Chemnitz - Prediger

 

DE VOCATIONE.

VOM GÖTTLICHEN ORDENTLICHEN BERUF 

RECHTSCHAFFENER PREDIGER.

 

MAG AUCH EINER DES PREDIGTAMTS SICH ANMAßEN, DER DIE LEHRE NICHT GRÜNDLICH VERSTEHT, ODER DER NICHT DIE GABE HAT, ANDERE ZU LEHREN?

Nein; denn Paulus spricht 2 Tim. 2: „Was du von mir gehört hast, das befiehl treuen Menschen, die da tüchtig sind, auch andere zu lehren.“ Und Tit. 1 spricht er: Ein Bischof soll der Lehre gewiss sein, auch mächtig sein zu lehren, zu ermahnen, und die Widersprecher zu strafen. 

 

WER DANN DIE LEHRE VERSTEHT, ZIEMLICHE GABEN HAT ZU LEHREN, MAG DER AUS EIGENER BEWEGUNG UND OHNE SONDERLICHEN, ORDENTLICHEN BERUF DES PREDIGTAMTS SICH ANMAßEN? 

Auch nein; denn die Schrift saget: Wie können sie predigen, wo sie nicht gesandt werden? Röm. 10. Item Jerem. 23: Sie laufen, und ich habe sie nicht gesandt. Hebr. 5: Niemand soll ihm selbst die Ehre nehmen, sondern der von Gott berufen ist. 

 

SO SOLL DIE KIRCHE KEINEN HÖREN, DER SEINEN BERUF NICHT BEWEISEN KANN? 

Nein; denn Paulus sagt ausdrücklich Röm. 10: Wie sollen sie hören, also dass aus dem Gehör der Glaube komme, wo sie nicht Prediger haben, die gesandt sind. Und Jerem. 27: Gehorchet nicht den Worten der Propheten; denn ich habe sie nicht gesandt, und sie weissagen euch falsch, dass ihr umkommet samt den Propheten. Daher und darum referieren sich die Propheten und Apostel in ihren Schriften so fleißig auf ihren Beruf, und die Erfahrung zeuget, dass diejenigen wenig Segen Gottes haben und nicht viel Gutes in der Kirche anrichten, die ohne ordentlichen Beruf sich selbst zum Ministerio aufwerfen und eindringen. 

 

SPRICHT ABER DOCH PAULUS 1 TIM. 3: SO JEMAND EIN BISCHOFSAMT BEGEHRET, DER BEGEHRET EIN KÖSTLICH WERK; SO IST’S JA NICHT NÖTIG, DASS MAN ALLEZEIT DES BERUFS ERWARTE? 

Ein Bischofsamt begehren, heißt nicht, dass sich einer ohne ordentlichen Beruf in’s Amt eindringen solle; sondern wenn einer der Lehre gründlich berichtet ist und ziemliche Gaben hat zu lehren, wenn derselbige seinen Dienst der Kirche anbeut, der sucht dadurch nichts anderes, denn dass der liebe Gott durch ordentlichen Beruf erklären wolle, ob er seines Dienstes zum Amt in der Kirche brauchen wolle; und soll derselbige auch also gesinnet sein, wo auf das Anbieten der ordentliche Beruf nicht folget, dass er sich selbst nicht eindringe oder einprakticiere, sondern mit dem lieben David sage: Wird er sprechen: Ich hab nicht Lust zu dir, siehe, hier bin ich; er mach’s mit mir, wie es ihm wohlgefällt. 

 

SIND DOCH ALLE GLÄUBIGEN PRIESTER, APOC. 1 UND 5, 1 PET. 2; SO HABEN SIE JA AUCH ALLE EINEN GEMEINEN BERUF ZUM PREDIGTAMT? 

Wir sind wohl alle geistliche Priester, aber nicht alle Prediger; denn Paulus schreibet ausdrücklich: Sie sind nicht alle Apostel, nicht alle Propheten, nicht alle Lehrer, können nicht alle auslegen etc., sondern Gott setzt etliche zu Aposteln, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, dadurch der Leib Christi erbauet werde, 1 Kor. 12, Eph. 4. Und Petrus erklärt sich fein, nicht dass wir alle ohne Beruf des Predigtamts uns anmaßen sollen, sondern wir sind alle Priester, dass wir geistliche Opfer opfern sollen. Röm. 12, Hebr. 13. 

