und reinigen, durch den scharfen Wein des Gesetzes, und das süße Öl des Trostes, sobald wirket Christus mit seiner Gnade in ihm den Glauben, alle Früchte des Glaubens, Gerechtigkeit, Leben, Friede, Freude, Trost und Seligkeit, und erneuert ihn, wirket in ihm das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen, Phil. 2,13.
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7. Nun aber steht es auch nicht in des Menschen natürlichen Kräften, die Sünden zu lassen. Denn die Schrift nennet den natürlichen Menschen der Sünden Knecht, Joh. 8,34. unter die Sünde verkauft, Röm. 7,14. der nichts anders könne von Natur, als sündigen, wie der Prophet spricht: Wie könnet ihr Gutes tun, die ihr des Bösen gewöhnet seid? Kann auch ein Parder seine Flecken wandeln, und ein Mohr seine Haut ändern? Jer. 13,23. Aber die heilsame Gnade Gottes, die allen Menschen erschienen ist durch das Evangelium, so allen Kreaturen ge-predigt wird, die züchtiget uns, sagt St. Paulus, Tit. 2,11.12. dass wir verleugnen sollen das ungöttliche Wesen, das ist, durch das Wort Gottes kommt diese Gnade zu uns und diese Gnade züchtiget uns, sagt Paulus, d. i. erinnert, lehret, locket, reizet, beweget und ermahnet den Menschen, von Sünden abzustehen und abzulassen. Und diese Ermahnung der Gnade Gottes im Worte stimmet dann überein mit dem innerlichen Zeugnis des Gewissens, und überzeugt den Menschen äußerlich und innerlich, dass er unrecht tue, und die Sünden lassen müsse, wenn er wolle selig werden, weil sie wider Gott und das Gewissen sein.
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8. Folget nun der Mensch dieser Züchtigung und Ermahnung der Gnade Gottes, gibt dem Wort Statt, fängt an abzulassen von Sünden, so wirket die Gnade Gottes alles im Menschen, den Glauben die Liebe und alle Früchte des Glau-bens; denn es ist, als wenn ein Licht anfinge zu leuchten in der Finsternis. So wenig sich aber die Finsternis selbst erleuchten kann, so wenig auch ein Mensch, wie Ps. 18,29. spricht: Du erleuchtest meine Leuchte, der Herr machet meine Finsternis licht. Es möchte einer lange die Augen aufsperren, wenn ihm die Sonne nicht leuchtete, also ist nun die Gnade Gottes und Christus selbst das helle Licht, erschienen allen Menschen, die da in Finsternis und Schatten des Todes sitzen, Luk. 1,79. und erleuchtet alle Menschen, die in diese Welt kommen, Joh. 1,9. das ist, offenbaret sich allen, bietet allen Gnade an, und läßt sie allen erscheinen. Er ist ein Licht der ganzen Welt; er weiset allen den Weg zum Leben, er leuchtet allen vor, gehet als der rechte Hirt vor den Schafen her, Joh. 10,4. weiset ihnen den Weg, den sie gehen sollen. Er hat uns alle als die verlorenen Schafe gesucht, suchet und locket uns noch täglich, Luk. 15,4. Er laufet uns nach, buhlet und wirbet um uns, wie ein Bräutigam um seine liebe Braut; wenn wir nun seine Liebe wollten annehmen wenn wir nur die Finsternis und die Sünde nicht zu lieb hätten.
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9. Wie nun ein Arzt zu einem Kranken spricht: Siehe, du mußt das nicht tun, oder du mußt sterben, du verhinderst die Arznei, und kannst nicht gesund werden; also spricht der rechte Arzt, Christus Jesus unser Herr, ernstlich zu uns: Siehe, liebes Kind, du mußt Buße tun, und von Sünden ablassen, von deiner Hoffart, Geiz, Fleischeslust, Zorn, Rachgier und dergleichen, oder du wirst sterben, und die köstliche Arznei meines Blutes und Verdienstes kann dir nicht helfen, denn du verhinderst, dass es in dir nicht kann Frucht tragen.
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10. Das ist die Ursache, warum der Herr Christus den Aposteln befohlen hat, zu allererst Buße zu predigen, Luk. 24,47. Und darum hat der Herr die Sünder zur Buße berufen, Matth. 9,13. Denn kein unbußfertiges Herz ist fähig des Ver-dienstes Christi.
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11. Wenn wir nun dies Wort hören, dass da müsse von Sünden abgelassen sein, oder ewig verdammt und verloren sein; je so fehlet es nicht, es gedenket ein Mensch zurück, und Gottes wahrhaftiges Wort und sein eigenes Gewissen über-zeuget ihn, dass es also sei. Denn es hat wohl Gott Vergebung der Sünden zugesagt allen aus Gnaden umsonst; allein dies steht dabei, wenn wir uns zu Gott bekehren, wie der Prophet spricht: Ezech. 18,21. Wenn sich der Gottlose bekehret, so soll er leben, und nicht sterben, und aller seiner Sünden sollen nicht mehr gedacht werden. Da steht Vergebung der Sünden und die Buße bei-einander.
