Leonhard Hutter (1563-1616):
Inbegriff der Glaubens-Artikel (Compendium locorum theologicorum)
Dreizehnter Artikel. Von der ewigen Gnadenwahl.
* 1. Wie unterscheidet sich das ewige Vorherwissen Gottes von der ewigen Vorherbestimmung desselben?
Das Vorherwissen oder Vorhersehen Gottes, nach welchem Er Alles vorhersieht und vorherweiß, ehe es geschieht, erstreckt sich über alle Kreaturen, sowohl gute, als böse. Die ewige Wahl aber, oder Gottes Verordnung zur Seligkeit, gehet nicht zugleich über die Frommen und Bösen, sondern allein über die Kinder Gottes, die zum ewigen Leben erwählet und verordnet sind, ehe der Welt Grund gelegt ward, wie der Apostel spricht Ephes. 1,4: „Er hat uns erwählet in Christo, und verordnet zur Kindschaft durch Jesum Christum.“ Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1094 f. vgl. Summ. Begr. Art. 11. S. 859. (S. 85)
* 2. Woher ist die gesunde Lehre von der ewigen Wahl Gottes zu nehmen?
Gewiss nicht aus einem geheimen, himmlischen und unerforschlichen Ratschluss Gottes; als wenn nichts mehr zu der ewigen Vorherbestimmung Gottes verlangt würde, als dass Gott vorhergesehen habe, welche und wie viele Menschen das Heil erlangen: und wer und wie Viele in Ewigkeit verloren gehen würden; oder, als wenn Gott eine militärische Musterung angestellt und gesagt hätte: dieser soll selig: jener aber verdammt werden: dieser soll bis zum Ende beständig im Glauben beharren: jener aber soll nicht beharren. Solche Gedanken erzeugen und bestärken im menschlichen Herzen gewiss entweder Sicherheit und Unbußfertigkeit, oder Angst und Verzweiflung. S. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1096.
* 3. Wäre vielleicht das Urteil unserer Vernunft über die ewige Vorherbestimmung Gottes zu hören und zu befolgen?
In keinem Stücke: denn dieses flüstert der Art Gedanken ein: „Hat mich Gott erwählet zur Seligkeit, so kann ich nicht verdammet werden, ich tue, was ich wolle. Und wiederum: Bin ich nicht erwählet zum ewigen Leben, so hilfts nichts, was ich Gutes tue, es ist doch alles umsonst.“ Diese und ähnliche Gedanken führen uns in der Tat in ein epikurisch Leben, oder stürzen uns in Verzweiflung. Conc. Form. Summ. Bgr. Art. 11. S. 860.
+ 4. Woher nun muss die gesunde Lehre von der ewigen Wahl Gottes genommen werden?
Aus dem offenbarten Wort Gottes: aber nicht aus dem Wort des Gesetzes, als welches Zorn wirket, Röm. 4,15; sondern nur aus dem Worte des Evangeliums, welches uns zu Christo führt, der jenes Buch des Lebens ist, in dem alle eingeschrieben sind, welche das ewige Heil erlangen, und welches den ganzen Vorsatz, Ratschluss, Willen und Verordnung Gottes, uns erkläret. Conc. Form. a. a. O. Erkl. Art. 11. S. 1100.
5. Was ist die ewige Vorherbestimmung Gottes?
Die Vorherbestimmung oder Wahl ist der von Ewigkeit gefasste Vorsatz und Beschluss des göttlichen Willens, nach welchem Gott aus bloßer Barmherzigkeit alle diejenigen in Christo zum ewigen Leben erwählet und zu retten beschlossen hat, welche wahr- (S. 86) haft an Christum glauben und in diesem Glauben bis zum Ende beharren: während alle übrigen, wegen des beharrlichen Unglaubens, der ewigen Verdammnis zugesprochen sind.
* 6. Damit ich diese Erklärung völliger verstehe, bitte ich, zu zeigen, was denn Gott in diesem ewigen Ratschluss und Vorsatz beschlossen hat?
