D. Martin Luthers Antwort an Erasmus von Rotterdam,
daß der freie Wille nichts sei (De servo arbitrio, 1525)
b. Wider den zweiten Theil der Diatribe, durch welchen Erasmus vermeinte Luthers Gründe umzustoßen.
Dies mag genug sein wider den ersten Theil der Diatribe, durch welchen sie den freien Willen hat aufrichten wollen. Nun wollen wir den zweiten Theil ansehen, durch welchen das Unsrige widerlegt wird, das heißt, das, wodurch der freie Wille aufgehoben wird. Hier wirst du sehen, was der Rauch eines Menschen vermöge wider die Blitze und Donnerschläge Gottes. Erstlich, nachdem sie unzählige Stellen der Schrift für den freien Willen angeführt hat, gleichsam ein überaus furchtbares Heer (um die Zeugen (Confessores) und Märtyrer und alle Heiligen des freien Willens, Männer und Weiber (Sanctos et Sanctas), beherzt zu machen, dagegen alle jene Leugner und Sünder gegen den freien Willen feige und zitternd zu machen), erdichtet sie ein verächtliches Häuflein wider den freien Willen, und läßt sogar nur „zwei Stellen, welche deutlicher sind als die anderen“, auf dieser Seite stehen, und ist natürlich nur zum Abschlachten bereit, und zwar ohne große Mühe, deren eine 2 Mos. 9,12. ist: „Der Herr verstockte das Herz Pharao“, die andere Mal. 1,2.3.: „Jakob habe ich lieb, aber Esau hasse ich.“ Da nun aber Paulus im Briefe an die Römer beide Stellen weitläuftiger auslegt, so ist es zu verwundern, eine wie hassenswerthe und unnütze Erörterung er, nach dem Urtheil der Diatribe, unternommen hat. Wenn aber der Heilige Geist der Redekunst nicht auch ein wenig kundig wäre, so hätte zu befürchten gestanden, er möchte, darniedergebeugt durch die so große Kunst einer erheuchelten Verachtung, gänzlich an der Sache verzweifeln und vor Beginn der Schlacht dem freien Willen die Siegespalme zugestehen. Aber ich will, verstärkt durch jene zwei Stellen, weiter unten auch unsere Truppen zeigen, wiewohl, wo der Kampf in solcher Weise entschieden werden kann (talis est pugnae fortuna), daß Einer zehntausend in die Flucht zu treiben vermag, keine Truppen nöthig sind. Denn wenn Eine Stelle den freien Willen überwunden hat, so werden ihm auch unzählige Schaaren nichts nützen. Hier hat nun die Diatribe einen neuen Kunstgriff erfunden, den deutlichsten Stellen zu entschlüpfen, nämlich, daß sie meint, es sei in den einfachsten, klarsten Worten eine bildliche Rede, so daß, wie sie oben die befehlenden und verpflichtenden Worte des Gesetzes durch angehängte Folgerungen und Gleichnisse, die sie dazu dichtete, zum Gespötte machte, sie jetzt, wo sie gegen uns handeln will, alle Worte der Verheißung und göttlichen Zusage durch das Fündlein der bildlichen Rede (per tropum repertum) verdreht, wohin man auch sehen mag. So ist sie überall ein Proteus, den man nicht fassen kann. Ja, gerade das fordert sie mit großem Ernste, daß ihr das von uns gestattet werden müsse, weil wir ebenfalls, wenn wir in die Enge getrieben würden, durch Auffindung von bildlicher Redeweise entschlüpften, wie dort: „Greife, zu welchem du willst“, das ist, die Gnade wird deine Hand ausstrecken, wozu sie will; „Macht euch ein neues Herz“, das ist, die Gnade Gottes wird euch ein neues Herz schaffen, und Aehnliches. Es scheint daher unbillig zu sein, wenn es dem Luther freistehen sollte, eine so gewaltsame und gezwungene Erklärung beizubringen, und es nicht viel mehr erlaubt sein sollte, den Erklärungen der bewährtesten Lehrer zu folgen. Du siehst also hier, daß nicht über den Text selbst, auch nicht mehr über Folgerungen und Gleichnisse, sondern über bildliche Reden und Auslegungen gestritten wird. Wann werden wir also irgend einen einfachen und reinen Text