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12. Es spricht wohl der ewige Sohn Gottes: Wer an mich glaubet, der wird das ewige Leben haben, Joh. 3,16. Aber der Glaube widerstrebet dem alten Men-schen täglich, zwinget das Fleisch, machet es dem Geiste untertan und gehor-sam, das ist, bekehret den Menschen, tilget und dämpfet die Sünde, reiniget das Herz. Denn das ist der Glaube, der sich von der Welt, von Sünden, vom Teufel zu Christo wendet und kehret, und wider die große unzählbare Schuld der Sün-den Ruhe und Erquickung der Seele suchet, allein in dem Blute, Tod und Ver-dienst Christi, ohne aller Menschen Werk. Wer aber anders glaubt, dass ihm Gott seine Sünden vergeben wolle, wenn er gleich nicht von Sünden abläßt, der hat einen betrogenen, falschen Glauben, und kann nimmermehr selig werden, so lange er nicht von seinen Sünden abstehet.
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13. Sehet an das Exempel Zachäi des Zöllners, Luk. 19,8. der verstund die Lehre vom Glauben und von der Bekehrung recht, dass nämlich das der rechte Glaube wäre, dadurch wir von Sünden zu Gott bekehret würden; und wer von Christo Vergebung der Sünden haben wolle, und seines teuren Verdienstes genießen, der müßte von Sünden ablassen, und im herzlichen Vertrauen und Zuversicht auf Gottes Gnade sich an Christum halten. Denn also verstund er die Predigt des Herrn Christi: Mark. 1,15. Tut Buße und glaubet dem Evangelio. Das ist, lasset ab von Sünden, tröstet euch meines Verdienstes, und suchet bei mir allein Vergebung der Sünden. Darum spricht er zum Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich jemand betrogen habe, dem gebe ichs vierfältig wieder. Da rühmet er nicht seine Werke, sondern die Gnade, dadurch er erkannt hatte, wie er Buße tun sollte, als wollte er sprechen: Herr! es ist mir so leid, dass ich jemand betrogen habe, dass ich es ihm auch vierfach wieder gebe, dazu die Hälfte meiner Güter den Armen. Und weil ich nun meine Sünden erkenne, und davon abzustehen, gänzlich beschlossen, und an dich glaube, so bitte ich dich, du wollest mich aus Gnaden annehmen. Da kam der Arzt und sprach: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Denn des Menschen Sohn ist kommen, zu suchen, und selig zu machen, das verloren ist.
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14. Das ist nun die wahre Buße und Bekehrung durch den Glauben, den Gott wirket. Gott ist unserer Seligkeit Anfang, Mittel und Ende, wenn wir nur Gott dem heiligen Geiste nicht mutwillig widerstreben, wie die halsstarrigen Juden, Apost. Gesch. 7,51. Kap. 13,46. Nun ihr das Wort von euch stoßet, und euch selbst nicht wert achtet des ewigen Lebens, so wenden wir uns zu den Heiden, sondern mit uns handeln lassen, wie ein Arzt handelt mit einem Patienten, der sagt ihm erstlich seine Krankheit, also offenbaret uns Gott unsere Sünden. Der Arzt sagt dem Kranken, was er lassen soll, sonst werde die Arznei nicht wirken, also sagt uns Gott, was wir lassen sollen, so werde das teure Blut Christi auch in uns wir-ken, sonst ist uns die köstliche Arznei nichts nütze.
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15. Sobald nun ein Mensch, durch des heiligen Geistes Kraft von Sünden ab-lässet, sobald fängt Gottes Gnade an in ihm zu wirken auch neue Gaben, sonst ist der Mensch nicht tüchtig, etwas Gutes von ihm selbst zu denken, geschweige denn zu tun. Und so ist alles Gute, so in uns gewirket wird, nicht unser, sondern der Gnade Gottes, wie St. Paulus spricht: Nicht ich, sondern Gottes Gnade, die in mir ist, 1 Kor. 15,10. Es wird uns aber zugerechnet aus Gnaden, ja das ganze Verdienst Christi wird den Bußfertigen zugerechnet, und der ganze Gehorsam Christi, als wenn es ein Mensch selbst getan hätte, nicht aber den Unbußfertigen.
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16. Darum geht die Zurechnung die unbußfertigen Verächter Gottes nichts an; auch wirket allein Christus in den Bußfertigen; in den andern nicht. Gleich, als wenn ein Schulmeister einem Kinde, das da schreiben lernet, die Hand führet, und spricht: Das Kind hat eine gute Schrift gemacht, also ist all unser Vermögen von Gott. Ohne mich könnet ihr nichts tun, spricht der Herr, Joh. 15,5. verstehe Gutes; aber Böses mögen wir wohl ohne ihn tun, denn das ist unser eigen; und Gutes mögen wir ohne ihn nicht tun, denn das ist Gottes eigen, Jes. 10,15. Darum hat sich kein Fleisch zu rühmen, es ist eitel Gnade, Röm. 3,24. Eph. 2,9.
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17. Selig ist der Mensch, der von Sünden abläßt, und seinen Willen Gott ergibt, wie eine Braut verwilliget den Bräutigam zu nehmen. Christus, unser Bräutigam befleißiget sich auch, den guten Willen zu machen, indem er uns so freundlich zuspricht im Wort und in unserm Herzen, suchet uns, locket uns, buhlet und wirbet um uns, ehe wir an ihn denken, alles zu dem Ende, dass wir von Sünden ablassen sollen, auf dass sein teures Blut an uns nicht verloren werde etc.
Gebet um Vollbringung guter Werke.
O Gott meines Heils und meiner Seligkeit! der du alles Gute in mir anfängest und vollendest, mache mich doch fertig in allen guten Werken, zu tun deinen Willen, und schaffe in mir, was vor dir gefällig ist durch Jesum Christum. Bewahre mich durch den Glauben zur Seligkeit, und laß deine heilsame Gnade stets mich züchtigen, das Böse zu lassen, und das Gute zu tun. Dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn zur Seligkeit, Amen.