Leonhard Hutter (1563-1616):
Inbegriff der Glaubens-Artikel (Compendium locorum theologicorum)
Neunzehnter Artikel. Von den heiligen Sakramenten im Allgemeinen.
+ 1. Wer hat Macht und Gewalt, Sakramente zu stiften?
Kein Mensch hat Macht und Gewalt, Gnade zu verheißen, sondern Gott allein. Da nun die Sakramente Siegel der Gnade sind, so müssen sie durchaus Gott allein zum Stifter und Urheber haben. Daher sind Sakramente, welche ohne Befehl Gottes eingesetzt sind, keine gewisse, feste Zeichen der Gnade, wiewohl das einfältig Volk etlicher Maaßen durch dieselben möchte erinnert und unterwiesen werden. Apolog. Art. 7. S. 334.
2. Was sind die Sakramente, im Allgemeinen betrachtet?
Gewöhnlich werden die Sakramente erklärt, dass sie sind „äußerliche Zeichen und Zeremonien, die da haben Gottes Befehl, und haben eine angeheftete göttliche Zusage der Gnaden.“ Ebend.
+ 3. Kannst du nicht noch eine andere Erklärung geben?
Richtiger wird Sakrament erklärt, dass es sei eine heilige Handlung von Gott eingesetzt, welche aus einem Element oder äußerlichen Zeichen, und aus einer himmlischen Sache besteht; durch welche Handlung Gott nicht allein die dem Evangelium eigentümliche Verheißung der Gnade, d. i. der gnädigen Vergebung der Sünden, versiegelt; sondern auch himmlische Güter, die er bei der Einsetzung der einzelnen Sakramente verheißen hat, durch die äußerlichen Zeichen einem jeden, der das Sakrament genießt, wahrhaftig mittheilt, den Gläubigen aber zur Seligkeit zueignet. (S. 125)
4. Wie viel Arten der Sakramente gibt es?
Zwei; die einen nämlich gehören dem Alten, die andern gehören dem Neuen Bunde an. Jene hatten den Schatten der zukünftigen Güter, das ist, das Vorbild des Leibes und Blutes Christi; diese aber haben das Wesen oder den Leib selbst. Koloss. 2,17. Ebr. 10,1.
+ 5. Was wird zur Vollständigkeit der Sakramente erfordert?
Die Vollständigkeit der Sakramente besteht sowohl in ihrem Wesen, als auch in ihrer Frucht und kräftigen Wirkung.
+ 6. Worin besteht das Wesen oder die Substanz der Sakramente?
In zwei Dingen: nämlich in einer irdischen, und in einer himmlischen Sache. Die irdische Sache ist das sichtbare Element, welches, bei der Beschneidung in dem Abschneiden der Vorhaut, beim Osterlamm in dem Genießen des Lammes bestand; bei der Taufe aber ist es das Wasser, und bei dem Abendmahle das Brot und der Wein. Die geistliche oder himmlische Sache ist der Leib und das Blut Christi, welches in den Sakramenten des Alten Bundes nur vorbildlich, in den Sakramenten des Neuen Bundes aber wesentlich gegenwärtig ist.
+ 7. Was beschreibt den Nutzen und die Wirkung der Sakramente?
Das Wort, und zwar ein doppeltes: Nämlich 1) der Befehl, welcher sich auf die Form oder Handlung des Sakraments bezieht, als: Esset, Trinket, Taufet u. s. w. 2) Das Wort der Verheißung, welches Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und ewiges Leben jedem verspricht, welcher im wahren Glauben des Sakramentes sich bedient, als: wer da glaubt und getauft wird, der wird selig. Ferner: das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; und: dies ist der Kelch des Neuen Testaments in meinem Blut, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.
8. Wie viele Sakramente gibt es im Neuen Bunde?
Nur zwei, wenn man das Wort „Sakrament“ im eigentlichsten Sinne nimmt, nämlich die Taufe und das heil. Abendmahl. Apolog. Art 7. S. 334 „So sind nun rechte Sakramenta, die die Taufe und das Nachtmahl (S. 126) des Herrn, die Absolution. Denn diese haben Gottes Befehl, haben auch Verheißung der Gnaden, welche denn eigentlich gehöret zum neuen Testament und ist das neue Testament. Denn dazu sind die äußerlichen Zeichen eingesetzt, dass dadurch bewegt werden die Herzen, nämlich durchs Wort und äußerliche Zeichen zugleich, dass sie glauben: Wenn wir getauft werden, wenn wir des Herrn Leib empfangen, dass Gott uns wahrlich gnädig sein will durch Christum etc.“
* 9. Ist denn die Absolution nicht auch ein Sakrament?
Die Apologie stellt die Absolution zwar auch unter die Zahl der Sakramente, doch nur indem sie uneigentlich redet, und sie nach der Ähnlichkeit betrachtet, welche sie mit den andern eigentlich so genannten Sakramenten hat.
* 10. Welches ist diese Ähnlichkeit?
Diese bestehet darin, dass die Absolution, ebenso wie die eigentlich so genannten Sakramente, 1), von Gott befohlen ist, 2) die Verheißung der Gnade jedem Gläubigen zueignet, und 3) weil an einigen Orten bei derselben die äußerliche Zeremonie der Hand-Auflegung üblich und gebräuchlich ist.
* 11. Was fehlt daher der Absolution, dass sie nicht unter die eigentlich so genannten Sakramente gesetzt wird?