für den freien Willen oder gegen den freien Willen finden können ohne bildliche Reden und Folgerungen? Hat denn die Schrift solche Texte nirgends, und wird die Sache des freien Willens immer zweifelhaft sein, da er ja durch keinen gewissen Text bestätigt, sondern allein durch Folgerungen und bildliche Reden, welche durch Menschen eingeführt werden, die unter einander uneinig sind, hin und her bewegt wird, wie ein Rohr vom Winde? Wir wollen es vielmehr so halten, daß an keiner Stelle der Schrift weder eine Folgerung noch eine bildliche Rede zugelassen werden soll, wenn dies nicht die deutlichen Verhältnisse, unter welchen die Worte geredet sind (circumstantia verborum evidens), erzwingen, und die Ungereimtheit einer offenbaren Sache, welche gegend irgend einen Artikel des Glaubens verstößt; sondern überall muß man an der einfachen, reinen und natürlichen Bedeutung der Worte festhalten, welche die Sprachlehre und der Sprachgebrauch (usus loquendi), den Gott in den Menschen geschaffen hat, mit sich bringt. Wenn nun einem jeglichen freistehen sollte, nach seinem Gefallen Folgerungen und bildliche Reden in der Schrift zu erdichten, was würde aus der ganzen Schrift anders als ein Rohr, das vom Winde hin und her bewegt wird, oder eine Art Vertumnus? Dann würde in Wahrheit in keinem Artikel des Glaubens irgend etwas Gewisses weder aufgestellt noch bewiesen werden können, was man nicht durch irgend eine bildliche Redeweise zum Gespötte machen könnte. Es muß vielmehr eine jede bildliche Redeweise, welche die Schrift nicht selbst erzwingt, als das wirksamste Gift gemieden werden. Siehe zu, wie es dem bildlich redenden (tropologo) Origenes gegangen ist bei Auslegung der Schrift, wie gegründeten Anlaß er dem Lästerer Porphyrius gegeben hat, so daß auch Hieronymus meint, daß diejenigen wenig ausrichten, welche den Origenes in Schutz nahmen. Was ist den Arianern widerfahren mit der bildlichen Rede, durch welche sie Christum zu einem adoptirten (nuncupativum) Gotte machten? Was geschah zu unserer Zeit diesen neuen Propheten mit den Worten Christi: „Das ist mein Leib“, wo einer bei dem Fürwort „das“, ein anderer bei dem Zeitwort „ist“, ein anderer bei dem Hauptwort „Leib“ bildliche Rede annimmt? Ich habe das beobachtet, daß alle Ketzereien und Irrthümer in der Schrift nicht aus den einfachen Worten hergekommen sind, wie fast in der ganzen Welt ausgerufen wird, sondern aus der Vernachlässigung der einfachen Worte und aus den aus dem eigenen Kopfe erkünstelten bildlichen Reden oder Folgerungen. Zum Beispiel: „Greife, zu welchem du willst“, habe ich niemals (soweit ich mich erinnere) mit dieser gewaltsamen Auslegung versehen, daß ich gesagt hätte: Die Gnade wird deine Hand ausstrecken, wozu sie will; „Macht euch ein neues Herz“, das ist, die Gnade wird euch ein neues Herz machen, und dergleichen, wiewohl mich die Diatribe in einem öffentlichen Buche so durchzieht, nämlich, weil sie mit bildlichen Reden und Folgerungen beschäftigt und durch dieselben bethört ist, daß sie nicht sieht, was sie von jemand redet, sondern so habe ich gesagt: „Strecke deine Hand aus“ etc., wenn man die Worte einfach so nimmt, wie sie lauten, mit Ausschluß der bildlichen Reden und Folgerungen, werde nichts Anderes ausgedrückt, als daß das Ausstrecken der Hand von uns gefordert wird, und dadurch angezeigt, was wir thun sollen, wie es die Art eines befehlenden Wortes ist bei den Grammatikern und nach dem Sprachgebrauche. Die Diatribe aber sieht diese einfache Bedeutung des Wortes nicht an, sondern legt durch Folgerungen und gewaltsam hergeholte bildliche Reden so aus: „Strecke deine Hand aus“, das heißt, du kannst aus eigener