DAS NEUNTE KAPITEL. (3.B./9.K.)

 

WIE DER WAHRE LEBENDIGE GLAUBE

DAS HERZ REINIGET VON DEN KREATUREN,

VON BÖSEN ZUNEIGUNGEN UND VON UNGEDULD,

DAGEGEN ABER LIEBE UND GEDULD PFLANZET IM KREUZ.

 

Inhalt.

1) Der wahre Glaube reiniget das Herz, 1. von der Welt- und Kreaturliebe. 2) 2. Von den unordentlichen Affekten; wirket dagegen rechte Liebe, (die sich aller Ga-ben freuet, die andere haben); 3) und bringet durch Geduld dem Herzen große Freude und Friede.

 

Gott reiniget ihre Herzen durch den Glauben. Ap. Gesch. 15,9.

 

Des Glaubens Eigenschaft ist, dass er das Herz reinige. Nun merke, wovon soll er das Herz reinigen? Antwort: 1) von der Welt, und aller Zuneigung dessen, was irdisch, eitel, nichtig und vergänglich ist, und von allem, da die Natur mit voller Lust und Genüge anhaftet und darauf ruhet, es sei Reichtum, Ehre und Wollust. Denn der Glaube hanget allein am Unsichtbaren und Ewigen, und so die Hinder-nisse hinweg sind, so folget die Vereinigung; denn ein Gleiches vereiniget sich mit seines Gleichen, und nicht mit einem Ungleichen. Merke aber, dass Gott eine lautere Wirkung ist, und wo er eine leere Statt findet, da wirket er aus Erbarmung solche Werke, deren das elende Herz, das sein begehret und ihm anhanget, notdürftig ist. Daher ist kommen, dass der Herr sprach zu den elenden Leuten im Evangelio: Dein Glaube hat dir geholfen, Matth. 9,22. Kap. 15,28. Nicht dass es des Glaubens Vermögen wäre, sondern dass der Glaube das Herz selbst ge-reiniget hätte, dass er Gott ganz ergeben, und in Gott gezogen, und dasselbe leer gemacht von allen Dingen, die nicht Gott sein; auf dass Gott darin wirken und seine Werkstatt haben möge. Darum konnte unser Herr zu Nazareth kein Wunder tun, Mark. 6,5. weil er solche Herzen nicht fand, in welchen seine gött-liche Kraft wirken möchte. Denn soll Gott ein, so muß die Kreatur heraus. Eines ist hie des andern Hinderung. Es kann kein Herz Gottes Hilfe so sehr und herz-lich begehren, Gott hülfe ihm tausendmal lieber, wenn ihm nur das Herz gründ-lich anhangen, und sich ihm ganz ergeben wollte. Denn wie Gott ein solches Herz williglich erfüllt mit Licht, Trost, Gnade und Kraft, also wird auch ein solches Herz leicht über sich gezogen, also, dass dem Feuer nicht so leicht ist zu brennen, und einem Vogel zu fliegen, als einem ledigen Gemüte einzugehen in Gott. Daselbst findet denn Gott seine rechte Werkstatt, zu wirken solche Dinge, daran er ein solches Wohlgefallen hat, wie er hatte an Christo unserm Herrn, darum, dass Gott allein in ihm wirkte ohne Hindernis. Denn es gefallen Gott die Werke nicht, derer er nicht ein Anfang und Ende ist. Und weil Gott so eine große Liebe hat zu dem Menschen, in ihm zu wirken, weil dasselbe seine Natur ist, so wartet er allezeit auf uns, und ist mehr bereit, dem Menschen zu geben, denn der Mensch bereit ist, von Gott zu begehren. Darum versäume diese Zeit nicht. Denn nach dieser Zeit wird ein jeder empfangen, wie er gelebet hat, und wozu sein Herz geneigt gewesen, es sei Böses oder Gutes, Gott oder die Kreatur. Und wenn nach der Zeit alle Heiligen Gottes für einen Menschen beteten und Blut weineten, würde es ihm doch gar nichts helfen; ihm wird weder zu- noch abge-leget, sondern wozu er sein Herz geneiget, und womit er dasselbige vereiniget hat, das wird ihm bleiben.

