DAS ZWEIUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (1.B.)

 

BESCHLUSS UND HOCHWICHTIGE URSACHEN

DER ORDNUNG DES ERSTEN BUCHS;

WIE MAN SICH AUCH VOR GEISTLICHER HOFFART HÜTEN SOLL,

UND WIE KEINE WAHRHAFTIGE GEISTLICHE GABEN

OHNE GEBET KÖNNEN ERLANGT WERDEN.

 

Inhalt.

1) Einige nötige Punkte: 2) 1. Die Buße mit ihren Früchten ist aus wichtigen Ur-sachen weitläufig beschrieben; 3) weil ohne dieselbe Christus nichts nütze. 4) 2. Hüte dich vor geistlicher Hoffart, denn alle gute Gaben sind nicht dein, sondern Gottes.

 

Was hast du, Mensch, das du nicht empfangen hast? Hast du es aber empfangen, was rühmest du dich, als hättest du es nicht empfangen?

1 Kor. 4,7.

 

Zum Beschluß des ersten Buchs muß ich dich noch etlicher notwendigen Punkte erinnern:

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2. 1) Dass in diesem Buche die Buße aus ihren Früchten aus sonderlichen Ur-sachen weitläufig und auf mancherlei Art beschrieben und vor Augen gestellt ist. Denn die meisten Kapitel dieses ersten Buchs sind nichts anders, als Früchte der Buße, nämlich die Erneuerung in Christo, die tägliche Kreuzigung und Tötung des Fleisches, die Verleugnung seiner selbst, die Verschmähung der Welt, die Übung der Liebe, und so fort. Und dasselbe habe ich dir aus sonderbaren Ur-sachen also unterschiedlich und deutlich vor die Augen gestellet. Denn erstlich ist das der Anfang und Grund des wahren Christentums, heiligen Lebens und Wandels, ja der Anfang unserer Seligkeit, durch wahren Glauben. So kann auch nimmermehr in eines Menschen Herzen wahrer beständiger Trost haften und saften, wenn er zuvor die Erbsünde, das greuliche, erschreckliche, tödliche, höllische, teuflische Gift und Übel, (ach, man kanns nicht jämmerlich genug beklagen!) mit ihren Früchten nicht recht und genugsam erkennet. Und sind wahrhaftig alle Trostbücher umsonst und vergeblich, wenn dies Fundament zuvor nicht gelegt ist, und du deinen Jammer und Elend zuvor nicht recht erkennen wirst, sonderlich was für ein Gräuel die Erbsünde sei. Denn das ist unserer zarten, schmeichelsüchtigen Natur Art, dass sie immer eher will getröstet sein, ehe sie ihre Sünde, Unart und Bosheit erkennet.

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3. Das ist aber eine verkehrte Art und Weise, und dem Grunde der ganzen Schrift zuwider. Denn die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, Matth. 9,12. Christus, der wahre Arzt, und seine Arznei, und aller Trost, ist dir ohne Erkenntnis deiner Krankheit nichts nütze. Denn eines wahren Christen Leben ist nichts anders, und soll nichts anders sein, als eine stetige Kreuzigung, seines Fleisches. Das laß dir abermal einmal für tausendmal gesagt sein. Denn dies sind allein die Leute, so Christum angehören, Gal. 5,24. die wird er nimmer-mehr ohne Trost lassen. Und solche Erkenntnis deiner eigenen Schwachheit durch den heiligen Geist, und Betrachtung des Evangelii trägt den Trost mit sich auf dem Rücken, und führt dich zu Christo. Wollest dich auch an das unzeitige Richten und Vernichten der jetzigen Welt nicht kehren, sondern wissen, dass sol-che Richter und Vernichter elende, blinde Leute sein, die ihren eigenen Jammer und Elend nicht erkennen, auch nicht verstehen, was Adam und Christus sei, wie Adam in uns sterben, und Christus in uns leben müsse. Wer das nicht will lernen, der bleibt in seiner Blindheit und Finsternis, und verstehet nicht, was wahre Buße, Glaube und neue Geburt sei, darinnen doch das ganze Christentum be-stehet.

