DAS DREIUNDFÜNFZIGSTE KAPITEL. (2.B./53.K.)
TROST WIDER DIE HOHEN GEISTLICHEN ANFECHTUNGEN.
Inhalt.
1) Angefochtene sollen folgende Trostgründe merken: 2) 1. Die hohen Anfech-tungen kommen aus Gottes Verhängnis. 3) Der Teufel hat nicht Macht über etwas; Gott führt in diese Hölle, 4) nicht zum Verderben, sondern zur Seligkeit, aus folgenden Ursachen: 5) 1. Dass wir die Kraft der Sünde lernen verstehen. 6) 2. Dass wir die Erlösung Christi hoch achten. 7) 3. Dass wir Christo ähnlich werden. 8) 4. Dass wir den Trost des göttlichen Wortes schmecken lernen. 9) 5. Dass wir Glauben und Geduld üben lernen. 10) 6. Dass wir desto kräftiger ge-tröstet werden. 11) 7. Dass wir im Himmel desto herrlicher werden. 12) sei zufrieden, es ist Gottes Wille, suche allein bei Christo Rat und Hilfe. 13) 2. Die hohen Anfechtungen sind Zeichen der Gnade Gottes, 14) dadurch er uns seinem Sohne an Leib und Seele ähnlich machet. 15) 3. Auf den schweren Seelenkampf wird gewiß der Sieg folgen. 16) 4. Die greulichen Lästerungen, die man wider Willen leiden muß, rechnet Gott nicht zu. 17) 5. Gottes Geist und der Glaube ist in den kleinsten Seufzern verborgen zugegen. 18) 6. Gott wohnet in den hart angefochtenen Herzen. 19) 7. Gott hat niemals eine Seele in solchen Anfech-tungen verlassen. 20) 8. Hohe Anfechtungen sind sonderbare Gaben Gottes, und die Angefochtenen geistliche Märtyrer. 21) Darum harre geduldig aus, nach der Finsternis wird ein erfreulich Licht aufgehen.
Die Elenden und Armen suchen Wasser, und ist nichts da; ihre Zunge ist verdorret vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören, ich, der Gott Israel, will sie nicht verlassen. Jes. 41,17.
In diesem Spruch tröstet der heil. Geist alle hochbetrübte, traurige und ange-fochtene Herzen, welche nach Trost dürstet; und denen nichts anders zu Sinne ist, als sie müssen gar verzagen, Gott habe sie gar verlassen und verstoßen, wie Psalm 88,4. spricht: Meine Seele ist voll Jammers, und mein Leben ist nahe bei der Hölle. Dieselben sollen in ihren hohen geistlichen Anfechtungen folgende Hauptgründe des Trostes merken und zu Herzen nehmen.
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2. 1) Dass die hohen schweren Anfechtungen, traurige, schwermütige Gedanken, Schrecken der Seele, Angst des Gewissens uns nicht widerfahren ohne Gottes sonderbaren Rat und gnädigen Willen, wie hart auch der Satan dem Menschen zusetzet. Denn Gottes Wort bezeuget, dass der Satan über keine Kreatur, auch über die geringste nicht, einige Gewalt habe, auch nicht über ein Härlein, Matth. 10,30. oder über einen Strohhalm. Denn alle Kreaturen sind in Gottes Hand, und nicht in des Teufels Gewalt, Hebr. 1,3. vielweniger hat er Gewalt über einen Men-schen, es werde ihm denn von Gott erlaubt und zugelassen, wie die gergeseni-sche Historie, Matth. 8,32. und das Exempel Hiobs, bezeugen. Hiob 1,12.
