DAS NEUNTE KAPITEL. (2.B./9.K.)

 

WAS BUSSE TUN HEISSE, WIE SIE GESCHEHEN MÜSSE,

UND WIE UNS GOTTES GÜTE ZUR BUSSE LEITE.

 

Inhalt.

1) Gott locket uns auf mancherlei Weise zur Buße, 2) durch scharfe Drohungen, 3) und gnädige Verheißungen. 4) Dergleichen ist Joel 2,12.13. und zeiget, 1. was Buße tun heißt? 5) Daran will die eigene Liebe nicht. 6) Das abgekehrte Herz muß sich zu Gott wenden. 7) Der uns durch Wort und Sakrament rufet und locket, 8) dessen Gnade und Geist müssen wir nicht widerstreben, 9) sondern uns als Kranke heilen, 10) und als verirrte Schafe zurechte bringen lassen. 11) Um diese zurecht bringende Gnade müssen wir stets seufzen, 12) und ein jeder auf sich selbst sehen, 13) dass das Inwendige geändert und gereiniget werde. 14) 2. Wie wir uns zum Herrn bekehren sollen. 15) Mit allgemeinen Bußfasten, 16) Gott mit demütigem Herzen die Strafe abzubitten, 17) welches in Landplagen von großer Kraft ist. 18) Gott siehet sich selbst nach solchen Leuten um, 19) wie Daniel war, und Joel beschreibt. 20) Es muß aber ein großer Ernst, und keine Heuchelei sein. 21) Das Herz muß zerrissen werden, dann ist es der Gnade fähig, 22) 3. Was uns zur Buße bewegen soll. 23) a. weil Gott gnädig, 24) b. barmherzig, 25) c. geduldig, 26) d. und von großer Güte ist, 27) e. und reuet ihn bald der Strafe, 28) so bald uns der Sünde gereuet.

 

So spricht der Herr: bekehret euch zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen. Zerreißet eure Herzen, und nicht eure Kleider, und bekehret euch zum Herrn, eurem Gott. Denn er ist gnädig, barmherzig, ge-duldig und von großer Güte, und gereuet ihn bald der Strafe. Joel 2,12.13.

 

Der viel getreue, gnädige Gott, der nicht will, noch suchet unser Verderben, son-dern unser ewiges Heil und Seligkeit, der am besten unsere Not und unser Elend kennet und siehet, und uns gerne daraus erretten wollte, locket und reizet uns auf mancherlei Weise zur Buße. Denn durch wahre Buße und Bekehrung will er uns helfen und heilen, Jer. 17,14.

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2. Er locket uns einmal durch scharfe Drohungen, als: Jer 6,19. Ich will ein Un-glück über dies Volk bringen, nämlich ihren verdienten Lohn; darum dass sie auf meine Worte nicht achten, und meine Gesetze verwerfen. Und Cap. 7,13.15. Weil ihr denn alle solche Stücke treibet, spricht der Herr, und ich euch stets pre-digen lasse, und ihr wollet nicht hören, so will ich auch euch von meinem Ange-sichte verwerfen. Vor diesen schrecklichen Drohworten sollten wir billig er-schrecken, weil die zeitliche und ewige Strafe gedrohet wird. Denn die göttlichen Drohungen sind nicht ein leerer und toter Schall, sondern haben einen mächtigen Nachdruck, sind Gottes Eifer, und gehen endlich in ihre Kraft. Und wir erfahren ja, was uns Gott der Herr für Unglück und Herzeleid zuschicket, dass wir es alle Winkel voll haben. Und wo wir nicht Buße tun, wird Gottes Zorn durch Krieg, Hunger, Pestilenz, Feuer und Wasser dermaßen anbrennen, dass auch solches Feuer die Grundfeste verzehren wird, wie zu Jerusalem, Klagl. Jer. 4,11.

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3. Wollen wir uns aber durch Gottes Zorn und Drohungen nicht lassen zur Buße locken, so sollen wir uns durch seine Gnade bewegen lassen, wodurch er uns so freundlich locket. Als er spricht: Jer. 3,12.13. Kehre doch wieder zu mir, du ab-trünniges Israel! so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen. Denn ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewig zürnen; allein erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündiget hast. Da bietet uns Gott seine Gnade an, ja er flehet und bittet, wir sollen doch wieder zu ihm kommen, so wolle er Buße annehmen für die Sünden, wie Weish. 12,18.19. steht: Du gewaltiger Herrscher richtest mit Gelindigkeit, und regierest uns mit vielem Verschonen; und lehrest deine Kinder, dass du wollest Buße annehmen für die Sünden, und wir auf deine Barmherzigkeit trauen sollen.