Kraft deine Hand ausstrecken; „Machet ein neues Herz“, das heißt, ihr könnt ein neues Herz machen; „Glaubet an Christum“, das heißt, ihr könnt glauben: so daß es ihr gleich gilt, ob es befehlender Weise oder nach der Wirklichkeit (indicative) geredet wird, sonst ist sie bereit zu erklären, die Schrift sei lächerlich und vergeblich. Und diese Auslegungen, die kein Sprachlehrer ertragen kann, darf man an den Theologen nicht gewaltsame und erkünstelte nennen, sondern es sind die der bewährtesten Lehrer, die so viele Jahrhunderte lang angenommen worden sind. Aber der Diatribe ist es leicht, an dieser Stelle bildliche Reden zuzulassen und anzunehmen, da ihr nichts daran liegt, ob das, was gesagt wird, gewiß oder ungewiß ist, ja, darauf geht sie aus, daß alles ungewiß sein soll, da sie ja den Rath gibt, die Lehren vom freien Willen lieber fahren zu lassen, als zu erforschen. Deshalb hat es ihr genügt, in jeder möglichen Weise die Aussprüche zu nichte zu machen, von denen sie, wie sie wohl merkt, in die Enge getrieben wird. Wir aber, für die es sich um eine ernste Sache handelt, und die wir die gewisseste Wahrheit suchen, um die Gewissen fest darauf zu gründen, müssen ganz anders verfahren. Uns, sage ich, ist es nicht ausreichend, wenn du sagst, es kann hier eine bildliche Rede sein, sondern das ist die Frage, ob hier eine bildliche Rede sein solle und müsse. Wenn du nun nicht zeigen kannst, daß nothwendiger Weise eine bildliche Rede darin liege, so richtest du durchaus nichts aus. Es steht da das Wort Gottes (2 Mos. 7,3.): „Ich will das Herz Pharao's verhärten.“ Wenn du sagst, es müsse so verstanden werden oder könne so verstanden werden: Ich werde zulassen, daß es verstockt werde; so höre ich zwar, daß es so verstanden werden könne; ich höre, daß diese bildliche Rede in volksthümlicher Sprache gebräuchlich ist, wie: Ich habe dich verderbt, weil ich dich nicht sogleich, als du fehltest, gezüchtigt habe. Aber diese Beweisung hat hier nicht statt; es fragt sich nicht, ob jene bildliche Rede im Gebrauche sei, es fragt sich nicht, ob jemand dieselbe an dieser Stelle des Paulus für sich in Anspruch nehmen könnte, sondern das ist die Frage, ob es sicher und gewiß sei, daß sie an dieser Stelle in richtiger Weise gebraucht werde und ob Paulus dieselbe gebrauchen wolle; es ist nicht die Frage, welches der fremde Gebrauch des Lesers sei, sondern was der Gebrauch des Verfassers selbst, des Paulus, sei. Was willst du mit einem Gewissen machen, welches so fragt: Siehe, Gott, als der Verfasser, sagt: „Ich will das Herz Pharao's verhärten.“ Die Bedeutung des Wortes „verhärten“ ist offenbar und bekannt; aber ein Mensch, der das liest, sagt mir: „Verhärten“ heißt an dieser Stelle: Anlaß zum Verhärten geben, indem der Sünder nicht sofort gezüchtigt wird. Durch welches Ansehen, durch welchen Rath, durch welche Nothwendigkeit wird mir jene natürliche Bedeutung des Wortes so verdreht? Wie, wenn der Leser und Ausleger irrte? Wodurch wird bewiesen, daß jene Verdrehung des Wortes an dieser Stelle geschehen müsse? Es ist gefährlich, ja, gottlos, Gottes Wort ohne Nothwendigkeit, ohne gegründete Berechtigung (autoritate) zu verdrehen. Kannst du dann der armen leidenden Seele so rathen: Origenes hat so oder so gedacht; laß ab, solchen zu erforschen, da es vorwitzig und überflüssig ist? Aber sie wird antworten: Dessen hätten Moses und Paulus erinnert werden sollen, ehe sie schrieben, ja, sogar Gott selbst. Was plagen sie uns denn mit vorwitzigen und überflüssigen Schriften? Deshalb hilft der Diatribe diese elende Ausflucht nicht, es seien bildliche Reden, sondern hier muß unser Proteus tapfer festgehalten