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3. Dieweil er nun nicht Macht hat über ein einziges Glied oder Härlein des Men-schen, vielweniger über seine Seele, dass er dieselbe also ängstige quäle und peinige, ohne Gottes sonderlichen Rat und Willen; darum Ps. 34,8. spricht: Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und hilft ihnen aus. Sach. 2,5. Ich will eine feurige Mauer um dich her sein. Ps. 17,8. Behüte mich wie einen Augapfel im Auge. Daher auch Psalm 88,7.8. Gott dem Herrn solche hohe Anfechtungen zuschreibt, als er spricht: Du hast mich in die Grube hinunter gelegt, in die Finsternis und in die Tiefe. Dein Grimm drücket mich, du drängest mich mit allen deinen Fluten. Ich leide Schrecken, dass ich schier verzage. Wie auch Ps. 71,20. solche Seelenangst Gott dem Herrn zuschreibt: Du läßt mich erfahren viel und große Angst, und machest mich wieder lebendig, und holest mich wieder aus der Tiefe der Erde herauf. Und die Prophetin Hanna 1 Sam. 2,6. schreibet alles Gott dem Herrn zu: Der Herr tötet, und machet wieder lebendig. Er führet in die Hölle und wieder heraus. Denn wie Gottes Sohn vorher in die Hölle mußte, ehe er gen Himmel fuhr, also machet es auch Gott mit seinen Glie-dern, den wahren Christen. Und dies geschieht also: Wenn Gott dem Menschen seine Sünden in seinem Gewissen offenbaret, und ihn empfinden lässet die Kraft und Macht der Sünden, den Stachel des Todes, den Fluch des Gesetzes, die feurigen Pfeile des Satans; so wird des Menschen Seele so hoch betrübet, und fället in so große Traurigkeit, dass sie alles menschlichen und göttlichen Trostes beraubet wird, und will sich auch nicht trösten lassen, wie David sagt, Ps. 77,3. Ihr dünket, es seien ihr alle Kreaturen zuwider. Es kann sie auch nichts erfreuen, sie achtet sich alles Trostes unwürdig, ringet mit der Verzweiflung und kämpfet mit der Hölle, fühlet der Höllen Angst. Das ist der rechte Höllenstich, ja die Hölle selbst, die keinen Trost zuläßt; sondern da ist eitel Angst, Zittern und Zagen. Da hat denn Gott wahrlich einen solchen Menschen recht in die Hölle geführet, nicht zwar leiblich, sondern geistlich nach der Seele. Und gehet ihm gleich wie dem Herrn Christo am Ölberge, da er anfing zu trauern und zu zagen, mit dem Tode zu ringen, Luk. 22,44. Matth. 14,33.
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4. Warum aber Gott solches bisweilen zuläßt, dass seine gläubigen Kinder, die auf Christum getauft, Vergebung der Sünden haben, durch den Glauben sind gerecht gemacht, und zum ewigen Leben aufgenommen, vom leidigen Teufel so kläglich und jämmerlich mit schweren höllischen Gedanken angefochten, ge-quälet, und zu geistlichen Märtyrern gemacht werden, ist ohne Not, dass wir darnach forschen; es soll uns genug sein, dass wir aus Gottes Wort versichert sein, Gott selbst habe uns die Anfechtung zugeschickt. Was nun von Gott kommt, das gereicht dem Menschen nicht zum Verderben, sondern zur Seligkeit, dazu denn alles dienen muß, was denen widerfähret, die Gott lieben, Röm. 8,28. Doch sind auch etliche Ursachen geoffenbaret, warum der gnädige und treue Gott seinen lieben Kindern solche hohe Anfechtungen widerfahren läßt.
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5. 1) Dass wir die Kraft der Sünde, welche ist der Stachel des Todes, wie St. Paulus spricht: Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz, 1 Kor. 15,56. recht verstehen lernen, den Fluch des Gesetzes, den Zorn Gottes wider die Sünde, und sein strenges Gericht und Gerechtigkeit, und die große Tyrannei des Teufels, denn da hänget alles an einander, darüber der König Hiskia klaget, Jes. 38,14. da er winselte wie ein Kranich, und girrete wie eine Taube, da ihm um Trost sehr bange war.
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6. 2) Dass wir dadurch die Hoheit und Würdigkeit des Leidens Christi, und seine großen Wohltaten der teuern Erlösung erkennen lernen, dass er uns von der ewi-gen Höllenangst und Pein erlöset durch seine Seelenangst, Ps. 22,2.
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7. 3) Dass wir dem Ebenbilde Christi ähnlich werden, Röm. 8,29.
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8. 4) Dass wir die Kraft des Worts Gottes und den göttlichen Trost darinnen schmecken lernen, Jes. 28,19. Die Anfechtung lehret aufs Wort merken.
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9. 5) Dass wir Glauben, Liebe, Hoffnung, Demut, Geduld üben lernen, auf dass unser Glaube köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durchs Feuer bewähret wird, 1 Petr. 1,7.
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10. 6) Auf dass wir hernach desto kräftiger getröstet werden, wie St. Paulus spricht: Wie wir des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch desto reich-licher getröstet werden, 2 Kor. 1,5.
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11. 7) Auf dass wir im ewigen Leben desto herrlicher werden, Röm. 8,17. Doch dass wir mit leiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhaben werden.
