DAS ZWEIUNDZWANZIGSTE KAPITEL. (2.B./22.K.)

 

ALLE WERKE EINES WAHREN CHRISTEN

SOLLEN IN DEMUT GESCHEHEN,

ODER ES WERDEN EITEL GRÄUEL UND ABGÖTTEREI DARAUS.

 

Inhalt.

1) Alle gottgefälligen Werke müssen aus demütigem Glauben kommen. 2) Wer sich selbst was zuschreibet, begehet Abgötterei. 3) Diesen Teufel haben viele im Herzen, ob sie es wohl nicht erkennen. 4) Denn die Abgötterei ist innerlich, geist-lich, wenn dein Herz außer Gott an etwas hanget und darauf ruhet. 5) Daher ist kein Götze, als den des Menschen Herz dazu machet, darum heißt der Teufel ein Gott dieser Welt. 6) Hüte dich vor den lebendigen Götzen, und vor dir selbst durch wahre Demut. 7) Gibt dir Gott Ehre und Gaben, so eigne dir nichts zu; 8) sondern gib Gott alle Ehre wieder.

 

Alles, was vor der Welt hoch ist, das ist vor Gott ein Gräuel. Luk. 16,15.

 

Alle Werke, so Gott gefallen, und ihm ein angenehmes Opfer sein sollen, müssen aus einem wahrhaftigen Glauben gehen, welcher im Herzen die christliche De-mut wirket, dass ein Mensch erkennet, dass Gott alles, was gut und tüchtig ist, in ihm wirket durch seine Gnade, wie St. Paulus spricht: Nicht ich habe solches getan, sondern Gottes Gnade, die in mir ist, 1 Kor. 15,10. Wer nun dasselbe nicht tut, der begehet eine doppelte Sünde: Erstlich einen Abfall von Gott, dass er sich von Gott abwendet zu sich selbst, das ist, von dem höchsten Wesen zu dem, das nichts ist. Darnach einen Gottesraub, indem er sich zueignet die Ehre, die Gott allein gebühret, indem alles, was gut ist und heißt, Gottes allein ist, und nicht des Menschen. Denn Gott der Herr spricht: Ich will meine Ehre keinem andern geben, noch meinen Ruhm den Götzen, Jes. 42,8. Das meinet er also, dass Ehre und Ruhm niemand gebühre, als Gott allein.

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2. Wer sich nun etwas zuschreibt, dass er viel wisse, vermöge und tun könne, oder getan habe, der eignet sich selbst Ruhm und Ehre zu, die doch allein Gottes ist, und also macht der Mensch aus sich selbst einen Götzen. Derowegen ist eigene Ehre, eigene Liebe, eigener Ruhm die allergreulichste Abgötterei, und daher will auch der Teufel angebetet sein.

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3. Einen solchen Teufel, der von jedermann will angebetet sein, hat ein jeder Hoffärtiger, Ehrsüchtiger im Herzen. Siehe zu, dass du diesen Abgott in deinem Herzen bestürmest und niederwerfest. Viele Leute sind so heilig, dass sie kein äußerliches Bild ansehen wollen, auf dass sie nicht verunreiniget werden; und erkennen den großen Abgott nicht, den sie im Herzen tragen, der sie auch also verunreiniget, dass sie ein Gräuel vor Gott werden. Denn alles, was vor der Welt hoch ist, (verstehe aus eigener Ehre und Liebe,) das ist vor Gott ein Gräuel. Alle Menschen, die an ihnen selbst, an ihren eigenen Ehren, Kräften und Vermögen hangen, sind abgöttisch. Und also ist die ganze Welt voll Abgötterei, und alle Häuser voller lebendiger Götzen.

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4. Die Abgötterei kommt von innen heraus, die dich verunreiniget. Denn wohin sich dein Herz neiget, woran es hanget, worauf es ruhet, was es liebt, als zeit-liches Glück, Reichtum, Gewalt, Ehre, langes Leben, das ist alles Götzenwerk und Abgötterei. Derowegen die Abgötterei nicht äußerlich ist, sondern innerlich, geistlich, und quillet von innen heraus. Denn Gott richtet alles nach dem Herzen, welches Gott allein anschauet und prüfet, Ps. 7,10. und beurteilet dich nach deinem Glauben oder Unglauben. Darum spricht der Herr: Wo dein Herz ist, da ist dein Schatz, Matth. 6,21. d. i., dein Gott, deine Ruhe, dein Frieden, deine Zuversicht, deine Lust, dein Paradies, dein Himmel und alles. Merke nur auf dein Herz, worauf es ruhet mit Lust und Liebe, das ist gewiß dein Gott, es sei, was es immer wolle. Beruhet dein Herz allein in Gott, so ist Gott dein Gott, und du bist selig. Denn selig ist der, deß der Herr sein Gott ist, Ps. 144,15. Und habe deine Lust an dem Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünschet, Ps. 37,4. Hängt dein Herz an der Welt, so ist die Welt dein Gott, und so mit allem, daran du hangest.

