DAS ZEHNTE KAPITEL. (3.B./10.K.)

 

WIE DAS NATÜRLICHE LICHT IN UNS MUSS UNTERGEHEN,

UND DAS GNADENLICHT AUFGEHEN.

 

Inhalt.

1) Das natürliche Licht muß untergehen, soll das Gnadenlicht scheinen; 2) wel-ches Gott selbst durchs Wort im Grund der Seele anzündet. 3) Aus diesem Licht kommen die geistlichen Kräfte und Erkenntnis der Wahrheit. 4) In den Gottlosen kann es nicht scheinen, es begehret einen stillen Sabbat des Herzens.

 

Gott, der da hieß das Licht hervorleuchten aus der Finsternis, hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. 2 Kor. 4,6.

 

Das natürliche Licht und das Gnadenlicht zu unterscheiden, ist zu merken der Unterschied der Seele und ihrer Kräfte, nämlich der vernünftigen Kraft und des Willens, und der sinnlichen Kräfte, und dann der lautern bloßen Substanz und Wesen der Seele. Davon im 21. Kap. weiter. In den ersten, als in den Kräften der Seele, Vernunft, Willen und Sinn, ist das natürliche Licht; und so lange dieselben des Menschen Seele gefangen halten, kann das Gnadenlicht die lautere bloße Seele nicht erleuchten. Darum, wo das Gnadenlicht soll scheinen, da muß das natürliche Licht untergehen. Denn die Erleuchtung des Gnadenlichts ist über alle Sinne und Vernunft, ja es wird durch die natürlichen Sinne und fleischliche Ver-nunft verhindert. Da siehest du, was der natürliche Mensch in göttlichen Dingen vermag: Lauter nichts.

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2. Wie aber das Gnadenlicht gemeiner Ordnung nach in der Seele aufgehe, da merke: Gott hat ein Gnadenwort, das lässet er verkündigen, und wirket durch dasselbe, und dasselbe Wort ist Geist und Leben, Joh. 6,63. Wiewohl nun Gott in allen Dingen ist mit seiner Gewalt, Wirkung und Leben, so hat er doch nirgend seine eigene Werkstatt, seine Gnade zu wirken und das Gnadenlicht anzuzün-den, als in der Seele des Menschen. Darum das göttliche Licht und Erleuchtung der Seele nirgends anders herkommt oder kommen kann, weder aus Sinnen noch Vernunft, noch aus allen andern natürlichen Kräften, als allein aus der Wirkung der Gnade Gottes in der Seele des Menschen. Hieraus fließet aller Trost und Friede der Seelen, alle Wahrheit, Weisheit und Leben, dies bestehet ewig-lich, denn es ist das ewige Gut der Seele; alles andere aber, was von außen die Sinne und Vernunft begreifen, das verdirbet alles, als ein dummes Korn, und lässet keine Frucht hinter sich. Dies ist allein der Seelen Gut, nämlich die Vereini-gung Gottes und seine Gnadenwirkung. Derselben können andere Kreaturen nicht teilhaftig sein, in denen das Bild Gottes nicht ist, denn sein Bild allein zieret und schmücket Gott mit Licht, Weisheit und Gnade.

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3. Aus diesem Licht kommen der Seele ihre rechten geistlichen Kräfte wieder, nämlich Verstand, Weisheit und Erkenntnis, die sie zuvor nicht gewußt, auch im Willen ein Geschmack der göttlichen Liebe, so zart und lieblich, dass einer solchen erleuchteten Seele alles verdrießlich und zuwider ist, was nicht göttlich ist. Viel guter Bewegung und Antreibung spüret man, die du wohl merkest, dass sie von innen aus deinem Herzen kommen, und von keiner Kreatur. Es mag wohl die Kreatur einen bewegen zur Lust, Verwunderung und Freude, aber das kommt von außen. Der Unterschied aber ist hie wohl zu merken, dass der innerste Grund der Seele über alle Sinnen und Vernunft durch dies Gnadenlicht berühret wird. Und je mehr du ledig bist von auswendigen Kreaturen, je öfter und lauterer dies geschieht, dass du Licht und Wahrheit empfindest. Aus diesem Licht gehet nun die Erkenntnis der Wahrheit, und wenn man diesen Grund verlässet und sich in die auswendigen Phantasien begibt, daher kommt Irrtum. Denn Wahrheit ist inwendig im Grunde der Seele, und nicht auswendig. Aus diesem Licht der Seele steiget oft auf ein heller Schein und Glanz, das ist, eine solche Erkenntnis, dass der Mensch oft mehr weiß und erkennet, denn ihn jemand lehren kann. Und welcher Mensch des göttlichen Lichts in ihm gewahr wird einen Augenblick, der wird also getröstet und erfreuet, dass dieselbe Wonne und Freude übertrifft tausendmal alle Wonne, Freude und Trost, die alle Welt mit einander leisten mag; doch ist dies alles in den niedrigsten Kräften der Seele. Aus diesem Funda-ment hat der königliche Prophet David geredet, Ps. 119,98. seq. Du machest mich mit deinem Gebot weiser, denn meine Feinde, denn es ist ewiglich mein Schatz. Ich bin gelehrter, denn alle meine Lehrer, ich bin klüger, denn die Alten, denn ich halte deinen Befehl. Dein Wort macht mich klug, darum hasse ich alle falsche Wege. Und auf diesen Grund ist derselbe ganze lange Psalm gebauet, dass in ihm möge das göttliche Licht leuchten, dass in ihm möge das göttliche Wort reden, dass er möge diesen Schatz in ihm durch Gottesfurcht und Haltung der Gebote Gottes bewahren, und ja nicht verlieren. Darum ist ihm das edle Wort und Gesetz Gottes lieber, denn viel tausend Stück Goldes und Silber, v. 72. Summa, wenn die Seele dies hohe Gut in sich findet, und diesen himmlischen Schatz, so achtet sie aller Welt Gut und Herrlichkeit für Kot, und saget mit dem König Salomon: Es ist alles eitel, Pred. Sal. 1,2.