Der Ratschluss oder Vorsatz der göttlichen Vorhersehung wird in acht verschiedenen Graden vollendet, nämlich 1) der Erlösung, 2) der Berufung, 3) der Bekehrung, 4) der Rechtfertigung, 5) der Heiligung, 6) der Erhaltung in allen Anfechtungen, 7) der Bestätigung bis ans Ende, 8) der Verherrlichung.
* 7. Was hat Gott über die Erlösung beschlossen?
Er hat beschlossen, dass das ganze menschliche Geschlecht wahrhaftig erlöset, und mit Gott durch Christum versöhnet würde. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1098.
* 8. Was hat Gott über die Berufung beschlossen?
„Dass das Verdienst und Wohltaten Christi durch sein Wort und Sakrament allen Menschen sollen vorgetragen, dargereicht und ausgeteilt werden.“ ebend.
* 9. Was über die Bekehrung?
„Dass er mit seinem h. Geist durch das Wort, wenn es gepredigt, gehöret und betrachtet wird, in uns wolle kräftig und tätig sein, die Herzen zu wahrer Busse bekehren, und im rechten Glauben erhalten.“ ebend. S. 1099.
* 10. Was über die Rechtfertigung?
„Dass er alle die, so in wahrer Busse durch rechten Glauben Christum annehmen, gerecht machen, sie zu Gnaden, zur Kindschaft und Erbschaft des ewigen Lebens annehmen wolle.“ ebend.
* 11. Was hat Gott über die Heiligung beschlossen?
„Dass er, die also gerechtfertigt, heiligen wolle in wahrer Liebe, wie s. Paulus Eph. 1,4 sagt.“ ebend.
* 12. Was über die Erhaltung?
Gott hat in seinem ewigen Ratschluss beschlossen, „dass er die Gerechtfertigten in ihrer vielfachen und verschiedenen Schwach- (S. 87) heit wider Teufel, Welt und Fleisch schützen, und auf seinen Wegen regieren und führen, und wenn sie gefallen sind, wieder aufrichten wolle, damit sie im Kreuze und Versuchungen einen gewissen Trost empfangen, und zum Leben erhalten werden.“ ebend.
* 13. Was über die Bestätigung bis ans Ende?
„Es ist sein ewiger Beschluss, dass er in ihnen das gute Werk, so er angefangen hat, stärken, mehren, und sie bis ans Ende erhalten wolle, wo sie an Gottes Wort sich halten, mit innigem Gebet seine Hülfe anrufen, an Gottes Gnade bleiben, und die empfangenen Gaben treulich brauchen.“ ebend.
* 14. Was über die Verherrlichung?
„Dass er endlich dieselbigen, so er erwählet, berufen, und gerecht gemacht hat, auch im ewigen Leben ewig selig und herrlich machen wolle.“ ebend.
* 15. Aber vielleicht hat Gott dies nur im Allgemeinen beschlossen, ohne besondere Rücksicht auf die Auserwählten?
„Gott hat auf diese Weise nicht im Allgemeinen nur die Seligkeit der Seinen bereitet, sondern hat auch alle und jede Personen der Auserwählten (welche durch Christum sollen selig werden) barmherzig vorausgewusst, zur Seligkeit erwählet, auch verordnet, dass er sie (die Auserwählten) auf die Weise, wie jetzt gemeldet, durch seine Gnade, Gaben und Wirkung des ewigen Heiles teilhaftig machen, dasselbe helfen und befördern, sie selbst stärken und erhalten wolle.“ ebend. S. 1099 und 1100.
* 16. Gehören aber jene acht Erfordernisse alle zum Beschluss der Wahl?
Gewiss: „und es soll keines derselben ausgeschlossen noch unterlassen werden, wenn man redet von dem Fürsatz, Vorsehung, Wahl, und Verordnung Gottes zur Seligkeit.“ ebend. S. 1100.