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12. Und wenn wir gleich diesen hohen Nutzen nicht wüßten, noch Gottes Rat verstünden, sollen wir uns daran genügen lassen, dass wir wissen, es sei also Gottes Wille, dass wir also versucht werden. Denn sind unsere Haare auf unserm Haupte alle gezählet, Matth. 10,30. wie vielmehr will Gott der Herr unsere Seele behüten, dass dieselbe nicht durch den Teufel in Verzweiflung gestürzet werde. Daraus verstehen wir nun wohl, dass aus diesen Anfechtungen niemand erretten kann, denn Gott allein durch Christum, der den Satan und die Welt überwunden, Joh. 12,31. Kap. 16,11. Darum allein bei Christo, und sonst bei keiner Kreatur Hilfe, Rat und Trost in diesen Nöten zu suchen ist.
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13. 2) Sollen wir die hohen Anfechtungen nicht ansehen, als Zeichen des Zorns Gottes, sondern als Zeichen der Gnade: alldieweil uns Gott in die Zahl derselbi-gen bringen und aufnehmen will, die er in dieser Welt so hoch versucht hat. Als da ist der heilige David, der Ps. 18,5. klaget: Des Todes Bande umfingen mich. Und im ganzen 88. Psalm klaget er über Seelen- und Höllenangst. Der Prophet Jer. 20,17. wünschet, dass seiner Mutter Leib sein Grab gewesen wäre, und er nicht lebendig ans Licht kommen wäre, so dürfte er solches Unglück nicht sehen. Item der heilige Hiob, da er spricht Kap. 6,2. Wenn man meinen Jammer auf einer Waage wägen möchte, so würde er schwerer sein, denn der Sand am Meer. Kap. 7,15. Meine Seele wünschet erhangen zu sein. Item St. Paulus, wel-chen des Satans Engel mit Fäusten geschlagen, 2 Kor. 12,7. Ja der Sohn Gottes selbst, wie zittert sein heiliger Leib! Wie zaget seine Seele! Wie ruft er: Mein Gott, mein Gott! Warum hast du mich verlassen? Matth. 27,46.
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14. Aus diesen Exempeln lernen wir, dass wir nicht die ersten seien, die mit so hohen Anfechtungen versucht und gequälet worden sind; sondern, dass es auch zuvor den allerhöchsten Heiligen widerfahren sei. Daraus wir den Trost schöpfen sollen, dass wie jene in dieser Todesnot und Höllenangst nicht sind verlassen worden, also werde uns Gott auch erretten. Und gleichwie leibliche Krankheiten, Verfolgungen und dergleichen, Zeichen der Liebe Gottes sind, dadurch uns Gott seinem Sohn ähnlich machen wolle, und wir also solches leibliche Kreuz Christo geduldig nachtragen müssen; wie vielmehr muß es ein Zeichen der Gnade sein, und einer großen zukünftigen Herrlichkeit, wenn er nicht allein unserm Leibe, sondern auch der Seele ihr Kreuz auflegt, dieselbe läßt kämpfen und weidlich schwitzen, auf dass der Mensch an Leib und Seele leide, und seinem Herrn Christo desto ähnlicher werde. Denn gleichwie der heilige Leib Christi in seinem Leiden voller Schmerzen und Krankheit war, vom Haupt bis auf die Fußsohlen, und seine allerheiligste Seele voll Jammers, Traurens und Zagens, also muß sein geistlicher Leib, alle seine geistlichen Glieder und Gläubigen dieses Schmerzes innerlich und äußerlich teilhaftig werden, auf dass auch sein ganzer geistlicher Leib voller Schmerzen werde, gleich wie er war in seinem Leiden. Und das mei-net St. Paulus, als er spricht Kol. 1,24. Ich erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an den Trübsalen des Leibes Christi. Bist du nun ein wahres Glied an dem geistlichen Leibe Christi, so mußt du die Schmerzen mit tragen, auf dass erstattet werde, was noch mangelt an den Trübsalen, auf dass sie voll werden. Darum wir uns der Trübsale freuen sollen, weil dieser Zeit Leiden nicht wert ist der Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden. Röm. 8,18. Dass wir dero-wegen in solchen hohen Anfechtungen den väterlichen Zorn Gottes lernen mit Geduld tragen, Mich. 7,9. und der Hilfe Gottes erwarten, im Gebet nicht müde werden, sondern gedenken: Dies ist die Zeit des Zorns, wie es sich ansehen läßt, die Gnadenzeit wird auch kommen, wenn der Zorn aus ist, Jes. 54,7. 8.