 

ES HABEN ABER ALLE CHRISTEN EINEN GEMEINEN BERUF, DASS SIE SOLLEN VON GOTTES WORT REDEN, 1 PETR. 2, UND SONDERLICH DIE HAUSVÄTER, DEUT. 6. 1 KOR. 14. 

Wahr ist’s, es haben alle Christen einen gemeinen Beruf und Befehl, Gottes Wort zu bekennen, Röm. 10, davon unter einander zu reden, Eph. 5, einer den andern aus Gottes Wort zu ermahnen, Hebr. 5, zu strafen, Eph. 5 und Matth. 18, zu trösten, 1 Thess. 4, und sonderlich ist im Hausregiment die Zucht und Vermahnung zu dem Herrn befohlen, Eph. 6. Aber das öffentliche Predigtamt des Worts und der Sakramente ist nicht insgemein allen Christen befohlen, 1 Kor. 12, Eph. 4, sondern dazu gehört und ist vonnöten ein sonderlicher Beruf. Röm. 10.

 

AUS WAS URSACHEN IST DENN AM ORDENTLICHEN BERUF SO VIEL GELEGEN? 

Des sind viel wichtige, große Ursachen, die ein jeder Prediger oft mit Fleiß betrachten soll. Erstlich, weil Gott selber durch das Predigtamt mit uns handeln will, reden, absolvieren, taufen, Luk. 1, Hebr. 1, 1 Joh. 1, 2 Kor. 2, 5 und 13, so muss traun beide der Prediger und die Kirche des gewisses Zeugnis haben, dass Gott eben die Person zu solchem Mittel und Werkzeug brauchen wolle. Solches Zeugnis aber gibt und bringt der ordentliche Beruf, und alsdann kann ein jeder rechtschaffene Prediger auf sich referieren diese Sprüche der Schrift: 2 Kor. 5: Gott hat in uns das Wort der Versöhnung belegt; item: Wir sind Botschafter an Christus Statt, denn Gott vermahnt durch uns etc. Jes. 59: Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt. Matth. 10: Wer euch höret, der höret mich. Zum andern, es gehören gar viel nötige Gaben zum Predigtamt, also dass auch Paulus sagt: Wer ist tüchtig dazu? 2 Kor. 5. Wer von Gott ordentlich zu diesem Amte berufen ist, der kann sich getrost der Verheißungen Gottes annehmen, darauf bitten, hoffen und trauen, Gott werde ihn mit solchen Gaben begnaden, 1 Tim. 4. 2 Tim. 1, zu dem Amte tüchtig machen, 2 Kor. 3, 2 Tim. 2, in solchem Beruf regieren und bewahren, Jes. 49. 51. Zum dritten: im Predigtamte ist dies das Vornehmste, dass Gott mit seinem Geist, Gnade und Gaben dabei sein will, dadurch kräftig sein und wirken. Paulus aber spricht Röm. 10, die nicht gesandt sind, die können nicht also predigen, dass aus dem Gehör der Glaube komme. Aber die in ordentlichem Beruf die Lehre rein führen und das Amt treulich meinen mit pflanzen und begießen, da will Gott das Gedeihen geben, 1 Kor. 3, dass die Arbeit nicht soll vergebens sein in dem Herrn, 2 Kor. 15, sondern Timotheus wird sich und andere also selig machen. 1 Tim. 4. Zum vierten: die Lehre vom Beruf ermuntert einen Prediger, dass er in aller Gottesfurcht mit großem Fleiß, Treue und Ernst seines Amtes warte, nicht bald überdrüssig werde, auch durch Gefahr und Verfolgung sich nicht lasse abschrecken, weil er weiß, Gott habe ihn in das Amt gesetzt. Es werden auch aus diesem Grunde die Zuhörer bewogen, dass sie sich mit gebührlicher Reverenz und Gehorsam gegen das Ministerium erzeigen, wenn sie aus Gottes Wort berichtet werden, dass durch solch Amt Gott selbst bei uns sein, mit uns handeln und in uns wirken wolle. 

 

BEI WEM STEHET DENN EIGENTLICH DAS RECHT UND DIE MACHT, PREDIGER ZU SENDEN UND ZU BERUFEN? 

