MATTHIAS CLAUDIUS: LIEDER
ALLE GUTE GABE
Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land,
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand;
der tut mit leisem Wehen
sich mild und heimlich auf
und träuft, wenn heim wir gehen,
Wuchs und Gedeihen drauf.
Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt,
und hofft auf ihn.
Er sendet Tau und Regen
und Sonn und Mondenschein
und wickelt seinen Segen
gar zart und künstlich ein
und bringt ihn dann behende
in unser Feld und Brot;
es geht durch unsre Hände,
kommt aber her von Gott.
Alle gute Gabe…
Was nah ist und was ferne,
von Gott kommt alles her,
der Strohhalm und die Sterne,
das Sandkorn und das Meer.
Von ihm sind Büsch‘ und Blätter
und Korn und Obst, von ihm
das schöne Frühlingswetter
und Schnee und Ungestüm.
Alle gute Gabe…
Er lässt die Sonn aufgehen,
er stellt des Mondes Lauf;
er lässt die Winde wehen
und tut die Wolken auf.
Er schenkt uns so viel Freude,
er macht uns frisch und rot;
er gibt dem Viehe Weide
und seinen Menschen Brot.
Alle gute Gabe…
BAUERNLIED
(Im Anfang war‘s auf Erden)
Der Vorsänger:
Im Anfang war‘s auf Erden
Nur finster, wüst, und leer;
Und sollt was sein und werden,
Musst es woanders her.
Refrain:
Alle gute Gabe
Kam oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
Vorsänger:
So ist es hergegangen
Im Anfang, als Gott sprach;
Und wie sich‘s angefangen,
So geht‘s noch diesen Tag.
Refrain:
Alle gute Gabe
Kam oben her, von Gott,
Vom schönen blauen Himmel herab!
BEI DEM GRABE MEINES VATERS
1.
Friede sei um diesen Grabstein her!
Sanfter Friede Gottes! Ach, sie haben
Einen guten Mann begraben,
Und mir war er mehr;
2.
Träufte mir von Segen, dieser Mann,
Wie ein milder Stern aus bessern Welten!
Und ich kann‘s ihm nicht vergelten,
Was er mir getan.
3.
Er entschlief; sie gruben ihn hier ein.
Leiser, süßer Trost, von Gott gegeben,
Und ein Ahnden von dem ew‘gen Leben
Düft um sein Gebein!
4.
Bis ihn Jesus Christus, groß und hehr!
Freundlich wird erwecken – ach, sie haben
Einen guten Mann begraben,
Und mir war er mehr.
DAS SCHÖNE GROSSE TAGGESTIRNE
1.
Das schöne große Taggestirne
Vollendet seinen Lauf;
Komm wisch den Schweiß mir von der Stirne,
Lieb Weib, und denn tisch auf!
2.
Kannst hier nur auf der Erde decken,
Hier unterm Apfelbaum;
Da pflegt es abends gut zu schmecken,
Und ist am besten Raum.
3.
Und rufe flugs die kleinen Gäste,
Denn hör, mich hungert‘s sehr;
Bring auch den kleinsten aus dem Neste,
Wenn er nicht schläft, mit her.
4.
Dem König bringt man viel zu Tische;
Er, wie die Rede geht,
Hat alle Tage Fleisch und Fische
Und Panzen und Pastet;
5.
Und ist ein eigner Mann erlesen,
Von andrer Arbeit frei,
Der ordert ihm sein Tafelwesen
Und präsidiert dabei.
6.
Gott lass ihm alles wohl gedeihen!
Er hat auch viel zu tun,
Und muss sich Tag und Nacht kasteien,
Dass wir in Frieden ruhn.
7.
Und haben wir nicht Herrenfutter;
So haben wir doch Brot,
Und schöne, frische, reine Butter,
Und Milch, was denn für Not?
8.
Das ist genug für Bauersleute,
Wir danken Gott dafür,
Und halten offne Tafel heute
Vor allen Sternen hier.
9.
Es präsidiert bei unserm Mahle
Der Mond, so silberrein!
Und kuckt von oben in die Schale
Und tut den Segen h‘nein.
10.
Nun Kinder esset, esst mit Freuden,
Und Gott gesegn es euch!
Sieh, Mond! ich bin wohl zu beneiden,
Bin glücklich und bin reich!
DER MENSCH LEBT UND BESTEHET
Der Mensch lebt und bestehet
Nur eine kleine Zeit;
Und alle Welt vergehet
Mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden,
Und wir in seinen Händen.
Und der ist allwissend, Halleluja!
Und der ist heilig, Halleluja!
Und der ist allmächtig, Halleluja!
Ist barmherzig. Halleluja!
Amen, Amen! Halleluja! Amen!
Amen! Amen!
Ehre seinem großen Namen!
Halleluja! Halleluja! Amen! Amen!
DER MOND IST AUFGEGANGEN
Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
sind eitel arme Sünder
und wissen gar nicht viel;
wir spinnen Luftgespinste
und suchen viele Künste
und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, lass dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs bauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
lass uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.
Wollst endlich sonder Grämen
aus dieser Welt uns nehmen
durch einen sanften Tod;
und wenn du uns genommen,
lass uns in Himmel kommen,
du unser Herr und unser Gott.