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15. 3) Soll uns das herzlich trösten, dass in solchem schweren Seelenkampf und Streit der Herr Christus uns den Sieg hat verheißen, und zugesagt, obs wohl hart zugeht, wie der Herr spricht Joh. 14,30. Siehe, es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir. Kap. 16,33. Seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Denn gleichwie Davids Sieg wider den Goliath des ganzen Israels Sieg war, 1 Sam. 17,51. also ist Christi Sieg aller Gläubigen Sieg. Offenb. 12,10.11. Nun ist das Heil, und die Macht, und das Reich unsers Gottes und seines Christus worden, weil der verworfen ist, der sie verklaget Tag und Nacht vor Gott, und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durchs Wort ihres Zeug-nisses. Und obwohl der Teufel, der Satan, die Angefochtenen mit diesen feurigen Pfeilen schießt, und ihnen einbläset: Du bist verdammt und verloren, Gott hat dich verstoßen, du bist mein, höre auf zu hoffen, zu glauben zu beten, es ist aus, so sprich: Höre Teufel, du hast nicht Macht, mich zu verdammen, das Gericht ist dir nicht befohlen, oder das Urteil zu sprechen, wer verloren oder verdammt sein solle; sondern die Gläubigen sollen die Welt und die Teufel am jüngsten Tage richten, 1 Kor. 6,3. Ja der Sohn Gottes hat den Fürsten dieser Welt schon ge-richtet, Joh. 16,11.
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16. 4) Ob man wohl der greulichen Lästerung des Satans sich nicht erwehren kann, welches man nennet den Lästergeist, dennoch weil es erstlich wider des Menschen Willen geschieht, und zum andern der Mensch zwar dawider strebet mit Seufzen, Gedanken, Beten, mit Herzen und Mund sich wehret, kann aber nicht, und muß die Lästerung leiden, so soll er diesen Trost merken, dass ihm Gott diese Lästerung nicht zurechnet. Weil es wider seinen Willen geschieht, so sind die Lästerungen nicht sein, sondern des Teufels, er muß es nur leiden, wie David klagt Ps. 77,11. Ich muß das leiden, die rechte Hand des Herrn kann alles ändern. Denn solche Lästerung ist ein Leiden der Seele, nicht ein Werk der Seele, darum rechnet es Gott nicht zu. Denn es gehet gleich als wenn die Feinde vor der Stadt Feuer hineinschießen, das kann man nicht wehren, man muß sie ihren Mutwillen treiben lassen, aber dem Feuer wehren, wie man kann. Und wie Hiskia dem Rabsace nicht wehren konnte seiner Lästerung, Jes. 36,11. also kann man auch dem Satan nicht wehren, dass er nicht ausspeie solche höllische Funken. Das laß deine Seele leiden mit Schmerzen und Seufzen; rede aber die Lästerung nicht aus, sondern halte deinen Mund zu, wie Jeremias, Klag. 3,29, und dämpfe das inwendige Feuer, dass es nicht ausschlage. Ja, weil solche Anfechtungen wider deinen Willen geschehen, so ist noch vorhanden der kämpfende Glaube, der wider die Anfechtung streitet.
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17. 5) So ist das noch ein großer Trost, wenn noch ein Seufzer im Herzen ist, das nach Gott seufzet, und noch ein Wörtlein oder Sprüchlein aus Gottes Wort vorhanden ist. Denn das ist noch das kleine Fünklein des Glaubens und Geistes, so da ist als ein glimmendes Döchtlein, das wird Gott nicht auslöschen lassen, Jes. 42,3. sondern in der größten Schwachheit erhalten. Das ist eine gewisse Probe, dass der heilige Geist noch da ist, wiewohl tief verborgen. Denn gleichwie der Leib noch nicht tot ist, wenn sich das Herz und Odem noch reget, also ist der Geist Gottes und Glaube noch nicht gänzlich hinweg, wenn nur noch ein kleines dunkles Seufzerlein und ein Wörtlein Gottes vorhanden ist. Denn das ist noch das geistliche innerliche Leben der Seele, die noch nicht gänzlich tot ist. Und damit muß man so lange vorlieb nehmen, bis der freudige Geist wieder kommt und die Seele wieder gänzlich gesund wird. Denn ich setze den Fall: es könnte ein Mensch nicht mehr beten, ja auch nicht mehr seufzen, ja auch nicht mehr ans Gebet gedenken, da scheinet es wohl, als wäre es alles aus; dennoch, wenn ihm angst und bange darnach ist, wollte gerne beten, kanns aber nicht, tut ihm wehe in seinem Herzen, und das ist seine größte Plage und Angst, dass er es nicht kann, so betet er doch damit, dass ers klaget, er könne es nicht, und dass es ihm innerlich wehe tut, dass er nicht kann beten, und daß es ihm herzlich leid ist. Eben damit betet er am heftigsten. Und das ist das unaussprechliche Seufzen des Geistes, Röm. 8,26. Und da wird es wahr, was Jes. 41,17. sagt: Die Armen und Elenden suchen Wasser, und ist nichts da, ihre Zunge ist verdorret vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören, ich, der Gott Israel will sie nicht verlassen.
