DAS FÜNFTE KAPITEL. (5.B./1.T./5.K.)
VON DES INNERLICHEN MENSCHEN SPEISE UND NAHRUNG.
Inhalt.
1) Christus ist die Speise unserer Seele. 2) Solche recht zu verstehen, laßt uns I. erkennen den Seelenhunger und Durst; dieser entstehet: 1. Wenn man Gottes Gnade verlieret; 3) 2. wenn Gott sein reines Wort entziehet; 4) 3. wenn Gott Kreuz zuschicket. 5) II. Die Seelenspeise dagegen ist 1. Gottes Gnadenver-heißung, und 2. dessen Kraft im Wort. 6) Ja Gott selbst, indem 3. Christus Mensch worden; 7) 4. am Kreuz sich für uns geopfert, uns mit Gott versöhnet etc.; 8) 5. im heiligen Abendmahl sich auch zu essen und zu trinken gibt, 9) 6.
die Tröstungen des heiligen Geistes, 10) 7. und das ewige Leben.
Daß unser lieber Herr Christus in seinem heiligen Evangelio und Sakramenten unsere Seelenspeise sei, hat der Herr verdeckt wollen damit zu verstehen geben, dass er in der Wüste einmal mit sieben Broten viertausend Mann, und mit fünf Broten fünftausend Mann gespeiset, Mark. 8,5. seq. Joh. 6,10. seq. Denn er will uns mit solchen Wunderwerken viel höher führen zu dem, das viel mehr betrifft, als die leibliche Speise und Sättigung unsers leiblichen Hungers, wie der Herr, Joh. 6,27. sein Wunderwerk selbst also ausleget, da er fünftausend Mann mit fünf Gerstenbroten in der Wüste gespeiset hatte, sprach er: Wirket oder suchet Speise, die bis in das ewige Leben speiset.
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2) Damit wir aber die Seelenspeise recht verstehen, so müssen wir erstlich den Seelenhunger und Durst erkennen lernen. 1) Wo Gottes Gnade, Liebe und Barmherzigkeit nicht gefunden wird, da ist die Seele arm, dürftig, mangelhaft, hungrig, durstig und verschmachtet, sucht hie und da Hilfe und Rat, und findet nichts, bis sich Gottes Gnade wieder in ihr wendet; welches sich angefangen hat, so bald der Mensch vom verbotenen Baum gegessen, da ist Gott mit seiner Gnade, heiligem Geist, Liebe und Beiwohnung vom Menschen abgewichen, und hat der Mensch seine Seele ledig und leer empfunden, die zuvor voll Gottes, und voll Geistes, volle Liebe und Freude Gottes gewesen, und ist dagegen eine große Furcht und Widerwärtigkeit gegen Gott in der Seele entstanden, dass sie Gottes Ungnade gefürchtet, wie die Historie des leidigen Sündenfalls unserer ersten Eltern bezeuget. Solches befindet sich noch auf den heutigen Tag in allen Adamskindern, wenn die Sünde offenbar wird im Gewissen; da steht jetzt der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen in unserm Gewissen, da rufet Gott: Hast du nicht gegessen von der verbotenen Frucht? Da macht uns denn die tödliche giftige Speise so angst und bange, so hitzig und durstig, wie einen Hirsch, welcher eine Schlange gefressen, und schreiet nach frischem Wasser, Ps. 42,2. So heißt es denn: Wir sind alle verwelket wie Blätter, wir schmachten in unsern Sünden, die führen uns dahin, wie ein Wind, Jes. 64,6. So gehts uns wie dem verlornen Sohn, welcher in so großen Hunger geriet, dass er begehrte sei-nen Bauch zu füllen mit Trebern, so die Schweine fraßen, Luk. 15,16. Und wie Ps. 102,10. steht: Ich esse Asche wie Brot, und mische meinen Trank mit Trä-nen. So heißt es: Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott, als ein dürres Land, Ps. 63,2.