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4. 2) Sollst du auch gewarnet sein vor geistlicher Hoffart, wenn unser lieber Gott durch seine Gnade in dir anfängt zu wirken geistliche Gaben, neue Tugenden und Erkenntnis, dass du 1) dieselbe dir und deinen Kräften ja nicht zuschreibest, sondern der Gnade Gottes; 2) viel weniger deine angefangene Tugenden für deine Gerechtigkeit vor Gott hältst, denn es ist ein Stückwerk; 3) dieselbe auch ja nicht zu deinem eigenen Lob und Ruhm gebrauchest, sondern in der demütigen Furcht Gottes, Gott allein die Ehre gebest, und nicht dir selbst, auch nicht in deinem Herzen gedenkest: Ich habe nun einen gewaltigen Glauben, ich habe viel Erkenntnis und dergleichen. Hüte dich, das ist des Teufels Unkraut, welches er zwischen den guten Weizen säet. Denn 1) so sind alle Gaben nicht dein, sondern Gottes, und ohne Gottes Erleuchtung bleibst du ein toter, stinkender Erdklumpen. Und wenn Gott seine Gaben nicht in dich legt, so bleibst du ein leeres Gefäß. Gleichwie die Kleinodien, die man in ein Kästlein legt, nicht des elenden bloßen Kästleins sein, sondern dessen, der sie hinein gelegt hat; also sind die Gaben nicht dein, du bist nur ein bloßes Gefäß dazu. Sollte das elende Gefäß stolzieren wegen des fremden Gutes? Wie du ferner im andern Buch sehen wirst. 2) Wie ein Herr Macht hat, alle Stunden sein Hab und Gut aus dem Kästlein zu nehmen, und dasselbe in ein anderes Kästlein zu legen, oder gar bei sich zu behalten; siehe, so kann Gott alle Stunden dir seine Gaben wieder nehmen, darum sei nicht stolz, sondern fürchte dich, Röm. 11,20. 3) Mußt du von solchen Gütern schwere Rechnung geben deinem Herrn. 4) Gedenke auch nicht, wenn du noch so schöne Gaben hast, so habest du alles hinweg. Ach lieber Christ! es ist kaum der Anfang, es mangelt dir noch viel. 5) So sollst du wissen, dass du keine dergleichen vollkommene gute Gaben, ohne Gebet, von Gott erlangen wirst, Jak. 1,17. sondern was du hast, ist als ein Schatten und dummes Korn, das keine Frucht bringt, und verwelket, ehe es reif wird, wie du solches in meinem Buch sehen wirst, wie nämlich solche himmlische Gaben von Gott müssen erbeten werden, und ohne Gebet in kein Herz kommen. Damit du aber dessen einen kleinen Vorgeschmack haben mögest, so lies das Traktätlein vom Gebet im folgenden Buche. Auf zwei Dinge mußt du sehen im Gebet. Erstlich, dass das Bild des Satans in dir zerstöret werde, Unglauben, Hoffart, Geiz, Wollust, Zorn etc. Darnach, dass das Bild Gottes in dir möge aufgerichtet werden, Glaube, Liebe, Hoffnung, Demut, Geduld, Gottesfurcht. Siehe das heilige Gebet des Herrn, das Vater Unser, an; dasselbe geht wider dich, und für dich. Soll Gottes Name allein geheiliget werden, so muß dein Name und Hoffart untergehen. Soll Gottes Reich kommen, so muß des Satans Reich in dir zerstöret werden. Soll Gottes Wille geschehen, so muß dein Wille zunichte werden. Siehe, das sind zwei Teile eines nützlichen Gebetbuchs, welches nach Ordnung des Vater Unsers die himmlischen, ewigen Güter und Gaben, so in demselben Gebet des Herrn begriffen, von Gott lehret suchen und erbitten. Denn im Vater Unser sind alle Seelen- und Leibesschätze und Güter, als in einer Summa, verfasset, so wir zeitlich und ewig bedürfen. Darum wird auch Gott der Herr, unser lieber Vater, willig sein, uns zu geben, was uns sein lieber Sohn hat befohlen, von ihm zu bitten. Davon zur andern Zeit an seinem Ort.

 

Gebet um Vermeidung geistlicher Hoffart.

 

O mein Herr und Gott! dieweil ohne Buße und Glauben niemand zu dir kommen oder einigen Trost haben kann, ach, so wirke du selbst in mir wahre Buße, in täglicher Kreuzigung des Fleisches, Verschmähung der Welt, Erneuerung in Christo etc. Und wo ich finde, dass du etwas Gutes in mir angefangen hast, so laß mich solches mit Demut und Dank erkennen, und fortfahren mit Furcht und Zittern, meine Seligkeit durch deines Geistes Gnade und Kraft zu schaffen, Amen.

 

(Ende des 1. Buches)

 

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