DAS EINUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (2.B./41.K.)

 

VON DEM HEILSAMEN NUTZEN UND DER HEILSAMEN KRAFT

DES LOBES GOTTES, UND DER LOBGESÄNGE.

 

Inhalt.

1) Gottes Wort ist eine Regel unsers Glaubens, Lebens und Kreuzes. 2) Im Kreuz aber mußt du beten und singen. 3) Denn das Lob Gottes hat großen Nutzen und Kraft. 4) Welches aus 7 Gründen erhellet. 5) 1. Gottes Lob ist das Ende aller Kreaturen. 6) 2. Es bezeugets die Kraft des Gebets. 7) 3. Die Exempel des alten Testaments. 8) 4. Die Exempel des neuen Testaments. 9) 10) 5. Durch das Lob Gottes sind die Heiligen voll heiligen Geistes worden. 11) 6. Die schöne Ordnung und Unterschied der Psalmen. 12) 7. Die Lobgesänge sind in sonder-lichen Nöten und Fällen gebraucht worden. 13) Darum soll billig ein Christ täglich Gott loben.

 

Wenn ich betrübt bin, so denke ich an Gott, wenn mein Herz in Ängsten ist, so rede ich. Ich denke des Nachts an mein Saitenspiel, und rede in meinem Herzen. Ps. 77,4.7.

 

Dieser Spruch ist eine schöne Regel unsers Lebens, wie wir uns im Kreuz und Traurigkeit verhalten sollen. Denn gleichwie Gottes Wort eine Regel und Richt-schnur sein soll unsers Lebens, wenn es uns wohl gehet, wie Ps. 32,8. spricht: Ich will dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst: ich will dich mit meinen Augen leiten. Ps. 73,24. Du leitest mich nach deinem Rat, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Ja, wie Gottes Wort eine Regel und Richtschnur sein soll unsers Glau-bens. Ps. 119,105. Dein Wort ist meiner Füße Leuchte, und ein Licht auf meinen Fußsteigen. Item: Ps. 17,5. Erhalte meinen Gang auf deinen Fußsteigen, dass meine Tritte nicht gleiten; also soll auch Gottes Wort sein eine Regel unsers Kreuzes und Trübsals, laut dieses Spruches: Wenn ich betrübt bin, so denke ich an Gott, d. i. ich forsche die Ursache meines Kreuzes, und wo es mir herkommt, nämlich von dem lieben Gott, bei dem ich auch Rat suchen soll in meiner Not.

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2. Da lerne nun, lieber Christ, in deinem Kreuze deine Gedanken zu Gott richten, und nicht bald hie hin, bald da hin fallen etc. Wenn mein Herz in Ängsten ist, so rede ich, so bete ich, so singe ich. Denn dadurch wird die Traurigkeit des Herzens vertrieben, der traurige Geist und Schwermut. Denn gleichwie das Herz leichter wird, und gleichsam eine große Bürde ablegt, wenn man einem guten Freunde seine Not klaget, also wird das Herz leichter, wenn in Ängsten das Herz mit Gott redet, und einen Psalmen singet. Darum spricht David Ps. 77,7. Ich denke des Nachts an mein Saitenspiel, und rede in meinem Herzen, d. i. es verlanget mich, bis es Tag wird, dass ich in der Morgenstunde meinen Gott loben möge, und meine Traurigkeit durch einen Lobgesang vertreiben. Unterdessen rede ich in meinem Herzen, und bete im Verborgenen, und der Gott, der die Rede meines Herzens und Geistes verstehet, und der das Seufzen erhöret, tröstet, erquicket und erfreuet mich.

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3. Aus diesem schönen Spruch aber lernen wir auch unter andern, was da sei der Nutzen, Kraft und heilsame Frucht der Lobgesänge, und des schönen Lobes Gottes. Denn es kann nicht fehlen, es muß Gottes Lob, wenn es von Herzen gehet, große Kraft haben.