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4. Ein solcher freundlicher Spruch ist dieser auch, dadurch uns Gott durch seine Gnade, Barmherzigkeit, Geduld, große Güte, und dass ihn bald der Strafe ge-reuet, zur Buße locken will. Ist demnach aus vorangezogenem Spruch dreierlei zu merken: 1) Was Buße tun heißt, nämlich sich zum Herrn bekehren. 2) Wir sollen Buße tun, nämlich mit Fasten, Heulen und Weinen. 3) Wie uns Gottes Güte zur Buße locke: Denn ich bin gnädig etc.

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1) Buße tun und sich zum Herrn bekehren heißt, aus dem Gesetz Gottes seines Herzens angeborne Blindheit, innerliche Bosheit, abscheuliche Unreinigkeit und große Gottlosigkeit erkennen, als den inwendigen Gräuel und vergifteten Brunnen aller Sünden, dadurch wir uns von Gott, dem höchsten ewigen Gut abgewendet, und dadurch seinen Zorn, die Hölle und Verdammnis, auch allerlei zeitliche Strafen, wohl recht und billig verdient haben; und darüber recht innig-liche, herzliche Reue und Leid haben, nicht wegen der Strafe, sondern vielmehr darum, dass wir Gott den Herrn, der die Liebe selbst ist, und unser lieber Vater, so hoch beleidiget haben; durch das Evangelium aber sich wieder aufrichten, und sich trösten der Gnade Gottes, und Vergebung der Sünden in Christo verheißen, sein Leben auch ernstlich bessern, das böse Herz durch den Glauben reinigen, die bösen Lüste dämpfen, das verkehrte und widerspenstige Herz ändern, dem eigenen Willen, so allezeit dem Willen Gottes widerstrebet, absterben, und in Christo ein neues, Gott wohlgefälliges Leben anfangen, und rechtschaffene Früchte der Buße tun, Jes. 1,16.18. Waschet euch, reiniget euch, wenn denn eure Sünden gleich blutrot wären, sollen sie schneeweiß werden.

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5. Dies ist bald gesagt, aber schwer zu tun. Denn niemand will den inwendigen Gräuel seines Herzens recht erkennen, und dem boshaften Fleisch und Blut, und ist selten ein Mensch, der recht glücklich sein böses Herz erforschet, sondern jedermann hat einen Gefallen an sich selbst, und will den Gräuel seines Herzens nicht recht angreifen, achtet auch nicht groß der hohen teuren Gnade in Christo, und versäumt dieselbe mutwillig.

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6. Solches fordert aber der Prophet Joel mit diesen Worten: Sich zum Herrn bekehren von ganzem Herzen, mit Fasten, Weinen und Klagen. Mit welchen Worten er uns erinnert, dass wir uns von Gott abgekehret haben, und die le-bendige Quelle verlassen, Jer. 2,13. Und können kein Leben noch Seligkeit haben, wo wir uns nicht wieder zu ihm wenden und kehren: Jer. 3,22. So kehret nun wieder, ihr abtrünnigen Kinder, so will ich euch heilen von eurem Unge-horsam. Gott will, dass wir unser Elend erkennen sollen, so will er sich über unser Elend erbarmen.

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7. Weil wir aber von Natur so blind sein, und unser Elend von uns selbst nicht erkennen, so hat Gott Mittel dazu verordnet, sein heiliges Wort und Sakrament, dabei allezeit seine Gnade und Geist ist, dadurch zieht, locket und rufet uns Gott, als die verlornen Schafe. Denn gleichwie ein verirrtes Schaf von sich selbst nicht wiederkommen kann, der Hirte muß es suchen und wiederbringen; also, wenn uns Gott nicht suchte, liefen wir ewig in der Irre, welches die Exempel St. Petri und Pauli gewaltig bezeugen. Darum der Prophet spricht: Bekehre mich, Herr! so werde ich bekehret; denn du bist mein Gott, Jer. 31,18. Heile mich, Herr! so werde ich heil, hilf mir, so wird mir geholfen, denn du bist mein Ruhm, Jer. 17,14. Ach! Gott ist es, der in uns wirket, beide das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen. Phil. 2,13.