+ 17. Wolltest du wohl aus der heiligen Schrift beweisen, dass Gott des menschlichen Geschlechts sich also erbarmet habe, dass er will, dass alle gerettet werden?
Deutlich lehret das Evangelium, „dass Gott Alles beschlossen hat unter den Unglauben, auf dass er sich Aller erbarme.“ Röm. 11,32. (S. 88) Und Christus sagt selbst Joh. 3,16: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Und Paulus sagt: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ 1 Timoth. 2,4. Und Petrus: „Gott will nicht, dass Jemand verloren werde, sondern dass sich Jedermann zur Buße kehre.“ 2 Petr. 3,9. Vgl. Conc. Form. Summ. Begr. Art. 11. S. 860f. und Erkl. Art. 11. S. 1101.ff.
+ 18. Hat denn Gott auch gewollt, dass alle Menschen auf gleiche Weise von seinem Sohne erlöset würden?
Ja, er hat es gewollt: Jesai. 53,6: „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.“ Röm. 5,18. „Wie durch Eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen.“ 2 Korinth. 5,15. „Christus ist für alle gestorben.“ 1 Timoth. 2,6. „Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung.“ 1 Joh. 2,2. „Derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für der ganzen Welt.“ „Deshalb rufet Christus zu ihm alle Sünder und verheißet ihnen Erquickung, und ist ihm Ernst, dass alle Menschen zu ihm kommen, und ihnen raten und helfen lassen sollen, denen er sich im Wort anbietet, und will, dass man es höre: verheißt dazu die Kraft und Wirkung des heiligen Geistes, göttlichen Beistand zur Beständigkeit im Glauben und ewige Seligkeit.“ Conc. Form. Summ. Begr. Art. 11. S. 859. 860.
+ 19. Noch dies möchte ich, dass es bewiesen werde, nämlich dass Gott gesorgt habe, dass alle Menschen durch das Wort des Evangeliums zu Christo berufen würden?
Dies erhellet deutlich schon daraus, dass Christus befohlen hat, in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden zu predigen unter allen Völkern, Luc. 24,47. Conc. Form. Erkl. Art. 11 S. 1101; dass der Schall seines gepredigten Wortes ausgegangen ist in alle Lande, und an die Grenzen des (S. 89) Erdkreises. Ps. 19,5. Röm. 10,18; dass das Evangelium aller Kreatur, die unter dem Himmel, gepredigt ist, Koloss. 1,23. Conc. Form. a.a.O. S. 1104; dass er befohlen hat, alle Völker zu taufen, Marc. 16,15; dass er alle hat heißen trinken aus dem gesegneten Kelche, Matth. 26,27; dass er endlich verheißen hat, der heilige Geist werde mit dem gepredigten, gehörten und fleißig betrachteten Worte gegenwärtig und wirksam sein. S. 1109.
* 20. Ist's denn aber mit dieser allgemeinen Berufung Gott ein rechter Ernst?
Es sei fern, „dass wir solchen Beruf Gottes, so durch die Predigt des Wortes geschieht, sollten vor ein Spiegelfechten halten, sondern sollen gewisslich wissen, dass dadurch Gott seinen Willen, und zwar seinen ganz ernsten Willen offenbaret, dass er in denen, die er durch das Wort des Evangeliums berufet, wirken wolle, dass sie erleuchtet, bekehret und selig werden mögen.“ Und zwar ist dieser Wille Gottes so sehr ernst, dass er sogar mit Tränen der Unbußfertigkeit derer, welche verloren gehen, nachgehet, und feierlich beteuert, dass er den Tod der Sterbenden nicht will, sondern dass er sie habe sammeln wollen, wie eine Henne ihre Jungen sammelt. Ezech. 18,23 und Kap. 33,11. Matth. 23,37. Luc. 19,4. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1102.