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2. Gleichwie nun der wahre lebendige Glaube das Herz reiniget von der Welt-liebe, so reiniget er dasselbe auch 2) von den unordentlichen Affekten und Neigungen, als vom Zorn, Ungeduld, und pflanzet dagegen Sanftmut und Geduld gegen den Nächsten. Denn Gott kann nichts anders wirken in der Gläubigen Herzen, denn was seine Natur ist. Nun ist Gott nichts anders, denn Liebe, Sanft-mut und Geduld, wie wir sehen an unserm Herrn Jesu Christo. Die Liebe Gottes aber gehet über alle Menschen, und erbarmet sich über alle, darum wirket er auch eine solche Liebe in den Gläubigen, die niemand ausschließt in dieser Zeit, weder Feind noch Freund, und ist allezeit vereiniget mit allen Menschen, gleich als mit Gott. Es freuet sich auch die Liebe alles des Guten, das Gott den Men-schen gibt, und der mancherlei Gaben der Glieder Christi, und dienet denselben mit Ehrerbietung. Denn gleichwie den edelsten Gliedern alle andere Glieder dienen, als die Hand dem Haupt, den Augen, dem Herzen; also soll eine solche Vereinigung sein der Glieder des geistlichen Leibes Christi. Und wenn wir unter denselben wüßten ein edler Glied, denn wir uns selbst erkennen, das sollten wir viel lieber haben, denn uns selbst, und sollten uns dessen so viel mehr freuen, so viel mehr dasselbe von seinem edlen Haupt Jesu Christo Gaben empfangen hat. Denn solches ist ein gemein Gut eines gemeinen Leibes, so herabfließet von unserm allgemeinen Haupte Christo, und desselben kann man nicht genießen, als durch die Liebe, denn die Liebe machet es unser eigen, und alles, was ich in Gott liebe, das ist mein, und genieße desselben. Alle Gaben, so Gott einem frommen Menschen mitteilet, die sind sowohl mein als desselben, wenn ich sie in Gott liebe, denn die Liebe machet es unser eigen. Ja wenn ein Mensch seiner empfangenen Gaben halben sich nicht erhebt, als es denn sein soll, sondern sich und seine Gaben für klein und nichts hält; liebe ich sie aber in Gott, so sind sie eigentlicher mein, denn sein. Und also werde ich geistlich reich in Gott, und teilhaftig aller Güter im Himmel und auf Erden, und in allen Gottes-Freuden, in dem einigen Haupt Jesu Christo. Es muß wirklich und wesentlich alles in mich fließen, was dies Haupt in seinen Gliedern hat, im Himmel und Erden, in Engeln und Menschen. Aus solcher innerlichen Liebe quillet auch heraus die Geduld, dadurch man alles Kreuz williglich aufnimmt, als eine Bereitung zu sehr hohen Gnaden Gottes; denn kein Kreuz ist, es bringet eine besondere Gnade mit sich. Daher ein heiliger Mann sagt: Gott grüße dich, lauter bitter Leiden voller Gnaden. Denn St. Petrus spricht: So ihr um Christi willen das Übel vertraget, und leidet das Unrecht, das ist Gnade bei Gott. 1 Petr. 2,19.

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3. Und um der Liebe des Kreuzes Christi willen sein Kreuz williglich tragen, bringet dem Herzen endlich große Freude und Friede. Darum, wer in seinem auswendigen oder inwendigen Kreuz geduldig leidet, ohne Klage, ob gleich sein Herz sehr verwundet wird, und er leidet das zu liebe den heiligen Wunden Christi, demselben werden seine Wunden und Schmerzen innigliche Freude bringen. Denn wer sich Gott also im Kreuz lässet, dem wird Gott endlich selbst zum Trost und zum Frieden. Und dieser Friede ist ein recht göttlich Kleinod und Süßigkeit, so der inwendige Mensch schmecket, von welchem Frieden niemand sagen oder denselben verstehen kann, als der ihn selbst hat. Und das ist der Friede, der höher ist, denn alle Vernunft, davon St. Paulus sagt, zum Phil. 4,7.

 

Gebet um Stärkung und Ausübung des Glaubens.

 

Mein Herr und mein Gott! weil ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft glauben kann, so gib du mir einen solchen lebendigen und tätigen Glauben, der das Herz reinige von der Welt, allem irdischen und eitlen Wesen, dagegen aber Heiligkeit, Liebe. Sanftmut, Geduld und andere Früchte in mir pflanze, damit ich versichert lebe, ich werde des Glaubens Ende, der Seelen Seligkeit davon bringen, Amen.

 

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