DAS SECHSUNDFÜNFZIGSTE KAPITEL. (2.B./56.K.)

 

DASS MAN IN WÄHRENDEM KREUZE

DAS EXEMPEL DER HOHEN GEDULD CHRISTI SOLL ANSCHAUEN,

UND DIE KÜNFTIGE EWIGE HERRLICHKEIT,

DADURCH ALLES KREUZ GELINDERT WERDEN KANN,

WIE GROSS ES AUCH IST.

 

Inhalt.

1) Bedenke in deinem Kreuz: 1. Wie Christus in seinem ganzen Leben aus Liebe alles Elend erlitten. 2) Hierinnen sollen wir ihm nachfolgen. 3) 2. Betrachte die Herrlichkeit des ewigen Lebens, die auf kurzes Leiden folgt, 4) welche die Auser-wählten bei dem Lamm Gottes genießen. 5) Leide und streite mit ihnen, so wirst du, wie sie, gekrönt werden.

 

Mußte nicht Christus solches leiden, und zu seiner Herrlichkeit eingehen. Luk. 24,26.

 

Der ewige Sohn Gottes hat durch seine heilige Menschwerdung allen mensch-lichen Jammer und Elend an sich genommen, nicht gezwungen und aus Not, sondern aus Liebe, auf dass er uns mit seinem eigenen Exempel die Geduld lehrete, und die goldene Kunst, das Kreuz zu tragen und die Trübsal zu über-winden. Da er je ein Mensch werden wollte, so mußte er auch annehmen, was menschlich ist, das ist, menschliches Elend, und weil er allen Menschen zu gut sollte Mensch werden, mußte er auch aller Menschen Jammer an sich nehmen. Darum von der Stunde an seiner Geburt, bis in seinen Tod am Kreuz, ist er nicht ohne Trübsal, Schmerzen und Jammer gewesen. Er hat alles menschliche Elend erlitten, große Armut, wie er Matth. 8,20. spricht: Die Vögel unter dem Himmel haben ihre Nester, die Füchse haben ihre Löcher, aber des Menschen Sohn hat nicht so viel, dass er sein Haupt hinlege. Er hat große Verfolgung erlitten in sei-nem Amte, es hat ihn jedermann gehasset, belogen, verleumdet, gelästert. In seinem Leiden ist ihm die höchste Schmach widerfahren, er ist der Verachtetste unter allen Menschen gewesen, Jes. 53,3. 1) Warum wollen wir nicht auch Ver-achtung und Schmach tragen? Er hat für seine größten Wohltaten den größten Undank bekommen; für seine herrlichen Wunderwerke Scheltworte; für seine getreue Lehre Verleumdung.

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2. Also ist Christus vor uns her gegangen, und hat uns den Weg zum Himmel gezeigt, in dessen Fußtapfen müssen wir nun treten, 1 Petr. 2,21. Sein Leben ist unser Exempel. Durch die heilige Geduld wandeln wir ihm nach. Darum ist er uns vorgegangen, auf dass wir ihm folgen sollen. Wie ferne und weit bleiben die da-hinten, welche dieses Ebenbild nicht anschauen, noch demselben folgen? Wie wandeln die in so großer Finsternis welche diesem Lichte nicht folgen? Joh. 8,12. spricht der Herr: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolget, wandelt nicht in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

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3. 2) Es sollte ein Mensch, um der künftigen Herrlichkeit und um des ewigen Lebens willen, allen Jammer dieser Welt leiden. Denn die zeitliche Trübsal ver-gehet ja, die ewige Herrlichkeit bleibet, 2 Kor. 4,17.18. Es ist klein und kurz alles das, so mit der Zeit vergeht, und des Ewigen nicht wert. Denn das Ewige ist viel eines größern Kampfes und Streites wert. Möchtest du einen Augenblick sehen die Krone der Herrlichkeit, und die ewige Freude derer, die in diesem Leben Trübsal und Elend erlitten haben, die vor den Menschen nicht wert waren, dass sie leben sollten, du würdest dich unter alle Menschen demütigen, dein Kreuz mit Freuden tragen, und dir nicht viele fröhliche Tage in dieser Welt wünschen, du würdest die Trübsal für einen großen Gewinn achten.

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4. Darum hebe deine Augen auf gen Himmel, und siehe mit dem Evangelisten Johannes in seiner Offenbarung die große Schaar an, so dem Lamm Gottes nachfolgen, angetan mit weißen Kleidern, da der Evangelist fragte: Wer sind diese? Und ihm wird geantwortet: Diese sind es, die kommen sind aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen und helle gemacht in dem Blut des Lammes Gottes: darum sind sie bei ihm und folgen dem Lamm nach, wo es hingehet, Offenb. 7,14. Dieses haben die Heiligen Gottes angeschauet, wie von Mose geschrieben stehet, Heb. 11,24. seq. Durch den Glauben wollte Moses, da er groß ward, nicht mehr ein Sohn heißen der Tochter Pharaonis, sondern er-wählte vielmehr mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, denn die zeitlichen Ergötzungen der Sünden zu haben; und achtete die Schmach Christi für einen größern Reichtum, denn die Schätze Egypti; denn er sahe an die Belohnung.

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5. Da hören wir, dass der Heiligen Schätze und Reichtum ihr Kreuz sei gewesen und die Schmach Christi. Es gehört niemand unter die Zahl der Heiligen im Himmel, der nicht unter der Kreuzfahne Christi gestritten hat. Wie würden uns die andern Heiligen im Himmel anschauen, wenn wir das Zeichen des Kreuzes nicht mitbrächten? Sie würden uns nicht kennen, und wir würden Fremdlinge unter ihnen sein. Wer überwindet, spricht der Herr, Offenb. 3,5. der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich will seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens. Wie spricht St. Paulus: 2 Tim. 4,7.8. Ich habe meinen Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort ist mir beigeleget die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der gerechte Richter, Jesus Christus geben wird; nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.

 

Gebet um Geduld in großem Kreuz. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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