* 21. Ist die ewige Wahl Gottes eben so allgemein, als die Barmherzigkeit Gottes, die Erlösung, und die Berufung allgemein ist?
Nein. Denn hier hat jenes Wort Christi Statt: Viele sind berufen, wenige auserwählt. „Und hat's die Meinung in keinem Wege, dass auch diejenigen die Auserwählten sein sollten, wenn sie gleich das Wort Gottes verachten, von sich stoßen, lästern und verfolgen: oder, wenn sie es hören, ihre Herzen verstocken: dem heiligen Geist widerstreben: ohne Busse in Sünden verharren: und an Christum nicht wahrhaftig glauben.“ Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1104 und 1105.
+ 22. Aber wieso?
Weil, „wie Gott in seinem ewigen Rath verordnet hat, dass der heilige Geist die Auserwählten durchs Wort berufen, erleuchten und bekehren, und dass er alle die, so durch rechten Glauben Christum annehmen, gerecht und selig machen wolle: Also hat er auch in seinem (ewigen) Rat beschlossen, dass er diejenigen, so durchs Wort berufen werden, wenn sie das Wort von sich stoßen, und dem heiligen Geist (der in ihnen durchs Wort kräftig sein (S. 90) und wirken will) widerstreben und darin verharren, verstocken und verdammen wolle.“ Ebend.
* 23. Somit ist also die Ursache dieser Sonderung nicht in Gott?
Ganz recht. Denn dass viele berufen, wenige aber auserwählet sind, kommt nicht daher, dass es mit Gottes Beruf, so durchs Wort geschieht, die Meinung haben sollte, als wollte Gott nicht, dass alle durch dasselbe bekehret und selig gemacht würden. Denn das hieße: Gott widersprechende Willensmeinungen andichten; als wenn der, welcher die ewige Wahrheit ist, sich selbst zuwider wäre, oder etwas Anderes spräche, Anderes aber im Herzen meinte, so doch Gott solche Untugend auch an Menschen strafet. Ja, auf diese Weise wird sogar der Grund unseres Glaubens umgestürzt, welcher sich allein auf das Wort Gottes stützt, und uns aus demselben über den Willen Gottes, im Bezug auf unser Heil, Gewissheit gibt. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S.1104. vgl. Summ. Begr. Art. 11. S. 861.
* 24. Was ist daher die Ursache, dass die ewige Wahl Gottes nicht eine allgemeine, sondern eine teilweise ist?
Die Ursache ist die Gottlosigkeit und Hartnäckigkeit der Menschen selbst. „Denn wenig nehmen das Wort Gottes mit Ernst an, und folgen ihm aufrichtig; der größte Haufe verachtet das Wort, und will zu der königlichen Hochzeit nicht kommen. Viele nehmen zwar das Wort Gottes anfangs mit großer Freude an, aber darnach fallen sie wieder ab, und kehren sich wiederum, und zwar mutwillig, von dem heiligen Gesetz Gottes ab.“ Ebend. S. 1106.
* 25. In wem ist die Erwählung geschehen?
Allein in Christo. Eph. 1,4. „Gott hat uns erwählet in Christo, ehe der Welt Grund gelegt war“ Und V. 6: „Gott hat uns sich angenehm gemacht durch den Geliebten.“ „Also weiset die ganze heilige Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und heil. Geist, alle Menschen auf Christum, als auf das Buch des Lebens, in dem sie des Vaters ewige Wahl suchen sollen.“ Weshalb Christus selbst spricht: „Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Joh. 14,6. Und: „Ich bin die Thür, so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden.“ Joh. 10,9. Conc. Form. Erklär. Art. 11. S. 1113. vgl. Summ. Begr. Art. 11. S. 861. (S. 91)
+ 26. Gut; Christus aber ist der Erlöser aller Menschen: Wenn nun die Erwählung in Christo geschehen ist, so sind alle Menschen in Christo erwählet, und folglich ist eine allgemeine Erwählung festzusetzen?