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3. 2) Zum andern entsteht der Seelenhunger daher, wenn Gott sein Wort und Trost entziehet, und falsche Lehre überhand nimmt, Amos 8,11. Wie sind die Leute im Papsttum gelaufen, hungrig und durstig nach dem Ablaß.
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4. 3) Zum dritten, wenn Gott Kreuz und Verfolgung zuschickt, Ps. 42,4. Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht. Und Ps. 80,6. du speisest uns mit Tränenbrot, und tränkest uns mit großen Massen voll Tränen. Davon spricht His-kia: Siehe, um Trost war mir sehr bange, aber du hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe, du würfest alle meine Sünde hinter dich zurück, Jes. 38,17.
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5. Damit wir nun solchen Seelenhunger und Durst nicht ewig leiden dürften, so hat uns 1) Gott seine Gnadenverheißung verkündiget und verkündigen lassen, und solches sein Wort zu unserer Seelenspeise gemacht, darum, dass Gottes Gnade und Liebe im Wort und durchs Wort unserer Seele vorgetragen und in-sinuiert wird. Denn wenn die Seele der Gnade Gottes nicht versichert ist, so kann sie nicht gesättiget werden, sondern bleibet immer und ewig hungrig und durstig. Darum rufet Gott der Herr im Propheten Jes. 53,1. Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset umsonst beide Wein und Milch. Da sagt der Prophet, sie sollen Gottes Gnade annehmen umsonst. Gott wolle seine Barmherzigkeit zu ihnen wenden, und einen ewigen Plan mit ihnen machen, die gewisse Gnade Davids. Wenn nun unsere Seele das empfindet, so tröstet der Herr Christus und spricht: Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden, Matth. 5,6.
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2) Damit nun Gott selbst unsere Seele sättige und speise, so hat er sich ins Wort verwickelt mit aller seiner Gnade und Liebe; sonst, wenn es nur bloßes Wort wäre, ohne Gottes Kraft und Leben, könnte es unsere Seelenspeise nicht sein. Weil aber Gott im Wort ist, so speiset er die Seele, erquicket sie, macht sie le-bendig, Jes. 44,3. Ich will Wasser gießen auf die Durstigen, ich will meinen Geist ausgießen. Da hören wir, dass Gottes Geist selbst unser Erquickwasser sein müsse.
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6. 3) Ja, damit Gott selbst unsere Seelenspeise würde, ist Gottes Sohn Mensch worden, auf dass er uns mit vollkommener Liebe und Gnade speise und sättige, wie er Joh. 6,35. spricht: Ich bin das Brot des Lebens. Solches ist durch das Manna oder Himmelbrot bedeutet, welches eine übernatürliche Speise gewesen. Christus spricht: Ich bin das Manna, oder das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Darum haben sich die Juden so hoch versündiget, dass sie das Himmelbrot verworfen, darüber sie sterben mußten, 4 Mos. 21,5. anzudeuten, wer Christum verwirft, muß des ewigen Hungers sterben. Darum spricht er: Kommet her zu mir, ich will euch erquicken, Matth. 11,28. Als wollte er sprechen: Außer mir ist keiner Seele rechte wahre Erquickung und Sättigung.
