DAS FÜNFZEHNTE KAPITEL. (3.B./15.K.)

 

DASS JESUS CHRISTUS, DAS EWIGE WORT DES VATERS,

IN DEN GLÄUBIGEN HERZEN SEIN WERK VERRICHTE,

DURCH INWENDIGES EINSPRECHEN UND REDEN,

UND WIE SOLCHES DURCH MITTEL DER LIEBE GESCHEHE,

AUCH WIE ER SICH IN DER DEMUT

OFFENBARET UND ZU ERKENNEN GIBT.

 

Inhalt.

1) Christus, das Wort des Vaters, läßt oft seine Stimme inwendig im Herzen hö-ren, 2) bei denen, die ihn und sein Kreuz lieben und in der Demut wandeln. 3) Den Demütigen offenbaret Gott das Geheimnis von Christo, 4) Demut ist die rechte Werkstatt Gottes.

 

Prüfet euch selbst, ob Jesus Christus in euch sei. 2 Kor. 13,5.

 

Gleichwie man des bösen Feindes Einsprechen und Eingebungen oft wider sei-nen Willen leiden muß; also empfindet eine gläubige Seele hinwieder auch den göttlichen Trost, so das ewige Wort in uns redet. Davon Taulerus sagt: „Wisset, dass das ewige Wort uns also unaussprechlich nahe ist, inwendig in unserm Grunde, dass der Mensch ihm selber, noch seine eigene Natur und Gedanken noch alles, das man sagen und verstehen kann, nicht so nahe und so inwendig ist, als das ewige Wort im Menschen ist, und spricht ohne Unterlaß in dem Men-schen, und der Mensch höret das alles nicht wegen großer Taubheit seines Herzens, welche vom Teufel herrühret. Denn der böse Feind betäubt den Men-schen durch seine Eingebungen, durch Weltliebe und durch alles das, so an der Welt hanget.“ Denn der Teufel versucht auch jetzt alle Menschen, durch alles, was der Natur liebkoset und schmeichelt, wie er die Eva versuchte, 1 Mos. 3,4. also tut er noch täglich durch Gebet, Ehre, Freundschaft, durch deine eigene Natur, oder was er dir einbildet, durch Lieb und Gunst der Kreaturen, dadurch treibt er seine Eingebungen. Denn er ist allezeit bei dem Menschen, und merket, wozu er Lust hat, inwendig und auswendig, mit Lieb und Leid, damit ficht er ihn an, und bildet es ihm ins Herz, dass er davor, was Gott durch den heiligen Geist und Wort in ihm redet, nicht hören kann. Solchem teuflischen Einsprechen mußt du widerstreben. Denn so viel du deine inwendigen Ohren dazu leihest, so viel bist du allbereits überwunden; kehrest du dich aber schnell zu deinem Herzen, und wendest deine Ohren ab, so hast du überwunden. Gleichwie nun die Liebe und Freundschaft zwischen frommen Menschen ein Gespräch macht und ver-ursacht unter ihnen selbst: also, so du Gott herzlich lieb hast, wirst du seine Stimme in dir hören. Denn, wer mich liebt, spricht der Herr Joh. 14,23. der wird mein Wort hören, nicht allein in äußerlichen Versammlungen der Kirche, sondern in dem rechten Tempel des Herzens. Denn, wenn es daselbst nicht gehört wird, wird das Auswendige nicht viel Frucht schaffen. Darum ist nun daran gelegen, dass du Gott liebest, auf dass du ihn hörest in deinem Herzen mit deiner Seele reden.