werden, daß er uns über die bildliche Rede dieser Stelle ganz gewiß machen müsse, und zwar mit ganz klaren Schriftstellen oder durch augenscheinliche Wunder. Daß sie so meint, selbst unter Beistimmung dessen, was durch den Fleiß aller Zeiten zuwege gebracht worden ist (consentiente omnium seculorum industria), dem glauben wir nichts, sondern fahren fort und dringen darauf, daß hier keine bildliche Rede sein könne, sondern daß die Rede Gottes einfach verstanden werden müsse, wie die Worte lauten. Denn es steht nicht in unserer Willkür (wie die Diatribe sich einredet), die Worte Gottes zu erdichten und umzudichten nach unserem Gefallen; was bliebe sonst in der ganzen Schrift übrig, das nicht auf die Philosophie des Anaxagoras hinauskäme, so daß aus jedem Beliebigen alles Beliebige werde? Denn ich könnte sagen: „Gott hat Himmel und Erde geschaffen“, das heißt, er hat sie geordnet, er hat sie aber nicht aus Nichts geschaffen; oder: Er hat Himmel und Erde geschaffen, das heißt, Engel und Teufel, oder Gerechte und Gottlose. Wer, ich bitte dich, würde dann nicht sogleich, wie er das Buch aufschlägt, ein Theologe sein? Wenn also dies fest und gewiß ist, so wird die Diatribe, wofern sie nicht beweisen kann, daß eine bildliche Rede in diesen unseren Stellen liege, welche sie entkräftet, gezwungen, uns zuzugestehen, die Worte müssen verstanden werden, wie sie lauten, wenngleich sie beweisen sollte, daß sonst dieselbe bildliche Rede in allen Stellen der Schrift und bei allen Schriftstellern ganz gewöhnlich sei. Und hiedurch ist alles, was wir gesagt, was die Diatribe widerlegen wollte, ein für allemal vertheidigt, und klar am Tage, daß ihre Widerlegung durchaus nichts ausrichte, nichts vermöge, nichts sei. Wenn daher das Wort Mosis: „Ich will das Herz Pharao's verhärten“, so ausgelegt wird: Meine Lindigkeit, mit der ich den trage, der da sündigt, bringt zwar andere zur Buße, aber den Pharao wird sie hartnäckiger machen in seiner Bosheit, so ist das schön gesagt, aber es wird nicht bewiesen, daß so gesagt werden müsse; wir aber, nicht zufrieden damit, daß es nur gesagt werde, fordern den Beweis. Desgleichen jenes Wort des Paulus (Röm. 9,18.): „Er erbarmt sich, welches er will, und verstocket, welchen er will“, wird einleuchtend (plausibiliter) ausgelegt: das heißt, Gott verstockt, wo er den Sündigenden nicht sofort züchtigt; er erbarmt sich, wo er bald zur Buße treibt durch Trübsale; aber wodurch wird diese Auslegung bewiesen? Desgleichen jenes Wort des Jesajas (63,17.): „Warum lässest du uns, Herr, irren von deinen Wegen, und unser Herz verstocken, daß wir dich nicht fürchten?“ Zugegeben, daß Hieronymus nach Origenes es so auslege: Von dem sagt man, er verführe, welcher nicht sofort von dem Irrthum zurückruft; wer macht uns gewiß, daß Hieronymus und Origenes richtig auslegen? Endlich ist unser Uebereinkommen, daß wir nicht mit Berufen auf (autoritate) irgend einen Lehrer, sondern allein auf die Schrift kämpfen wollen. Was hält also die Diatribe, welche das Uebereinkommen vergessen hat, uns Leute wie Origenes und Hieronymus entgegen? da unter den Kirchenlehrern fast keine Schriftsteller sind, welche abgeschmackter und ungereimter die heilige Schrift behandelt haben, als Origenes und Hieronymus. Und, um es mit Einem Worte zu sagen: Diese Willkür in der Auslegung läuft darauf hinaus, daß durch eine neue und unerhörte Sprachlehre alles verwirrt wird, so daß, wenn Gott sagt: Ich will das Herz Pharao's verhärten, die Personen vertauscht werden, und du es so verstehen mußt, Pharao verhärtet sich durch meine Lindigkeit; Gott verstockt unser Herz, das heißt, wir selbst verstocken uns, indem Gott die