Es zanken und reißen sich ihrer viel um das jus vocandi; (Anm.: Berufsrecht) aber eigentlich und gründlich zu reden, so stehet das Recht und die Gewalt, Arbeiter in diese Ernte zu senden, allein bei dem, der ein Herr ist der Ernte, Matth. 9, und Paulus spricht, dass der Sohn Gottes zur Rechten des Vaters Hirten und Lehrer in seine Gemeine setze, Eph. 4.1 Kor. 12, und Act. 20 spricht er, dass der Heilige Geist Bischöfe setze zu weiden die Gemeine Gottes; darum auch Gott die nicht für rechtschaffene Prediger erkennen will, die nicht von ihm gesendet sind, ob sie schon von dem Könige eingesetzt waren. Jer. 23. 27. 

 

WIE UND AUF WAS WEISE BERUFT UND SENDET DENN GOTT PREDIGER IN SEINE GEMEINE?

Rechtschaffener, ordentlicher göttlicher Beruf zum Predigtamt muss von Gott herkommen; aber das geschieht auf zweierlei Weise: nämlich entweder ohne Mittel oder durch ordentliche Mittel. Est enim quaedam vocatio immediata, quaedam vero mediata (Anm.: Es gibt nämlich eine unmittelbare und eine mittelbare Berufung). 

 

WAS IST DIE VOCATIO IMMEDIATA (ANM.: UNMITTELBARE BERUFUNG), ODER WIE GESCHIEHT DIE? 

Wenn Gott nicht durch Menschen als durch ordentliche Mittel, sondern durch sich selbst ohne Mittel eine Person zum Predigtamt beruft und uns sendet; wie er also die Patriarchen, Propheten und Apostel ohne Mittel berufen hat. Und die also berufen sind, die haben durch den Heiligen Geist und Mirakel Zeugnis, dass sie in der Lehre nicht irren, und andere Prediger müssen von ihnen die Lehre empfangen und nehmen. Auch ist ihr Beruf nicht an eine gewisse Kirche gebunden, sondern sie haben Befehl, allenthalben zu predigen. 

 

MUSS MAN DENN BALD ALLEN FANATICIS GLAUBEN, WENN SIE VORGEBEN, GOTT SEI IHNEN ERSCHIENEN, DER HERR HABE MIT IHNEN GEREDET, DER VATER HAB’S IHNEN BEFOHLEN, DER GEIST TREIBE SIE? 

Das verbeut Gott mit ausdrücklicher Warnung, Jerem. 14: Sie weissagen falsch in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt und ihnen nichts befohlen und nichts mit ihnen geredet; sie predigen euch falsche Gesichte und ihres Herzens Trügerei etc. Sondern die Gott ohne Mittel beruft, denen gibt er die Gabe Wunderzeichen zu tun, oder anderes öffentliche Zeugnis, dass sie damit ihren Beruf beweisen und bezeugen können, wie Moses tut, Exodi am 4. Daher heißt Paulus die Wunderzeichen Siegel des Apostelamts, 2 Kor. 12, und Christus Joh. 5, Matth. 10. Aber falscher Lehre soll man auch um keiner Wunderzeichen willen Raum oder Glauben geben. Deut. 13. Matth. 24. 2 Thess. 2. 

 

WILL AUCH GOTT JETZIGER ZEIT ALSO OHNE MITTEL PREDIGER BERUFEN UND SENDEN? 

Wir wollen noch sollen Gott in seiner freien Macht und Willen nichts vorschreiben. Aber im Neuen Testament haben wir keine Verheißung, dass Gott post Apostolos (Anm.: nach den Aposteln) das ministerium durch solchen Beruf ohne Mittel bestellen wolle; haben auch keinen Befehl, dass wir darauf warten sollen. Derhalben bleiben wir und sollen auch bleiben bei der Ordnung, welche der Heilige Geist durch die Apostel vorgeschrieben hat, nämlich, dass und wie Gott durch ordentliche Mittel das ministerium bestellen wolle. 

 

WAS IST VOCATIO MEDIATA, ODER DER BERUF, DER DURCH MITTEL GESCHIEHT? 