Weil die Absolution einer von Gott selbst geordneten Zeremonie, und zwar eines äußerlichen Elementes, welches doch bei jedem Sakramente erfordert wird, ermangelt; so erhellet, dass sie nur uneigentlich und im weiteren Sinne das Sakrament der Buße genannt wird. Dies erkennt auch die Apologie selbst an, indem sie sagt (Art. 7. S. 337): „so man alle Dinge wollte mit so herrlichem Titel „Sakrament“ nennen, darum, dass sie Gottes Wort und Befehl haben, so sollte man billig das Gebet, die Almosen, das Kreuz, alle Stände der Menschen, geordnet und gebilligt, Sakramente nennen.
* 12. Können denn vielleicht die Konfirmation und letzte Ölung eigentliche Sakramente genannt werden?
Nein: denn die Konfirmation und letzte Ölung sind Zeremonien, welche nicht von Gott geordnet sind, sondern von den alten Vätern herkommen, welche auch die Kirche niemals für nötig zur Seligkeit geachtet hat. Dann haben sie auch nicht die Verheißung der Gnade, und daher passt die Erklärung, was ein Sakrament sei, gar nicht auf sie. Apolog. ebend. S. 335. (S. 127)
*13. Behauptest du dies auch von dem Priesterstand, welchen die Katholischen ebenfalls unter die Sakramente zählen?
Ganz dasselbe. Denn obgleich das Predigt-Amt von Gott eingesetzt ist, und herrliche Verheißungen hat: so kann doch dieser Stand oder der Dienst des Worts nur uneigentlich und in der allgemeinen Bedeutung ein Sakrament genannt werden, weil die durch Handauflegung geschehende Zeremonie der Ordination weder den Befehl, noch eine Verheißung Gottes hat. – Ebend.
* 14. Aber was urteilst du von der Ehe?
Auch diese halte ich nicht für ein eigentliches Sakrament des Neuen Bundes. Denn einmal ist der eheliche Stand nicht erst eingesetzt im Neuen Testament, sondern bald, als das menschliche Geschlecht geschaffen ist. Dann ist er wohl von Gott befohlen, hat auch göttliche Zusagungen; aber diese gehören nicht zu dem Neuen Testament, oder zu unsrer Seligkeit, sondern gehen mehr das leibliche Leben an. Ebend. S. 336.
* 15. Wie kann man sich der Sakramente mit Nutzen bedienen?
Zum rechten Gebrauch der Sakramente gehört der Glaube, welcher den Verheißungen glaubt, die in den Sakramenten angeboten werden, d.i., welcher fest glaubt, dass die in den Sakramenten verheißenen Dinge mitgeteilt, und empfangen werden. Augsb. Conf. Art. 3. S. 45. – Apol. Art. 7. S. 338.
* 16. Also meinest du, dass die Sakramente nichts zur Seligkeit nützen, als äußerliche Werke und Zeremonien (opus operatum)?
Diese Meinung der Katholischen, welche behaupten, dass die Sakramente demjenigen, welcher nur keinen Riegel vorschiebt, wenn er auch sonst ohne gute Herzensbewegung hinzutritt, Gnade bringen, bloß wegen der äußerlichen Handlung und Gebrauchs, diese Meinung verdamme ich geradezu. Apolog. Art. 7. S. 337 f.
* 17. Wolltest du wohl die Meinung der Katholischen deutlicher erklären?
Sie haben festgesetzt: es werde nicht verlangt, dass der Mensch zu dem heilsamen Gebrauch des Sakraments sich vorbereite; auch werde eine gute Bewegung in dem Herzen dessen, welcher das Sakrament empfängt, nicht erfordert: sondern schon dadurch, dass dieses Werk, nämlich das Sakrament, getan und angenommen wird, widerfahre denen, die es gebrauchen, Gnade, wenn nur kein (S. 128) Riegel vorgeschoben werde, das ist, wenn nur nicht die Schuld einer Todsünde, oder der Vorsatz, eine solche zu begehen, da sei.
+ 18. Aus welchen Gründen verwirfst du die Meinung der Katholischen?
1) „Ist es ein jüdischer Irrtum, so sie halten, dass wir sollen durch ein Werk und äußerliche Zeremonien gerecht und heilig werden, ohne Glauben, und wenn das Herz schon nicht dabei ist.“ Apolog. Art. 7. S. 338. 2) „Paulus schreiet dawider und sagt, dass Abraham sei für Gott gerecht worden nicht durch die Beschneidung, sondern die Beschneidung sei ein Zeichen gewesen, den Glauben zu üben und zu stärken.“ Ebend. 3) „Die göttliche Zusage kann niemand fassen, denn allein durch den Glauben. Und die Sakramente sind äußerliche Zeichen und Siegel der Verheißung. Darum zum rechten Brauch derselbigen gehört Glaube.“ Ebend. 4) Die hässliche, ungöttliche Lehre vom opere operato, da sie gelehrt, dass, wenn ich der Sakramente gebrauche, so macht das getane Werk mich für Gott fromm, und erlangt mir Gnade, obgleich das Herz keinen guten Gedanken darzu hat, hat unendlich viel Missbräuche in der Kirche erzeugt, besonders jene vielfache Greuel der Messen. Ebend. S. 339. 5) „Und sie können keinen Titel noch Buchstaben aus der heiligen Schrift und den alten Vätern anzeigen, dadurch der Katholischen Opinion (Meinung) beweiset werde. Ja, Augustinus sagt stracks darwider, dass der Glaube im Brauch des Sakraments, nicht das Sakrament, für Gott uns fromm mache. Und Sct. Paulus: Mit dem Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, Röm. 10,10.“ Ebend.