Chemnitz - Beichte
VON DER BEICHTE UND ABSOLUTION.
WAS NENNET CHRISTUS DIE SCHLÜSSEL DES HIMMELREICHS?
Das Wort, die Predigt, die Lehre oder das Amt, darin und dadurch aus Gottes Befehl und durch göttliche Kraft den Unbußfertigen und Ungläubigen die Sünde gebunden und behalten, den Bußfertigen aber und den Gläubigen um Christus willen gelöset und vergeben werden, Matth. 16. Joh. 20.
WARUM GIBT CHRISTUS DER PREDIGT UND DEM AMT DIESEN NAMEN, DASS ERS HEIßT DIE SCHLÜSSEL DES HIMMELSREICHS?
Darum, dass er anzeigen will, dass es nicht ein vergeblich, unnütz Gewäsch sei, sondern dass der Heilige Geist dabei sei, dadurch kräftig sei und wirke, dass dadurch viel Seelen ins Himmelreich gebracht werden. Derhalben soll ein Prediger durch diesen Namen, dass ihn die Schlüssel des Himmelreichs gegeben sind, sich erinnern, dass er in seinem Amt nicht in gemeinhin recitative, wie eine Historie allein predige von Sünden, von Buße, vom Glauben, von Vergebung der Sünden, von Gehorsam, von Besserung etc., sondern dass ers also auf seine Zuhörer appliziere, mit solchen Treuen und Ernst meine, als der da gewiss sei, dass der Heilige Geist durch solch sein Amt in den Herzen der Zuhörer Buße, Glauben, Besserung geben, mehren, bestätigen und erhalten wolle; item, dass seine Arbeit nicht vergebens sei im Herrn, 1 Kor. I5, sondern wo er in seinem Amt durchs Wort die Unbußfertigen mit Gottes Zorn und Fluch bindet, dass solches im Himmel gebunden sei, und wo er aus Gottes Wort den Bußfertigen und Gläubigen den Trost der Gnade Gottes verkündiget, dass solches nicht allein gute Worte seien, sondern dass es im Himmel gelte, gelöset und vergeben sei. Matth. 16. Joh. 20. Desgleichen sollen auch die Zuhörer durch den Namen der Schlüssel des Himmelreichs sich erinnern, dass sie das Wort und Amt nicht verachten noch für ein bloß Gewäsche, damit man einem die Ohren voll schlägt, halten sollen, sondern wissen und gedenken, wo sie ins Himmelreich wollen, dass dasselbige durch diese Schlüssel ihnen müsse geöffnet werden. Item, da es ihnen mangelt an Buße, Glauben, Besserung etc., dass dies das Mittel und Werkzeug sei, dadurch der Heilige Geist solches geben, mehren und erhalten wolle. Item, wenn sie mit der Strafpredigt getroffen werden, dass sie solches vom Rocke nicht abschütteln können, sondern wo sie in Unbußfertigkeit und Unglauben verharren, dass solches im Himmel gebunden und behalten sei. Desgleichen auch, wenn ihnen aus Gottes Wort Trost verkündiget wird, dass es nicht Worte und Federn sind, wie man spricht, sondern dass der Heilige Geist selber durch das Mittel uns den Trost zuspricht, und dass es auch also im Himmel bei Gott gelte, gelöset und vergeben sei. Derhalben soll mit Fleiß erkläret und oft betrachtet werden, wie und warum Christus vom Predigtamt also redet: Dir will ich die Schlüssel des Himmelreichs geben. Matth. 16.
WIRD DIE SÜNDE ALLEIN INSGEMEIN, ODER ALLEIN INSONDERHEIT GEBUNDEN UND GELÖSET?