Wenn ein Prediger oder Kirchendiener von Gott, aber nicht ohne Mittel, wie die Propheten und Apostel, sondern durch ordentliche Mittel zum ministerio (Anm.: Kirchendienst) berufen und in das Amt eingesetzt wird. Denn vocatio mediata (Anm.: mittelbare Berufung) geschieht eben so wohl von Gott, als immediata (Anm.: die unmittelbare), allein in modo vocationis (Am.: in der Art und Weise der Berufung) ist ein Unterschied. Die Propheten und Apostel hat Gott berufen ohne Mittel durch sich selbst. Titum aber, Timotheum, Sosthenem, Sylvanum etc. beruft und sendet Gott auch, aber nicht ohne Mittel, sondern durch Mittel von ihm dazu verordnet. 

 

HAT DER BERUF, SO DURCH MITTEL GESCHIEHT, AUCH GRUND UND ZEUGNIS IN DER SCHRIFT? 

Ja; denn die Apostel haben in den Kirchen hin und her Älteste oder Prediger verordnet. Act. 14. Timotheus wird zu dem Amt berufen und gesendet durch Auflegung der Hände der Ältesten. 1 Tim. 4. Und Paulus befiehlt Timotheus und Titus, dass sie sollen das Amt mit tüchtigen Personen besetzen, und schreibt ihnen vor, wie sie mit dem Beruf sollen umgehen. Tit. 1. 1 Tim. 3. 2 Tim. 2. 

 

BEWEISET AUS DER SCHRIFT, DASS DERJENIGE, SO DURCH ORDENTLICHE MITTEL BERUFEN WIRD, GEWISSLICH VON GOTT SELBER BERUFEN UND GESENDET WERDE. 

Timotheus, oberster Bischof zu Ephesus, war nicht ohne Mittel, sondern durch Paulus und die Ältesten berufen. 1 Tim. 4, 2 Tim. 1, und er hatte Befehl, wiederum andere zu berufen, 1 Tim. 3. Dennoch spricht Paulus Act. 20 zu den Ältesten der Kirche zu Ephesus: Der H. Geist hat euch gesetzet zu Bischöfen. Und in der andern Epistel an die Korinther, welcher neben Paulo auch Timotheus unterschrieben, spricht Paulus von sich und von Timotheo: Gott hat uns das Amt der Versöhnung gegeben, und hat in uns beigelegt das Wort der Versöhnung, dass wir Botschafter sind an Christus Statt. Und Eph. 4. 1 Kor. 12 spricht Paulus, dass Hirten und Lehrer, so doch durch Mittel berufen werden, gleichwohl von Gott gegeben und gesetzet werden. 

 

WER DURCH ORDENTLICHE MITTEL BERUFEN IST, MAG SICH DER AUCH NACH SEINER MAß ANNEHMEN UND TRÖSTEN DER VERHEIßUNG VON GNADE, HILFE, KRAFT UND WIRKUNG GOTTES IM MINISTERIO, EBENSOWOHL WIE DIE PROPHETEN UND APOSTEL? 

Propheten und Apostel, so ohne Mittel berufen, haben wohl großen Vorzug und größere Maß der Gaben Gottes. Aber der Verheißung von Gottes Gnade und Kraft im ministerio haben sich auch die, so durch Mittel berufen sind, nach ihrer Maß zu trösten, wie denn Paulus von Timotheo saget: Die Gabe Gottes, so in dir ist durch die Auflegung meiner Hände, 2 Tim. 1, und 1 Tim. 4: die Gabe, die dir gegeben ist mit Handauflegung der Ältesten. Item: Wenn du das tust, wirst du dich selbst selig machen, und die dich hören. Und da die Korinther die Kraft des ministerii nach den Personen rechnen wollten, spricht Paulus 1 Kor. 3: Wer ist Paulus, wer ist Apollo? Diener sind sie, durch welche ihr seid gläubig worden, und dasselbige, wie der Herr einem jeglichen gegeben hat. Ich habe gepflanzet, Apollo hat begossen, aber Gott hat das Gedeihen gegeben. Der aber pflanzet und der da begeußt, ist einer wie der andere; denn wir sind Gottes Mitarbeiter etc. Und darum hat Paulus, der doch sonst seinen apostolischen Beruf hoch rühmet, dennoch in etlichen Episteln andre, so durch Mittel berufen sind, lassen neben sich unterschreiben, als Timotheum, Sosthenem, Sylvanum, 1 Kor. 1. 2 Kor. 1. 1 Thess. 1. 

