DES FÜNFTEN BUCHS ZWEITER TEIL.
VON DER VEREINIGUNG DER GLÄUBIGEN
MIT CHRISTO JESU, IHREM HAUPTE.
DAS ERSTE KAPITEL. (5.B./2.T./1.K.)
DER ERSTE GRUND UND BEWEIS
DER VEREINIGUNG GOTTES MIT DEM MENSCHEN
IST DIE ERSCHAFFUNG UND WIEDERBRINGUNG DES MENSCHEN.
Inhalt.
1) Alle Kreaturen sind zur Ehre Gottes geschaffen. 2) Sonderlich aber der Mensch, das lebendige Bild Gottes, zur Vereinigung mit Gott. 3) Dies Band ward durch den Fall zertrennet, durch Christum aber von neuem geknüpfet. O Gnade! Gott will seinen Sitz und Ruhestätte im Menschen haben, 5) (darum schuf er ihn zuletzt), und will sich aufs genaueste mit ihm verbinden. 6) Welch eine Würde ist das, ein Gottes- und Christträger sein!
Es ist die ganze Natur und Kreatur einig und allein zu Lob und Ehre des einigen wahren allmächtigen Gottes erschaffen; derohalben auch alle Geschöpfe und Werke Gottes insgemein die Herrlichkeit und Gütigkeit ihres Schöpfers preisen oder verkündigen. Denn es ist alles von dem obersten Werk- und Kunstmeister so vollkommen, gut, herrlich und schön gemacht, dass der Schöpfer selber in seinen Werken, wenn er derselben vollkommene Güte, mannigfaltige Schönheit und Wahrheit angesehen, sich darinnen erfreuet hat.
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2. Weil aber unter allen denselben seinen Werken noch kein sichtbares Ebenbild des unsichtbaren Gottes, welches seinem Schöpfer gleich wäre, vorhanden war, hat aus besonderm, wundernswürdigem und wunderbarem Rat der heiligen Drei-faltigkeit Gott den Menschen zu seinem Ebenbilde erschaffen; das ist, er hat ein lebendiges Bild und Gleichnis seiner Gütigkeit, Heiligkeit und Gerechtigkeit in dem Menschen abgedrückt, und denselben zum vollkommenen Beschlußwerk und Vollendung aller seiner Werke gemacht. Daher dann in dem einigen Men-schen, als in einem artigen und kurzen Auszug, der ganzen Kreatur Würdigkeit, Gütigkeit, Schönheit und Vortrefflichkeit zusammengefasset. Denn sollte wohl Gott in sein Bild nicht eingeschaffen haben, daran der Schöpfer selber seine Lust und Wohlgefallen haben wollte? Dieses Ebenbild Gottes in dem Menschen hat durch die Gleichheit der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gott und Menschen aufs näheste und festeste vereiniget und verbunden. Daher denn auch der Herr in den einigen Menschen seinen Stuhl und Wohnung gesetzt, wie er sagt, dass seine Lust sei bei den Menschenkindern, Sprüch. Sal. 8,31.
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3. Nach dem Fall aber des Menschen, durch welchen diese Vereinigung ge-trennet und aufgelöst ist, hat die ewige Barmherzigkeit Gottes des himmlischen Vaters dieselbe wieder aufrichten wollen, mit Wiederbringung seines Bildes in dem Menschen, durch das lebendigmachende Wort, durch den Glauben an die Verheißung, durch die Menschwerdung seines eingebornen wesentlichen Sohns, durch die Wiedergeburt des Menschen, und durch die Geheimnisse der H. Sakramente, durch welche Mittel er den Menschen von neuem mit ihm selbst wiederum verbunden, und zur Wohnung und Sitz seines H. Geistes gemacht, und also mit ihm selbst vereiniget, auch mit seiner gnadenreichen Gegenwart und Einwohnung wiederum beseliget. O der unaussprechlichen Gnade und Gütigkeit der allerhöchsten Majestät Gottes! O des wunderbaren und in alle Ewigkeit lobwürdigen Rats der Wiederbringung des menschlichen Geschlechts.
