DAS VIERUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (2.B./44.K.)
VON DER GEDULD, DADURCH ALLES KREUZ ÜBERWUNDEN,
UND DIE VERHEISSENE HERRLICHKEIT ERWARTET WIRD.
Inhalt.
1) Die christliche Geduld wird beschrieben. 2) Die Hauptursachen derselben sind: 1. Der gnädige Wille Gottes. 3) 2. Das herzunahende Ende der Welt. 4) 3. Die Hoffnung der zukünftigen Seligkeit. 5) 4. Die Zukunft Jesu Christi. 6) 5. Gottes ewige Wahrheit und Verheißung. 7) 6. Der ewige Trost im Himmel. 8) 7. Die Exempel aller Heiligen. 9) 8. Das Leiden Christi, dadurch unser Leiden geheiliget und gesegnet wird. 10) 9. Die herrliche Belohnung der geduldigen Kreuzträger. 11) 10. Die herzliche Barmherzigkeit Gottes. 12) Dies alles wird in der Epistel an die Hebräer gar herrlich erkläret.
Wir bedürfen der Geduld stets, dass wir den Willen Gottes tun, und dass wir die Verheißung erlangen. Hebr. 10,36.
Die wahre christliche Geduld ist eine solche Tugend, da man in allerlei Trübsal und Leiden, denen man durch keine ordentliche Mittel entfliehen mag, sich in den gnädigen Willen Gottes ergibt, und denselben williglich an sich vollbringen lässet, und eher alles leidet, ehe man wider Gott murren und von ihm abfallen sollte.
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2. Die Hauptursache aber dieser Tugend ist: 1) Der gnädige Wille und Rat Gottes, dadurch wir zu Kreuz und Leiden verordnet und versehen sein, wie Röm. 8,29. stehet: Die er versehen hat, die hat er verordnet, dass sie sollen ähnlich werden dem Ebenbilde seines Sohnes. Gleichwie nun der liebe Gott seinen lieben Sohn zu Kreuz und Leiden verordnet und versehen hat, dass er ihn wollte durch das Kreuz herrlich machen, also hat er alle wahre Glieder Christi zum Kreuz verordnet, denn sonst könnten sie sein geistlicher Leib nicht sein. Denen hat er ihr Kreuz zuvor verordnet, gezählet, gemessen, wie viel sie leiden sollen. Diesem allem kann nun niemand entfliehen, vielweniger es mit Ungeduld ab-wenden; mit Gehorsam aber und mit Geduld kann man es lindern, und durch Christum überwinden.
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3. 2) Das herzunahende Ende der Welt, da die Ungerechtigkeit überhand nimmt, Matth. 24,12. und die Liebe erkaltet, dadurch viel Leiden, Verfolgung, Kreuz, Gewalt und Tod wird angelegt werden den Gottseligen, 2 Tim. 3,12. Alle die, so in Christo Jesu wollen gottselig leben, die müssen Verfolgung leiden. Und der Herr Jesus weissaget, Joh. 15,20. und Kap. 16,2. dass die Seinen um der Wahr-heit und Gerechtigkeit willen müssen verfolget und angefochten werden; und die ganze Offenbarung Johannis bezeuget, dass der Antichrist die Kirche Christi bis zu der letzten Zukunft des Herrn verfolgen werde, da der Streit endlich aufge-hoben, und der Drache nebst den falschen Aposteln in den höllischen feurigen Pfuhl geworfen werden wird. Darum soll niemand sich goldene Träume machen, und Besserung hoffen; sondern sich zur Geduld schicken und bereiten.