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2. „Willst du aber wissen,“ sagt St. Gregorius, „ob du Gott liebest, so merke, ob du auch alles Kreuz und Leiden, Trübsal und Elend mit Geduld von Gott an-nimmst, ohne alle Ungeduld in Worten und Werken, oder Gebärden. Tust du das, so ist kein Zweifel, du liebest Gott; ist es anders, so liebst du Gott nicht rein, sondern liebest mehr das Deine als Gott; wiewohl nichts dein ist, als deine Sünde, das andere ist Gottes.“ Darum siehe zu, dass du die Gaben nicht mehr liebest, als Gott selbst. Wirst du ihn nun recht herzlich lieb haben, so wirst du manches süße Wort in deinem Herzen von ihm haben und hören. Denn er spricht ja: Wer mich liebet, dem will ich mich offenbaren, Joh. 14,21. Diese Offenbarung geschieht durch Eröffnung des Verständnisses, durch Erleuchtung des Herzens, durch den Geist der Weisheit, des Erkenntnisses, der Stärke, Kraft, Verstandes und Furcht Gottes, Jes. 11,2. Sonderlich aber durch Eröffnung der inwendigen Augen, Eph. 1,18. damit du Christum siehest und erkennest. Wie aber der Teufel durch seine Eingebungen die inwendigen Ohren verstopfet, wie oben vermeldet, also verblendet er auch die inwendigen Augen mit eigener Liebe, mit der Liebe der Welt und der Kreaturen, und durch deine inwendige und auswendige Hoffart. Denn gleichwie du in herzlicher und inniglicher Liebe Christum mußt hören in dir reden; also mußt du Christum recht sehen lernen im Glauben, und in der wahren Demut, dadurch dein Herz gereiniget und geläutert wird von dem hoffärtigen Leben. Denn es sagt der Herr nicht ohne Ursache: Matth. 5,8. Selig sind, die reines Herzens sind, sie werden Gott sehen. Darum läßt Gott so manches harte und schwere Kreuz auf dich fallen, dass du in den Grund der lautern Demut versinken sollst, welches alles dir zum Besten geschieht, und ist dir tausendmal besser, denn dass du in guten fröhlichen Tagen und großer Herrlichkeit lebest. Laß auf dich fallen Himmel und Erde, ja alle Teufel in der Hölle, davon wird dir das beste Teil werden, denn es versenket dich in lauter Demut, darinnen du Christum recht sehen lernest. Siehe, Christus ist der Allerhöchste und Gewal-tigste, der Himmel und Erde gemacht, und wieder zunichte machen kann, und hat doch so viel leiden wollen wegen seiner armen Kreatur. Darum schäme dich, du sterblicher Mensch! dass du die Hoffart und eitle Ehre, und anderer Leute Urteil hast in dein Herz kommen lassen. Unterwirf dich aber dem Kreuz, wo es auch her kommt, inwendig und auswendig, und beuge dein hoffärtiges Gemüt unter die Dornenkrone Christi, und folge nach dem gekreuzigten Gott, mit niedri-gem Gemüt, in wahrer Verkleinerung deiner selbst, inwendig und auswendig, und wende Fleiß an, dass du mit geduldigem Leiden und demütigem Wandel in sein heiliges Leiden dich bildest, so wirst du Christum recht sehen und erkennen lernen. Denn was ist es, dass du an das heilige Leiden deines Herrn gedenkest, in einer erloschenen blinden Liebe, bringest aber Christi Leiden nicht in die Übung, sondern läßt es nur in bloßen Gedanken hängen, und willst im Gering-sten deiner Hoffart, Ehre und Gemachs nicht entbehren: so wirst du Christum nimmermehr recht sehen können, noch seine Wirkung in dir recht empfinden. Denn gleichwie die Sonne und der Himmel in der Tiefe der Erde wirken, also ist Christus in der Tiefe der Demut, wie er denn auch selber in seiner Niedrigkeit die höchsten Werke gewirkt hat. Das ist aber die Lauterkeit der Demut, dass ein Mensch von sich nichts halte, noch von allem dem, was er getan hat, oder hinfort tun mag. Denn ist etwas Gutes in deinem Werke, das ist Gottes und nicht des Menschen.

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4. In diesen Grund der Demut mußt du kommen, sollst du die seligen Augen haben, die Christum sehen; denn den kleinen demütigen Menschen offenbaret der himmlische Vater die Geheimnisse von Christo, und die verborgene Weisheit, Ps. 51,8. und verbirget sie den Großen, Klugen und Weisen dieser Welt, Matth. 11,25. 1 Kor. 1,20.26. Denn in dieser bloßen Niedrigkeit und Kleinheit ist allein das Verständnis und Erkenntnis der bloßen lautern göttlichen Wahrheit, da das Wesen der ewigen Seligkeit darin verborgen liegt. Daselbst offenbaret sich die Hoheit der Majestät Gottes, und je mehr wird ihm bekannt seine Nichtigkeit. Und daran soll man erkennen die Wahrheit des göttlichen Erleuchtens, denn selbige versenket den Menschen immer tiefer in seine eigene Nichtigkeit, auf dass der Mensch nicht sei ein Liebhaber seiner selbst; denn daher ist alle Finsternis, Blindheit und Irrtum gekommen. Welche aber das rechte göttliche Licht empfin-den, die dürstet immer nach Leiden und Verkleinerung ihrer selbst, um nachzu-folgen der Lehre und Exempel ihres Herrn Jesu Christi, wie denn solcher Durst der Gottseligkeit im 119. Psalm beschrieben ist. Denn der heilige König David hat wohl verstanden, dass ohne dieselbe kein göttliches Licht und Weisheit, auch keine göttliche Antwort und Einsprechen in des Menschen Seele einleuchten kann, und das ist der rechte Verstand desselben langen Psalms.

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5. Diese Niedrigkeit und Demut des menschlichen Gemüts ist die rechte Werk-statt Gottes, darin Gott alles wirket mit seiner Gnade. Einem solchen gottes-fürchtigen Menschen bleibet allezeit eine Seele voll Gottes, und ein Leichnam voll Leidens, denn er sich auch alles Dinges unwürdig achtet, brauchet alles mit Furcht, nicht zur Wollust, sondern ist als ein Knecht, der vor seines Herrn Tisch stehet, und ihm ansiehet, was er wolle von ihm getan haben, denselben lässet der Herr nimmermehr ohne Gnade und freundlich Gespräch.

 

Gebet um die Offenbarung Christi in der Seele.

 

Jesu, du ewiges Wort des Vaters, der du mir das Wort redest, und mich vertrittst! offenbare dich meiner Seele und sprich in sie Worte des Lebens und der Kraft, dass ich dadurch zum rechtschaffenen Wesen erwecket, Leben und volle Genü-ge haben möge, im Leben und Leiden, in Not und Tod, Amen.

 

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