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8. Wenn uns nun Gott der Herr also durch diese Mittel, als durch seine Gnaden-hand, aufrichtet, und zur Buße locket, sollen wir seiner Gnade und dem Geist nicht widerstreben, (wie der 95. Ps. 7.8. sagt: Heute, heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht,) sondern die Sünde, so an uns gestraft wird, für Sünde erkennen, und Gottes Gnade, so uns angeboten wird, nicht verachten, so wird Gott gnädig sein, wie Jes. 55,7. stehet: Der Gottlose bekehre sich zum Herrn, so wird er sich sein erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung.

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9. Also wird die Bekehrung uns zugeschrieben, ob es wohl ein lauter Gnaden-werk Gottes ist, wenn wir uns nur Gott durch seine Gnade lassen, dem heiligen Geist nicht mutwillig widerstreben, die Gnade nicht verachten, und von uns stoßen, Ap. Gesch. 13,46. die Ohren nicht verstopfen, wie die Juden, Ap. Gesch. 7,56. sondern unsere Krankheit aus dem Gesetz erkennen, und nach dem Evan-gelio uns heilen, und mit uns handeln lassen, wie ein Medikus mit einem Patien-ten.

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10. Sehet ein Schäflein an, wenn es verlassen ist, und in der Irre läuft, und höret von Ferne des Hirten Stimme, so kehret es in Punkto auf dem Irrweg wieder um, und läuft zurück, nach der Stimme des Hirten zu. Warum tun wir das nicht auch? Sind wir denn unverständiger, als das dumme Vieh? Und zwar der Prophet Je-saja klagt darüber: Ein Ochse kennet seinen Herrn, und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber Israel kennet mein nicht, Jes. 1,3. Und der Prophet Jeremias: Wer ist doch, der da fällt, der nicht gerne wieder aufstünde? Wer ist, der da irre geht, der nicht gerne wieder zurecht käme? Ein Storch und die Schwalbe wissen die Zeit, wenn sie sollen wieder kommen, aber mein Volk will es nicht wissen, Jer. 8,4.7.

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11. Darum sollen wir stets zu Gott seufzen, dass er ja seine Gnadenhand nicht wolle von uns abziehen, dass wir nicht irren. Denn die Sünde und der alte Adam stecken stets in unserm verderbten Fleisch und Blut. Derowegen wir stets Gottes Gnade bedürfen, dadurch die Sünde in uns gedämpfet werde, dass sie nicht herrsche, ja stündlich, augenblicklich bedürfen wir Gottes Gnade, die uns erhalte; denn dieselbe ist unserer Seelen Leben, gleichwie die Seele des Leibes Leben ist. Und wie unser Leib nicht einen Augenblick der Luft entbehren kann, also unsere Seele der Gnade Gottes, 1 Kön. 8,57.58. betet Salomon: Der Herr, unser Gott, sei mit uns, und verlasse uns nicht, und ziehe seine Hand nicht von uns ab, zu neigen unser Herz zu ihm, dass wir wandeln in seinen Wegen.

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12. Dieses sollen wir uns nicht allein insgemein lassen gesagt sein, sondern ein jeder insonderheit soll es zu Herzen nehmen, und sich lassen gesagt sein. Ein jeder sehe auf sich selbst, und bessere einen, so werden wir alle gebessert. Be-denke die tröstliche Ermahnung und Verheißung Gottes: Jes. 55,6. Suchet den Herrn, weil er zu finden ist, rufet ihn an, weil er nahe ist. Jer. 29,13. Wenn ihr mich von Herzen suchet, will ich mich von euch finden lassen.