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4. 3) Soll unsere Geduld gestärket werden durch die Hoffnung der zukünftigen Wiederbringung aller Dinge, und der ewigen Seligkeit. Denn gleichwie ein Ackersmann mit Geduld wartet auf die Ernte, und siehet alle seine Arbeit nicht an, hoffet aber, es wird ihm alle seine Mühe und Arbeit reichlich mit großem Gewinn erstattet werden, Jak. 5,7. also soll ein Christ seine Seele mit Geduld fassen, Luk. 21,19. und gewiß glauben, dass die große Ernte des lieben jüngsten Tages alles wieder bringen wird, was hie verloren, ja nicht verloren, sondern gesäet und gepflanzet wird. Denn gleichwie ein Bauersmann seinen Samen darum nicht verlieret, ob er ihn gleich in die Erde wirft, sondern säet und pflanzet ihn auf Hoffnung, also, was du hie säest und pflanzest, Leib, Gut und Ehre, denke nur nicht, dass du es wirst verlieren, sondern du säest und pflanzest es auf Hoffnung der künftigen großen, reichen Ernte, da wir ernten werden ohne Aufhören. Darum der 126. Ps. v. 5.6. unser Kreuz und Elend einer Samenzeit vergleicht, da er spricht: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen, und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden, und bringen ihre Garben.
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5. 4) Soll unsere Geduld stärken die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi, da all unser Leid wird ein Ende nehmen, ja in Freude wird verwandelt werden. Joh. 16,20. Da Gottes gerechtes Urteil und Gericht ergehen wird über alle unsere Feinde, da einem jeden von Gott Ruhm und Lob widerfahren wird, 1 Kor. 4,5. und derselbe Tag ist nahe. Der Richter ist vor der Türe, sagt Jak. 5,8. Und St. Paulus, Röm. 12,19. Die Rache ist mein. Wir leiden eine kurze Zeit, aber eine ewige Freude wird darauf folgen. Es kann ja nicht lange mehr währen.
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6. 5) Soll auch Gottes Verheißung und ewige Wahrheit unsere Geduld stärken, und unser Herz befestigen, dass es nicht wanke, wie Jak. 5,8. spricht: Denn, wie man ein kleines Bäumlein an einen Stecken bindet, dass es der Wind nicht zer-breche, oder im Ungestüme des Meeres Anker auswirft, woran sich das Schiff halte, also müssen wir unser wankendes Herz an den Stab göttlichen Worts und Wahrheit binden, und das sinkende Schifflein des Herzens mit dem Anker der Hoffnung befestigen, dass es nicht versinke, Hebr. 6,19. Wie viele Verheißungen haben wir, dass uns Gott erretten wolle? Wie viele Exempel der wunderbaren Erlösung sehen wir vor Augen? Viele tausend Mittel hat Gott dazu. Wie oft hat Gott in großen Krankheiten geholfen, aus großer Teurung erlöset, 2 Kön. 6,25. Kap. 7,16. aus großen Kriegsnöten errettet? 2 Chron. 20,22. Kap. 14,12. Gott kann beide Teile im Krieg zum Frieden lenken. Wie oft steuert Gott dem Feinde? Wie uns denn solches in dem lieben Kinde Jesu genugsam ist vorgebildet, Matth. 2,20. Sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben trachteten. Gott kann auch die Verfolger und Feinde bekehren, wie Paulum Ap. Gesch. 9,3. Wie oft verhindert Gott blutdürstige Anschläge? Saul wollte David gar fressen, und hatte ihn umringet, dass er nicht konnte entfliehen; aber Gott rief ihn zurück durch einen Boten, der verkündigte, die Philister wären ihm ins Land gefallen, 1 Sam. 23,27. Und Joh. 7,44. gaben die Hohenpriestern ihren Dienern Befehl, sie sollten den Herrn Jesum greifen und gefangen bringen; aber die Diener, da sie Christum höreten predigen, erstarreten gar, und konnten nichts tun. Bisweilen verblendet Gott die Feinde, und schlägt sie mit Blindheit, wie in der Historie Elisäi, 2 Kön. 6,18. Lots, 1 Mos. 19,11. und Athanasii zu sehen ist. So hat auch Gott ja so viele Legionen Engel, die auf die Christen warten, durch welche sie oft wunderbarlich erlöset werden, wie St. Petro geschah, Ap. Gesch. 5,19. und Kap. 12,7.11. Wie wunderbarlich ist oft der Apostel Paulus erlöset worden, dass der böse Ratschlag wider ihn ist offenbar worden? Ap. Gesch. 23,16. Endlich erlöset Gott der Herr die Seinigen durch den zeitlichen Tod, da hat aller Jammer ein Ende.
