DAS VIERTE KAPITEL. (1.B./4.K.)

 

WAS WAHRE BUSSE SEI,

UND DAS RECHTE JOCH UND KREUZ CHRISTI.

 

Inhalt.

1) Zwei Stücke der wahren Buße, die Tötung des Fleisches und Lebendig-machung des Geistes. 2) Durch wahre Buße wird das Fleisch getötet. 3) Sie bringt mit sich Verleugnung seiner selbst und der Welt. 4) 5) Welches das rechte Kreuz und Joch Christi ist. 6) Was das heißet, der Welt absterben. 7) 8) Ohne solche innerliche Buße ist Christus dem Menschen nichts nütze. 9) Äußerliche Buße ohne die innerliche taugt nichts. 10) Was wahre Herzensbuße sei. 11) Ohne solche wird Christus niemand für den Seinen erkennen.

 

Welche Christum angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. Gal. 5,24.

 

Die Buße oder wahre Bekehrung ist ein Werk Gottes des heiligen Geistes, da-durch der Mensch aus dem Gesetz seine Sünde erkennet, und den Zorn Gottes wider die Sünde, dadurch Reue und Leid im Herzen erwecket wird; aus dem Evangelio aber Gottes Gnade erkennet, und durch den Glauben Vergebung der Sünden in Christo erlanget. Durch die Buße aber geschiehet die Tötung und Kreuzigung des Fleisches und aller fleischlichen Lüste, und bösen Unart des Herzens, und die Lebendigmachung des Geistes; dadurch Adam und alles, was seiner Unart ist, in uns stirbt durch wahre Reue, und Christus in uns lebt durch den Glauben, Gal. 2,20. Denn es hängt Beides an einander; auf die Tötung des Fleisches folget die Lebendigmachung und Erneuerung des Geistes, und auf die Erneuerung des Geistes die Tötung des Fleisches. Wenn der alte Mensch getötet wird, so wird der neue lebendig; und wenn der neue lebendig wird, so wird der alte getötet, 2 Kor. 4,16. Ob unser alter Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tage zu Tage erneuert, Kol. 3,5. Tötet eure Glieder, so auf Erden sind. Röm. 6,11. Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu.

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2. Warum aber die Tötung des Fleisches durch wahre Buße geschehen müsse, so merket also: Wir haben droben gehört, dass der Mensch durch den Fall Adams ganz teuflisch, irdisch, fleischlich, gottlos und lieblos geworden ist, das ist, ohne Gott und ohne Liebe, abgekehret von der Liebe Gottes zu der Liebe dieser Welt, und fürnehmlich zu sich selbst und zu seiner Eigenliebe, also, dass er in allen Dingen sich selbst suchet, liebet, ehret, und allen Fleiß anwendet, wie er doch gehalten werde von jedermann. Das rühret alles her von dem Fall Adams, da er Gott selbst sein wollte, welcher Gräuel allen Menschen angeboren wird. Diese verkehrte böse Unart des Menschen muß nun geändert oder gebessert werden durch wahre Buße, das ist, durch wahre göttliche Reue und durch den Glauben, so Vergebung der Sünden ergreifet, und durch die Tötung seiner Eigenliebe, Hoffart und Wollust des Fleisches. Denn Buße ist nicht allein, wenn man den groben, äußerlichen Sünden Urlaub gibt, und davon ablasset: sondern wenn man in sich selbst geht, den innersten Grund seines Herzens ändert und bessert, und sich abwendet von seiner eigenen Liebe, von der Welt und allen weltlichen Lüsten zum geistlichen, himmlischen Leben, und durch den Glauben des Verdienstes Christi teilhaftig wird.

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3. Daraus folget, dass der Mensch sich selbst muß verleugnen, Luk. 9,23. das ist, seinen eigenen Willen brechen, sich Gottes Willen ganz ergeben, sich nicht selbst lieben, sondern sich für den unwürdigsten, elendesten Menschen halten; absagen alle dem, das er hat, Luk. 14,26. das ist, die Welt verschmähen mit ihrer Ehre und Herrlichkeit, seine eigene Weisheit und Vermögen für nichts achten, sich auf nichts und auf keine Kreatur verlassen, sondern bloß und allein auf Gott; sein eigenes Leben hassen, das ist, die fleischlichen Lüste und Begierden, als Hoffart, Geiz, Wollust, Zorn, Neid töten, kein Wohlgefallen an sich selbst haben, und alles sein Tun für nichts achten, sich keines Dinges rühmen, seinen Kräften nichts zuschreiben, sich selbst nichts zueignen, sondern sich selber missfallen, der Welt absterben, das ist, der Augenlust, des Fleisches Lust, dem hoffärtigen Leben, der Welt gekreuziget werden, Gal. 6,4. Das ist die wahre Tötung des Fleisches, ohne welche niemand kann Christi Jünger sein. Das heißt die wahre Bekehrung von der Welt, von sich selbst, ja vom Teufel zu Gott, ohne welche niemand kann Vergebung der Sünden erlangen noch selig werden, Ap. Gesch. 26,18.

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4. Die Buße und Bekehrung ist die Verleugnung seiner selbst, und das ist das rechte Joch Christi, davon der Herr Matth. 11,29. spricht: Nehmet auf euch mein Joch, und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig, und von Herzen demütig. Das ist, durch herzliche, gründliche, innerliche Demut sollst du deine eigene Liebe und Ehre dämpfen, und durch Sanftmut deinen eigenen Zorn und Rachgier. Wel-ches zwar dem neuen Menschen ein sanftes Joch und eine leichte Last ist, aber dem Fleisch ein bitteres Kreuz. Denn das heißt, sein Fleisch kreuzigen samt den Lüsten und Begierden. Gal. 5,44.

