DAS SIEBENUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./37.K.)

 

WER CHRISTO MIT GLAUBEN, HEILIGEM LEBEN UND STETIGER BUSSE NICHT FOLGET, DER KANN VON DER BLINDHEIT SEINES HERZENS NICHT ERLÖSET WERDEN, SONDERN MUSS IN DER EWIGEN FINSTERNIS BLEI-BEN; KANN AUCH CHRISTUM NICHT RECHT ERKENNEN, NOCH GEMEIN-SCHAFT UND TEIL AN IHM HABEN.

 

Inhalt.

1) Licht und Finsternis recht zu verstehen, merke: 2) Gott ist ein Licht, der Teufel und Sünde Finsternis. Wer sich nun zu Gott nicht bekehret, noch Christo folget, kann nicht erleuchtet werden. 3) 1. Denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? 4) Die größte Finsternis des Herzens ist der Unglaube mit seinen Früchten. 5) 2. Wie kann ein ungläubiges Herz den demütigen, sanftmütigen etc. Jesum erkennen? 6) 3. Die in Finsternis der Sünden leben, haben keine Gemein-schaft mit dem Licht Christo. 7) 4. Alle Erkenntnis muß aus der Erfahrung und Empfindung gehen. 8) Lernen wir nun Christi Leben, so werden wir in sein Bild verkläret, wo nicht, so bleiben wir blind. 9) 10) 5. Die rechten Nachfolger Christi haben allein das Licht des Lebens. 11) Die Gottlosen können den heiligen Geist nicht empfangen. 12) 6. Damit wir ein vollkommenes Tugendexempel hätten, ist Christus unser Licht worden. 13) 7. Den Demütigen gibt Gott die Gnade des Lichts, und Christus lebt in ihnen. 14) 8. Auf den Bußfertigen und Gläubigen ruhet der Geist Gottes. 15) 9. Glaube, Christus und alle Tugenden hangen an einan-der. 16) 10. Da die Apostel Christo nachfolgten, wurden sie erleuchtet. 17) Dies ist der Endzweck aller Predigten Tauleri. 18) So viel die Werke der Finsternis abnehmen, so viel wird man erleuchtet. 19) 11. Eine Sünde gebieret die andere; steuert man nicht, so wächst die Finsternis. 20) Wir sollen durch Christi Kraft im Glauben und der Gottseligkeit wachsen 21) Wer nicht durch Buße von Sünden läßt, kann keine Vergebung haben. 22) Wo aber Buße und Glauben ist, da ist alle Seligkeit. 23) Wo keine Buße ist, da ist keine Gnade, kein Christus, kein ewiges Leben. 24) So bleibet es denn dabei: Wer Christo nicht folget, bleibet in der Finsternis.

 

Gott ist ein Licht, und in ihm ist keine Finsternis. So wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in Finsternis, so lügen wir, und tun nicht die Wahrheit. So wir aber in dem Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft unter einander. 1 Joh. 1,5.6.7.

 

Licht und Finsternis recht zu verstehen, müssen wir Achtung haben auf die Be-schreibung des Lichts.

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2. Gott ist ein Licht, spricht St. Johannes. Was ist aber Gott? Gott ist ein geist-liches, ewiges, unendliches Wesen, allmächtig, barmherzig, gnädig, gerecht, heilig, wahrhaftig, allein weise, von unaussprechlicher Liebe und Treue; Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, einig im Wesen, dreifältig in den Personen, und ist das höchste Gut, und alles Gut wesentlich, und das ist das rechte ewige Licht. Derohalben wer sich von Gott, von seiner Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit abwendet, der wendet sich von dem Licht ab, und fällt in die Finsternis. Im Gegenteil, wenn Gott ein Licht ist, so muß der Teufel Finsternis sein, und ist Gott die Liebe, so ist der Teufel eitel grimmiger Zorn, Feindschaft, Haß und Neid, Sünde und Laster. Wer sich nun zur Sünde wendet, der wendet sich zur Finsternis und zum Teufel und kann nicht davon erlöset werden, bis er sich abkehret von der Finsternis zum Licht, von Sünden zur Gerechtigkeit, von den Lastern zur Tugend, von dem Teufel zu Gott, Ap. Gesch. 26,18. Das ist nun des wahren lebendigen Glaubens Werk, dass er das Herz reiniget, Ap. Gesch. 15,9. Denn wer an Christum glaubet, tut täglich Buße, und wendet sich von Sünden, d. i. von dem Teufel zu Christo. Denn gleichwie sich Adam durch die Sünde von Gott abwandte zum Teufel; also muß man durch wahre Buße und Ablassung von Sünden sich von dem Teufel abwenden zu dem lieben Gott.