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13. Es ist aber das nicht allein Buße, wenn man von äußerlichen groben Sünden ablässet, sondern in wahrer Buße muß das Herz geändert, die inwendige Hoffart, Geiz, Wollust, böse Affekten gedämpfet werden. Denn wenn das Herz nicht ge-ändert und gebessert wird, sondern bleibt darinnen die adamische Unart, inwen-dige Bosheit, Zorn, Feindschaft, Rachgier, Lügen, Falschheit etc., so ist es keine rechtschaffene Buße, sondern Heuchelei. Denn Gott will ein neues Herz haben, eine neue Kreatur in Christo Jesu, 2 Kor. 5,17. Darum keiner so fromm ist, so heilig, so rein, er hat täglich an seinem bösen Herzen zu bessern, Jer. 6,7. Wie ein Brunn sein Wasser quillet, so quillet eure Bosheit. Das ist das erste, was die Buße sei, und wie wir dazu kommen; was auch im ersten Buch deutlich erkläret ist.

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14. 2) Wie sollen wir uns denn zum Herrn bekehren? Von ganzem Herzen, mit Fasten, Weinen und Heulen. Um zeitliche Dinge weinen wir, aber die arme Seele will niemand beweinen, wie David Ps. 6. und 28. tut. Damit lehret uns der Pro-phet, dass unsere Buße keine Heuchelei sein soll, sondern sie soll von Herzen gehen. Denn Gott flehet das Herz an, er prüfet Herz und Nieren. 1 Sam. 16,7. Ps. 7,10.

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15. Mit Fasten. Dies ist ein allgemeines Fasten des ganzen Volks, welches der Prophet allhie befiehlt, da die ganze Gemeine öffentlich vor Gott sich demütiget, Buße tut, ihre Sünden öffentlich bekennet, bereuet, beweinet, darneben fastet, und mit nüchternem Leib und Seele Gott um Verzeihung der Sünden, und um Abwendung allgemeiner Strafe anrufet und bittet. Ein solch allgemeines Fasten, Buße, wahrhaftige Reue und Leid, Glaube, Gebet, Bekenntnis und Abbitte ist sehr kräftig und gewaltig, Gottes Zorn und große Landplagen abzuwenden, und wir lesen im Buch der Richter 20,26. Da die Stämme Israel von dem Stamm Benjamin geschlagen worden, und verloren dreißigtausend Mann, da kam alles Volk zum Hause Gottes, weineten, und blieben daselbst vor dem Herrn, und fasteten denselben Tag bis auf den Abend. Wir haben das gewaltige Exempel des ninivitischen Fastens. Dergleichen lesen wir Jon. 3,10. 1 Sam. 31,13. da die Kinder Israel von den Philistern geschlagen, Saul und Jonathan umkamen, ha-ben sie sieben Tage gefastet.

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16. Solches Bußfasten ist auch in der ersten Kirche gebräuchlich gewesen, da die ganze Gemeine in großen allgemeinen Nöten Buße getan hat; nicht mit diesen bloßen Werken Vergebung der Sünden zu verdienen, sondern mit reu-enden, nüchternen, demütigen Herzen Gott die allgemeine Strafe abzubitten; und sollte billig noch erhalten werden.

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17. Solches Bußfasten wäre unsere rechte Festung und Mauer wider die Türken und alle unsere Feinde, ein großer Segen in teurer Zeit, eine allgemeine Arznei in Sterbensläuften, ein Schutz aller unserer Güter, wie wir von dem heiligen Hiob, Kap. 1. lesen, wie er seine Kinder mit Opfer, Gebet und Fasten bei Gott verbeten, so oft sie Wohlleben und Panquet gehalten etc. Und wie er sein Haus mit dem Gebet verzäunet und verwahrt hatte, dass ihm der Teufel keinen Eingriff tun konnte.

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18. Und in den allgemeinen großen Landplagen siehet sich Gott der Herr um nach solchen Leuten, die seinen Zorn als eine Mauer aufhalten: Ezech. 22,30.31. Ich sahe mich um, ich suchte unter ihnen, ob sich jemand zur Mauer machte, und wider den Riß stünde gegen mir, für das Land, dass ichs nicht verderbte, aber ich fand keinen. Darum schüttete ich meinen Zorn über sie, und mit dem Feuer meines Grimmes machte ichs ein Ende, und gab ihnen ihren Verdienst auf ihren Kopf.