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5. Irren demnach diejenigen, die allein weltliche Trübsal und Widerwärtigkeit für Kreuz achten, und wissen nicht, dass die innerliche Buße und Tötung des Flei-sches das rechte Kreuz sei, das wir täglich Christo sollen nachtragen, das ist, in großer Geduld unsere Feinde tragen, in heiliger Sanftmut unsere Lästerer, in herzlicher Demut unserer Widerwärtigen Stolz und Übermut überwinden; wie uns Christus ist vorgegangen mit großer Sanftmut, hat der Welt und allem, was in der Welt ist, abgesagt, und ist der Welt abgestorben.

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6. Dies Joch Christi ist unser Kreuz, das wir tragen sollen, und das heißt, der Welt absterben. Welches nicht ist in ein Kloster laufen, besondere Orden und Regeln annehmen, und doch gleichwohl in seinem Herzen nichts als eitel Welt bleiben, voll geistlicher Hoffart, pharisäischer Verachtung anderer Leute, voll heimlichen Hasses und Neides. Denn das Absterben der Welt ist die Tötung des Fleisches, und alles deß, dazu das Fleisch Lust hat; stete, inwendig verborgene Reue und Leid, dadurch man sich innerlich zu Gott von der Welt abwendet, und täglich im Herzen der Welt abstirbt, und in Christo lebet im Glauben, in herzlicher Demut und Sanftmut, und sich der Gnade Gottes in Christo tröstet.

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7. Zu dieser Buße hat Christus uns berufen, nämlich zu der rechten, innerlichen, herzlichen Buße und Bekehrung des Herzens von der Welt zu Gott; und also hat er uns Vergebung der Sünden zugesagt, und die Zurechnung seiner Gerechtig-keit, und seines heiligen Gehorsams, in Kraft des Glaubens. Denn ohne solche innerliche Buße ist Christus dem Menschen nichts nütze, das ist, er ist nicht teilhaftig seiner Gnade, und der Frucht seines Verdienstes, welches mit reuen-dem, zerbrochenem, bußfertigem, gläubigem und demütigem Herzen muß er-griffen werden. Denn das ist die Frucht des Todes Christi in uns, dass wir durch die Buße der Sünde absterben, und das ist die Frucht der Auferstehung Christi, dass Christus in uns lebe, und wir in ihm.

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8. Das heißt denn eine neue Kreatur in Christo, und die neue Geburt, die allein vor Gott gilt, 2 Kor. 5,17. Gal. 6,15. Besiehe hievon ferner das 14. Kap.

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9. Derowegen lerne die Buße recht verstehen. Denn darin irren viele Leute, dass sie meinen, das sei rechte Buße, wenn sie von äußerlicher Abgötterei, Gottes-lästerung, Totschlag, Ehebruch, Unzucht, Dieberei, und andern groben äußer-lichen Sünden abstehen. Und zwar, das ist wohl äußerliche Buße, davon etliche Sprüche der Propheten lauten, Jes. 55,7. Der Gottlose bekehret sich vom Frevel seiner Hände. Ez. 18,27. Kap. 33,14. Aber die Propheten und Apostel haben viel tiefer gesehen, nämlich ins Herz hinein, und lehren uns eine viel höhere inner-liche Buße, da der Mensch absterben sollte der Hoffart, dem Geiz, der Wollust, sich selbst verleugnen, hassen, der Welt absagen, und alle dem, was der Mensch hat, sich Gott ergeben, sein Fleisch kreuzigen, täglich Gott das rechte Opfer bringen, ein zerbrochen, zerschlagen und erschrocken Herz, und weinende Seele im Leibe tragen. Wie in den Bußpsalmen solche innigliche Herzensbuße beschrieben ist.

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10. Darum ist dies die rechte Buße, wenn das Herz innerlich durch Reue und Leid zerbrochen, zerrissen, zerschlagen, und durch den Glauben und Vergebung der Sünden geheilet, getröstet, gereiniget, geändert und gebessert wird, darauf auch die äußerliche Besserung des Lebens folget.

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11. Wenn nun gleich ein Mensch von außen Buße tut, und ablässet von den groben Lastern aus Furcht der Strafe, bleibt aber im Herzen unverändert, und fänget nicht das innere neue Leben in Christo an, so kann er gleichwohl ver-dammt werden, und wird ihm sein Herr! Herr! schreien nicht helfen, sondern das: Ich kenne euer nicht, wird darauf folgen. Denn nicht alle, die da sagen: Herr! Herr! werden ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel, Matth. 7,21. Hierinnen sind alle Standespersonen, Gelehrte und Ungelehrte begriffen. Denn die in ihrem Herzen nicht wahre Buße tun, und eine neue Kreatur in Christo werden, die wird Christus nicht für die Seinen er-kennen.

 

Gebet um wahre Buße.

 

Ewiger Gott und Vater! weil die böse Unart meines Herzens geändert, und der alte Mensch gekreuziget und getötet werden muß, dass der neue inwendige Mensch erwecket und lebendig werde, solches aber durch wahre innerliche Buße und Bekehrung geschiehet, und ich mich, als ein in Übertretung und Sünden Toter, nicht selbst bekehren kann, so bitte ich dich, dass du mich bekehrest, gött-liche Traurigkeit über alle meine schwere und unzählige Missetaten, schmerz-liche Reue und Leid, in mir wirkest, alle Begierden und Lüste des Fleisches dämpfest, tötest und kreuzigest. Laß auch deine heilsame Gnade mich also im Glauben ergreifen, dass sie mich züchtige, zu verleugnen alles ungöttliche We-sen. Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn, dass ich in steter Buße stehe und gehe, mein Kreuz täglich auf mich nehme, meinem Jesu nachfolge, und ihm innerlich und äußerlich gleich-förmig werde, Amen.

 

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