 

WAS WILL DENN GOTT FÜR MITTEL DAZU GEBRAUCHEN, DURCH WELCHE ER ORDENTLICHERWEISE PREDIGER BERUFEN UND SENDEN WILL? 

Nicht durch Engel will er solches tun, sondern durch seine Kirche oder Gemeine, die da ist das königliche Priestertum, 1 Petr. 2. Denn derselbigen, als seiner lieben Braut, hat er die Schlüssel befohlen, Matth. 18, Wort und Sakrament ihr vertraut, Röm. 3 und 9, und, Summa, das Amt samt den Dienern ist alles der Kirche. 1. Kor. 3. Eph. 4. 

 

TUT DER PAPST AUCH RECHT, DASS ER VOM BERUF DER KIRCHENDIENER CHRISTLICHE OBRIGKEIT UND ANDERE CHRISTLICHE LAIEN AUSSCHLIEßT? 

Dass Geistliche, so allbereit im Amt sitzen und reiner Lehre sind, dazu gezogen und gebraucht sollen werden, wenn andre zum Predigtamt zu berufen und zu bestätigen sind, ist aus der Schrift klar, Tit. 1. 1 Tim. 4. 2 Tim. 2. Act. 14. Aber weil die Prediger nicht sind die ganze Kirche, sondern nur ein Stück derselbigen, Eph. 4, sind auch nicht Herren der Kirchen, sondern Diener und Aufseher, 2 Kor. 1 und 4, Hes. 33, so können und sollen sie auch den Beruf nicht zu sich allein reißen und andre Gliedmaßen der Kirche davon ausschließen. Denn die Apostel haben nicht für sich alleine den Beruf gehandelt, sondern haben die Kirchen dazu gezogen, Act. 1, 6 und 14 und in das Presbyterium, 1 Tim. 4, haben nicht allein Prediger, die am Wort arbeiten, gehöret, sondern auch andre von der Kirche, zu solchen Sachen deputiert, wie Tertullianus und Ambrosius zeugen. 

 

WOHER HAT DENN WELTLICHE OBRIGKEIT RECHT ZUM BERUF DER KIRCHENDIENER? 

Das Predigtamt gehört zum Reich Christi, und weil Christus sein Reich und der Welt Reich mit ihren Ämtern will unterschieden haben, derhalben gehört die Bestallung der Ministerien nicht unter die politischen Regalien und Hoheiten der weltlichen Obrigkeit; sondern weil die Obrigkeit, wenn sie christlich ist, ein Gliedmaß ist der Kirche, Ps. 47 und 102, und Befehl hat von Gott, dass sie nicht alleine für ihre Person soll gottesfürchtig sein, Ps. 2, sondern auch mit ihrem Amt der Kirchen Pflegerin und Förderin sein, Jes. 49, dass die Tore in der Welt weit und hoch gemacht werden, dass der König der Ehren einziehe, Ps. 24, also und daher gehöret zur christlichen Obrigkeit das Aufsehen, dass die ministeria der Kirche Gottes ordentlich bestellet und recht geführet werden, wie die Exempel David’s, Ezechiä, Josaphats und Josiä bezeugen. 

 

TUT ABER DENN AUCH CHRISTLICHE OBRIGKEIT WOHL DRAN, WENN SIE DIE BESTALLUNG DER MINISTERIEN GAR ZU SICH REIßT UND DAVON ANDRE PREDIGER UND DIE KIRCHEN AUSSCHLEUßT? 

Gleichwie der Papst mit den Seinen in diesem Fall ein Sacrilegium begangen hat, also ist es auch ebenso eine große, schwere Sünde, wenn Obrigkeit der Kirche ihr Recht nimmt, da sie doch sollte der Kirche Pflegerin sein; denn christliche Obrigkeit ist nicht die ganze Kirche, sondern nur ein Gliedmaß derselbigen, Ps. 47 und 102. Auch ist sie nicht Herr über die Kirche, sondern ihr Pfleger, Jes. 49, ja ihr Diener, Jes. 60. 

 

TUN DENN DIE WIEDERTÄUFER RECHT, DASS SIE DEN GEMEINEN HAUFEN DIE BESTALLUNG DES MINISTERII HEIMGEBEN UND DAVON ANDERE PREDIGER UND CHRISTLICHE OBRIGKEIT AUSSCHLIEßEN? 