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19. Eine solche Mauer ist der Prophet Daniel gewesen, da er des ganzen Volkes Sünden bekennet etc. Dan. 9,3. Ein solches Bußfasten beschreibt der Prophet Joel allhier, da er spricht: Blaset mit Posaunen zu Zion, heiliget seine Fasten, rufet die Gemeine zusammen, sammelt die Ältesten, heiliget das Volk, bringet zusammen die jungen Kinder und Säuglinge. Der Bräutigam gehe aus seiner Kammer, und die Braut aus ihrem Gemach. Lasset die Priester des Herrn weinen und sagen: Herr! schone deines Volks, und laß dein Erbe nicht zu Schanden wer-den, Joel 2,15.16.17.

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20. Solches Fasten soll dem ganzen Volke ein großer Ernst sein, ohne alle Heuchelei. Denn Gott will die Sünden bekannt haben von jedermann; er will wahre Demut und Buße von uns haben, und dass wir uns mit ganzem Herzen sollen zu ihm bekehren. Darum spricht der Prophet von solcher ernsten Buße: Zerreißet eure Herzen, und nicht eure Kleider. Die Juden hatten im Gebrauch, wenn sie etwas Schreckliches hörten oder sahen, zerrissen sie ihre Kleider, und taten es oft zum Schein, fasteten auch oft zum Schein, wie solches der Prophet Jesaja 58,5. seq. strafet, da er spricht: Sollte das ein Fasten sein, das ich er-wählen soll, dass ein Mensch seinem Leib wehe tut, oder seinen Kopf hängt, wie ein Schilf, oder auf einem Sack, und in der Asche lieget? Wollt ihr das ein Fasten nennen, und einen Tag, dem Herrn angenehm? Das ist aber ein Fasten, das ich erwähle: Laß los, welchen du mit Unrecht verbindest; laß ledig, welchen du beschwerest; gib frei, welchen du drängest; reiß weg allerlei Last; brich den Hungrigen dein Brot. Siehest du einen nackend, so kleide ihn, und entziehe dich nicht von deinem Fleisch.

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21. Da hören wir, wie das rechte Fasten sei, nämlich, wenn man von Sünden abläßt, die bösen Lüste des Fleisches dämpfet, den alten Adam tötet, Liebe, Geduld, Barmherzigkeit übet, und solches alles mit reuendem, bußfertigem, zerbrochenem Herzen. Darum der Prophet allhie spricht: Zerreißet eure Herzen. Denn gleichwie ein verwundetes Herz wehe tut, und große Schmerzen macht, also wehe sollen unsere Sünden tun, als wenn das Herz gar zerknirscht wäre, wie David Ps. 51,19. von dem rechten Opfer eines zerschlagenen, zerbrochenen, zerknirschten Herzens und Geistes zeuget. Ein solches Herz ist dem lieben Gott das angenehmste Opfer. Ein solches Herz ist fähig durch den Glauben der Gnade Gottes, des Trostes des heiligen Geistes, des teuren Verdienstes und Blutes Jesu Christi. Denn gleichwie ein harter Fels, der nicht verwundet ist, der nicht zerschlagen und mürbe ist, nicht in sich trinken kann das Öl und Wasser, so man darauf gießt, wenn aber der Stein mürbe und zermalmet ist, so durchdringt ihn das Öl: also auch durchdringt das Öl der Gnaden und Trostes Gottes ein solch mürbes und zerschlagenes Herz, auf dass es durch den Glauben des Verdienstes Christi teilhaftig werde. Denn die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, Matth. 9,12. Es darf niemand denken, dass er Christum angehöre, der nicht sein Fleisch kreuziget, samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5,24. Denn soll dir Christi Blut helfen, so mußt du es mit reuendem, zerschlage-nem, bußfertigem, demütigem, gläubigem Herzen annehmen, oder du wirst nimmermehr desselben fähig.

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22. 3) Erinnert uns auch der Prophet der Ursachen, die uns zur Buße führen und leiten, und spricht: Bekehret euch zum Herrn, denn unser Gott ist gnädig, barm-herzig, geduldig, von großer Güte, und gereuet ihn bald der Strafe. In diesem Spruch steckt eine herrliche Gradation, als wollte Gott, der Herr, sagen: Ist es zu wenig, gnädig sein, so bin ich auch barmherzig. Ist dies zu wenig, so bin ich auch geduldig. Ist dies auch zu wenig, so bin ich auch von großer Güte. Ist dies noch zu wenig, so gereuet mich auch bald der Strafe. Das ist, wenn ich schon ange-fangen habe zu strafen, so ist noch Zeit zur Buße mitten in der Strafe.