Christus wird in dem Ratschlusse der Wahl nicht nur als ein allgemeiner Mittler betrachtet, sondern auch sofern er von den Menschen im Glauben wirklich ergriffen wird. Denn er verkündigt den Willen des himmlischen Vaters und unsere Erwählung zum ewigen Leben selbst mit diesen Worten: Tut Buße und glaubet dem Evangelium. Marc. 1,15. Und an einem andern Orte: „Das ist der Wille des, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn sieht, und glaubet an ihn, habe das ewige Leben.“ Joh. 6,40. Und anderswo: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ S. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1113.
* 27. Also behauptest du, dass Gott die Menschen mit Rücksicht auf den vorhergesehenen Glauben erwählet habe?
Warum sollte ich es nicht, da doch die heilige Schrift dasselbe aufs deutlichste behauptet? Wenigstens versichert der Apostel Epes. 1,5: „Dass Gott uns verordnet hat zur Kindschaft gegen ihn selbst.“ Nun aber „gibt Christus nicht denen, welche von dem Geblüt, oder von dem Willen des Fleisches, oder von dem Willen eines Mannes, sondern denen, die von Gott geboren sind, das ist (nach der Erklärung Johannis), die an seinen Namen glauben, Macht, Kinder Gottes zu werden.“ Joh. 1,12. Daher sagt der Erlöser, Joh. 17,20., indem er die Auserwählten beschreibt: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden.“ 2 Thessal. 2,13. „Gott hat euch erwählet vom Anfang zur Seligkeit, in der Heiligung des Geistes, und im Glauben der Wahrheit.“ 1 Timoth. 1,16 nennt der Apostel diejenigen Auserwählte, welche glauben werden an Christum zum ewigen Leben. Jacob 2,5. „Hat Gott nicht erwählet die Armen auf dieser Welt, die am Glauben reich sind?“ (S. 92) Und deshalb fügt auch die Concordien-Formel im Auszug (Art. 11. S. 861) deutlich hinzu: „dass Gott in seinem ewigen Rat beschlossen hat, dass er außerhalb denen, so seinen Sohn Christum erkennen, und wahrhaftig an ihn glauben, Niemand wolle selig machen.“
28. Aber Gott scheint Ursache zu sein, dass nicht alle glauben; denn er schenkt nicht allen den Glauben?
Es sei fern von uns, zu behaupten, dass Gott irgend einem Menschen entweder den Glauben, oder, als Folge davon, die Seligkeit nicht gönne. Nein, die Gottlosen selbst sind Ursache ihres Verderbens und tragen die Schuld: weil sie das Wort nicht mit der Aufmerksamkeit, oder dem Vorsatze gehört haben, dass sie dasselbe mit Ernst, oder mit Begierde lernten: sondern dass sie es verachteten, lästerten und schändeten, und dem heiligen Geist, welcher durch das Wort in ihnen wirken wollte, widerstanden. Conc. Form. Erklär. Art. 11. S. 1117.
+ 29. Du hast oben unter die Merkmale der Auserwählten auch die Beharrlichkeit gestellt: ich möchte daher wissen, ob die Auserwählten über ihre Beharrlichkeit im Glauben gewiss sein können?
