DAS ZWEITE KAPITEL. (5.B./1.T./2.K.)

 

VON DEM INWENDIGEN NEUEN MENSCHEN.

 

Inhalt.

1) Es ist zu bewundern, dass in der Christenheit Leute sind, denen die Lehre vom inwendigen neuen Menschen so gar fremd vorkommt; 2) der doch in der neuen Geburt gegründet, und ist das erneuerte Ebenbild Gottes in uns. 3) Es ist das neue Herz, die neue Kreatur, der liebtätige Glaube, das Leben Christi in uns. 4) Dieser neue Mensch dienet Gott fröhlich und willig, und tut alles im Menschen.

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Ich habe mich nicht genugsam verwundern können, seit der Zeit an, da ich vom wahren Christentum geschrieben habe, dass Leute im Christentum sein sollten, welchen die Lehre vom innerlichen Menschen so gar fremd vorkommen sollte. Dieselben Leute müssen sich ja selbst nicht erkennen, ob sie Heiden oder Christen sein, gläubig oder ungläubig, auch nicht wissen, was St. Paulus erinnert: 2 Kor. 13,5. Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid. Prüfet euch selbst; oder erkennet ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist, es sei denn, dass ihr untüchtig seid? Derohalben ist es eine große Ungeschicklichkeit und Untüchtigkeit zum Reich Gottes, den inwendigen neuen Menschen nicht kennen.

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2. Wenn kein inwendiger neuer Mensch ist, wozu ist denn das große treffliche Geheimnis der neuen Geburt nütze? Gebieret denn die neue Geburt nicht einen neuen Menschen? Und derselbe neue Mensch ist ja inwendig, nicht auswendig, er ist das erneuerte Bild Gottes in uns, welches St. Paulus, Eph. 4,22.23.24. also beschreibet: So leget nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet; erneuert euch aber im Geist eures Gemüts, und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, das ist, gebildet ist, in rechtschaffener Gerechtigkeit. Derohalben ist die Erneu-erung des Geistes und Gemüts der inwendige Mensch, der nach dem Bilde Gottes erneuert ist. Welches Koloss. 3,9. auch erkläret wird: Ziehet den alten Menschen mit seinen Werken aus, und ziehet den neuen an, der da erneuert wird zu der Erkenntnis, nach dem Ebenbilde deß, der ihn erschaffen hat. Diese Erneuerung zu der Erkenntnis Gottes nach seinem Ebenbilde ist der inwendige Mensch, in welchem die Erkenntnis Gottes erneuert ist, gleichwie sie in Adam vor dem Fall in seinem Verstande und Gemüte vollkömmlich geleuchtet hat, nach dem Fall aber erloschen, verblichen, verfinstert, verloren ist. Nun aber durch den heil. Geist wieder angezündet und erneuert, wie 2 Kor. 3,18. geschrieben ist: Nun aber spiegelt sich in uns allen (nämlich in den Gläubigen) des Herrn Klarheit, (das ist, Gottes Erkenntnis, in welcher das Bild Gottes stehet) mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verkläret in dasselbige Bild, von einer Klarheit zur andern, als vom Geist des Herrn. Das ist, das Bild Gottes oder der neue in-wendige Mensch wächset täglich, und nimmt zu in uns, und der heil. Geist bauet täglich daran, und erneuert es von Tag zu Tage, dass wir immer wachsen und zunehmen in der Erkenntnis Gottes, Phil. 1,9. Darum auch St. Paulus bittet und wünschet, Eph. 3,16.19. dass die Gläubigen mögen stark werden durch den Geist Gottes am inwendigen Menschen, und erfüllet werden mit aller Gottesfülle, das ist, stark werden im Glauben, in der Liebe, Hoffnung, Geduld, Sanftmut, Demut, dass wir die Sünde, Welt und Fleisch überwinden mögen. Und das ist das rechte geistliche Leben des neuen Menschen, davon St. Paulus sagt, Gal. 6,1. So wir im Geist leben, das ist, im Glauben und Erkenntnis Gottes, in Christo gerechtfertiget, so laßt uns auch im Geist wandeln, das ist, laßt uns das fleisch-liche Leben ablegen und das geistliche neue Leben annehmen, welches ist ein sanftmütiger Geist. Also beschreibet auch St. Petrus den inwendigen neuen Menschen in den heiligen tugendsamen Weibspersonen, in seiner 1 Epist. 3,4. da er ihn nennt den verborgenen Menschen des Herzens mit sanftem und stillem Geist, solches ist der köstliche Schmuck vor Gott.

