Lieder: Die Sünde
1.
Der ersten Unschuld reines Glück,
wohin bist du geschieden?
Du flohst, und kehrest nicht zurück
mit deinem süßen Frieden!
Dein Edengarten blüht nicht mehr;
verwelkt durch Sündenhauch ist er,
durch Menschenschuld verloren!
2.
Ach, wider Gottes Prüfungswort
und den Befehl der Liebe
reißt bald zum Ungehorsam fort
die Macht betörter Triebe!
Vom Schlangenwort der Lust versucht,
vergällt der Mensch durch ihre Frucht
sein Glück, sein Herz, sein Leben!
3.
Frei will er sein, sein eigner Gott,
will tun, was ihn gelüstet,
bald auch mit Deutelei und Spott
zum bösen Schritt gerüstet!
Die Unschuld flieht, und innre Schmach
folgt auf dem Fuß der Sünde nach
und sucht nach Feigenblättern.
4.
Wer kann mit schnödem Heuchelspiel
vor Gott die Blöße decken?
„Wo bist du?“ – ruft’s im Abendkühl,
– „umsonst ist dein Verstecken!
Was tatst du?“ ruft, der alles sieht,
dem keine Nacht die Sünd entzieht,
der allgerechte Richter.
5.
Ach, neu verjüngt sich fort und fort
des ersten Falls Geschichte!
Das Herz, verführt durch Schlangenwort,
verfällt dem Schuldgerichte.
Vergebens wüsch‘ es gern sich rein,
der Kläger ruft: „die Schuld ist dein,
und horch, der Ew’ge richtet!“
6.
Die Strafe schont, o Sünder, nicht,
ihr Fuß wird nicht verziehen.
Du fliehest Gottes Aug und Licht,
und kannst ihm nicht entfliehen.
Und dennoch lockt die Sünde noch
und drücket dich mit argem Joch,
– wenn kein Erlöser rettet.
7.
Nehmt, was die Schrift euch lernen hieß,
zu Herzen wie zu Ohren:
Der Unschuld blüht ihr Paradies;
durch Schuld geht es verloren!
Der Flammencherub tritt hervor
und schließt des Paradieses Tor;
wer will den Cherub zwingen?
8.
Heil, Heil, dass uns ein Held erschien,
ein Heiland allen Sündern!
Den Schlangenkopf zertrat er kühn,
der Sünde Sieg zu hindern.
Im Glauben nehmt den Retter an,
er führt euch seine Siegesbahn;
auf, kämpft an seiner Seite!
9.
Er führt ins Paradies zurück
den schuldentladnen Schächer;
der Arge flieht vor seinem Blick
und zittert vor dem Rächer;
das Schwert des Cherubs droht nicht mehr;
vom neuen Eden winket her
der Baum des ewgen Lebens!
K. B. Garve +1841.
Mel. Herr Jesu Christ, du höchstes.
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1.
Gott, welch‘ Verderben wohnt in mir!
Wie oft, wie oft missfall ich dir!
Durch wie viel Sünden! wer erzählt,
wie oft der Mensch nur täglich fehlt,
er, dessen Herz, dieweil er lebt,
durch sein Verderben widerstrebt!
2.
Dir widerstrebt, wenn er sich auch,
erhellt durch deines Lichts Gebrauch.
Bekehrt durch deines Geistes Kraft,
entschließt, gerecht und tugendhaft,
in seinem ganzen Wandel rein,
und ohne Falsch vor dir zu sein!
3.
Oft fehlt er aus Unwissenheit;
oft durch die Macht der Sinnlichkeit;
durch Trägheit, nur auf dich zu schau‘n,
durch Sicherheit und Selbstvertrau‘n,
verirrt er sich, beleidigt dich,
und seinen Nächsten oder sich.
4.
Ihm mangle weder Kraft noch Licht:
Wie oft vergisst er seine Pflicht!
Wie oft fehlt ihm zum Kampfe Mut!
Und, wenn er seine Pflicht auch tut,
wie zaudert er, wie lässig ist
nicht selten der geübte Christ!
5.
Doch, wer zum Sündensklaven sich
verkauft hat, o wie wissentlich,
mit welchem Frevel sündigt der!
Wie häuft er stets die Laster mehr,
wenn Leidenschaft und Sinnlichkeit,
dir nicht zu folgen, ihm gebeut!
6.
Er achtet nicht auf dich, o Gott!
Sich zu betäuben, treibt er Spott
mit allem dem, was göttlich heißt,
betrübt, erbittert deinen Geist;
verleugnet Zukunft und Gericht
aus Hass nur gegen seine Pflicht.
7.
Und hält in seiner Bosheit Lauf
ihn and‘rer Menschen Macht nicht auf:
Was achtet seiner Lüste Wut
der Brüder Jammer, und ihr Blut?
Wenn er erreicht, was ihm gefällt,
was kümmert ihn das Wohl der Welt?
