Chemnitz - Reue und Buße

 

 DE CONTRITIONE, DAS IST, 

VON REUE UND LEID ÜBER DIE SÜNDE, 

WELCHES MAN AUCH GEMEINLICH BUßE NENNET.

 

WOZU DIENET ES DENN, DASS MAN ALSO DURCH DAS GESETZ DIE SÜNDE STRAFET UND DIE LEUTE MIT GOTTES ZORN BEDROHET UND ERSCHRECKET? 

Auf dass sie Buße tun, vor Gottes Zorn sich fürchten, von Sünden sich bekehren etc. 

 

IST ES DENN NÖTIG, DASS MAN BUßE TUE? 

In allewege; denn Johannes, Christus, Petrus, Paulus etc. heben ihre Predigt also an: „Tut Buße“, und Luk. 13 spricht Christus: „Wo ihr nicht Buße tut, so werdet ihr alle verderben“. Jes. 66: „Ich sehe den an, der zerbrochenes Herzens ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort;“ und Jer. 5 von denen, die die Strafpredigt verachten und sprechen: Die Propheten sind Wäscher, item, die nach den Drohworten des Zorns Gottes nichts fragen, sondern verstockt in ihren Sünden verharren und die immer häufen, spricht Gott: „Wie kann ich dir gnädig sein?“ 

 

WAS IST DENN CONTRITIO, DAS IST, BUßE, REUE UND LEID? 

Es ist, dass der Sünder erschrickt vor Gottes Zorn wider die Sünde und lässts ihm leid sein, dass er Gott mit seinen Sünden erzürnet hat. 

 

WAS FÜR STÜCKE GEHÖREN DENN ZU SOLCHER BUßE, REUE ODER LEID, AUF DASS EIN PREDIGER WISSEN MÖGE, WIE ER BUßE PREDIGEN SOLLE UND EIN CHRIST SICH AUCH PRÜFEN KÖNNE, OB ER WAHRE BUßE HABE? 

Erstlich gehöret dazu Erkenntnis der Sünden, dass der Mensch erkenne und wisse, was Gott in seinem Gericht für Sünde halte, item, wie groß und schwer die Sünde sei. 

 

IST DENN EINE VOLLKOMMENE BUßPREDIGT, WENN MAN ALLEIN CATALOGUM PECCATORUM (ANM.: EIN SÜNDENREGISTER) RECITIERET? 

Nein; denn es heißt: Das Gesetz richtet Zorn an, Röm. 4, und es soll sein ein Amt, das Verdammnis prediget, 2 Kor. 3. Darum gehöret zum andern zur Buße, dass Gottes Zorn vom Himmel geoffenbaret werde über die Sünde, Röm. 1, dass der Mensch erkenne und wisse, wie Gott über die Sünde zürne, und wie er dieselbige strafen wolle hie zeitlich und dort ewiglich, wo der Sünder nicht mit Gott durch Christum versöhnet werde. 

 

WENN DENN NUN EIN MENSCH BEKENNET, SEIN LEBEN SEI SÜNDE, ER WEIß AUCH, DASS GOTT ÜBER DIE SÜNDE ZÜRNET, ER ACHTETS ABER NICHT, SONDERN BLEIBET IN DEN SÜNDEN: IST DAS RECHTE BUßE? 

Saul bekennet, er tue unrecht, dass er den David verfolget, 1 Sam. 24 und 26. David weiß auch wohl, dass Gott über Mord und Ehebruch zürne; aber sie tun es gleichwohl. Derhalben gehöret zum dritten zu wahrer Buße vornehmlich dies, dass durch solche Offenbarung der Sünden und des Zorns Gottes das Herz getroffen, gerührt und, wie die Schrift redet, zerbrochen und zerschlagen werde, dass es in ernster Betrachtung, wie es mit Gott seiner Sünde halben stehe, sich anfange darüber zu bekümmern, dass es Gottes Gerichte und schweren Zorn wider sich geführet, stehet in Furcht und Angst der Strafe halben, so auf die Sünde folgen soll, ist ihm derhalben nicht wohl bei der Sünde, hat nicht mehr Lust und Liebe dazu, sondern ist ihm leid und reuet ihn, kehret und wendet sich davon, denket, trachtet und bekümmert sich damit, dass es ja nicht unter Gottes Zorn und in der ewigen Verdammnis verloren möge sein und bleiben. Das ist rechte Buße, Reue und Leid, und hieraus kann man probieren, dass wahr sei, wie Augustinus saget, quod multi non agant, sed fingant poenitentiam (Anm.: dass viele nicht Buße tun, sondern Buße dichten).

 

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