Die Schrift zeuget, dass Binden und Lösen geschehe auf zweierlei Weise: erstlich in der gemeinen Predigt, wenn aus und nach Gottes Wort Sünde gestraft, Gottes Zorn und Verdammnis gedrohet wird denen, die sich nicht bekehren, wenngleich der Prediger nicht weiß eines jeden Sünde, und wenngleich ein jeder insonderheit nicht gestraft wird, so werden doch dadurch der Unbußfertigen und Ungläubigen (Sünden) vor Gott im Himmel gebunden und behalten, Matth. 24. Luk. 10. 13. Act. 13. 14. Eph. 5. 2 Thess. 1. Also auch, wenn in der gemeinen Predigt nach Vermahnung zur Buße die Verheißung des Evangelii vorgetragen und die Leute zum Glauben vermahnet werden, wer da dieselbige Verheißung durch wahren Glauben in sein Herz fasset und also ergreifet und zu sich nimmt, der soll nicht zweifeln, dass ihm also und dadurch Gott im Himmel seine Sünde löse, erlasse und vergebe. Also wird der Löseschlüssel in der gemeinen Predigt geführet Act. 3. 4. 10. 16, und Luk. 10 spricht Christus: Wenn ihr den Frieden verkündiget, wenn da ein Kind des Friedens ist, so wird der Friede auf ihm ruhen. Zum andern, weil aber oft an gemeines Strafen und Binden der Sünder sich nichts kehret, so hat Gott verordnet, dass der Bindeschlüssel auch insonderheit personenweise solle gebraucht werden mit dem Bescheide, dass erstlich in geheim und insonderheit der Sünder seiner Sünde und Gottes Gerichts erstlich erinnert und also zur Buße vermahnet werde, darnach im Beisein etlicher Zeugen. Wo aber das alles nicht hilft, soll das Binden öffentlich geschehen im Namen der ganzen Gemeine, Matth. 18. 1 Kor. 5. 1 Tim. 5. 2 Thess. 3, und das zu dem Ende, auf dass der Geist selig werde, der Sünder schamrot werde, auch andere sich fürchten, 1 Kor. 5. 2 Thess. 3. 1 Tim. 5. Also ist der Bindeschlüssel gebrauchet gegen Kain, Ham, Simon Magus, Elymas, item: 1 Kor. 5. 2 Thess. 3. l Tim. 1. Desgleichen auch, wenn ein armes Gewissen seinen schwachen Glauben aus der gemeinen Predigt nicht genug stärken kann, sondern darüber disputieret: Wer weiß, ob Gott auch dich großen, unwürdigen Sünder damit meine; wer weiß, was er im Himmel über deine Person gedenke und beschlossen habe? so hat Christus zu mehrerem, gewisserem, beständigerem Trost der armen Gewissen nicht allein insgemein das Evangelium geprediget, sondern auch privatim, insonderheit oder personweise einem armen Gewissen Vergebung seiner Sünde verkündiget, Matth. 9. Luk. 7. 19 und 23, und hat denselbigen Löseschlüssel auch also seinen Dienern gegeben mit gnädiger Verheißung, Matth. 16 und 18, Joh. 20. Und das heißt Privatabsolution. Was ist denn die Privatabsolution? Wenn ein verordneter Diener der Kirche oder im Fall der Not ein gemeiner Christ den Trost des Evangelii nicht insgemein oder in Haufen verkündiget, sondern wenn er insonderheit einem armen Sünder, der in rechter Buße durch wahren Glauben Gottes Gnade in Christo sucht und begehret, Vergebung der Sünden verkündiget, also, dass er ihn von seinen Sünden losspricht und ledig zählet im Namen Christi, in welcher Handlung Christus selber mit seinem Geist gegenwärtig sein will, Matth. 18. 28. Joh. 20, der auch selbst gewisslich und wahrhaftig durch dies Mittel einem armen Gewissen Vergebung seiner Sünde reichet, schenket, zueignet und vergewissert mit der gnädigen Vertröstung, was also auf Erden vergeben und gelöset wird, das soll auch im Himmel vergeben und los sein, Matth. 9. 2 Kor. 2. Matth. 16. Joh. 20. Und was dies für ein herrlicher, schöner Trost sei, soll fleißig erkläret werden, nämlich dass ich weiß, wo ich meinen Herr Christum antreffen kann, dass er mit meiner armen Person durch sein Wort insonderheit handeln möge, dass ich für meine Person mich des schönen Spruchs trösten und annehmen könne: Sei getrost, mein Sohn, dir sind deine Sünden vergeben; gehe hin im Frieden, Matth. 9. Luk. 7; item, dass ich nicht disputieren dürfe, was Gott droben im Himmel von meiner Person denke, sondern dass ich dasselbe hier auf Erden kann gewiss werden, also dass es im Himmel gelte; und dabei will sein der Heilige Geist, Joh. 20, der durchs Wort den Glauben stärken und erhalten will. Dieser Ursachen halben soll die Absolution hoch gehalten, oft und gerne gesucht und gebraucht werden.
SOLL MAN DENN EINEN JEDEN ABSOLVIEREN, ER SEI, WIE ER WOLLE, ODER HAT EIN PREDIGER MACHT ZU BINDEN UND ZU LÖSEN, WENN UND WIE ER WILL?
Nein; sondern Christus spricht Joh. 20: Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch auch, nämlich nicht nach eurem Willen, oder nach der Welt Gefallen, Joh. 6 und 7, sondern nach Gottes Befehl und Willen, Joh. 8. 12., das Binde- und Löseamt zu führen. Derhalben wo Gott bindet, da soll auch der Prediger binden, und wo Gott löset, da soll auch der Prediger lösen. Wo Gott aber selbst nicht bindet oder löset, da soll auch der Prediger nicht binden oder lösen. Wo nun keine wahre Buße und kein rechter Glaube ist, da löset Gott nicht, sondern bindet mit seinem Gerichte, Jerem. 5. Luk. 15. Joh. 3. Darum soll der Prediger auch da nicht lösen, sondern binden. Wo aber ein armer Sünder in rechter Buße durch wahren Glauben Gottes Gnade in Christo sucht und begehret, da bindet Gott nicht, sondern löset, Hes. 33. Luk. 15. Derhalben soll auch da der Prediger nicht binden, sondern lösen. Matth. 18. Luk. 17.
WIE KANN ABER EIN PREDIGER WISSEN, WO BUßE UND GLAUBE SEI ODER NICHT?