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7. 4) Ja, damit der Herr Christus unsere rechte Seelenspeise und Trank würde, und unser Brot des Lebens, hat er sich am Kreuz aufopfern lassen, für unsere Sünden. Und, o Gott! wie ist die Bezahlung und Genugtuung für alle unsere Sün-den, so ein süßes Brot unserer Seele, dass Gott seines eigenen Sohnes nicht verschonet hat? Wie ist unsere Versöhnung mit Gott so ein süßes Seelenbrot, Röm. 5,10. Denn so uns Gott versöhnet hat durch den Tod seines Sohnes, so will er nicht mehr mit uns zürnen. Wie ist die Vergebung der Sünden so ein süßes Seelenbrot! Bekehret euch zu dem Herrn, denn er ist barmherzig, und zu unserm Gott, denn es ist viel Vergebung bei ihm, Jes. 55,7. Wie ist das ein wohl-schmeckendes Seelenbrot, dass wir wissen, wir sind frei von der Anklage vor dem strengen Gerichte Gottes. Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht machet, Röm. 8,33. Und ist es, so Gott der Herr spricht, Jer. 31,25. Ich will die müden Seelen erquicken, und die bekümmerten Seelen sättigen, darum bin ich aufgewacht, und habe so sanft geschlafen. Das ist, gleichwie man bei einem säugenden Kinde, welches Tag und Nacht Speise bedarf, sanft schlafen muß; item bei einem Kranken; also schläft Gott leise, (wie-wohl er nicht schläft, sondern ist nur ein Gleichnis,) und unsere hungrige Seele weckt ihn bald auf. Wie spricht der Herr, Joh. 4,14. Wer bittet mich, so will ich ihm Wasser des Lebens geben, das soll in ihm ein Brünnlein werden, so ins ewige Leben quillet. Joh. 7,37. Wen da dürstet, der komme zu mir. Denn Christi Leiden und Sterben ist so eine reiche Quelle, welche überflüssig genug ist, alle durstige Seelen zu tränken, Sir. 24,28. Wer von mir isset, den hungert immer nach mir, und wer von mir trinket, den dürstet immer nach mir.
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8. 5) Was hat der Herr Christus mit der Stiftung seines heiligen Nachtmahls anders bestätigen wollen, als dass sein heiliger Leib, welchen er uns gibt, das rechte Brot sei, und sein Blut der rechte Trank, nicht bedeutungsweise oder abwesend, sondern des Herrn Leib und Blut selbst gegenwärtig; nicht mit dem Glauben allein zu genießen, sondern auch mit dem leiblichen Munde, auf dass es dem ganzen gläubigen Menschen wahre Speise und wahrhaftiger Trank sei, nicht figürlicher Weise, sondern wesentlich, sonst könnte er unsere wahrhaftige Speise nicht sein, dadurch die Gläubigen wahrhaftig gespeiset werden, zur Unsterblichkeit vor Gott, und zur Auferstehung in das ewige Leben. Denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleische und von seinem Gebeine, Eph. 5,30. Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr. Er gibt Speise denen, die ihn fürchten, Ps. 111,4.5. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist, Ps. 34,9.
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9. 6) Was tut unser lieber Gott anders, wenn er unsere Seele tröstet und erfreuet durch seinen heiligen Geist, als dass er unsere Seele speiset, und erquicket und sättiget? Mein Freund führet mich in seinen Weinkeller, er labet mich mit Äpfeln, und erquicket mich mit Blumen, spricht das Hohel. Kap. 2,4.5. Dies ist entge-gengesetzt dem tödlichen Apfel, an welchem unsere ersten Eltern den Tod gegessen haben, 1 Mos. 3,9. Und Hohel. 5,1. Komme, meine Braut, ich habe meine Myrrhen samt meinen Würzen abgebrochen. Ich habe meines Seims samt meinem Honig gegessen. Ich habe meines Weins samt meiner Milch getrunken; esset, meine Lieben, und trinket meine Freunde, und werdet trunken, Ps. 36,8. Wie teuer ist deine Güte, o Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel trauen? Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses, du tränkest sie mit Wollust, als mit einem Strom, Ps. 23,5. Du bereitest mir vor einen Tisch gegen meine Feinde, und salbest mein Haupt mit Öl, und schenkest mir voll ein, Offenb. 2,7. Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Holz des Lebens, das im Paradies Gottes ist, und von dem verborgenen Manna.
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10. 7) Was wird das ewige Leben anders sein, denn ein stetiges Wohlleben, und Geschmack und Nießung der Freude Gottes, Jes. 65,13. Siehe, spricht der Herr, meine Knechte sollen essen, trinken, jauchzen und fröhlich sein. Und Offenb. 7,17. Das Lamm Gottes wird sie weiden und führen zu der lebendigen Wasser-quelle; sie wird nicht mehr hungern und dürsten, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.
Gebet, siehe im ersten Buch, Kap. 3.