DAS ZWEIUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (2.B./32.K.)

 

WIE DIE LIEBHABENDE SEELE GOTT ERKENNET,

ALS DIE HÖCHSTE GERECHTIGKEIT UND HEILIGKEIT.

 

Inhalt.

1) Die Seele erkennet Gott als die allerheiligste Gerechtigkeit. 2) Alle Sünden beleidigen Gottes Gerechtigkeit, und erzürnen auch die Kreaturen, 3) welche Rache üben an dem Sünder. 4) Beleidigung göttlicher Gerechtigkeit bringt auch den Fluch, 5) welcher eine Verdammung ist, zum ewigen Elende. 6) Die wunder-barlichen, heimlichen Gerichte Gottes, 7) zeugen auch von Gottes Gerechtigkeit; 8) dawider keine Kreatur schützen kann. 9) Das bestätigen viele Beispiele, die schon geschehen sind, 10) und die noch täglich geschehen, daran die Gläubigen ihre Lust sehen; 11) ob sie wohl auch das Verderben der Menschen beweinen.

 

Deine Gerechtigkeit stehet wie die Berge Gottes, und dein Recht wie große Tiefe. Ps. 36,7.

 

Alle Seelen, die Gott lieb haben, erkennen ihn als die höchste und allerheiligste Gerechtigkeit, dieselbe gehet durch alles, und über alles. In Gott ist der aller-heiligste Wille Gottes, in den Engeln der heilige Gehorsam, im Menschen das Zeugnis des Gewissens, in allen Kreaturen ists die Ordnung der Natur, dadurch Gott alles in gewisse Zahl, Gewicht und Maß gesetzet hat, Weish. 11,22. was dawider geschieht, ist wider die Natur und wider Gott.

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2. Darum alle Sünden in der Welt geschehen wider Gottes Gerechtigkeit, und in dem beleidiget der Sünder alle Kreaturen, und macht sie ihm zuwider, auch alle Engel im Himmel und sein eigenes Gewissen. Denn wenn Gott beleidiget und erzürnet wird, so werden alle Kreaturen beleidiget und erzürnet. Wenn auch Gott versöhnet wird, so werden alle Kreaturen mit versöhnet, und freuen sich über einen solchen Menschen. Und aus diesem Grunde spricht St. Paulus, Kol. 1,20. Es sei durch Christum alles versöhnet, was im Himmel und auf Erden ist. Und dasselbe darum, weil Gott durch ihn versöhnet ist. Und daher spricht der Herr, Luk. 15,10. Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. Die Engel Gottes freuen sich um des Menschen halber.

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3. Wo aber Gott nicht mit den Menschen versöhnet wird, so üben alle Kreaturen, Engel und die ganze Natur Rache an einem solchen Menschen. Daher solche schreckliche Urteile Gottes kommen, dass alle Elemente einem solchen zuwider sind. Und ist unmöglich, solche Rache und Urteile aufzuhalten, dass auch das Erdreich davor erschrickt und stille wird, Ps. 76,8. Du bist schrecklich, wer kann bestehen, wenn du zürnest? Solches sehen wir an den ägyptischen Plagen, wie alle Kreaturen an den Ungerechten Rache geübt haben. Wie solches nach der Länge das Buch der Weisheit 5,18. seq. beschreibt.

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4. Aus der Beschreibung der allerheiligsten Gerechtigkeit Gottes kommt auch her der Fluch, wie der Mann Gottes Moses zeuget von der Übertretung des Gesetzes Gottes, 5 Mos. 27,15. seq.

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5. Ein Fluch aber ist, wenn Gottes Gerechtigkeit solche Rache übet, dass einen Verfluchten nichts Gutes widerfahren kann, weder von Gott noch einiger Kreatur, dass er allem Fleisch und allen Kreaturen ein Gräuel wird, Jes. 66,24. Ein Fluch ist eine Verbindung und Verdammung zum ewigen Elende. Darum ist ein Fluch allen Kreaturen abscheulich und greulich, und können denselben bei sich nicht dulden. Und das ist die höchste Rache der Gerechtigkeit Gottes.

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6. Aus dieser allerheiligsten Gerechtigkeit Gottes folgen auch die wunderbaren, unerforschlichen, heimlichen, schrecklichen Gerichte Gottes, davon Psalm 36,7. sagt: Gottes Gerichte sind eine große Tiefe. Und St. Paulus: Wie gar unbegreif-lich sind seine Gerichte, und unerforschlich seine Wege, Röm. 11,33.

