Chemnitz - Heilige Schrift

 

VON DER HEILIGEN SCHRIFT.

 

WO HABEN UND FINDEN WIR DENN SOLCH WORT GOTTES? SOLLEN WIR AUF NEUE EINGEBUNG DES GEISTES UND AUF NEUE OFFENBARUNG GOTTES WARTEN? 

Gott hat vor Zeiten auf mancherlei Weise sein Wort geoffenbaret, ist selber erschienen, hat die Heiligen durch seinen Geist getrieben und ihnen sein Wort eingegeben und durch ihren Mund geredet. Letztlich hat er durch Christum und durch seine Apostel geredet. Hebr. 1. 2 Petr. 1. 2 Tim. 3. Luk. 1. Uns aber hat er nicht befohlen und vertröstet, dass wir auf solche Eingebung und Offenbarung warten sollen, sondern um der Nachkommen willen hat er solch sein offenbartes Wort lassen in gewisse Schriften durch die Propheten und Apostel fassen, und hat daran seine Kirche geweiset und gebunden; also, wenn jemand jetzund wissen, bewähren und beweisen will, welches Gottes Wort sei, dass es heißen solle: Also stehet geschrieben, so saget die Schrift. 

 

IST DENN AUCH ALLES, WAS UNS VON GOTTES WORT ZU WISSEN VONNÖTEN, IN DER SCHRIFT BEGRIFFEN? 

Christus spricht Joh. 15: „Alles, was ich von meinem Vater gehöret, habe ich euch Aposteln kund getan.“ Und Paulus als ein Apostel spricht Act. 20: „Ich habe euch nichts verhalten, dass ich euch nicht verkündet hätte alle den Rat Gottes.“ Derhalben will und wird der H. Geist über das nichts Anderes oder Neues durch die Prälaten oder Concilia offenbaren; denn sein Amt ist, erinnern des, was Christus gelehret hat, Joh. 14. Und wiewohl nicht alle Wunderwerke und Predigten der Propheten, Christi und der Apostel stückweise beschrieben sind, so hat doch der H. Geist die Summa der ganzen Lehre, so viel der Kirche nötig ist zu dem Glauben, dadurch sie das ewige Leben kann und muss bekommen, in die Schrift gefasset und begriffen, Joh. 20, und Paulus 2 Tim. 3 gibt die h. Schrift zweierlei: eins, dass sie einen Menschen Gottes, das ist, einen Prediger und Lehrer (illi enim vocantur viri Dei – Anm.: denn die werden Menschen Gottes genannt) so vollkommen mache, dass er zu allen guten Werken (so zum ministerio gehörig) geschickt sei; das andere, dass die heilige Schrift einen jeden Christen unterweisen könne zur Seligkeit. Und weil wir in der Schrift so viel haben, als uns zum ewigen Leben und zur Seligkeit vonnöten ist, so sollen wir ja billig in Glaubenssachen anders und mehr nicht hören noch wissen wollen. 

 

WARUM HEIßEN DIE ALTEN SCRIPTURAM CANONICAM? (ANM.: DIE SCHRIFT „KANONISCH“)

Darum und daher, dass die Schrift ist und sein soll eine Regel und Richtschnur, aus und nach welcher alle Lehre in der Kirche Gottes soll examinieret, probieret und dejudizieret (Anm.: beurteilt) werden. Was darin nicht Grund hat, was daraus nicht kann beweiset werden, was dem nicht gemäß, sondern entgegen ist, das kann und soll für Gottes Wort nicht angegeben noch angenommen werden. Was aber darin Grund hat und dem gemäß ist, das ist recht und gut. Auf die Meinung bekennen wir uns zu der Augsburgischen Confession, und mit dem Unterscheid lesen wir auch der Väter Schrift. 

 

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