Dazu halten wir in unserer Kirche die Unterredung und Exploration in der Beichte mit denen, so der Absolution und des Abendmahls des Herrn begehren.
MEINE ICH DOCH, DES PAPSTES OHRENBEICHTE SEI UNRECHT UND ABGETAN.
In des Papstes Beichte sind vornehmlich drei Stücke falsch und unrecht. Erstlich, dass darin erfordert wird vollkommene und ausdrückliche Erzählung und Offenbarung gegen den Beichtvater aller und jeder Sünde, also dass die Sünde, so dem Priester in der Beichte nicht offenbaret wird, nicht könne vergeben werden. Zum andern, dass solch Werk der Beichtung verdienstlich sei zur Vergebung der Sünde. Zum dritten, dass sie die Beichte darum halten, damit einem jeden gebührliche Genugtuung für seine Sünde aufgeleget werden möge, welches alles ohne und wider die Schrift ist, derhalben auch solche Beichte gestraft und billig abgetan wird.
SOLL MAN DENN GLEICHWOHL DAS BEICHTEN IN DER KIRCHE HABEN UND BEHALTEN?
Die heilige Schrift lehret von dreierlei Beichte. Erstlich, dass die ganze Gemeine und ein jeder insonderheit seinem Gotte ihre Sünde mit bußfertigem Herzen beichten und bekennen solle. Ps. 132. 1 Joh. 3. Ps. 106. Dan. 9. Esr. 9 und 10. Zum andern, wer seinen Nächsten beleidigt hat, dass ers demselbigen bekennen und abbitten soll. Matth. 5 und 18. Luk. 17. Jak. 5. Zum dritten sagt die Schrift, dass die Leute, ehe denn sie zu der Taufe zugestattet seien, sich mit ihrem Bekenntnis entweder öffentlich oder insonderheit erkläret haben, dass sie wahre Buße und rechten Glauben hätten, Matth. 3. Luk. 3. Act. 2. 8. 19. Item, David bekennet sich für einen Sünder, ehe denn er die Absolution empfähet, 2 Reg. 12. Also Luk. 7 und 19. Daher ist in der alten Kirche gebräuchlich gewesen exploratio et publica et privata (Anm.: öffentliche und private Erforschung), und eine solche Beichte haben und behalten wir in unserer Kirche, dass diejenigen, so zum Abendmahl des Herrn gehen wollen, sich mit einem gemeinen Bekenntnis der Buße und des Glaubens bei ihrem Pastor angeben, der darauf eine christliche Unterredung mit einem jeden vornimmt, und dasselbige auf diese Meinung und aus diesen Ursachen. Erstlich, dass aus solcher Bekenntnis und Unterredung der Seelsorger vernehmen möge, ob seine Zuhörer auch die nötigen Stücke der christlichen Lehre recht verstehen, und da er Mangel befindet, dass er da Ursach und Gelegenheit habe, sie in dem, was sie nicht genugsam verstehen, aus Gottes Wort zu unterrichten. Zum andern, dass er daraus spüren möge, ob auch bei denen, die sich so angeben, wahre, rechtschaffene Buße vorhanden sei, und dass er daraus Ursache habe zu berichten, was Sünde sei, was der Sünden Sold sei, was zu wahrer Buße gehöret, und wie man sich dazu schicken müsse. Zum dritten, was sie für einen Glauben haben, wie, wo, mit was Ernste, bei wem und durch wen sie Vergebung der Sünde suchen, dass die Unterredung wird Ursach geben zum Bericht, was eines rechten Glaubens Art und Eigenschaft sei, item, dass ein jeder sich selber prüfen lerne, ob er auch im Glauben sei, 2 Kor. 13. Zum vierten, was für ein Vorsatz der Besserung da sei, da der Pastor Gelegenheit wird haben zur Vermahnung, aus was Ursachen Besserung folgen solle, und worin dieselbe stehe. Zum fünften, da ein armes Gewissen sonderliche Anliegen und Beschwerung hätte, darin es Rat und Trost bedürfte, kann er dasselbe am bequemsten in solcher Unterredung ausrichten. Zum letzten, wird solche Beichte darum gehalten, dass die Absolution in rechter Buße durch wahren Glauben nützlich und seliglich möge gesucht, empfangen und gebraucht werden. Und weil dies alles nützliche Stücke sind, die Gottes Wort und Befehl haben, so ist daraus klar, dass solche Beichte guten Grund hat, und da die Leute des berichtet, werden sie sich ohne Zwang willig und gerne zu solcher Beichte um ihres eigenen Nutzens und Frommens willen finden. Und können auch die Pastores hieraus sich leichtlich berichten, wie und was sie mit ihren Beichtkindern in der Beichte handeln sollen. Es wird aber solche Beichte vornehmlich gehalten, wenn die Leute wollen zum heiligen Abendmahl gehen, auf dass niemand wissentlich ohne wahre Prüfung unwürdiglich zu seinem Gerichte dazu gestattet werde. Denn also wird ein jeder vermahnet, dass er sich prüfen solle, und wird unterrichtet, wie er sich prüfen möge, an welchem ja hoch und viel gelegen ist.