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18. 6) Obgleich ein Herz noch so hart angefochten ist, und elend, so bezeuget doch Gottes Wort, dass Gott in ihm wohne, und nicht der Satan. Der Satan ist draußen, darum stürmet er, als ein Feind, auf dein Herz mit seinen listigen Anläufen. 1 Joh. 4,4. Der in uns ist, ist größer, denn der draußen in der Welt ist. Und Jes. 41,10. Fürchte dich nicht, ich bin bei dir. Weil nun diese Seelennot, das allergrößte Elend ist, das einem Menschen widerfahren kann, und aber Gott verheißen hat, dass er die Elenden ansehe, ja bei ihnen wohne, und Christum gesandt habe, den Elenden zu predigen, und alle Traurigen zu trösten, Jes. 57,15. Kap. 61,2. Kap. 66,2. und auch der Sohn Gottes Matth. 11,28. solche Elende zu sich ruft, so soll keiner in solchem Elend verzagen. Denn solche Leute hat Gott befohlen zu trösten. Jes. 35,3.4. Stärket die müden Hände, erquicket die strauchelnden Knie, sagt den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht. Und Gott hat gesagt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Und Paulus sagt 2 Kor. 12,10. Wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Ja, es ist doch noch Gottes Gnade bei dem Menschen, wenn ihn gleich des Satans Engel mit Fäusten schlägt. 2 Kor. 12,7. Denn eben zu der Zeit sprach Gott zu Paulo: Laß dir an meiner Gnade genügen, v. 9.
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19. 7) So hat man kein Exempel, dass Gott jemals einen Menschen in solchem Elende und hohen Anfechtungen hätte verlassen, sondern vielmehr Zeugnis, dass wenn Gott einen Heiligen im Ofen des Elends wohl geläutert und ge-schmolzen, Jes. 48,10. die Erlösung gar gewiß darauf erfolget ist. Und das ist ein großer Trost, dass wenn das Prüfestündlein aus ist, und der Mensch die Probe ausgehalten, gewiß die Erlösung kommen wird. Denn, wenn die Zeit der Trübsal ein Ende hat, so kommt die Freude überschwenglich. Hiob 5,17. seq. Selig ist der Mensch, den Gott strafet. Darum weigere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht; denn er verletzt und verbindet, er zerschmeißt, und seine Hand heilet. Aus sechs Trübsalen wird er dich erlösen, und in der siebenten wird dich kein Übel rühren. Er führet in die Hölle und wieder heraus. Darum soll kein Mensch ver-zagen in seinen hohen Anfechtungen, sondern eine kleine Zeit lernen des Herrn Zorn tragen, Micha 7,9. bis die Sonne der Gnaden wieder aufgehet. Denn den Gerechten gehet immer das Licht wieder auf in der Finsternis und Freude den frommen Herzen, Ps. 112,4. Ps. 97,11.