Strafen aufschiebt; Du, Herr, hast uns irren gemacht, das heißt, wir haben uns selbst irren gemacht, da du nicht züchtigtest. Wenn es also heißt, daß Gott sich erbarme, bezeichnet das nun nicht mehr, daß er Gnade schenke, oder Barmherzigkeit erweise, die Sünde erlasse, rechtfertige oder von Uebeln befreie, sondern es besagt, er füge Uebel zu und züchtige. Durch diese bildlichen Reden wird endlich das zuwege gebracht werden, daß du sagen kannst, Gott habe sich der Kinder Israel erbarmt, indem er sie nach Assyrien und Babylon versetzte, denn dort züchtigte er die Sünder, dort lockte er sie durch Trübsale zur Buße; wiederum, als er sie zurückführte und befreite, da hat er sich nicht erbarmt, sondern hat sie verhärtet, das heißt, er hat ihnen durch seine Lindigkeit und Barmherzigkeit Anlaß gegeben, sich zu verhärten. Wenn es also heißt, daß er Christum als Heiland in die Welt sendete, so wird damit nicht gesagt, daß das Gottes Barmherzigkeit sei, sondern Verstockung, weil er durch diese Barmherzigkeit den Menschen Anlaß gab, sich zu verstocken. Wenn er aber Jerusalem verwüstet und die Juden verworfen hat (perdidit) bis auf diesen Tag, da erbarmt er sich ihrer, weil er die züchtigt, die gesündigt haben, und sie zur Buße einladet. Daß er die Heiligen in den Himmel führen wird am Tage des Gerichtes, das wird er nicht thun, um sich ihrer zu erbarmen, sondern um sie zu verhärten, weil er ihnen Gelegenheit geben wird, seine Güte zu mißbrauchen; wenn er aber die Gottlosen zur Hölle stoßen wird, da wird er sich ihrer erbarmen, weil er die Sünder züchtigt. Ich bitte dich, wer hat jemals von solchem Erbarmen und Zorn Gottes gehört? Es mag immerhin sein, daß die Guten sowohl durch die Lindigkeit als auch durch die Strenge Gottes besser werden, doch da wir zugleich von Guten und Bösen reden, so werden diese bildlichen Reden aus der Barmherzigkeit Gottes Zorn machen und aus dem Zorne Barmherzigkeit, durch eine ganz verdrehte Art zu reden, da sie das Zorn nennen, wenn Gott wohlthut, und Barmherzigkeit, wenn er straft. Wenn nun aber gesagt werden soll, Gott verhärte, wenn er wohlthut und trägt, aber er erbarme sich, wenn er schlägt und züchtigt, warum wird denn gesagt, daß er den Pharao mehr verstockt habe, als die Kinder Israel, oder auch die ganze Welt? Oder that er den Kindern Israel nicht wohl? thut er nicht der ganzen Welt wohl? trägt er nicht die Bösen? lässet er nicht regnen über Gute und Böse? Warum wird gesagt, daß er sich mehr über die Kinder Israel als über Pharao erbarmt habe? hat er denn nicht die Kinder Israel in Egypten und in der Wüste geschlagen? Es mag immerhin sein, daß einige Gottes Güte und Zorn mißbrauchen, andere sie recht gebrauchen. Du aber deutest dies so: Verstocken sei so viel, als Nachsicht haben gegen die Bösen aus Lindigkeit und Güte, sich erbarmen aber sei, keine Nachsicht haben, sondern heimsuchen und strafen. Daher, soviel Gott anbetrifft, thut er mit beständiger Güte nichts Anderes, als daß er verhärtet, mit beständigem Strafen thut er nichts Anderes, als daß er sich erbarmt. Aber dies ist weitaus das Schönste: Es wird von Gotte gesagt, er verstocke, wenn er Nachsicht hat mit den Sündern durch seine Lindigkeit, aber er erbarme sich, wenn er heimsucht und schlägt, indem er durch seine Strenge zur Buße einladet. Was, ich bitte dich, hat Gott unterlassen, um den Pharao zur Buße zu schlagen, zu züchtigen, zu rufen? Werden dort nicht zehn Plagen aufgezählt? Wenn deine Erklärung feststeht, daß „sich erbarmen“ sei, den Sünder sogleich züchtigen und rufen, so hat sich Gott des Pharao sicherlich erbarmt. Warum sagt also Gott nicht: Ich will mich Pharao's erbarmen, sondern