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3. Daraus folget nun, dass der Mensch ohne Bekehrung von Sünden zu Gott nicht kann erleuchtet werden. Denn 1) was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? 2 Kor. 6,14. Unbußfertigkeit ist Finsternis, darum hat das Licht des wahren Erkenntnisses Christi mit derselben keine Gemeinschaft. Ist dem-nach unmöglich, dass diejenigen mit dem Geist und Licht der ewigen Wahrheit können erleuchtet werden, die in der Finsternis und Unbußfertigkeit leben. Darum auch St. Paulus von den Juden spricht: 2 Kor. 3,16. Wenn sie sich zum Herrn bekehren, so würde die Decke weggetan, d. i. die Finsternis, Blindheit und Un-verstand, und würden in Christo erleuchtet.

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4. Die größte Blindheit und Finsternis des menschlichen Herzens ist der Unglau-be mit seinen Früchten, als Hoffart, Geiz, fleischliche Lüste, Zorn etc. Wer damit besessen ist, der kann Christum, das wahre Licht nicht erkennen, vielweniger recht an ihn glauben, ihm vertrauen, und durch ihn selig werden.

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5. Denn wie kann doch 2) der das demütige Herz Christi erkennen, der voll stinkender Hoffart ist? Wie kann doch der das sanftmütige Herz Christi erkennen, der voll Grimms, Zorns und Neides ist? Wie kann doch der die hohe Geduld Christi erkennen, der voll Rachgier und Ungestümigkeit ist? Wer die Sanftmut, Demut und Geduld Christi nicht kennet, der hat Christum noch nicht recht erkannt. Willst du Christum recht erkennen, so mußt du durch den Glauben ein solches Herz haben, wie er hat, du mußt seine Sanftmut, Demut, Geduld in deinem Herzen schmecken, alsdann weißt du, wer Christus ist. Willst du eine gute Frucht und Kräutlein erkennen, so koste es, und schmecke es, dann weißt du es; also Christum auch, den Baum des Lebens. Schmeckest du und kostest im Glauben seine Demut, Sanftmut, Geduld, so issest du von seiner Frucht, so wirst du Ruhe finden für deine Seele, und wirst fähig des göttlichen Trostes, der göttlichen Gnade, sonst ist keine Ruhe der Seele zu finden. Denn Gottes Gnade und Trost kann nicht einleuchten in ein glaubloses Herz, darinnen Christi Sanft-mut und Demut nicht ist, denn den Demütigen gibt er Gnade, 1 Petr. 5,5.

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6. 3) Was ist dem Menschen Christus nütze, der keine Gemeinschaft mit ihm haben will? Nun haben aber die, so in Finsternis der Sünde leben, keine Gemein-schaft mit dem Licht, welches ist Christus, darum ist er ihnen nichts nütze. Denn also spricht St. Johannes in ermeldtem Spruch: 1 Joh. 1,6.7. So wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in Finsternis, so lügen wir, und tun nicht die Wahrheit. So wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft mit ihm. Das erkläret er ferner im folgenden Kap. 2,8. seq. Die Finsternis ist vergangen, und das wahre Licht scheinet jetzt. Wer da sagt, er sei im Licht, und hasset seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis. Wer aber sei-nen Bruder liebt, der bleibt in dem Licht, und ist kein Ärgernis bei ihm. Wer aber seinen Bruder hasset, der ist in der Finsternis, und wandelt in Finsternis, und weiß nicht, wo er hingehet, denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.