So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbar auch.
EIN LIED
Ich bin vergnügt, im Siegeston
Verkünd es mein Gedicht,
Und mancher Mann mit seiner Kron
Und Szepter ist es nicht.
Und wär er’s auch; nun, immerhin!
Mag er’s! so ist er was ich bin.
Des Sultans Pracht, des Moguls Geld,
Des Glück, wie hieß er doch,
Der, als er Herr war von der Welt,
Zum Mond hinaufsah noch?
Ich wünsche nichts von alledem,
Zu lächeln drob fällt mir bequem.
Zufrieden sein, das ist mein Spruch!
Was hülf mir Geld und Ehr?
Das, was ich hab, ist mir genug,
Wer klug ist wünscht nicht sehr;
Denn, was man wünschet, wenn man’s hat,
So ist man darum doch nicht satt.
Und Geld und Ehr ist obendrauf
Ein sehr zerbrechlich Glas.
Der Dinge wunderbarer Lauf
(Erfahrung lehret das)
Verändert wenig oft in viel,
Und setzt dem reichen Mann sein Ziel.
Recht tun, und edel sein und gut,
Ist mehr als Geld und Ehr;
Da hat man immer guten Mut
Und Freude um sich her,
Und man ist stolz, und mit sich eins,
Scheut kein Geschöpf und fürchtet keins.
Ich bin vergnügt, im Siegeston
Verkünd es mein Gedicht,
Und mancher Mann mit einer Kron
Und Szepter ist es nicht.
Und wär er’s auch; nun, immerhin!
Mag er’s! so ist er was ich bin.
EIN LIED UM REGEN
Der Erste
Regen, komm herab!
Unsre Saaten stehn und trauern,
Und die Blumen welken.
Der Zweite
Regen, komm herab!
Unsre Bäume stehn und trauern!
Und das Laub verdorret.
Der Erste
Und das Vieh im Felde schmachtet,
Und brüllt auf zum Himmel.
Der Zweite
Und der Wurm im Grase schmachtet,
Schmachtet und will sterben.
Beide
Lass doch nicht die Blumen welken!
Nicht das Laub verdorren!
Oh, lass doch den Wurm nicht sterben!
Regen, komm herab!
ICH DANKE GOTT
1.
Ich danke Gott und freue mich
Wie’s Kind zur Weihnachtsgabe,
Dass ich hier bin! Und dass ich dich
Schön menschlich Antlitz habe.
2.
Dass ich die Sonne, Berg und Meer,
Und Laub und Gras kann sehen
Und abends unterm Sternenheer
Und lieben Monde gehen.
3.
Gott gebe mir nur jeden Tag.
So viel ich darf zum Leben,
Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt‘ er’s mir nicht geben!
KRIEGSLIED
1.
’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
2.
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
3.
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
4.
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
5.
Wenn Hunger, böse Seuch‘ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
6.
Was hülf mir Kron‘ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
MEIN NEUJAHRSLIED
Es war erst frühe Dämmerung
Mit leisem Tagverkünden,
Und nur noch eben hell genung
Sich durch den Wald zu finden.
Der Morgenstern stand linker Hand,
Ich aber ging und dachte
Im Eichtal an mein Vaterland,
Dem er ein Neujahr brachte.
Auch dacht‘ ich weiter: „so, und so,
Das Jahr ist nun vergangen,
Und du siehst, noch gesund und froh,
Den schönen Stern dort prangen.
Der ihm dort so zu stehn gebot
Muss doch gern geben mögen!
Sein Stern, sein Tal, sein Morgenrot,
Rund um mich her sein Segen!
Und bald wird seine Sonne hier
Zum erstenmal aufgehen!
Das Herz im Leibe brannte mir,
Ich musste stille stehen,
Und wankte wie ein Mensch im Traum
Wenn ihn Gesichte drängen,
Umarmte einen Eichenbaum
Und blieb so an ihm hängen.
Auf einmal hört ich’s wie Gesang,
Und glänzend stiegs hernieder
Und sprach, mit hellem hohen Klang,
Das Waldtal sprach es wieder:
Der alten Barden Vaterland!
Und auch der alten Treue!
Dich, freies unbezwungnes Land!
Weiht Braga hier aufs neue
Zur Ahnentugend wieder ein!
Und Friede deinen Hütten,
Und deinem Volke Fröhlichsein,
Und alte deutschen Sitten!
Die Männer sollen, jung und alt!
Gut vaterländ’sch und tüchtig
Und bieder sein und kühn und kalt,
Die Weiber keusch und züchtig!
Und deine Fürsten groß und gut!
Und groß und gut die Fürsten!
Die Deutschen lieben, und ihr Blut
Nicht saugen, nicht Blut dürsten!
Gut sein! Gut sein! ist viel getan,
Erobern, ist nur wenig;
Der König sei der bessre Mann,
Sonst sei der bessre, König!
Dein Dichter soll nicht ewig Wein
Nicht ewig Amorn necken!
Die Barden müssen Männer sein,
Und Weise sein, nicht Gecken!
Ihr Kraftgesang soll Himmel an
Mit Ungestüm sich reißen!
Und du, Wandsbecker Leiermann,
Sollst Freund und Vetter heißen!