DAS SECHSTE KAPITEL. (5.B./2.T./6.K.)

 

DURCH DAS MITTEL DER HEILSAMEN BUSSE

ODER BEKEHRUNG ZU GOTT,

ALS WAHRE REUE UND LEID ÜBER DIE SÜNDEN,

UND DEN GLAUBEN,

GESCHIEHET DIE VEREINIGUNG GOTTES MIT DEM MENSCHEN.

 

Inhalt.

1) Sünde scheidet von Gott; Bekehrung von Sünden vereiniget mit Gott. 2) Der Bekehrung Anfang ist die göttliche Traurigkeit; durch den Glauben aber wird die Vereinigung mit Gott vollzogen. 3) Exempel sind: der verlorne Sohn; 4) die buß-fertige Sünderin. 5) Darum rufet Christus die Beladenen; dass er in ihnen wohne; 6) und der Glaube hält sich an Gottes Gnade in Christo fest, bis er mit ihm ver-einiget werde, und schöpfet aus Christo alle Kraft. 7) Wodurch doch Christo nichts entgeht; so wenig einer Blume durch den Geruch, und einem Licht durch Anzündung anderer Lichter.

 

Kehre wieder, du abtrünniges Israel! spricht der Herr, so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen, denn ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen; allein erkenne deine Missetat, damit du wider den Herrn deinen Gott gesündiget hast etc. Bekehret euch, ihr abtrünnigen Kinder! spricht der Herr, denn ich will euch mir vertrauen, und will euch holen etc. Jer. 3,12. seq. Wenn sich ein Mann von seinem Weibe scheiden lässet, und sie ziehet von ihm, und nimmt einen andern Mann, darf er sie auch wieder annehmen? Ist es nicht also, dass das Land verunreiniget würde? Du hast aber mit vielen Buhlen gehuret; doch komm wieder zu mir, spricht der Herr, Jer. 3,1. Mit welchen freundlichen und lieblichen Sprüchen Gott, unser himmlischer Vater, selbst bittet, und will, dass die Menschen wiederum zu ihm kehren, und mit ihm selbst vereiniget wer-den. Denn gleichwie durch den Ehebruch die eheliche Vereinigung getrennet und aufgelöset wird, welche sonst machte, das zwei ein Fleisch sein, Matth. 19,5.6. also macht die Sünde und Missetat zwischen Gott und Menschen eine solche geistliche Ehescheidung. Die heilsame Buße aber bringt die geistliche Ver-ehlichung und Vereinigung wiederum mit sich. Darum bricht unser barmherziger Gott und Vater, der nicht ewiglich über uns zürnet, in diese Worte heraus: Be-kehret euch zu mir, denn ich bin euer Mann, ich will euch mir vertrauen: Du hast mit vielen Buhlen gehuret; doch komm wieder, spricht der Herr.

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2. Der Anfang der Bekehrung ist die göttliche Traurigkeit, welche da wirket eine Reue zur Seligkeit, die niemand gereuet, 2 Kor. 7,10. Derohalben ist Gott selbst der Anfänger und die Ursache zu dieser heilsamen Traurigkeit. Dahin auch der Spruch des Propheten Jes. 40,7. deutet: Das Heu verdorret, die Blume verwel-ket, denn des Herrn Geist bläset darein. Durch diese Traurigkeit, so durch den Geist Gottes erweckt wird, wird der Anfang der heilsamen Bekehrung und Wie-derkunft zu Gott gemacht und durch den Glauben wird die Vereinigung vollzogen und vollendet.

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3. Laßt uns das Exempel des verlornen Sohns besehen, der wieder umkehret zu seinem Vater, Luk. 15,20. seq. Lieber, was bedeutet allda das herzliche Umfan-gen, Kuß und herrliches neues Kleid? Was bedeutet der Ring und die neuen Schuhe anders, als die inbrünstige Barmherzigkeit, Wiederschenkung der ver-lornen Güter und Gaben, und die liebliche Vereinigung.