spricht: „Ich will das Herz Pharao's verhärten“? (2 Mos. 7,3.) Denn eben damit, daß er sich seiner erbarmt, das heißt, wie du sagst, schlägt und züchtigt, sagt er: Ich will ihn verhärten, das ist, wie du sagst, ich will ihm wohlthun und ihn tragen. Was könnte man Ungeheuerlicheres hören? Wo sind jetzt deine bildlichen Reden? wo Origenes? wo Hieronymus? wo die bewährtesten Lehrer, denen Ein Mensch, Luther, vermessen widerspricht? Aber so zu reden zwingt die Unvorsichtigkeit des Fleisches, indem sie mit Gottes Worten ihr Spiel treibt und nicht glaubt, daß sie ernstlich seien. Es thut also dieser Text Mosis selbst unwiderleglich dar, daß jene bildlichen Reden erdichtet sind und an diese Stelle durchaus nicht gehören, und daß durch jene Worte: „Ich will das Herz Pharao's verhärten“ etwas weitaus Anderes und ein viel Größeres bezeichnet wird, als Wohlthun und Heimsuchung und Züchtigung, da wir nicht leugnen können, daß beides an Pharao mit dem größten Eifer und der größten Sorgfalt versucht worden ist. Denn wie könnte der Zorn und die Züchtigung heftiger sein, als indem er mit so vielen Zeichen, mit so vielen Plagen geschlagen wird, daß auch Moses selbst bezeugt, dergleichen sei niemals gewesen? Ja, auch Pharao selbst wird durch dieselben wiederholt erschüttert, so daß es schien, als ob er zur Besinnung käme, aber er wird nicht gründlich bewegt und beharrt auch nicht. Wie kann es aber auch eine größere Lindigkeit und Güte geben, als da Gott so leicht die Plagen wegnimmt und ihm so oft die Sünde vergibt, so oft wieder Gutes erzeigt, so oft das Uebel wegnimmt? Dennoch richtet beides nichts aus, gleichwohl sagt er: „Ich will das Herz Pharao's verhärten.“ Du siehst also, obgleich wir deine Verhärtung und deine Barmherzigkeit (das heißt, nach deiner Auslegung und deiner bildlichen Rede) willig zugestehen, sowohl was den Gebrauch des Wortes, als was jenes Beispiel anlangt, wie man an Pharao sehen kann, so steht dennoch die Verhärtung fest, und es muß nothwendiger Weise die, von der Moses redet, eine andere (Verhärtung) sein, als die, welche du erträumst. Aber da wir mit Leuten kämpfen, die Erdichtetes vorbringen, und mit Larven, so wollen auch wir eine Larve vornehmen und erdichten und den unmöglichen Fall setzen, die bildliche Rede, welche die Diatribe erträumt, habe an dieser Stelle Geltung, um zu sehen, wie sie dem entgehen will, daß sie nicht gezwungen werde zu bekennen, daß allein durch Gottes Willen, unsererseits aber aus Notwendigkeit, alles geschehe, und wie sie Gott entschuldigen will, daß er nicht der Urheber und die Schuld unserer Verhärtung sei. Wenn es wahr ist, daß dann von Gott gesagt werde, er verhärte, wenn er durch seine Lindigkeit trägt und nicht sogleich bestraft, so bleibt beides noch fest stehen. Erstlich, daß der Mensch nichtsdestoweniger nothwendiger Weise der Sünde Knecht ist. Denn da es zugegeben worden ist, daß der freie Wille nicht irgend etwas Gutes wollen könne (was (zu beweisen) die Diatribe unternommen hat), so wird er durch die Lindigkeit Gottes, der ihn trägt, nichts besser, sondern mit Notwendigkeit ärger, wenn ihm nicht von Gotte, der sich erbarmt, der Geist dazu gegeben wird; deshalb geschieht doch noch unsererseits alles aus Notwendigkeit. Zweitens, daß Gott ebenso grausam zu sein scheint, wenn er durch seine Lindigkeit trägt, als wenn er, wie man dafürhält, daß von uns gepredigt werde, durch sein Wollen verhärtet nach seinem unerforschlichen Willen. Denn da er sieht, daß der freie Wille das Gute nicht wollen kann und ärger wird durch die Lindigkeit dessen, der ihn trägt, so scheint er gerade wegen dieser Lindigkeit überaus grausam zu sein und sich zu