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7. 4) So lange nun ein Mensch bleibt in solchen Sünden, als in der schrecklichen Finsternis, so lange kann er nicht von Christo, dem wahren Licht, erleuchtet werden, und zur rechten Erkenntnis Gottes kommen; denn wenn man Gott und Christum recht erkennen will, so muß man wissen, dass Gott eitel Gnade und Liebe ist. Es kann aber niemand wissen, was Liebe sei, als wer sie selbst hat und tut. Und also gehet die Erkenntnis eines jeglichen Dinges aus der Erfahrung, aus der Tat und Empfindung, aus den Werken der Wahrheit. Wer nun die Liebe nicht übet, der weiß nicht, was Liebe ist, ob er gleich viel davon redet. Christus ist eitel Liebe, Demut, Sanftmut, Geduld und eitel Tugend; wer nun dieselbe nicht übet, der weiß nicht, wer Christus ist, und kennet ihn nicht recht, wenn er gleich viel von ihm redet und seinen Namen trägt. Gottes Wort ist eitel Geist, und wer nicht im Geist lebt und wandelt, der weiß nicht, was Gottes Wort ist, ob er gleich viel davon redet. Wer kann wissen, was Liebe ist, der nie keine Liebe geübt hat? Denn Wissen und Kennen gehet aus der Erfahrung. Wie kann einer wissen, was Licht sei, der sein Lebtag im finstern Turm gesessen ist, und das Licht nie ge-sehen hat? Nun ist eben der Glaube und die christliche Liebe im Menschen das Licht, wie der Herr spricht: Matth. 5,16. Lasset euer Licht leuchten vor den Men-schen, auf dass sie eure gute Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen.

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8. Wenn wir nun das heilige Leben Christi betrachten, so ist es eitel Liebe. Ler-nen wir nun von ihm im wahren Glauben seine Liebe, Demut, Sanftmut, Geduld, wie er uns befohlen hat, je so werden wir in sein Bild verkläret und erleuchtet mit diesem Licht, als mit Christo selbst, welcher ist das wahrhaftige ewige Licht, wie St. Paulus spricht: Eph. 5,14. Wache auf, der du schläfest, verstehe, in Sünden und Wollust des Fleisches, so wird dich Christus erleuchten.

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9. Derohalben, die nicht aufwachen vom Sündenschlaf dieser Welt, Augenlust, Fleischeslust, hoffärtigem Leben, die können von Christo nicht erleuchtet werden.

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10. 5) Derowegen ist derjenige erleuchtet, der das edle Leben Christi an sich nimmt, und demselben folget im Glauben; und wer Christo im Leben nicht folget, der liebt die Finsternis mehr als das Licht, darum kann er auch nicht erleuchtet werden, wie er spricht: Joh. 8,12. Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolget, verstehe, im Glauben, Liebe, Hoffnung, Geduld, Sanftmut, Demut, Gottesfurcht, Gebet etc. der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Derohalben so haben die wahren Nachfolger Christi allein das Licht des Lebens, d. i. die wahre Erleuchtung und Licht des Erkenntnisses Jesu Christi. Und wegen des christlichen Glaubens und Lebens nennet St. Paulus die Gläubigen ein Licht, wie er Ephes. 5,8. spricht: Ihr waret weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn. Das hat St. Paulus von dem Glauben, und andern christlichen Tugenden verstanden. Item: 1 Thess. 5,5.8. Ihr seid Kinder des Lichts, und Kinder des Tages, angetan mit dem Krebs des Glaubens in der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.

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11. Im Buch der Weish. 1,5. Kap. 7,27. Der heilige Geist fleucht die Ruchlosen, für und für aber gibt er sich in die heiligen Seelen, und macht Propheten und Gottesfreunde. So er nun die Gottlosen flieht, wie können sie erleuchtet werden? Ja der Herr spricht: Joh. 14,17. Die Welt kann den heiligen Geist nicht empfan-gen, das ist, fleischliche, unbußfertige Leute.

