Leonhard Hutter (1563-1616):
Inbegriff der Glaubens-Artikel (Compendium locorum theologicorum)
Vierter Artikel. Von der Schöpfung.
1. Was heißt schaffen?
Schaffen heißt entweder ganz und gar aus Nichts Etwas machen, oder aus einer rohen und ungeordneten Masse etwas hervorbringen. Wegen Ähnlichkeit des Begriffs aber wird es jedoch von dem Apostel (S. 32) auch für die geistliche Wiedergeburt und Heiligung gebraucht, Ephes. 2,10: „denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken.“ – Melanchth. im Exam. Dr. Hunnius.
2. Was ist die Schöpfung?
Die Schöpfung ist die äußerliche Handlung der ganzen Dreieinigkeit, in welcher Gott alle geschaffene Dinge, sichtbare und unsichtbare, in dem Zeitraume von sechs Tagen, nach seinem völlig freien und guten Willen aus Nichts gemacht hat.
+ 3. Womit beweisest du, dass die Schöpfung ein Werk der ganzen Dreieinigkeit ist?
Aus der heiligen Schrift: 1 Mos. 1,1-3: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde: Und Gott sprach, es werde Licht: Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ Denn durch das Wort „er sagte“ darf nicht das äußere Wort, als Ausdruck des innern Gedankens, oder das verschwindende Wort, sondern es muss darunter verstanden werden das wesentliche Wort Gottes, das ist, der Sohn Gottes, wie Johannes bezeugt im Evangel. Kp. 1, V.1ff.: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbige war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Hierher gehört auch Ps. 33,6: „Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht, und alles sein Heer durch den Geist seines Mundes.“ Endlich muss man die Regel Augustins in Bekanntschaft halten: „Die äußerlichen Werke der Gottheit sind unteilbar.“ – (Mit diesen Worten will der heil. Augustin sagen, dass die Werke, welche Gott nach außen hin, außerhalb seines Wesens vollbringt, nicht einer oder der andern Person der heil. Dreieinigkeit allein zuzuschreiben sind, sondern dass die ganze heil. Dreifaltigkeit an ihnen Teil hat. Anm. des Übers.)
* 4. Warum wird aber in dem Apostolischen Glaubensbekenntnisse das Werk der Schöpfung allein dem Vater zugeschrieben?
Weil in dem Werke der Schöpfung sich vorzüglich Gott der Vater geoffenbart hat, als Vater und Schöpfer, und Erhalter aller geschaffenen Dinge.
* 5. Aus welcher Materie hat Gott die Welt geschaffen?
Gott schuf zuerst, weil keine Materie vorher da war, eine rohe und ungeordnete Masse: aus welcher er nachher Himmel (S. 33) und Erde, und die übrigen Geschöpfe der Reihe nach hervorbrachte und bildete. Ps.148,5. „Er gebietet, so wird es geschaffen.“ Ebr. 11,3. „Durch den Glauben merken wir, dass die Welt durch Gottes Wort fertig ist; dass alles, was man sieht, aus Nichts geworden ist.“
+ 6. Welche sind vorzüglich die Ursachen, warum Gott dies Alles geschaffen hat?
Die antreibende Ursache war Gottes unendliche Güte, welcher, wie er in sich das höchste Gut ist, so auch einen Teil dieser seiner Güte uns ganz freiwillig mittheilen wollte. Joh. 1,3. Ebr. 1,2. Die Endursache ist, dass er von den Geschöpfen wiederum erkannt und verherrlicht würde, Ps. 19,1: „die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.“
* 7. Welche war die Reihenfolge der Schöpfung?
Ob Gott wohl nach seiner unendlichen Allmacht auch in einem einzigen Augenblick hätte Alles, was im Himmel und auf Erden ist, schaffen und vollenden können; so wollte er doch lieber nach einer Ordnung vorschreiten, und in sechs Tagen die Welt gründen und bereiten. Die einzelnen Tageswerke hat Georg Fabricius schön in diesen Versen zusammengefasst: Erste Tag zeuget das Licht: es gründet der and're den Himmel: Nach dem stehet die Erde: am vierten zwei Lichter erglänzen: Fünfte erfüllt die verödete Erd' mit verschiedenen Tieren: Gleich dem göttlichen Bilde wird Adam am sechsten gebildet.