ergötzen an unserem Uebel, wiewohl er es heilen könnte, wenn er wollte, und nicht tragen könnte, wenn er wollte, ja, wenn er nicht wollte, nicht tragen könnte; denn wer möchte ihn zwingen wider seinen Willen? Da nun jener Wille feststeht, ohne den nichts geschieht, und zugegeben worden ist, daß der freie Wille nichts Gutes wollen kann, so wird vergeblich gesagt, was da geredet wird, um Gott zu entschuldigen und den freien Willen anzuklagen. Denn immer sagt der freie Wille: Ich kann nicht, und Gott will nicht; was soll ich machen? Freilich, er mag sich erbarmen durch Züchtigung, ich habe davon keinen Nutzen, sondern muß nothwendiger Weise schlechter werden, wenn er mir nicht den Geist schenkt. Aber diesen schenkt er mir nicht; er würde ihn aber schenken, wenn er wollte; deshalb ist es gewiß, daß er ihn nicht geben will. Auch die beigebrachten Gleichnisse dienen nichts zur Sache, da gesagt wird: „Gleichwie durch dieselben Sonnenstrahlen der Koth hart und das Wachs weich wird und durch denselben Platzregen ein bebautes Land Früchte, ein unbebautes Dornen trägt, so werden durch dieselbe Sanftmuth Gottes einige verhärtet, andere bekehrt.“ Denn wir theilen den freien Willen nicht in zwei verschiedene Arten der Beschaffenheit nach (ingenia), daß der eine ist wie Koth, der andere wie Wachs, oder der eine ein bebautes Land, der andere ein unbebautes Land, sondern wir reden von Einem, der in allen Menschen in gleicher Weise unvermögend ist, welcher nur Koth, nur unbebautes Land ist, so daß er das Gute nicht wollen kann. Deshalb, gleichwie der Koth immer härter wird und das unbebaute Land immer dornichter, so wird der freie Wille immer ärger, sowohl durch die Lindigkeit der Sonne, welche verhärtet, als auch durch den erweichenden Platzregen. Wenn also in allen Menschen ein freier Wille ist, der nur in Einer Weise gedeutet werden kann und dasselbe Unvermögen an sich hat, so kann keine Rechenschaft darüber gegeben werden, warum der eine zur Gnade gelange und der andere nicht dazu gelange, wenn nichts Anderes gepredigt wird als die Sanftmuth des tragenden und die Züchtigung des sich erbarmenden Gottes. Denn es ist in alle Menschen ein freier Wille gelegt, der auf gleiche Weise beschrieben wird, daß er nichts Gutes wollen kann. Dann kann auch Gott niemanden erwählen und es bleibt keine Stelle für die Erwählung übrig, sondern allein die Freiheit des Willens, der die Sanftmuth und den Zorn entweder annimmt oder zurückweist. Wenn aber Gott der Kraft und der Weisheit des Erwählens so beraubt wird, was wird er anders sein als ein Götzenbild des Schicksals, durch dessen Macht (numine) alles von ungefähr geschieht? Und endlich wird es dahin kommen, daß die Menschen selig oder verdammt werden, ohne daß Gott es weiß, da er ja durch eine gewisse (certa) Erwählung keinen Unterschied gemacht hat zwischen denen, die selig, und denen, die verdammt werden sollen, sondern es, durch die allen dargebotene allgemeine tragende und verhärtende Lindigkeit, dann auch durch die züchtigende und strafende Barmherzigkeit, den Menschen überlassen hat, ob sie selig oder verdammt werden wollen. Er selbst ist vielleicht unterdessen zu einem Gastmahle bei den Mohren gegangen, wie Homer sagt. Einen solchen Gott hat uns auch Aristoteles abgemalt, nämlich, der da schlafe und seiner Güte und Züchtigung gebrauchen und mißbrauchen lasse alle, die da wollen. Und die Vernunft kann nicht anders über ihn urtheilen, als die Diatribe hier thut. Denn gleichwie sie schnarcht und die göttlichen Dinge verachtet, so urtheilt sie auch von Gotte, als ob er schnarche, seine Weisheit, seinen Willen, seine Allgegenwart nicht gebrauche zum Erwählen, zum