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7. Wenn man nun dieselbe ansiehet, so siehet man darinnen Gottes Gerechtig-keit, davon der Mann Gottes Mose sagt, 5 Mos. 32,35.41.43. Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Wenn ich den Blitz meines Schwertes wetzen werde, und meine Hand zur Strafe greifen wird, so will ich mich wieder rächen an meinen Feinden, und denen, die mich hassen, vergelten. Jauchzet alle, die ihr sein Volk seid, denn er wird das Blut seiner Knechte rächen, und gnädig sein dem Lande seines Volks.

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8. Allhie verkündiget Moses Gottes Rache über alle Gottlosen, so der Gerechtig-keit Gottes widerstreben. Wider dieselben wird Gott den Blitz seines Schwertes wetzen, das ist nichts anders, als sein schreckliches Gericht und Urteil, davor, als vor einem Blitz der Erdboden erschrickt, Ps. 76,9. und kann demselben keine Kreatur widerstehen. Es kann auch einem solchen, an welchem Gott seine Rache und Gericht übet, die ganze Welt nicht helfen, wie Ps. 94,1.2. spricht: Herr Gott, deß die Rache ist, Gott, deß die Rache ist, erscheine. Erhebe dich, du Richter der Welt, vergilt den Hoffärtigen, was sie verdienen. Da wir hören, obwohl Gott der Herr zwar ein gnädiger, liebreicher, freudenreicher, leutseliger, barm-herziger, langmütiger, geduldiger Gott ist allen denen, die ihn fürchten, so ist er dennoch ein gerechter Richter, nach seiner Gerechtigkeit, gegen alle Gottlosen, so wider seine Gerechtigkeit handeln.

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9. Darum stellt er uns nicht allein in seinem Wort die Exempel seiner Gnade und Barmherzigkeit vor, sondern auch die Exempel seiner Gerechtigkeit und Rache: als in der Sündflut, an Sodom und Gomorra, an Pharao in Ägypten, im roten Meer, an Cora, Dathan und Abiram, an Saul, Ahitophel, Achab, Jesabel, Nebu-cadnezar, Belsazer, Senacherib, Antiocho; und im neuen Testament an Herode, Nerone, Valente, Juliano, Diocletiano etc., an welchen allen wir Gottes wunder-bares Gericht und Rache sehen. Darum heißt er ein Gott der Rache, der sich allein die Rache vorbehält, darum, dass er der allerheiligste und gerechteste Gott ist, ja die Gerechtigkeit selbst. Darum die heiligen Seelen (Off. 6,10.) Gottes Gerechtigkeit anrufen: Herr! du Heiliger und Gerechter, wie lange rächest du unser Blut nicht?

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10. Solche Gerichte Gottes geschehen täglich, und werden allein von den Gläubigen und Heiligen recht erkannt, wie Ps. 91,8. sagt; Ja, du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen, und schauen, wie es den Gottlosen vergolten wird. Welchen Spruch wir nicht nach fleischlichen Affekten und Urteil verstehen und ansehen sollen, sondern nach dem Geist, dass man Gott dem Herrn das Lob der Gerechtigkeit geben soll, und mit Psalm 119,37. sprechen: Herr, du bist gerecht, und deine Gerichte sind auch gerecht. Und Ps. 145,17. Der Herr ist gerecht in allen seinen Werken, und heilig in allen seinen Wegen. Also sehen die Heiligen und Gläubigen ihre Lust an den wunderbaren Gerichten Gottes, nicht nach dem Fleisch, dass sie frohlocken sollten über den Untergang und das Verderben der Gottlosen, welches aus eigener Rache herkommt, sondern nach dem Geist sehen sie ihre Lust, das ist, sie erkennen und rühmen Gottes Gerechtigkeit, dass er sein Wort erfüllet, und ein gerechter Gott sei. Unterdessen beklagen und be-weinen sie der Gottlosen Verderben, wie der Herr weinete über Jerusalem, Luk. 19,41. und David über Absalon, 2 B. Sam. 18,33.

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11. Also muß man hie zweierlei Rücksicht haben, auf Gott und auf Menschen. Wenn man auf das Verderben der Menschen siehet, gehet es einem billig zu Herzen; wenn man aber auf Gott siehet, so muß man seine Gerechtigkeit prei-sen; denn er tut niemand Unrecht, Ps. 92,12.

 

Gebet um die Gerechtigkeit Gottes, und derselben Wirkung.

 

Herr! du bist gerecht, und deine Gerichte sind auch gerecht. Du behältest allezeit Recht in deinem Wort, und bleibest rein, wenn du richtest, und strafest alles ungerechte Wesen. Ach! laß mich dieses nicht erfahren, und daher stets geden-ken, wie du seiest ein rechter Richter, und ein Gott, der täglich drohet; damit ich mich kindlich vor dir fürchte, und nicht auf deine Gnade sündige, sondern mit Furcht und Zittern schaffe, dass ich selig werde, Amen.

 

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