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12. 6) Damit aber die Menschen ein vollkommenes Exempel hätten aller Tugen-den, so ist Gottes Sohn Mensch worden, und mit seinem heiligen, tugendhaften Leben ein Licht der Welt worden, dass ihm alle Menschen folgen sollen, und an ihn glauben, auf dass sie erleuchtet würden. Die Heiden, welche die Tugend so lieb gehabt, beschämen die Christen, weil sie wissen, dass Christus eitel voll-kommene Tugend ist, und folgen ihm doch nicht im Leben. Denn Plato, Aristo-teles, Cicero, Seneca, die weisesten Heiden, haben gesagt: Wenn man die Tugend sehen könnte, würde sie heller leuchten, als der Morgenstern. Die aber Christum gesehen haben im Glauben, die haben diesen schönen Morgenstern gesehen, ja das Wort des Lebens selbst, und Habens mit Händen angetastet, 1 Joh. 2,1. Haben aber die Heiden die Tugend lieb gehabt, und dieselbe begehret zu sehen; wie vielmehr sollen Christen dieselbe lieb haben, denn Christus ist eitel Tugend, eitel Liebe und Sanftmut, ja Gott selbst.

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13. 7) Christum lieb haben, spricht St. Paulus Eph. 3,19. ist besser, denn alles wissen. Wer ihn nun lieb hat, der hat auch seine Demut und Sanftmut lieb, und nimmt dieselbe gerne an sich, aus Liebe gegen Christum, da wird er denn er-leuchtet und täglich verkläret in das Bild Christi, 2 Kor. 3,18. Den Demütigen gibt Gott Gnade, spricht St. Petrus, 1 Ep. 5,4. Daher St. Bernhardus spricht: Die Ströme der Gnade fließen unter sich, nicht über sich. Wie sollte denn die Gnade des Lichts und Erkenntnis Gottes zu den Menschen kommen, die nicht in dem heiligen Leben Christi wandeln, sondern in den Wegen des Luzifers? Denn Glau-ben und Glaubensfrüchte lassen uns nicht unfruchtbar sein in der Erkenntnis Christi, 2 Petr. 1,8. In den Demütigen lebt Christus, da ruhet denn über ihnen der Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rats und der Erkenntnis, der Kraft und Stärke, und der Furcht Gottes, wie über Christo selbst. Denn Christus ist in einen solchen Menschen, in dem sein Leben und Licht ist, denn dies alles ist er selbsten. Und darum ruhen die Gaben des heiligen Geistes über einen solchen Menschen, wie über Christo selbst, wie Jesaja Kap. 11,2. davon geweissaget hat.

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14. 8) Darum spricht St. Petrus: Ap. Gesch. 2,38. Tut Buße, so werdet ihr empfangen, die Gaben des heiligen Geistes. Derohalben ruhet der Geist Gottes, der die Herzen erleuchtet, allein über den Bußfertigen und Gläubigen.

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15. 9) Wer nun von der Blindheit seines Herzens will erlöset sein, und von der ewigen Finsternis, ja von dem Teufel selbsten, der folge Christo nach im Glau-ben, in wahrer Bekehrung und Besserung. Je näher Christo, desto näher dem ewigen Licht; je näher dem Unglauben, desto näher dem Teufel und der Finster-nis. Denn dies hängt alles aneinander, der Glaube, Christus und alle Tugenden; der Unglaube, Teufel und alle andere Sünden.

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16. 10) Die heiligen Apostel folgeten Christo im Glauben, verschmähten die Welt, verleugneten sich selbst, sagten ab allem, was sie hatten, lebten in Einigkeit, da wurden sie von oben herab erleuchtet, und empfingen den heiligen Geist, Ap. Gesch. 2,1. seq. Das wollte der reiche Jüngling, Luk. 18,23. nicht tun, darum blieb er in der Finsternis dieser Welt, und ward nicht zum ewigen Leben erleuch-tet. Denn wer die Welt lieb hat, in dem ist die Liebe des Vaters nicht, 1 Joh. 2,15.

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17. Darum sagt St. Johannes der Evangelist ferner: 1 Ep. 2,11. Wer nicht liebet, der bleibet in Finsternis, und weiß nicht, wo er hingehet, denn die Finsternis hat seine Augen verblendet. Und dahin geht Taulerus in allen seinen Predigten, dass ohne rechtschaffene Übung des Glaubens, ohne das Absterben, Absagen, Ver-leugnen seiner selbst, ohne das Einkehren zu seinem Herzen, ohne den in-wendigen stillen Sabbat der Seele, kein Mensch das göttliche Licht in sich selbst empfinden möge.