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4. Lasset uns anschauen die heißen Tränen der armen Sünderin, mit welchen sie ihrem hochverdienten Heiland seine Füße wusch, desgleichen, wie sie ihn salbet, wie sie seine Füße küsset, Luk. 7,38. Ist nicht alles ihr Tun bei dem Herrn Christo nichts anders denn eitel Einleibung und eitel köstliche Bande, damit sie die Ver-einigung mit Gott aufs neue wiederum fest beschließe und binde?

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5. Der Herr ist die einzige Ruhe und Erquickung unserer Seele. Darum rufet er aufs ganz freundlichste zu sich alle, die geladen sind. Matth. 11,28. nicht nur darum, dass er sie von außen mit seiner liebreichen Freund- und Holdseligkeit etwas labe und erquicke, sondern dass er sie innerlich tröste, und seine Gegen-wart mit süßer Gnade und Gunst auch in ihre Herzen gieße; ja vielmehr darum, dass er in ihrem zerknirschten und demütigen Herzen wohne. Denn er nimmt nicht allein die Bußfertigen wahrhaftig auf, sondern er weihet und heiliget auch ihre Herzen, dass sie seine Tempel und Wohnungen sein sollen.

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6. In solcher göttlichen Wohlgewogenheit und Freundlichkeit hält sich der Glaube fest und steif auf, beruhet auf derselbigen und tritt zu dem himmlischen Vater mit großem Vertrauen und Freundlichkeit, in Kraft des Verdienstes Christi, ergreift ihn aufs lieblichste, hält ihn fest, und lässet ihn nicht, bis er mit ihm vereiniget werde, und in Gott getröstet, sich zufrieden gebe. Denn das ist des Glaubens höchste Eigenschaft, dass er alle Kreaturen beiseit setzet und allein Gott unzer-trennlich anhange, allein Gottes Gnade fruchtbarlich genieße, allein Gott den Herrn unaufhörlich suche, auf dass alle Kreaturen ausgeschlossen werden, und Gott allein bleibe der gläubigen Seele einige Ersättigung Freude und höchstes Gut. Wie solches ohne gemeldte Vereinigung geschehen könne, ist unmöglich zu erweisen. Denn der Glaube schöpfet aus dem Brunnen des Heils, unserm Selig-macher, nur gläubige Kräfte der Seele, nämlich Heil, Gerechtigkeit und Heiligkeit, also, dass er alles, was des Herrn Christi ist, ihm zueignet, als wenn es sein selbst eigen wäre. Darnach so schöpfet auch der Glaube aus dem Heilbrunnen Gesundheit des Leibes, wie der Evangelist von dem blutflüssigen Weiblein be-zeuget, Luk. 8,43. Matth. 9,20. welches den Saum des Kleides ihres hochver-dienten Heilandes anrühret, ja durch den Glauben geistlicher Weise dermaßen gehalten, dass eine Kraft aus dem heiligen Tempel seines Leibes ausgegangen, welche ihre vieljährige Krankheit benommen, und sie wieder frisch und gesund gemacht habe.

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7. Daher ist klar abzunehmen, dass die Kraft des Glaubens stärker sei als ein Magnet, wie solches unser Heiland bestätiget: Sei getrost meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden. Denn zu gleicher Maßen, wie die lieblichen wohlriechenden Blümlein ihren Geruch unsichtbarer Weise von sich geben, welcher durch den Geruch an sich gezogen wird, und wird dennoch dem Blümlein nichts entzogen, noch genommen, wenn schon etliche tausend Men-schen dieses Geruchs teilhaftig würden; also gibt unsere Paradiesblume, der Herr Christus, einen Geruch des Lebens von sich, so reichlich und überflüssig, dass er durch den Geruch des Glaubens von allen gläubigen Menschen an sich gezogen wird, und gehet ihm dennoch nichts ab, er verlieret nichts davon. Und gleichwie von einem einzigen Licht andere tausend können angezündet werden, und bleibet gleichwohl das Licht; also wird das Licht des Glaubens von dem eini-gen Licht, dem Herrn Christo angezündet und erleuchtet, und bleibet gleichwohl das ewige Licht ganz und unversehrt.

 

Gebet um Bekehrung zu Gott. (S. im Paradiesgärtlein.)

 

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