8.
So schrecklich ist der Sünde Macht!
Drum selig, wer sich selbst bewacht,
dass er nicht falle wissentlich,
dich lieb’ und ehre, Herr! nur dich!
Und dir und deinem Wort getreu
bei aller seiner Schwachheit sei!
Johann Andreas Cramer +1788.
Mel. Vater unser im Himmel etc.
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1.
Ich will von meiner Missetat
zum Herren mich bekehren.
Du wollest selbst mir Hilf und Rat
hierzu, o Gott, bescheren
und deines guten Geistes Kraft,
der neue Herzen in uns schafft,
aus Gnaden mir gewähren.
2.
Natürlich kann ein Mensch doch nicht
sein Elend selbst empfinden,
er ist ohn deines Geistes Licht
blind, taub und tot in Sünden,
verkehrt ist Will, Verstand und Tun;
des großen Jammers komm mich nun,
o Vater, zu entbinden.
3.
Klopf durch Erkenntnis bei mir an
und führ mir wohl zu Sinnen,
was Böses ich vor dir getan,
du kannst mein Herz gewinnen,
dass ich aus Kummer und Beschwer
lass über meine Wangen her
viel heiße Tränen rinnen.
4.
Wie hast du doch auf mich gewandt
den Reichtum deiner Gnaden,
mein Leben dank ich deiner Hand,
die hat mich überladen
mit Ruh, Gesundheit, Ehr und Brot,
du machst, dass mir noch keine Not
bis hieher können schaden.
5.
Hast auch in Christo mich erwählt
tief aus der Höllen Fluten,
dass niemals mir es hat gefehlt
an irgend einem Guten,
und dass ich ja dein eigen sei,
hast du mich auch aus großer Treu
gestäupt mit Vater-Ruten.
6.
Wer gibt den Kindern, was du mir
gegeben zu genießen?
Schenk aber ich Gehorsam dir?
Das zeuget mein Gewissen,
mein Herz, in welchem nichts gesund,
das tausend Sündenwürme wund
bis auf den Tod gebissen.
7.
Die Torheit meiner jungen Jahr
und alle schnöden Sachen
verklagen mich zu offenbar;
was soll ich Armer machen?
Sie stellen, Herr, mir vors Gesicht
dein unerträglich Zorngericht
und offnen Höllenrachen.
8.
Ach, meine Greuel allzumal
schäm ich mich zu bekennen,
es ist ihr weder Maß noch Zahl,
ich weiß sie kaum zu nennen
und ist ihr keiner noch so klein,
um welches willen nicht allein
ich ewig müsste brennen.
9.
Bisher hab ich in Sicherheit
fein unbesorgt geschlafen,
gesagt: es hat noch lange Zeit,
Gott pflegt nicht bald zu strafen;
er fähret nicht mit unsrer Schuld
so strenge fort, es hat Geduld
der Hirt mit seinen Schafen.
10.
Dies alles jetzt zugleich erwacht,
mein Herz will mir zerspringen,
ich sehe deines Donners Macht,
dein Feuer auf mich dringen,
du regest wider mich zugleich
des Satans und der Höllen Reich,
die wollen mich verschlingen.
11.
Die mich verfolgt, die große Not
fährt schnell ohn Zaum und Zügel.
Wo flieh ich hin? Du Morgenrot,
erteil mir deine Flügel,
verbirge mich, du fernes Meer,
stürzt doch herab, fallt auf mich her,
ihr Klippen, Berg und Hügel.
12.
Ach! nur umsonst, und könnt ich auch
bis in den Himmel steigen
und wieder in der Höllen Bauch
mich zu verkriechen neigen;
dein Auge dringt durch alles sich,
du wirst da meine Schand und mich
der lichten Sonne zeigen.
13.
Herr Jesu, nimm mich zu dir ein,
ich flieh in deine Wunden,
die du, o Heiland, wegen mein
am Kreuze hast empfunden,
als unser aller Sündenmüh
dir, o du Gotteslamm, ward hie
zu tragen aufgebunden.
14.
Wasch mich durch deinen Todesschweiß
und purpurrotes Leiden
und lass mich sauber sein und weiß
durch deiner Unschuld Seiden.
Von wegen deiner Kreuzeslast
erquick, was du zermalmet hast,
mit deines Trostes Freuden.
15.
So angetan will ich mich hin
vor deinen Vater machen,
ich weiß, er lenket seinen Sinn
und schaffet Rat mir Schwachen,
er weiß, was Fleisches Lust und Welt
und Satan uns für Netze stellt,
die uns zu stürzen wachen.
16.
Wie werd ich mich mein Lebelang
vor solcher Plage scheuen,
durch deines guten Geistes Zwang,
den du mir wollst verleihen,
dass er von aller Sündenlist
und dem, was dir zuwider ist,
helf ewig mich befreien.
Louise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg, 1653.
Mel. Es ist gewisslich an der Zeit.