Auch nein. Denn die Kirche eines jeden Orts heißt und ist das ganze corpus, darin unter dem Haupt Christi alle Glieder an demselbigen Ort begriffen werden. Eph. 4. 1 Kor. 1. Derhalben gehöret die vocatio (Anm.: Berufung) wie nicht den Geistlichen allein, wie auch nicht der Obrigkeit allein, also auch nicht den gemeinen Haufen allein. Denn keins ohne das Andere ist die ganze Kirche. Sondern die vocatio ist und soll bleiben bei der ganzen Kirche in und mit gebührlicher Ordnung. 

 

MUSS DENN ALLEWEGE DER GANZE HAUFE, SONDERLICH WO DIE GEMEINE WEITLÄUFIG UND GROß IST, ZUSAMMENKOMMEN UND OHNE ORDNUNG VON WAHL UND BERUF EINES KIRCHENDIENERS HANDELN? 

Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern will, dass alles ehrlich und ordentlich in der Kirche zugehe, 1 Kor. 14. Derhalben Unordnung zu vermeiden ist bei der Apostel Zeiten und darnach auch in der alten reinen Kirche der Handel von Wahl und Beruf der Kirchendiener unter die vornehmsten Stände oder Glieder der Kirche ausgeteilet und auf gewisse gebührliche Ordnung von denselbigen vorgenommen und verrichtet worden. Als Act. 1 und 6 tun erstlich die Apostel einen Bericht, was für Personen sollen gewählt werden, darauf die Kirche wählet oder setzet vor etliche Personen. Weil aber der Beruf nicht bei der Gemeine allein stehet, so werden die nominierten Personen den Aposteln vorgestellt, dass sie darüber judicieren sollen, ob sie nach der Regel des göttlichen Worts zu dem Amte tüchtig seien, und also wird die Wahl und der Beruf von den Aposteln approbieret und confirmieret und wird den Berufenen das Amt mit dem Gebet durch ein öffentlich Zeugnis als durch Handauflegen öffentlich befohlen, Act. 6. Weil aber die Gemeine oft des Verstandes nicht ist, dass sie könne oder wisse tüchtige Personen vorzuschlagen, so haben die Apostel oft selbst tüchtige Personen genennet und der Kirche vorgeschlagen, Tit. 1. 1 Tim. 1. 2 Tim. 2. Also hat Paulus Timotheum, Titum, Sylvanum den Kirchen zugeschickt. Es haben aber die Apostel solche Personen der Kirche nicht aufgedrungen ohne ihr Wissen, Consens und Willen, sondern sie sind der Kirche vorgestellet worden, welche durch ihre Verwilligung solche Election approbieret und confirmieret hat, wie solches Lucas Act. 14 mit dem Wörtlein „cheirotonias“ (Anm.: Wahl durch Handaufheben) anzeiget. Da aber die Gemeine groß worden ist, hat man bei der Apostel Zeiten zu dem Handel ein sonderlich presbyterion verordnet, 1 Tim. 4, in welchem nach Tertulliani und Ambrosii Erklärung von allen Ständen und Gliedern der Kirche etliche Personen sind gewesen, die von wegen und mit Consens der ganzen Kirche als ein Ausschuss solche und dergleichen Kirchensachen gehandelt haben. Also ist die vocatio gewesen und geblieben bei der ganzen Kirche, und gleichwohl feine gebührliche Ordnung darin gehalten. Dem apostolischen Exempel hat die alte Kirche fleißig nachgefolget, und da die Obrigkeit auch das Evangelium angenommen, ist die Handlung der Vocation unter die drei Stände der Geistlichen, der christlichen weltlichen Obrigkeit und des gemeinen Christenstandes fein ordentlich ausgeteilet worden, wie davon feine alte canones citieret werden, distinct. 23, 24, 62, 63, 65, 67. So bezeugen auch die alten Kirchenhistorien, dass oft episcopi und clerici Personen vorgeschlagen haben, oft auch christliche Obrigkeit Personen nominieret, zu Zeiten auch das Volk eine Person begehret oder postulieret hat. Aber dieselben nominierten oder postulierten Personen sind darnach präsentiert worden den andern Ständen der Kirche, durch welcher judicium (Anm.: Urteil) und consensum (Anm.: Zustimmung) die electio (Anm.: Wahl) ist approbieret und confirmieret worden. Cyprianus libr. 1 epist. 4. August. epist. 100. Daher sind kommen usitata vocabula nominationis, postulationis, praesentationis, consensus, confirmationis et collocationis (Anm.: die gebräuchlichen Ausdrücke „Ernennung“, „Forderung“, „Darstellung“, „Zustimmung“, „Bestätigung“ und „Einsetzung“), die da fein anzeigen, was für eine Ordnung im Beruf der Prediger solle gehalten werden. 

