DAS EINUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./31.K.)
DASS DER MENSCH,
DER SICH SELBST ZUERST LIEBET,
SICH SELBST ZU GOTT MACHT,
UND ZEUCHT SICH SELBST GOTT VOR.
Inhalt.
1) Durch eigene Liebe machet man sich zu Gott, und wird Gottes Feind. 2) Da-raus entstehet eigener Wille, eigene Ehre und Ruhm, der schändlichste Gottes-raub.
Du, Herr, bist gerecht, wir aber müssen uns schämen. Dan. 9,7.
Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre. Ps. 115,1.
Dieweil Gott ist der Anfang und das Ende alles Dinges, so gebühret ihm billig die erste Liebe des Menschen; und wenn nun der Mensch sich selbst, oder etwas anders mehr liebet, denn Gott, so macht er dasjenige, oder auch sich selbst zu Gott, welches die größte Feindschaft gegen Gott ist, indem der Mensch sich oder etwas anders höher, werter und lieber hält, denn Gott. Und weil die Liebe ver-wandelt wird in das Geliebte, so wird dadurch der Mensch gar von Gott abge-wendet; und dieweil der Mensch zu allererst sich selbst liebet, so liebet er denn alle Dinge um sein selbst willen, und in ihm selbst, da er sonst alle Dinge um Gottes willen, und in Gott lieben sollte. Also hat der Mensch sein ganzes Herz und Fundament seiner Liebe in ihm selbst, die er billig in Gott haben sollte.
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2. Und weil der Mensch sich selbst liebet, so folget er auch allein seinem Willen, und nicht Gottes Willen. Denn aus eigener Liebe entsteht auch eigener Wille, und eigene Ehre und Ruhm, so nimmt denn der Mensch, was Gottes ist, und gibts sich selbst. Gleich als wenn einer einem Könige seine Krone nähme, und setzte sie sich selbst auf; so will denn der Mensch selbst Gott und König sein, und fähet ein eigen Reich an wider Gott, und streitet immer wider Gott. Also macht die ei-gene Liebe, dass der Mensch Gottes abgesagter Feind wird.
Gebet um Vermeidung der eigenen Liebe.
Ach Herr! tilge in mir die angeborne Selbstliebe, als ein Gift meiner Seele, und laß durch eigene Liebe mich nicht selbst zum Gott machen, und dir deine Ehre rauben; sondern dich allein lieben, und deiner Liebe mich ganz und gar ergeben, im Tode und im Leben, Amen.