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4. Denn zum 1) lehret es uns die Natur. 2) Bezeuget es auch die Kraft des Ge-bets. 3) Die Exempel des alten Testaments. 4) Die Exempel des neuen Testa-ments. 5) Die Exempel, dass durchs Lob Gottes die Heiligen voll des heiligen Geistes worden sein, im alten und neuen Testament. 6) Die sonderliche Art und Eigenschaften der Psalmen. 7) Dass in sonderlichen Notfällen bei den Alten die lieben Psalmen gebraucht worden sein. Aus diesen Gründen ist offenbar, dass Gottes Lob und die Lobgesänge müssen besonders großen Nutzen und Kraft haben. Welches aber niemand also verstehen soll, dass den bloßen Worten an sich selbst, ohne allen Glauben und Andacht, solche Kraft zugeschrieben werde, um des bloßen Lauts willen, sondern dass die Lobgesänge mit gläubigem Herzen gesungen und gesprochen, solche sonderbare Kraft haben. Davon auf diesmal ein kurzer Bericht geschehen soll.

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5. 1) Das erste Argument, von dem ersten Nutzen und heilsamer Kraft des Lobes Gottes, gibt uns die Natur, denn das ist der Endzweck der ganzen Kreatur. Sehet erstlich an die englische Kirche, Jes. 6,3. und in der Offenb. Johannis hin und wieder. Der 148. Ps. v. 2. seq. hat das Lob Gottes, dazu alle Kreaturen ge-schaffen sein, artig beschrieben, und fängt erstlich von den Engeln an: Lobet den Herrn alle seine Engel, lobet ihn alle sein Heer. Aus der Engelwelt steiget er herab in die himmlische Welt. Lobet den Herrn Sonne und Mond, lobet ihn alle leuchtende Sterne. Hiob 38,7. Da mich die Morgensterne lobeten. Darnach steiget der Psalmist herunter, kommt aufs Meer: Lobet den Herrn, ihr Walfische und alle Tiefen. Darnach in die Luft: Feuer, Hagel, Schnee, Dampf, Sturmwinde, die ihr sein Wort ausrichtet. Darnach kommt er auf die Erde: Berge, Hügel, fruchtbare Bäume und alle Zedern. Darnach auf die Tiere: Vieh, Gewürme und alle Vögel. Darnach auf die Menschen, und fängt wider von oben an: Könige, Fürsten, Richter, Völker auf Erden, Gesellen, Jungfrauen, Alte und Junge. Darnach kommt er auf die Kirche Gottes: Das Volk, das ihm dienet, und alle Heiligen auf Erden, lobet den Herrn.

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6. 2) So bezeuget es die Kraft des Gebets. Denn was das gläubige Gebet für große Kraft habe, bezeuget Gottes Wort, die Exempel der Heiligen, und tägliche Erfahrung. Denn dahin sehen alle Verheißungen, dass kein Gebet, kein Seufzen, keine Träne soll verloren sein, Ps. 6,10. Ps. 56,9. Zähle meine Tränen. Ps. 126,5. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten etc. Ps. 145,18. Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen etc. Es kann auch keine gedeihliche Wohlfahrt auf Erden sein ohne Gebet. Denn alle rechtschaffene, vollkommene Gaben müssen von Gott erbeten werden. Mit dem Gebet müssen wir unser Leben anfangen, und seliglich beschließen. Weil nun Gottes Lob nichts anders ist, als ein freuden-reiches Gebet, darin die Heiligen Gottes die größten denkwürdigsten Wohltaten und Wunder Gottes zum Gedächtnis verfasset haben, so kanns nicht fehlen, es muß das Lob Gottes sonderbaren Nutzen und heilsame Kraft haben.

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7. 3) Bezeugens die Exempel des alten Testaments, 2 Mos. 15. 5 Mos. 32. 1 Sam. 2. Jes. 12,26.38.64. Jon. 2. Hab. 4. und der ganze Psalter.