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7. 6) Wie werden aber die Gläubigen ihres Leides so herzlich ergötzt werden in jener Welt, dass sie für ihr Leiden nicht alle Herrlichkeit der jetzigen Welt nähmen? Röm. 8,18. Matth. 5,4. Selig sind, die da Leide tragen, denn sie sollen getröstet werden. Off. Joh. 21,4. und Jes. 25,8. stehet, dass Gott alle unsere Tränen werde von unsern Augen abwischen. Wie soll sie aber Gott abwischen, wenn du nicht herzlich geweinet hast.
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8. 7) Wir sollen auch ansehen die Exempel der Heiligen, Abels, Noäh, Lots, Abrahams, Isaaks, Jakobs, Josephs, Davids, Hiobs, sonderlich den Mann Gottes Mosen, von dem die Schrift zeuget, dass er ein sehr geplagter Mensch über alle Menschen auf Erden gewesen sei, 4 Mos. 12,3. Wie oft murreten die Gemeinen wider ihn, zanketen mit ihm, wollten ihn steinigen? Dagegen war er sanftmütig, redete das Beste mit ihnen, betete für sie, und wünschte aus dem Buche der Lebendigen vertilget zu sein, 2 Mos. 32,32. sonst hätte sie Gott vertilget. Elias, ob er schon aufs äußerste verfolget ward, dennoch brachte er den Regen dem ganzen Lande wieder, 1 Kön. 18,45. Micha, 2 Chron. 18,23. 1 Kön. 22,24.27. ward von falschen Propheten vor den Königen Ahab und Josaphat geschlagen und ins Gefängnis geleget; da er doch den König warnete vor seinen Schaden. Jesaja ward für seine treuen Dienste mit einer Säge von einander geschnitten. Welch ein geplagter Mann ist Jeremias gewesen? Jer. 15,10. Daniel mußte in die Löwengrube, Dan. 6,16. Wie ist es Johanni, dem Täufer, ergangen? Matth. 14,10. Sehet St. Paulum an, was derselbe hat erlitten, 2 Kor. 11,23. seq. und alle heilige Märtyrer, und alle Apostel. Besiehe die Epistel an die Hebr. 11,35. seq. Wenn du diese alle fragen wirst, durch welchen Weg sie ins Reich Gottes ein-gegangen sein? werden sie antworten: durch den Weg der Trübsal, Ap. Gesch. 14,22. Diesen Weg hat unser Herr Jesus Christus selbst gewandelt in seiner Herrlichkeit, davon 1 Pet. 2,21,23. Christus hat für uns gelitten, und uns ein Vorbild gelassen, dass wir sollen seinen Fußtapfen nachfolgen, welcher nicht wiederschalt, da er gescholten ward, nicht dräuete, da er litte, er stellet es dem heim, der da recht richtet. Deines Erlösers Geduld ist so groß gewesen, dass, obwohl in seinem Leiden die Sonne verfinstert ward, und ein solch großes Elend nicht mögen ansehen, davor auch die Erde bebete, und die Felsen zerrissen, Luk. 23,44. seq. dennoch hat er nicht am Kreuz gemurret wider seine Feinde, oder sich eines ungeduldigen Worts oder Gebärdens merken lassen; ja dass er noch für seine Feinde gebeten, und gerne wollte durch sein Blut diejenigen lebendig machen, die sein Blut vergossen haben. So Gott einen jeden Sohn züchtiget, den er lieb hat und aufnimmt, so muß er entweder gezüchtiget sein, oder kein Kind sein, Hebr. 12,6. Darum wollte auch Gott nicht, dass sein einge-borener Sohn sollte ohne Rute sein, wiewohl er ohne Sünde war. Da er nun seinen einigen natürlichen Sohn, der ohne Sünde war, gezüchtiget hat; meinst du, dass du wirst ohne Züchtigung bleiben können, der du so viele Sünden hast, und zum Kinde erwählet bist? Sehet doch, wie große Geduld hat Gott mit unsern Sünden, sollten wir denn nicht Geduld haben mit seiner Züchtigung, dadurch er uns bekehren will? Summa, wir sollen uns freuen, wie St. Petrus spricht, 1 Epist. 4,13. so wir mit Christo leiden, auf dass wir auch in der Offenbarung seiner Herr-lichkeit Freude und Wonne haben mögen.
