DAS VIERZEHNTE KAPITEL. (3.B./14.K.)
EINE JEDE CHRISTLICHE SEELE,
DIE EINE WOHNUNG GOTTES SEIN SOLL,
MUSS MIT GROSSER GEDULD BEREITET WERDEN,
UND DIE LIEBE GOTTES BEHALTEN;
UND WAS DIE LIEBE SEI UND WIRKE.
Inhalt.
1) Eine christliche Seele muß durch allerlei Kreuz mit großer Geduld bereitet werden; 2) und vor allen Dingen die Liebe Gottes behalten, das bringt großen Frieden.
Christus ist wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird. Jes. 53,7.
Wer sein Herz recht will bereiten, dass er mit Christo vereiniget bleibe, der muß Christi Sinn und Gemüt haben, und muß ein Lamm sein, wie er ist, geduldig und sanftmütig, wie Christus. Mache es nun, wie du wollest, wende dich hin und her, du mußt ein Schaf und ein Lamm sein, willst du deinem Herrn nachfolgen. Denn der Herr spricht: Matth. 10,16. Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Darum mache es, wie du willst, du mußt unter die Wölfe, die werden dich zausen, mit List um dich her gehen und zerreißen. Dawider aber hast du keinen bessern Sieg, denn die Geduld, die Stilligkeit, Sanftmut und williges Leiden, wie du sol-ches an dem Lamm Gottes siehest. Gleichwie nun Gott ein Wohlgefallen hat an Christo, dem sanftmütigen Lamm: also gefällt ihm deine Geduld wohl, und er will deine Geduld probieren und üben. Darum überlasse dich seinem Willen, in was Weise und Wege er dich auch üben will, durch wen und zu welcher Zeit, es sei durch sich selbst oder durch Menschen, oder durch den Feind, oder durch alle Kreaturen im Himmel und auf Erden, durch Scheltworte oder Verachtung, oder was es sei, dass du alsdann stillschweigest und leidest. Siehe, so kommt denn der getreue Hirt, und sucht dies Schäflein, und trägt es auf seinem Rücken, Luk. 15,5. und so wird eine solche Seele über alle Kreaturen geführet zu Gott, denn Christus führet nirgends anders hin, als zum Vater. Kommt aber das blinde fleischliche Urteil, und spricht: Warum willst du dich also verachten und unter-drücken lassen? so laß die Sanftmut antworten und nicht die Rache, und siehe an das Vorbild des gekreuzigten Lammes Gottes.
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2. Siehe zu, dass du ein Lamm bleibest, das ist, die Geduld und Sanftmut be-haltest und vor allen Dingen die Liebe Gottes, denn bei dem Zorn kann die Liebe nicht bestehen. O du gläubiges Herz! lerne, was Liebe sei. Du meinest, das sei Liebe, wenn du inwendig große Süßigkeit und Lieblichkeit empfindest; nein, das ist die Liebe nicht in ihrem Wesen, sondern es ist nur ein Schein, wie vom Feuer, und eine Blüte oder Glast der Liebe; das Wesen aber der Liebe ist, wenn man sich Gott also überlässet, aufopfert und seinem Willen ergibt, dass man alles aufnimmt, als von Gott selbst, wie Hiob den Verlust seiner Kinder, Güter, Ge-sundheit und Ehre, als von der Hand des Herrn aufnahm, und Gott preisete, Hiob 1,21. Also auch der König David die Scheltworte Simei, 2 Sam. 16,10. aufnahm, als vom Herrn, und blieb in der Liebe und Geduld ohne alle Rache. So bleibt das Wesen, die Flamme, der Grund und die Quelle der Liebe rein und unbeweglich, und ist mit Gott wohl zufrieden, er mache es mit ihm, wie er wolle, nach seinem Willen. Und so ihn auch Gott mit Christo in die Hölle führen wollte, so wäre ihm daselbst wohl, und ruhete in dem Willen Gottes, welcher niemand verderbt oder verderben läßt. In dieser Liebe ist großer Friede des Herzens, wenn man nämlich in Gott alles lieb hat, auch das Kreuz, es sei, was es sei, auch die Feinde. Denn, die wahre Liebe schließt niemand aus hie in dieser Zeit, und ist allezeit vereiniget in Gott mit allen Menschen. Niemand glaubt es, welche Stilligkeit und Ruhe diese Liebe dem Herzen bringt, denn da ruhet man in Gott selbst.
Gebet um wahre Geduld. (Siehe im Paradiesgärtlein.)