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4. Weil nun dies Licht nicht leuchten kann in den Gottlosen; denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? 2 Kor. 6,14; dies Licht aber der höchste Schatz der Seelen ist, so bittet der liebe David so heftig, so fleißig, so emsig, Ps. 119,18.34. (mit solcher geistlichen Eloquenz und Fülle, darüber man sich zu verwundern,) dass ihn Gott wolle vor Finsternis der Sünden bewahren, und in seiner Furcht erhalten. Ja es ist dies Gnadenlicht so überschwenglich gut und groß, dass es auch oft als ein Strahl in der Gottlosen Herzen schlägt und sie warnet vor ihrem Verderben, welches nirgend anders herkommt, denn von dieser Erleuchtung. Also scheinet dies Licht oft in der Finsternis, aber die Finsternis kann es nicht begreifen, Joh. 1,5. Warum aber dies Licht den innersten Grund der Seele nicht berühret, ist diese Ursach, dass die Kräfte der Seele zerstreuet sind in die äußerlichen Sinne, da keine Ruhe ist. Denn daselbst ist keine Ruhe, wo das Ohr alle Dinge hören will, wo das Auge alle Dinge sehen will, wo das Herz alle Dinge bedenken will. Denn das ist eine unruhige und zerstreuete Seele mit ihren Kräften. Dies Licht aber suchet und begehret einen stillen Sabbat des Herzens, auf dass der Mensch von innen erleuchtet werde, dass seine Sinne, Vernunft, Verstand, Wille und Gedächtnis von innen aus dem Grund der Seele erleuchtet werden. Da höret der Mensch anders, als zuvor, redet anders, als zuvor, siehet anders, als zuvor. Dasselbe sind denn nicht schlechte gemeine Worte, sondern kräftige Worte des Geistes; da schauet die erleuchtete Seele im Geist die Herrlichkeit Gottes, und seufzet nach ihm, und spricht: Ach Gott, du bist meinen Augen der Allerschönste, meinem Munde der Allersüßeste, meinen Ohren der Allerlieblichste, meinem Herzen der Allerliebste! So ist denn des Menschen Tun nicht sein, sondern es ist Gottes Werk in uns; und so viel Gott edler ist, als alle Kreaturen, so viel ist auch Gottes Werk edler als der Menschen. Darum liegt auch unsere Seligkeit nicht an unsern Werken, sondern an Gottes Gnade, also ist auch unsere Seele viel seliger durch Gottes Werk, wenn sie Gott leidet und in ihr wirken lässet, als wenn sie ihr eigen Werk tut. Denn also tut die Seele nichts ohne Gott und außer Gott, in allen Werken.

 

Gebet um wahre Erleuchtung.

 

Du teures und wahrhaftiges Licht, Jesu Christe! gib auch einen hellen Schein in mein Herz, laß das natürliche Licht unter, das Gnadenlicht aber in mir aufgehen, damit meine angeborne Finsternis der Unwissenheit und alles Böse vertrieben, und dagegen die geistlichen Kräfte des Verstandes und Willens zur lebendigen und seligmachenden Erkenntnis wieder gebracht werden, dich zu schauen, und deiner Guttat ewig zu genießen, Amen.

 

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