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20. 8) Taulerus zählet die hohen Anfechtungen unter besondere Gaben Gottes, und beschreibet sie also: In großen Anfechtungen nimmt Gott alles dem Men-schen, was er ihm zuvor gegeben hat, und will den Menschen recht in sich selbst zum Grunde weisen, und will, dass der Mensch sehe und erkenne, was er von ihm selbst habe und vermöge, und wie er sich in dieser Entziehung seiner Gnade halten wolle. Hie wird recht der Mensch vom Grunde gelassen, dass er nichts weiß von Gott, noch von Gnade, noch von Trost, noch von allem, dass er je zuvor gehabt. Denn es wird ihm alles entzogen, verborgen und genommen, dass der Mensch dann nicht weiß, wo er sich hinwenden oder kehren soll. In dieser Entziehung ist dem Menschen hoch vonnöten, dass er sich könnte halten, wie es Gott von ihm haben will, dass er sich könnte lassen dem freien Willen Gottes und seinem Urteil. Es ist wohl ein Großes, dass die heiligen Märtyrer ihr Leben durch Gottes Willen gelassen haben, denn sie hatten Gottes Trost von innen, dass sie alle Marter für ein Gespött hielten, und fröhlich starben; aber es ist kein Leiden diesem gleich, wenn man Gottes und seines Trostes entbehren muß, denn das gehet über alle Dinge. Denn hie stehet im Menschen wieder auf alles Unglück und Gebrechen, und Anfechtung, die der Mensch zuvor überwunden hat, die fechten den Menschen wieder an, in der allerschwersten Weise, vielmehr, denn da der Mensch in Sünden lag. Hie sollte der Mensch demütiglich leiden, und sich dem göttlichen Willen überlassen, so lange, als es Gott von dem Menschen haben wollte. Solche Leute nennet auch Taulerus die geistlichen Märtyrer, denn sie werden alles geistlichen Trostes beraubt, dass sie nicht wissen, wohin sie sich kehren sollen, und werden sehr gepeiniget inwendig, wenn sie sehen, dass andere Menschen Gnade und Gaben des Trostes haben, die sie nicht haben, und meinen allezeit, es sei ihre Schuld, dass sie die Gnade nicht auch haben. Und ob sie gleich mehr Fleiß dazu tun, so werden sie doch inwendig immer dürrer, und auswendig härter denn ein Stein, und können unterweilen keine Geduld haben, und werden also sehr misströstig und gepeiniget, und ihnen dünket, sie erzürnen Gott in allen Dingen, und das ist ihnen von Herzen leid. Endlich begeben sie sich in die Geduld, wiewohl es ihnen schwer wird, und leiden sich, bis es Gott wandelt, denn sie sehen wohl, dass sie nicht förder mögen kommen. Und dadurch werden sie den Heiligen gleich in einer edlen Weise, denn so werden sie Christo ähnlicher, dessen Leben voll war des Lei-dens. Diese geistlichen Märtyrer sind die Ärmsten unter allen, so da leben, nach ihren Gedanken, aber vor Gott sind sie die Reichesten; sie sind die Allerfernesten von Gott nach ihren Gedanken, und sind doch die Allerauserkorensten. Sie sind nach ihrem Empfinden Gott die Allerungetreuesten, wiewohl sie ihm die Aller-getreuesten und Ernsthaftesten, seine Ehre zu fördern und seine Unehre zu hindern, sind; denn darum leiden sie. Sie befinden sich angefochten mit mancherlei Dingen, darein sie nicht verwilligen wollen, welches ihnen ein schwereres Leiden antut, denn dass sie des natürlichen Todes sterben sollen. Denn sie wollen gerne ihre Gebrechen überwinden, und die Tugenden üben, und können doch nicht; das macht ihnen ein großes Leiden und inwendige Be-kümmernis, als ob sie höllische Pein litten, und das kommt ihnen von großer Treue und Liebe, so sie zu Gott tragen, wiewohl sie dasselbe an ihnen selbst nicht wissen. Sie halten sich für die allerbösesten Menschen, die in der Welt sein, und sind die allerreinesten vor Gott.
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21. Darum sollen sie in stiller Geduld und Sanftmut auswarten, denn leiden sie es nicht geduldig aus, so verleugnen sie es. Denn nach dieser finstern Nacht kommt ein klares Licht, welches sie sehr erfreuet in der Liebe Gottes dass sie es nicht aussprechen können, gleichwie sie zuvor ihre Traurigkeit nicht haben können aussprechen.
Gebet in geistlichen Anfechtungen.
Wenn es dir, mein himmlischer Vater! gefällt, mich mit allerlei Anfechtungen heimzusuchen, damit ich die Macht der Sünden und die Hoheit des Leidens meines Erlösers recht erkenne, und dem Ebenbilde Christi ähnlich werde, Glaube, Liebe, Hoffnung, Demut und Geduld üben lerne; so laß doch deine Tröstungen meine Seele ergötzen, und hilf mir, um Jesu Christi willen, durch deines Geistes Kraft überwinden. Ich liege im Streit und wiederstrebe etc.