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8. 4) Bezeugens die Exempel des neuen Testaments, sonderlich die schönen Lobgesänge Zachariä und Mariä, Luk. 1,46.68. welche die christliche Kirche verordnet hat, einen des Morgens, den andern des Abends, täglich zu singen, als ein Morgen- und Abendopfer; anzudeuten, dass wir den Tag mit Gottes Lob sollen anfangen und auch beschließen, wie Ps. 92,2.3. ermahnet: Das ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken, und deinem Namen lobsingen, du Aller-höchster, des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündi-gen. Warum des Morgens deine Gnade? Weil deine Gnade alle Morgen neu ist, Klagl. Jer. 3,23. Warum des Nachts deine Wahrheit? Dieweil Gott des Nachts unser Hüter ist, und der dich behütet, schläfet nicht etc. Ps. 121,3. So wissen wir auch, dass der Herr im letzten Abendmahl mit seinen Jüngern den Lobgesang gesprochen habe, Matth. 26,30. Und St. Paulus spricht Eph. 5,18.19. Werdet voll Geistes, redet unter einander von Psalmen und geistlichen Liedern, singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen, und alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken, das tut in dem Namen des Herrn Jesu Christi, und danket Gott und dem Vater durch ihn. Dass St. Paulus hie spricht, lieblichen Liedern, siehet er auf die Worte Davids, 2 Sam. 23,1. Es sagt der Mann lieblich mit Psalmen Israels, d. i. der viel liebliche Psalmen von Messia gesungen hat. St. Jakobus sagt: So je-mand leidet, der bete; ist jemand gutes Muts, der singe Psalmen, Jak. 5,13.

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9. 5) Durchs Lob Gottes sind die Heiligen im alten und neuen Testament des heiligen Geistes voll worden. Im 1 Sam. 10,5.6. Kol. 19,24. haben wir zwei Exem-pel, 1) da Saul vom Samuel zum Könige gesalbet war, gab er ihm ein Zeichen: Es wird dir ein Chor Propheten begegnen, da wird der Geist Gottes über dich kommen, und wirst ein anderer Mann werden. 2) Da Saul Boten sandte gen Rama, und wollte David holen lassen, begegneten den Boten Sauls zu unter-schiedenenmalen Chöre der Propheten. Da die Boten Sauls das höreten, weis-sageten sie, und zuletzt Saul. Da Elisäus hörete den Spielmann Psalmen spielen, weissagete er, 2 Kön. 3,15.

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10. Im alten Testament sind unterschiedliche Chöre der Sänger gewesen: Etliche haben Gott gelobet mit Posaunen, etliche mit Psaltern und Harfen, etliche mit Cymbeln und andern musikalischen Instrumenten; daher etliche meinen, dass die Psalmen im höhern Chor kommen seien. Denn sie haben nicht einen jeden Psalm auf einerlei Instrumente gespielet, sondern wie traurige und freudige Psalmen sind gewesen, also haben sie auch solche Instrumente gehabt. Diese unterschiedlichen Chöre und Instrumente, darauf im alten Testament unter-schiedliche Psalmen gespielt wurden, weils ein Stück vom äußerlichen zere-monialischen Gottesdienst gewesen, sind nun vergangen, und ist jetzt unser Herz, Geist, Seele, Gemüt und Mund, Gottes Posaunen, Psalter, Harfen und Cymbeln worden. Daher St. Paulus spricht Kol. 3,16. Singet und spielet dem Herrn in eurem Herzen. Welches nicht also zu verstehen, als sollte man nun Gott in der Versammlung oder daheim nicht mit lauter Stimme loben, oder mit andern musikalischen Instrumenten. Nein, sondern St. Pauli Meinung ist, dass es alles fein andächtig, geistlich und aus dem Grunde des Herzens gehen solle, nicht, dass es nur ein äußerlicher Schall oder Gepränge sein soll.

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11. 6) So bezeuget es auch die schöne Ordnung und Unterschied der Psalmen, denn etliche sind Betpsalmen, etliche Trostpsalmen, etliche Bußpsalmen, etliche Lehrpsalmen, etliche Weissagungen. Aus welchen allen das menschliche Herz unterschiedlichen Nutzen und Kraft empfindet.