 

WOHER KOMMT DENN DAS JUS PATRONATUS (ANM.: PATRONATSRECHT), UND WIE FERNE STRECKET SICH DAS? 

Daher kommt es, dass etliche fromme Christen Güter, Rente oder Zinsen zu den Pfarren gestiftet und gegeben haben, und die haben ihnen das Recht und die Macht vorbehalten, dass sie mit darum wissen wollen, wenn die Güter conferieret werden. Es haben aber die Patrone nicht Macht, auf die Pfarren einen zu setzen, wen sie wollen, citra judicium et consensum ecclesiae (Anm.: ohne Rücksicht auf das Urteil und die Zustimmung der Kirche). Sondern weil die Pfarrgüter von den Patronen herkommen, so wird entweder eine tüchtige vocierte Person dem Patron von der Kirche präsentiert, dieselbe mit den Pfarrgebühren zu belohnen, oder der Patron nominiert eine tüchtige Person und präsentiert dieselbe der Kirche, also dass dem Ministerio das Judicium und der Kirche der Consens freigestellt werde. Und also bleibt die Vocatio bei der Kirche und wird der alte Canon gehalten: Nemo invitis detur (Anm.: „Es soll ihnen niemand gegeben werden gegen ihren Willen“). 

 

HAT DENN DIE KIRCHE FREIE VOLLMACHT ZU VOCIEREN (ANM.: BERUFEN), WAS FÜR PERSONEN SIE WILL? 

Der Herr der Ernte hat eine gewisse formam und regulam (Anm.: Form und Regel) durch die Apostel vorgeschrieben, welche gleichwie eine himmlische Instruction ist und sein soll, wie die Personen an Lehre und Leben geschickt sein sollen, welche zu diesem Amt sollen berufen werden. 1 Tim. 3. Tit. 1. Und dieser Instruction muss nachgegangen werden, wenns soll heißen und sein ein göttlicher Beruf. 

 

WAS TUT DENN DER RITUS PUBLICAE ORDINATIONIS (ANM.: DER BRAUCH DER ÖFFENTLICHEN ORDINATION) ZUM BERUF? 

Um derer willen, die da laufen und sind nicht gesandt, muss die Vocation haben ein öffentlich Zeugnis der Kirche, und die Ceremonie der Ordination ist nichts anders, denn ein solch öffentlich Zeugnis, dadurch die geschehene Vocation ordentlich, christlich und göttlich erkannt, bezeugt und bestätigt wird. Zum andern wird durch solche Ceremonie der vocierten Person das Amt von Gottes und der Kirche wegen mit einem öffentlichen Zeugnis befohlen. Zum dritten wird die vocierte Person durch die Ordination als durch ein öffentlich Gelübde der Kirche vor Gottes Angesicht obligieret und verbunden, die Treue im Amt zu beweisen und erzeigen, welche Gott an seinen Haushaltern erfordert, darauf er sie auch richten wird. 1 Kor. 4. Zum vierten wird durch die Ordination die Kirche an ihren Pastor geweiset, denselben von Gottes wegen und an Gottes Statt zu hören. Zum fünften wird die Ordination darum gehalten, dass dadurch die ganze Kirche ermahnet werde, mit ihrem gemeinen fleißigen, andächtigen Gebet das Amt der vocierten Person, dazu sehr viel gehört, dem lieben Gott zu befehlen, dass er seinen Geist, Gnade, Segen und Gedeihen dazu geben wolle. 

 

WOHER KOMMT DENN DAS HANDAUFLEGEN IN DER ORDINATION, UND WAS BEDEUTET ES?