Sie können deren ganz gewiss sein; denn erstlich wissen sie, dass ihre Erwählung und Seligkeit einzig und allein in Christo gegründet ist, den auch die Pforten der Hölle nicht überwältigen können. S. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1107. „Es gibt auch also diese Lehre den schönen herrlichen Trost, dass Gott eines jeden Christen Bekehrung, Gerechtigkeit und Seligkeit so hoch ihm angelegen sein lassen, und es so treulich damit gemeint, dass er, ehe der Welt Grund gelegt, darüber Rath gehalten, und in seinem Fürsatz verordnet hat, wie er mich dazu bringen, und darinnen erhalten wolle. Item, dass er meine Seligkeit so wohl und gewiss habe verwahren wollen, weil sie durch Schwachheit und Bosheit unsers Fleisches aus unsern Händen leichtlich könnte verloren, oder durch List und Gewalt des Teufels und der Welt daraus gerissen und genommen werden, dass er dieselbige in seinem ewigen Vorsatz, welcher nicht fehlen oder umgestoßen werden kann, verordnet, und in die allmächtige Hand unseres Heilandes Jesu Christi, daraus uns niemand reißen kann, zu bewahren gelegt hat. Joh. 10,28. Daher auch Paulus sagt, Röm. 8,29ff.: „Weil wir nach dem Fürsatz Gottes berufen sind, wer will uns denn scheiden von der Liebe Gottes in Christo?“ Vgl. Summ. Begr. Art. 11. S. 859. (S. 93) Zweitens wohnt der heilige Geist in den Auserwählten, als in seinem Tempel; und ist in ihnen nicht müßig, sondern treibet sie an zum Gehorsam gegen die Gebote Gottes: ja er gibt ihnen Zeugnis, dass sie Gottes Kinder sind. S. Conc. Form. Erkl. Art 11. S. 1115. Drittens wissen sie gewiss, dass Gott, wenn sie ihn anrufen, sie erhöret; Luc. 11,13: „So denn ihr, die ihr arg seid, könnet euern Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?“ Conc. Form. a.a.O. S. 1114.
+ 30. So können also die Auserwählten nicht aus der Gnade Gottes fallen?
Wohl können sie es, doch so, dass sie durch wahre Buße und Glauben sich durch die Kraft des heiligen Geistes wiederum zu Gott bekehren, und zum Leben wieder kommen. Denn wenn sie nicht zurückkehrten, so wären sie nicht in der Zahl der Erwählten, sondern gehörten nur zu denen, welche eine Zeit glauben, aber in den Tagen der Verfolgung abfallen und verdammt werden. Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1115. „Und weil unsere Wahl zum ewigen Leben nicht auf unsere Frömmigkeit oder Tugend, sondern allein auf Christus Verdienst und gnädigen Willen seines Vaters gegründet ist, der sich selbst nicht verleugnen kann, weil er in seinem Willen und Wesen unwandelbar ist; derhalben, wenn seine Kinder aus dem Gehorsam treten und straucheln, lässt er sie durchs Wort wieder zur Buße rufen, und will der heilige Geist dadurch in ihnen zur Bekehrung kräftig sein, und wenn sie in wahrer Buße, durch rechten Glauben sich wieder zu ihm bekehren, will er das, alte Vaterherz immer erzeigen, allen denen, die sich ob seinem Wort fürchten, und von Herzen wieder zu ihm bekehren, wie geschrieben stehet Jerem. 3,1: „Wenn sich ein Mann von seinem Weibe scheiden lässt, und sie zeucht von ihm, und nimmt einen andern Mann, darf er sie auch wieder annehmen? Ist's nicht also, dass das Land verunreiniget würde? Du aber hast mit viel Buhlern gehurt, doch komm wieder zu mir, spricht der Herr.“
* 31. Ist die Zahl der Erwählten bestimmt?
Ja, was das Vorherwissen, oder vielmehr die Allwissenheit Gottes anlanget, nicht aber rücksichtlich eines absoluten Ratschlusses. Denn „es ist kein Zweifel, dass Gott gar wohl und aufs allergewisseste vor der Zeit der Welt zuvor ersehen habe, und noch wisse, welche von denen, so berufen werden, an Christum glauben, (S. 94) oder nicht glauben; Item, welche von den Bekehrten beständig, welche nicht beständig bleiben werden, welche nach dem Fall wiederkehren, welche in Verstockung fallen werden. Daher ist die Zahl sowohl derer, welche gerettet, als derer, welche verdammt werden, Gott ohne allen Zweifel bewusst und bekannt.“ Conc. Form. Erkl. Art. 11. S. 1109 f.