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18. Summa, so viel die Werke der Finsternis durch den Geist Gottes im Men-schen gedämpft werden, so viel wird der Mensch erleuchtet; und hinwieder, je mehr die böse Natur, Fleisch und Welt im Menschen herrschen, als Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, desto mehr Finsternis im Menschen, und desto weniger Gnade, Licht, Geist, Gott und Christus im Menschen ist, darum kann er ohne wahre Buße nicht erleuchtet werden.

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19. 11) Wer einer Sünde nicht steuern will, der gibt Ursache zu vielen Sünden. Denn es kommt immer eine Sünde aus der andern, und wuchert wie das Un-kraut. Und gleichwie die Finsternis immer wächst und zunimmt, je weiter die Sonne hinwegläuft; also je weiter das edle Leben Christi von uns ist, desto mehr die Sünde und die Finsternis in uns wächst, bis ein Mensch in die ewige Finster-nis gerät. Hinwiederum, wer durch Gottes Gnade an einer Tugend anfängt, der wächst und nimmt zu in derselben, denn sie hangen alle aneinander, wie St. Petrus 2 Ep. 1,5. seq. eine feine goldene Kette macht, da er spricht: Dass wir üben sollen den Glauben, und in dem Glauben die Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe. Denn wo solches reichlich bei euch ist, wirds euch nicht unfruchtbar sein lassen in der Erkenntnis Jesu Christi, d. i. wer diese Tugend nicht übet, kennet Christum nicht, wer er ist. Wer in der Tugend wächst durch den Glauben, der wächst in Christo. Wer zornig, geizig, hoffärtig, ungeduldig ist, der hat nicht viel in Christo zugenommen, son-dern im Satan.

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20. Wir sollen wachsen in einem vollkommenen Mann, Eph. 4,13. d. i. wie ein Kind an der Größe des Leibes zunimmt; also Christen im Glauben und im tugendhaften Leben, bis sie in Christo zu einem vollkommenen Mann werden. Wer aber solches nicht hat, der ist blind, und tappet mit der Hand, und vergisset der Reinigung seiner vorigen Sünden, 2 Petr. 1,9. Das ist, Christus hat mit seinem Blut und Tod alle unsere Sünden hinweggenommen und getilget; aber darum sollen wir nicht in Sünden fortfahren, sondern der Tod Christi soll in uns fruchtbar sein, dass wir der Sünde absterben, und in Christo leben, sonst ist uns die Reinigung und Bezahlung unserer vorigen Sünden nichts nütze. Wenn wir von Sünden abstehen, Buße tun, und an Christum glauben, so sind uns die vorigen Sünden alle vergeben und vergessen. Wenn wir aber von einer Sünde nicht wollen abstehen, so behalten wir die vorigen alle, und müssen sie alle büßen in der ewigen Verdammnis, und können doch in Ewigkeit nicht bezahlen. Also, es kann ein Mensch, um des einzigen Zorns willen, verdammt werden, und wenn er denselben ließe, würden ihm alle seine Sünden, um Jesu Christi willen vergeben; weil er aber dasselbige nicht tut, spricht St. Petrus: so ist er blind, und vergisset der Reinigung seiner vorigen Sünden, 2 Petr. 1,9.

