DAS EINUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (2.B./31.K.)
WIE SICH GOTT DER LIEBHABENDEN SEELE OFFENBARET,
ALS EINE UNENDLICHE ALLMACHT.
Inhalt.
1) Gott gibt uns aus dem Schatz seiner Allmacht aus Liebe viel Gutes, dass wir wieder viel Gutes tun sollen. 2) Darum sollen wir uns nichts, sondern alles der Allmacht Gottes zuschreiben, 3) welche die ganze Welt in sich begreift, 4) aus deren Fülle alle Kräfte aller Kreaturen hervorgehen. 5) Denn Gott ist über alles und in allem, und alles in ihm. 6) Diese Betrachtung lehret uns unsere Nichtigkeit erkennen und Gott fürchten. 7) So groß Gott in seiner Allmacht ist, so niedrig macht ihn seine Liebe in Christo, 8) dessen Demut und Niedrigkeit nicht auszu-denken ist.
Herr Gott! wer ist wie du, ein allmächtiger Gott? Und deine Wahrheit ist um dich her. Ps. 89,9.
Die Liebe Gottes will, dass die liebhabende Seele allen Menschen Gutes tue, und nütze seinen Feinden und Freunden, und dasselbe um keines Nutzens oder Ehre willen, sondern allein um der Liebe Gottes willen, welche macht, dass die unend-liche Allmacht Gottes bewogen wird, sich herunter zu lassen; die auch aus ihrem unendlichen Schatz uns alles gibt, zu dem Ende, dass wir es wieder geben sollen aus Liebe, was uns Gott aus Liebe aus dem Schatz seiner Allmacht gibt.
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2. Darum siehe zu, lieber Mensch, dass du dir nichts zuschreibest, sondern alles der Allmacht Gottes wiedergibst, welcher alles ist, was du hast, und was du bist. Keine Kreatur kann dir etwas geben oder nehmen, die Allmacht Gottes tut es alleine. Keine Kreatur kann dich auch trösten, die Liebe Gottes tut es allein.
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3. In solcher Liebe siehet die liebhabende Seele die Fülle der unbegreiflichen Allmacht Gottes, die da Himmel und Erden, Meer und Trocken in sich begreift; sie aber kann von nichts begriffen werden; denn die ganze Welt ist vor Gottes Allmacht als ein Stäublein, und als ein Tröpflein Wasser, Jes. 40,15. Weish. 11.23.
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4. Und aus derselben Fülle der Allmacht Gottes gehen alle Kräfte der Engel, Menschen und aller Kreaturen hervor. In derselben bestehet die Feste des Himmels; aus derselben gehet die Bewegung des Meeres, die Kräfte der Erde, also, dass Himmel und Erde ist voll Gottes, voll göttlicher Kraft und Wirkung, voll Geistes des Herrn, Weish. 1,7. Gottes Gewalt begreift und beschließt alles, und erfüllet alles; wird aber von niemand begriffen.
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5. So hoch nun Gott über alles ist, so tief ist er in allem, und alle Dinge in ihm, wie St. Paulus sagt: Von ihm, in ihm, und durch ihn sind alle Dinge, Röm. 11,36. Item: Welcher ist über euch alle, in euch allen und durch euch alle, Ephes. 4,6.
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6. Weil nun Gott so groß ist über alles, so kann ihm ja niemand gleich sein; und wer ihm gleich sein will, der macht sich selbst zum Gott, und begehet die größte Sünde, und fällt in die Tiefe des Verderbens. Und weil Gott alles ist, so muß ja alles, was außer Gott ist, nichts sein. Darum erkennet der Mensch aus der All-macht Gottes seine Nichtigkeit und lernet Gott fürchten. Daher der Herr allein an denselben sein Gefallen hat, die sich unter seine gewaltige Hand demütigen, 1 Petr. 5,6.
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7. So groß und hoch nun Gott ist in seiner Allmacht, so klein und niedrig macht ihn seine Liebe. Sehet unsern Herrn Jesum Christum an, den lebendigen Sohn Gottes, den gewaltigen Arm Gottes, durch welchen alles geschaffen, in welchen alles bestehet, Kol. 1,16.17. wie hat er sich durch seine Liebe herunter gelassen, und sich unter alle Kreaturen erniedriget und demütiget?
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8. Darum, gleichwie wir die Allmacht Gottes nicht aussprechen noch ergründen können, also können wir auch Christi Demut und Niedrigkeit nicht ausgründen. So tief als er herunter gestiegen, so hoch ist er erhaben über alles, Eph. 4,10. Ihm sei Ehre und Preis in Ewigkeit, Amen.
O Gott, o Jesu, o werter Geist! du unveränderliches Gemüt, du unauslöschliches Licht, du Friede, der nicht kann beunruhiget werden, du unzerteilte Einigkeit, du unbetrügliche Wahrheit, du unaussprechliche Freundlichkeit, du unermeßliche Macht, du unendliche Weisheit, du unbegreifliche Gütigkeit, du allgegenwärtige Ewigkeit, du Einfältigkeit, die alles erfüllet, du Anfang, der alles regieret, du Be-ständigkeit, die alles beweget, du Leben aller Lebendigen, du Sinn und Verstand aller, die Sinne haben, du Wirkung aller Wirkenden, erleuchte mich, heilige mich, und mache mich lebendig.
Gebet um die wirkende Allmacht Gottes.
O du großer Gott! laß mich deine unendliche Macht, aus welcher ich alles bin und habe, tief zu Herzen nehmen, dir dafür allezeit danken, dich fürchten, und mich demütigen, in aller Not dir vertrauen, deine Kraft in Überwindung der Sünde, des Teufels und der Welt empfinden; denn dein ist die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.