Es ist ein alter Ritus, im alten Testament gebräuchlich gewesen, wenn man Gott etwas hat wollen öffentlich darstellen und insonderheit befehlen. Gen. 48. Levit. 1. Mark. 10. Und weil durch Auflegung der Hände etwa die öffentlichen Ämter den Personen im Alten Testament sind befohlen worden, Num. 27, Deut. 34, so haben die Apostel den gewöhnlichen Ritus als ein nützlich Mittelding in christlicher Freiheit behalten und bei der Ordination gebraucht. Act. 6. 13. 14. 1 Tim. 4 und 5. 2 Tim. 1. Und also hat auch die alte Kirche ohne Salz und Schmalz mit Auflegung der Hände die Ordination celebriert distinct. 23, ex concilio Carthaginiensi. Und den Ritum halten und brauchen auch wir in unsern Kirchen bei der Ordination. Denn durch solche Auflegung der Hände wird die vocierte Person Gott dargestellet zur öffentlichen, äußerlichen Anzeigung, Zeugnis und Bestätigung, dass die vocatio nicht schlecht Menschentun sei, sondern dass Gott selbst, wiewohl durch ordentliche Mittel, diese Person zum Predigtamt berufe, sende und bestätige; item, dass dadurch diese Person Christo in seinem Dienst zum Predigtamt verpflichtet und ergeben werde. Es wird auch also dem Prediger die Kirche als vor Gottes Angesicht befohlen, und die Kirche wird an ihren Prediger geweiset, als durch welches Dienst (Gott) wolle mit den Leuten handeln durch das Wort und Sakrament, und dadurch in ihnen kräftig sein und wirken. Vornehmlich aber wird das Handauflegen bei der Ordination gebrauchet um des gemeinen Gebets willen; auf dass dasselbige mit größerem Ernst und mehr Andacht geschehen möge, so geschieht eine Erinnerung, wie schwer das Amt, und wie schwach die Person sei. 2 Kor. 3. Dieselbige Person aber wird durch Auflegen der Hände dem Herrn der Ernte dargestellet, als der solch Amt eingesetzt und seinen Geist, Gnade, Hilfe, Beistand, Segen, Gedeihen, Kraft und Wirkung dabei zugesagt habe. Darauf wird alsdann das gemeine Gebet dem berufenen Prediger mitgeteilet. Und dass solch Gebet mit Auflegung der Hände nicht vergebens, sondern kräftig sei, bezeuget Paulus 1 Tim. 4. 2 Tim. 1, und Moses Deuteron. 34. Dass also die Ceremonie der Ordination die ganze Lehre von dem Beruf der Prediger fein klärlich und öffentlich vor Augen stellet. 

 

WIE ABER, WENN MAN EINEN PREDIGER ENTURLAUBET ODER VOM AMT ABSETZEN SOLL?

Gleichwie der Beruf und Bestallung der Prediger Gottes ist, wenn er gleich durch Mittel geschieht, und derwegen nach seiner Instruction geschehen soll, also hat auch Gott eigentlich Macht, einen Prediger vom Amt zu entsetzen, 1 Reg. 2. Hos. 4. Und weil solches geschieht durch Mittel, so muss es auch aus und nach Gottes Instruction geschehen. Derhalben, so lange Gott seinen Diener, der mit Treue lehret und unärgerlich lebet, im Amt haben will und dulden kann, so hat die Kirche nicht Macht, einen fremden, nämlich Gottes Diener, ohne seinen Befehl abzusetzen. Wenn er aber entweder mit Lehre oder Leben die Kirche nicht bauet, sondern ärgert und bricht, so setzet ihn Gott selber ab, 1 Reg. 2. Hos. 4, und alsdann hat die Kirche nicht alleine Recht und Macht, sondern ist schuldig, einen solchen abzusetzen. Denn gleichwie Gott durch Mittel Prediger beruft, aber nach seiner gegebenen Instruction, also geschiehts auch durch ordentliche Mittel, wenn Gott Prediger absetzet. Aber darin muss die Kirche auch haben unseres Herrn Gottes Instruction und derselbigen auch folgen. Und wie vom Beruf gesaget, also stehet auch das Absetzen nicht bei einem Stande der Kirche alleine; derhalben haben die alten Canones mit Fleiß gute Ordnung gegeben, wie mit dem Handel solle umgegangen werden, wenn ein Kirchendiener entweder soll seines Amts entsetzet, C. 15, q. 7, oder an einen andern Ort soll versetzet werden, C. 7, q. 1 etc.

 

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