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23. a) Spricht er: Unser Gott ist gnädig, Ps. 103,8. Gnädig sein heißt, sich leicht und bald versöhnen lassen, sich bald erbitten lassen, den Zorn und die Ungnade bald sinken und fallen lassen, die Sünden vergeben und nicht zürnen, nicht handeln mit einem nach Verdienst, und nach der strengen Gerechtigkeit. Das tut Gott der Herr alles an uns, und das soll uns auch zur Buße bewegen. Denn wir haben viele schöne Verheißungen von Gottes Gnade, 2 Mos. 22,27. Wird der Beleidigte zu mir schreien, so werde ich ihn erhören, denn ich bin gnädig, Jes. 30,18.19. Er wird dir gnädig sein, wenn du rufest. Er wird dir antworten, sobald er es hören wird. Darum harret der Herr, dass er euch gnädig sei, das ist, der Herr wartet auf euch. Gott ist reich von Gnaden, denn es ist bei ihm 1) eine erwarten-de Gnade, wenn wir uns zu ihm bekehren, will er uns mit Gnaden aufnehmen. 2) Eine vorlaufende Gnade: Erbarme dich unser bald, Ps. 79,8. 3) Eine aufnehmen-de Gnade, Ps. 32,10. Die auf den Herrn hoffen, wird die Güte umfahen. 4) Eine erhaltende Gnade: Ps. 32,6. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, wie im vorigen Kapitel mit Exempeln bewiesen: Ps. 130,7. Bei dem Herrn ist die Gnade, und viele Erlösung bei ihm. Darum laß dich die holdselige Gnade Gottes zur Buße bewegen.

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24. b) Er ist auch barmherzig. Barmherzig sein heißt, wenn einem eines andern Elend zu Herzen geht, ja das Herz rühret, dass es ihm wehe tut; wie es ge-schiehet den väterlichen und mütterlichen Herzen, die ihre Kinder nicht allein von Grund des Herzens lieb haben, sondern sich über ihre Schwachheit, über ihr Elend und Gebrechen herzlich erbarmen, und ein solches Mitleiden mit ihnen haben, dass sie lieber für ihre Kinder sterben wollten? wie David klagt: Absalon, mein Sohn, wollte Gott, ich müßte für dich sterben! 2 Sam. 18,33. Das hat Gott alles an uns getan. Darum Gottes Sohn selbst für uns gelitten, und mit seiner Barmherzigkeit hat er väterliche und mütterliche Barmherzigkeit übertroffen, wie Jes. 49,15. stehet: Kann auch eine Mutter ihres Kindes vergessen etc. Solche herzliche Barmherzigkeit wird auch beschrieben: Jer. 31,20. Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn, und mein trautes Kind? Darum bricht mir mein Herz gegen ihn, dass ich mich sein erbarmen muß. 5 Mos. 4,31. Dein Gott ist ein barmherziger Gott, er wird dich nicht lassen verderben, noch vergessen des Bundes, den er den Vätern geschworen hat. Ps. 103,8. Barmherzig und gnädig ist der Herr. Des tröstet sich David, als ihm die Wahl der Strafe gegeben ward, aus dreien eine zu erwählen: 2 Sam. 24,14. Ich will lieber in die Hand des Herrn fallen etc. Ach? laß dich doch die väterliche Barmherzigkeit Gottes zur Buße bringen. Ich ermahne euch, sagt St. Paulus, durch die Barmherzigkeit Gottes, Röm. 12,1.