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5. Daraus siehest du, dass in der Wahrheit kein Götze in der Welt ist, außer, welchen des Menschen Herz dazu macht. Darum wird auch der Teufel ein Gott dieser Welt genannt, 2 Kor. 4,4. weil ihm die Gottlosen folgen, seine Werke tun, die Finsternis lieben, und Gefallen haben an des Teufels Werken. Denn also machen die Leute selbst den Satan zu ihrem Gott.

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6. Vor den hölzernen Götzen ist sich leicht zu hüten, hüte dich aber vor den goldenen. Vor den toten Götzen ist sich auch leicht zu hüten, hüte dich aber vor den lebendigen, und vor dir selbst. Denn sobald du dir Ehre, Ruhm, Kunst, Gewalt zuschreibest, sobald machest du aus dir selbst einen Götzen. Und das hat Gott eigentlich mit dem Worte verboten, dass er seinen Ruhm den Götzen nicht geben wolle, Jes. 42,8. Denn alles, was Ehre und Ruhm ist und heißet, das gebühret niemand, als dem, der das ewige und höchste Gut ist. Darum lerne allhie, dass du dir keine Ehre und Ruhm zuschreibest, willst du anders nicht aus dir selbst einen Abgott machen, und alle deine Werke zu lauter Gräuel. Lerne auch hie, was wahre Demut sei. Wahre Demut ist, keine Ehre begehren, und sich aller Ehre unwürdig achten. Das ist denn und heißet, der Welt absterben, wenn nämlich alle eigene Liebe und eigene Ehre im Herzen stirbt. Das heißt denn ein solcher Mensch, in dem das edle Leben Christi ist, welches der Herr beschreibt, von Herzen demütig und sanftmütig sein, Matth. 11,29. Im Gegenteil ist der Mensch noch fleischlich, und lebt noch nach dem Fleisch, und in der alten Ge-burt, der da will geehret, hoch und wert gehalten sein. Denn solches alles gefällt dem Fleisch wohl. Denn ein fleischlicher Mensch und Herz ist, das gerne etwas, ja alles sein will. Ein geistliches, christliches Herz ist, das gerne nichts sein wollte. Wo will man doch rechte Christen finden, nämlich solche Leute, die gerne nichts sein wollen? Das heißt auch, sich selbst verleugnen, sich selbst hassen, und absagen allem dem, das ein Mensch hat. Die sind rechte Christen und Christi Jünger, Luk. 9,23.

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7. Nun möchtest du sagen: Was soll denn ein Christ tun, wenn ihm Gott Gnade und Ehre gibt. wie Ps. 84,12. spricht? Weil auch Gott selbst einen Unterschied macht der Personen mit seinen Gaben, und durch mancherlei Ämter und Stände, die er verordnet? Antwort: Tue du also, gib Gott alle Ehre wieder, die dir gegeben wird, und eigne dir nichts zu. Denn es ist ein fremdes Gut, und Gottes allein.

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8. Darum, so bald dir Ehre gegeben wird, so gib sie Gott wieder durch Demut, und behalte sie nicht, sonst wirst du Gottes Gnade verlieren, und ein Gottesdieb werden. Als zum Exempel: Bist du geist- und kunstreich, weise, verständig, reich und herrlich vor andern; laß die Ehre nicht dein sein, sondern Gottes, und gib sie ihm in deinem Herzen wieder, welches du tust, wenn du dich nichts rühmest. Und das rühmet der Prophet, Jer. 9,23.24. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weis-heit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich deß, dass er wisse und kenne, dass ich der Herr sei, der Barmherzigkeit, Gericht und Ge-rechtigkeit übet auf Erden. Denn solches gefällt mir wohl, spricht der Herr.

 

Gebet wider die Hoffart und geistliche Abgötterei.

 

Mein Jesu! ohne dich weiß, bin und kann ich nichts, du mußt in mir wirken im Guten, das Wollen und Vollbringen, und tust es auch nach deinem Wohlgefallen. Ach! so verleihe mir doch, dass ich mich nicht überhebe und selbst zum Götzen mache, durch eigene Ehre, Liebe und Ruhm, sondern dir alles zuschreibe, und von dir lerne von Herzen demütig sein, damit ich Ruhe finde für meine Seele, und die Ehre habe, dass ich als ein getreuer Knecht dermaleinst in deine Herrlichkeit eingehe, Amen.

 

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