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12. 7) So geben es die Exempel Mosis und Davids, dass sie ihre Lobgesänge in etlichen sonderlichen Nöten und Fällen gebrauchet haben. Als 1) zum Schutz wider die Feinde, und sind Schutzpsalmen, als der 68., welchen Moses gebetet wider die Feinde, wenn die Lager aufbrachen. Es stehe Gott auf, dass seine Feinde zerstreuet werden, und die ihn hassen, vor ihm fliehen. Und etliche mei-nen, dass der 91. Psalm in der großen Pest von David gemacht sei, da in drei Tagen 70.000 Menschen starben, 2 Sam. 24,15. Ist auch kein Zweifel, dass dieser Psalm im großen Landsterben manchen Menschen errettet. 2) Zum Sieg wider die Feinde, und sind Siegespsalmen. Denn als David in die sechs Victorien erhalten, hat er den 18. Psalm gesungen, 2 Sam. 22,1. seq. Und wie der König Josaphat mit einem Lobpsalm den Sieg wider die Moabiter erhalten, ist ge-schrieben 2 Chron. 20,1. seq. Das war eine wunderliche Schlachtordnung, die Priester gingen mit Loben vorne an. 3) Sind Psalmen gesungen worden in großen Nöten, wie wir lesen 1 Sam. 21,13. Da David seine Gebärden verstellete vor Achis, hat er den 34. Psalm gesungen, wie der Titel bezeuget. Item, den 3. als er flohe vor Absolon. Und als die Apostel Ap. Gesch. 4,31. in ihren großen Nöten den 2. Ps. beteten, bewegte sich die Erde. Das sind Notpsalmen. 4) Sind Freudenpsalmen: Als 1 Chron. 17,7. hat David den 105. Psalm gesungen bei der Lade des Bundes. 5) Sind Trauerpsalmen, als der 102., wie der Titel lautet. Item, wider die Verleumder, als 4. 7. 52. Item, wider die Krankheit, als der 30. Psalm.

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13. Also haben wir satte und genügsame Gründe von der heilsamen Kraft des schönen Lobes Gottes, daraus wir vernommen haben, dass, wie einem christ-gläubigen Menschen gebühret, täglich zu beten, so gebühret ihm auch täglich Gott zu loben. Denn erstlich, so ist es eine Vereinigung der menschlichen Kirche mit der englischen Kirche im Himmel, und ist eine rechte englische Eigenschaft, täglich Gott zu loben. Darum wir im Vater unser bitten: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. Demnach, wenn du ein Betstündlein hältst, und gehest in dein Kämmerlein, im Verborgenen zu beten, so singe auch deinen lieben Gott einen Lobpsalmen mit. 2) So wäre es ganz christlich, dass wir die Kinder von Jugend auf gewöhneten, Gott zu loben durch schöne Psalmen, nach Psalm 8,3. Aus dem Munde der jungen Kinder hast du dir ein Lob und Macht zugerichtet, und stehet alsbald die Frucht und Kraft dabei: Dass du vertilgest den Feind und Rachgierigen. 3) So sollte es geschehen um der gnädigen Bei-wohnung Gottes willen, Ps. 22,4. Herr! du bist heilig, der du wohnest unter dem Lob Israel. 4) So gibt es die Erfahrung, dass Gottes Lob in unsern Herzen er-wecket sonderliche Andacht, geistliche Freude, lebendigen Trost, Friede und Ruhe in Gott.

 

Gebet um Gnade, Gott recht zu loben und zu preisen.

 

Weil es ein nötiges, köstliches und nützliches Ding ist, dir, o Herr! danken, und lobsingen deinen Namen, du Höchster! ich aber aus und von mir selbst dir keinen gefälligen Dank bringen kann, so erwecke mich durch deinen Geist, und lege in mein Herz und Mund ein solches Lobopfer, das dir durch Christum angenehm sei. Gib auch, dass alles, was ich tue, mit Worten oder mit Werken, ich zu deines Namens Ehre und Preis tue, und dich also in der Tat und Wahrheit lobe mein Leben lang, und in alle Ewigkeit, Amen, Halleluja.

 

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