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9. 8) Daraus denn dieser Trost folget, so uns in Geduld erhalten soll, dass Christus mit seinem Leiden unser Leiden geheiliget und gesegnet habe, dass es uns nicht zum Verderben gereichen soll, sondern zum Segen, zum Leben, zur Herrlichkeit. Gleichwie Christi Leiden zur Herrlichkeit worden, also auch aller Christen Leiden in Christo.
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10. 9) Sehet an die herrliche Belohnung derer, so das Kreuz geduldig erlitten. Obwohl viele heilige Märtyrer mit unerhörter, grausamer, unmenschlicher Marter sind hingerichtet, etliche den wilden Tieren vorgeworfen, etliche im Öle gebraten, etliche im heißen Blei; so ist doch niemand unter uns so gottlos und verrucht, der nicht lieber an ihrer Statt jetzt sein wollte, als an derer Statt, die sie ermordet haben. Wer wollte jetzt nicht lieber an des armen Lazari Statt sein, als an des reichen Mannes? Luk. 16,25. Lieber! willst du solcher Heiligen Herrlichkeit haben, so mußt du auch ihren Weg der Trübsal und der Geduld wandeln. Und das meinet der Herr, da er spricht: Matth. 5,11.12. Selig seid ihr, so euch die Men-schen schmähen, verfolgen, und alles Übels wider euch reden um meinetwillen. Seid fröhlich und getrost, es soll euch wohl belohnet werden im Himmel. Röm. 8,17. So wir nun mit Christo leiden, so werden wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden. Item: v. 18. Dieser Zeit Leiden ist nicht wert der Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden.
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11. 10) Soll unsere Geduld stärken die herzliche Barmherzigkeit Gottes, dass Gott unserer endlich nicht wird vergessen können, so wenig als eine Mutter ihres Kindes vergessen kann, Jes. 49,15. und dass Gott sein Herz breche vor Liebe er muß sich unser erbarmen, Jer. 31,20. Das er auch getreu ist, der uns nicht über unser Vermögen versuchen wird, 1 Kor. 10,13. und dass er uns nicht züchtiget zu unserm Verderben, sondern zu unserer Seligkeit. Denn, wenn wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtiget, auf dass wir nicht mit der gott-losen Welt verdammet werden, 1 Kor. 11,32. Denn ist das Kreuz lauter Liebe; was wolltest du denn lieber: immer in Freuden leben, wie der reiche Mann, und darnach verdammt werden? Oder im Kreuz leben und selig werden?
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12. Dies alles erkläret uns die Epistel Hebr. 12,1. seq. herrlich: Lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens; welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes. Gedenket an den, der ein solches Wider-sprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, dass ihr nicht in eurem Mute matt werdet, und ablasset. Denn ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kampf wider die Sünde, und habt bereits vergessen des Trostes, der zu euch redet, als zu den Kindern: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn, und verzage nicht, wenn du von ihm gestrafet wirst. Denn welchen der Herr lieb hat, den züchtiget er. Er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. So ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut sich euch Gott als Kindern. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtiget? Seid ihr aber ohne Züchti-gung, welcher sie alle sind teilhaftig worden, so seid ihr Bastarde, und nicht Kinder. Auch wir haben unsere leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt, und sie gescheuet, sollten wir denn nicht vielmehr untertan sein dem geistlichen Vater, dass wir leben? Und jene zwar haben uns gezüchtiget wenige Tage nach ihrem Dünken; dieser aber zum Nutzen, auf dass wir seine Heiligung erlangen. Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünket sie uns nicht Freude, sondern Traurig-keit zu sein; aber darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübet sind.
Gebet um wahre Geduld. (Siehe im Paradiesgärtlein.)