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3. Dieser neue inwendige Mensch ist das neue Herz, davon der Prophet Ezech. 36,26. geweissaget hat: Ich will euch ein neu Herz und einen neuen Geist geben, und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln. Wie auch der Prophet Jer. spricht am 31,33. Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Welche Wohltat St. Paulus mit seinem eigenen Exempel bestätiget Röm. 7,22. Ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inwendigen Menschen, das ist, des inwendigen neuen Menschen Lust und Freude ist, Gottes Willen tun. Das ist die neue Kreatur in Christo Jesu, aus ihm geboren, welche Christi Geist und Sinn hat, und nach Christo gesinnet ist, Phil. 2,5. welcher aus Gott geboren ist, und die Welt überwindet, 1 Joh. 4,7. Das ist das reine Herz, darum David bittet, Ps. 51,12. und der neue gewisse Geist. Es ist nichts anders, als die erleuchtete gläubige Seele, auch nichts anders, als der lebendige Glaube, der durch die Liebe tätig ist, Gal. 5,6. Denn der wahre Glaube ist das ganze Werk und Wesen des neuen Lebens, darum er auch genennet wird eine wesentliche, selbst bestehende und grundfeste Zuversicht, Heb. 11,1. weil er alles im wiedergebornen Menschen tut, also, dass auch Christus durch den Glauben in unsern Herzen wohnet, Eph. 3,17. Und dieser neue inwendige Mensch ist nicht vollkommen, sondern er wird täglich durch den Geist Gottes erbauet und erneuert, ja auch durchs heilige Kreuz, wie St. Paulus sagt 2 Kor. 4,16. Ob unser äußerlicher Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert. Und endlich, so ist der neue inwendige Mensch nichts anders, als das Leben Christi in uns, welches durch das Kreuz offenbar wird, wie St. Paulus 2 Kor. 4,10. spricht: Wir tragen um allezeit das Sterben des Herrn Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben des Herrn Jesu an unserm Leibe offenbar werde. Und abermal daselbst v. 11. Wir werden immer in den Tod gegeben um Jesu willen, auf dass auch das Leben Jesu offenbar werde an unserm sterblichen Fleische. Denn dieser neue Mensch ergibt sich ganz dem gnädigen Willen Gottes, träget sein Kreuz in großer Geduld, weil er weiß, dass er dadurch dem Ebenbilde Christi gleich und ähnlich wird. Röm. 8,29. und siehet auf die künftige Herrlichkeit. Wie St. Paulus spricht Röm. 5,2.3. Wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsalen. Daher freuten sich die Apostel, dass sie würdig wären, Schmach zu leiden um des Namens Jesu willen, Ap. Gesch. 5,41. Darum spricht der Herr Matth. 11,30. Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht; verstehe, dem neuen Menschen, welchem um Christi willen zu sterben eine Freude und Ehre ist. Denn ob wir gleich, sagt St. Paulus Röm. 8,36.37. um deinetwillen er-würget werden täglich, und sind geachtet wie Schlachtschafe, so überwinden wir doch um deß willen, der uns geliebet hat, und sind gewiß, dass uns nichts von der Liebe Gottes scheiden kann.

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4. Dieser neue Mensch dienet Gott mit Freuden, und sind ihm des Herrn Gebote vom Glauben und Liebe nicht schwer, wie 1 Joh. 5,3. geschrieben ist. Denn er tut Gott ein freiwilliges Opfer, als im Glauben und in der Liebe, wie der 110. Ps. v. 3. spricht: Nach deinem Sieg wird dir dein Volk williglich opfern im heiligen Schmuck. Bedenke nun, was das für Christen sind, die den inwendigen neuen Menschen nicht kennen. Denn der ists, der da glaubet, liebet, hoffet, leidet, dul-det, betet, seufzet, Gott fürchtet, ehret, liebet, bekennet, und die Welt überwindet.

 

Gebet um die Nachfolge Christi. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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