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21. Dies ist nun eine wichtige Ursache, warum wir Buße tun, und von Sünden ablassen sollen. Denn obgleich Christus für unsere Sünden gestorben, und dieselben alle vollkommen bezahlt, so werden wir doch dieses Verdienstes nicht teilhaftig, und ist uns nichts nütze, wenn wir nicht Buße tun. Und obgleich ein Mensch durch das Verdienst Christi Vergebung aller seiner Sünden hat, so ist doch die Vergebung der Sünden nicht den Unbußfertigen verheißen, sondern denen, die von Sünden ablassen; und die Sünden, die man nicht lassen will, und zu lassen gedenket, die werden auch nicht vergeben, sondern die allein, darüber man herzliche Reue und Leid trägt. Da heißt es: Matth. 11,5. Den Armen wird das Evangelium geprediget, d. i. Vergebung der Sünden. Als zum Exempel: Es hätte einer viele Jahre her im Geiz und Wucher gelebt, wie Zachäus; in Unzucht, wie Maria Magdalena; in Zorn und Rachgier, wie Esau; er hätte aber gehört, er müßte von denselben Sünden ablassen, oder der Tod und das Blut Christi würde ihm nichts nütze sein, und käme dann, und spräche: Ach Gott, es reuet mich! und ließe ab, bäte Gott um Gnade, und glaubete an Christum, so werden ihm alle diese vorige Sünden verziehen und vergeben aus lauter Gnade, ohne Verdienst und um des heiligen Bluts und Todes Christi willen, der dafür ist geschehen. Wer aber nicht gedenket, von seinem Geiz, Zorn, Wucher, Unzucht, Hoffart etc. abzu-lassen, und will gleichwohl Vergebung der Sünden haben, der erlangt sie nicht, und muß alle seine Sünden selbst in der Hölle büßen, und kann doch in Ewigkeit nicht bezahlen, denn er hat keinen wahren Glauben, der das Herz reiniget und bessert. Darum St. Paulus klar und deutlich spricht: Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht ererben, Gal. 5,21. Es muß abgelassen sein, oder ewig ver-dammt und verloren sein.

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22. Ist nun wahre Bekehrung zu Gott und der wahre Glaube da, so ist auch Ver-gebung der Sünden und Gottes Gnade da; ist Gottes Gnade da, so ist Christus da, denn außer ihm ist keine Gnade; ist Christus da, so ist sein teures Verdienst auch da; ist sein Verdienst da, so ist die Bezahlung unserer Sünden da; ist die Bezahlung für unsere Sünden da, so ist die Gerechtigkeit da; ist die Gerechtigkeit da, so ist Friede und ein fröhliches Gewissen da: denn Gerechtigkeit und Friede küssen sich mit einander, Ps. 85,11. Ist nun ein fröhliches Gewissen da, so ist der heilige Geist da; ist der heilige Geist da, so ist auch Freude da, denn er ist ein freudiger Geist; ist aber Freude da, so ist das ewige Leben auch da, denn das ewige Leben ist ewige Freude.

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23. Sehet, dieses ist das Licht des ewigen Lebens derer, so in Christo leben, und in wahrer täglicher Buße; die ist der Anfang, und der Tod Christi das Fundament. Und hingegen: Ist keine Buße da, so ist auch keine Vergebung der Sünden da; ist keine wahre heilsame Reue und Leid da, so ist auch keine Gnade da; ist keine Gnade da, so ist auch Christus nicht da; ist Christus nicht da, so ist auch sein teures Verdienst nicht da; ist sein teures Verdienst nicht da, so ist auch keine Bezahlung für die Sünden da; ist die Bezahlung für unsere Sünden nicht da, so ist auch keine Gerechtigkeit da; ist keine Gerechtigkeit da, so ist kein Frieden und kein fröhliches Gewissen da; ist kein fröhliches Gewissen da, so ist kein Trost da; ist kein Trost da, so ist auch der heilige Geist nicht da; ist der heilige Geist nicht da, so ist keine Freude des Herzens und Gewissens da; ist keine Freude da, so ist das ewige Leben auch nicht da, sondern Tod, Hölle, Verdammnis und ewige Finsternis.

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24. Sehet, da ist es, wer Christo im Leben nicht folget durch wahre Buße, der kann von der Blindheit seines Herzens, ja von der ewigen Finsternis nicht erlöset werden etc.

 

Gebet um Errettung aus der Finsternis.

 

Herr Jesu Christe! du Glanz der Herrlichkeit, und wesentliches Ebenbild deines himmlischen Vaters! weil du das wahrhaftige Licht bist, welches alle Menschen erleuchtet, so erleuchte auch mich kräftiglich, dass ich von der Blindheit des Herzens erlöset, dir mit rechtem Glauben, heiligem Leben und stetiger Buße nachfolge, damit meine Gemeinschaft sei mit dir, und dem Vater, und dem heili-gen Geist hier und dort in Ewigkeit, Amen.

 

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