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4. Der einige, allein mächtige, größeste, gütigste, allein seligste, weiseste und allein ewige Gott hat in dem Menschen, der zu seinem Bilde erschaffen, der zur Genießung des höchsten Guts und Seligkeit wiedergebracht war, der zu der un-sterblichen Herrlichkeit wiedergeboren war, und zu einem Vorgeschmack der ewigen Weisheit erleuchtet war, seinen Sitz und Wohnung stiften, und in ihm seine Ruhe haben wollen.
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5. Denn warum hat Gott geruhet, da er den Menschen erschaffen hat? 1 Mos. 2,2. Darum, dass der Mensch Gottes Ruhe sein sollte; darum hat er den Men-schen zum Beschluß seiner ganzen Kreatur und Schöpfung gemacht, dass er in dem einigen Menschen ruhen wollte. Denn also sagt der ewige und allerheiligste Gott selber von dieser seiner Wohnung, Jes. 75,15. Also spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnet, dessen Name heilig ist, der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne, und bei denen, so zerschlagenes und demütiges Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten, und das Herz der Zerschlagenen. Allhie vereinbaret unser allergnädigster Einwohner selber seine göttliche Hoheit, Majestät, Herrlichkeit und Heiligkeit mit des Menschen Nichtig-keit, und hat den demütigen und zerschlagenen Geist zu seiner Wohnung und Himmel gemacht und verordnet. Es wird auch zwar anderswo gesagt, dass Gott über den Cherubin sitze, Ps. 80,2. aber von dem Menschen darf der Apostel rühmen: Ihr seid ein Tempel des allmächtigen, lebendigen Gottes, 2 Kor. 6,16. Ja er schreitet noch näher zu dieser inniglichen Vereinigung, da er sagt: Wer dem Herrn anhanget, der ist mit ihm ein Geist, 1 Kor. 6,17. Was könnte herrlicher und göttlicher sein, als mit Gott ein Geist werden? Was könnte seliger sein, als in Gott sein und bleiben? Wie der Evangelist Johannes sagt: Ihr werdet beides im Sohne und Vater bleiben, 1 Joh. 2,14. Welches unser Seligmacher selbst bestätiget, indem er diese vom Vater empfangene Vereinigung seine Klarheit nennet und saget Joh. 17,22. Die Klarheit, so du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, dass sie eines seien, gleichwie auch wir eins sein, ich in ihnen, und du in mir. Daher vergleichet er sich auch einem Weinstock, und uns die Reben an dem Weinstock, Joh. 15,2. etc. auf dass wir aus ihm den lebendigmachenden Saft und Kraft saugen und schöpfen mögen, die wir sonst von und durch uns selbst nimmermehr recht und wahrhaftig leben würden, so wir nicht in Christo leben; welches der Apostel von sich bezeuget Gal. 2,20. Nun lebe aber jetzund nicht ich, sondern Christus in mir. Welches auch in allen zu probieren der Apostel vermahnet, da er spricht 2 Kor. 13,5. Prüfet euch selbst, ob Christus in euch sei.
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6. Es ist eine große Würde und Herrlichkeit der vornehmsten Kurfürsten und Herren des römischen Reiches, dass sie des Reiches Schwert-, Apfel- und Szepterträger sein; wie viel größere Würde und Herrlichkeit ist es, dass die Christen Gottes- und Christträger sein und heißen, und also mit der heiligen Dreieinigkeit eines sein, dass sie Gott, den Überwinder der Welt, in ihnen tragen. Denn wie der Evangelist sagt: Der in uns ist, ist größer als der in der Welt ist. 1 Joh. 4,4.
Gebet, siehe im ersten Buch, Kap. 3.