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25. c) Geduldig. Geduldig sein heißt, sich nicht bald zum Zorn bewegen lassen, viele Gebrechen tragen, leiden und zu gut halten, Zeit zur Buße und Bekehrung geben. Das hat Gott reichlich an uns bewiesen. Denn er ist die Liebe selbst, die da langmütig und freundlich ist, die da alles hoffet, verträget und duldet. 1 Kor. 13,4. wie ein Vater und Mutter große Geduld mit ihren Kindern haben. Daher St. Paulus spricht: Gott hat Geduld mit uns, und will nicht, dass jemand soll verloren werden, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre, und lebe, 2 Petr. 3,9. Item: v. 15. Die Geduld unsers Herrn Jesu Christi achtet für eure Seligkeit, Röm. 2,4. Weißt du nicht, dass dich die Gütigkeit Gottes zur Buße leitet? Also gab Gott der ersten Welt Zeit hundert und zwanzig Jahre, 1 Mos. 6,3. Und wie lange hat er uns Zeit zur Buße gegeben? Darüber ihrer viele die Gnade Gottes auf Mutwillen ziehen, und auf Gnade sündigen, Epist. Jud. v. 4. Aber die Strafe kommt darnach desto schneller und häufiger. Wenn ihrer so viel wären, die uns beleidigten, als derer sind, die Gott beleidigen, und käme jetzt Einer, bald der Andere, bald der Dritte, und so fort, so würde kein Mensch auf Erden so große Geduld haben, dass er nicht allein allen vergeben, sondern noch alles Gute tun könnte. Nun tut es aber Gott; sehet, wie geduldig muß er sein. Ach, laß dich doch die hohe Ge-duld Gottes zur Buße locken.

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26. d) Von großer Güte. Sind deine Sünden groß, so ist auch seine Barmherzig-keit groß; Gott ist so wesentlich und gründlich gut, dass er gerne sich selbst allen Menschen mitteilet, möchten sie ihn nur ergreifen und annehmen. Ja er kann nicht anders als gütig sein, das ist seine Natur, daran hat er seine Freude, wie er im Propheten sagt: Es soll ihm eine Lust sein, dass er uns Gutes tun möge, Jer. 32,41. Seine Barmherzigkeit ist so groß, als er selbst ist, Sir. 2,23. d. i. unendlich und geht über alle Menschen, Sir. 18,12. Seine väterliche Barmherzigkeit ist nicht so enge gespannt, als eines leiblichen Vaters, der sich nur über seine eigenen Kinder erbarmet, sondern er ist reich von Barmherzigkeit über alle etc. Röm. 10,12. Seine Gnade reichet, so weit der Himmel ist, Ps. 36,6. Solch eine hohe tiefe Barmherzigkeit ist Gottes Barmherzigkeit, so hoch der Himmel ist über der Erden, Ps. 103,11. Die Güte des Herrn ist es, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß, Klagl. 3.22. Ach, laß dich doch die Freundlichkeit Gottes und seine große Güte zur Buße locken!

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27. e) Und gereuet ihn bald der Strafe. Das ist, er strafet ungerne, und wenn er strafet, so tut er es nicht zu unserm Verderben, sondern zu unserer Besserung und Seligkeit, 1 Kor. 11,32. Wenn wir vom Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtiget, auf dass wir nicht mit der gottlosen Welt verdammt werden. Jes. 28,21. Gott tut seine Arbeit auf eine andere Weise; so gereuete ihn bald der Strafe zu Ninive, Jon. 3,10. Das ist ein köstliches Ding, geduldig sein, und auf die Hilfe des Herrn hoffen. Denn der Herr verstößet nicht ewiglich, sondern er be-trübet wohl, und erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte. Denn er plaget und betrübet die Menschen nicht von Herzen, Klagl. Jer. 3,26.31. seq. Darum laß dich doch gereuen deine Sünde.

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28. Sobald dich die Sünde gereuet, und du im wahren Glauben Gott dieselbe abbittest, sobald gereuet Gott die Strafe. Wie sagt Gott der Herr zu Jona: Jon. 4,10.12. Jammert dich des Kürbis? Sollte mich denn nicht jammern der großen Stadt? So schließt Gott der Herr: du hast ja an den Kürbis nicht gearbeitet, hast nichts daran gewandt, es kostet dich ja nichts, doch jammert er dich. Was meinest du, habe ich an die große Stadt Ninive gewandt? So viel tausend Men-schen erschaffen, bisher ernährt, und sollte sie also lassen untergehen? Solch ein erbarmendes Herz hat Gott noch, und behält es gegen uns in Ewigkeit, wenn wir nur ein bußfertiges Herz haben, und zu ihm bringen. Darum laß dich das er-barmende Herz Gottes zur Buße bewegen.

 

Gebet um wahre Buße. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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