Unterscheiden, zum Eingeben (des Heiligen Geistes), und den Menschen dieses mühevolle und beschwerliche Werk übertragen habe, seine Lindigkeit und seinen Zorn anzunehmen und auszuschlagen. Dahin kommt es, wenn wir Gott nach der menschlichen Vernunft messen und entschuldigen wollen, wenn wir die Geheimnisse Gottes nicht verehren wollen, sondern forschend eindringen, daß wir, überwältigt von Ruhmsucht, statt Einer Entschuldigung tausend Lästerungen ausstoßen, auch unser selbst dabei nicht eingedenk sind, sondern zugleich wider Gott und wider uns selbst schwatzen, wie unsinnige Leute thun, indem wir in großer Weisheit für Gott und für uns reden wollen. Denn hier siehst du, was diese bildliche Rede und Deutung (glossa) der Diatribe aus Gott macht; dann auch, wie fein sie mit sich selber stimmt, da sie zuvor den freien Willen durch Eine Erklärung (definitione) für alle Menschen zu einem gleichen und gleichartigen machte, jetzt aber unter dem Erörtern der eigenen Erklärung vergißt, den einen zu einem bebauten, den andern zu einem unbebauten macht, indem sie nach der Verschiedenheit der Werke und der Lebensweise (morum) auch verschiedene freie Willen der Menschen macht, einen, der Gutes thue, einen andern, der es nicht thue, und zwar aus seinen Kräften vor der Gnade, wiewohl sie vorher in der Erklärung festgestellt hatte (definierat), daß er aus diesen Kräften nichts Gutes wollen könne. So geschieht es, daß wir, indem wir dem Willen Gottes allein den Willen und die Macht, zu verhärten und sich zu erbarmen und alles zu thun, nicht einräumen, dem freien Willen selbst zuschreiben, daß er alles vermöge ohne die Gnade, wiewohl wir doch in Abrede genommen haben, daß er ohne die Gnade irgend etwas Gutes vermöge. Daher paßt das Gleichniß von der Sonne und dem Platzregen durchaus nicht hieher: richtiger möchte ein Christ dieses Gleichnisses so gebrauchen, daß er das Evangelium die Sonne und den Platzregen nennte, wie es der 19. Psalm (V. 5.6.) und der Brief an die Hebräer, Cap. 6,7., thut, das bebaute Land aber die Auserwählten, das unbebaute die Verworfenen; denn jene werden durch das Wort erbaut und werden besser, diese werden geärgert und werden schlechter; sonst ist der freie Wille an sich in allen Menschen das Reich des Teufels. Wir wollen auch die Ursachen besehen, um derentwillen an dieser Stelle eine bildliche Rede erdichtet worden ist. „Es scheint ungereimt zu sein (sagt die Diatribe), daß von Gott, der nicht allein gerecht, sondern auch gut ist, gesagt wird, er verstocke das Herz eines Menschen, damit er durch dessen Bosheit seine Macht verherrlichen möge. Deshalb geht sie auf den Origenes zurück, welcher gesteht, Gott habe zu der Verstockung Gelegenheit gegeben, jedoch die Schuld auf den Pharao wälzt. Ferner hat derselbe (Origenes) angemerkt, daß der Herr gesagt hat: Gerade dazu habe ich dich erweckt, er sagt nicht, gerade dazu habe ich dich gemacht. Sonst wäre Pharao nicht gottlos gewesen, wenn Gott ihn so erschaffen hätte, der da alle seine Werke ansah, und siehe, sie waren sehr gut.“ Soweit die Diatribe. Also die Ungereimtheit ist eine von den hauptsächlichsten Ursachen, daß die Worte Mosis und des Paulus nicht einfach verstanden werden sollen? Aber gegen welchen Artikel des Glaubens verstößt diese Ungereimtheit? oder wer wird durch dieselbe geärgert? Die menschliche Vernunft wird geärgert, welche, obwohl sie in allen Worten und Werken Gottes blind, taub, thöricht, gottlos und gotteslästerlich ist, an dieser Stelle als Richterin, über die Worte und Werke Gottes hergebracht wird. Mit demselben Grunde könntest du alle Artikel des Glaubens leugnen (und sagen), daß es doch das Allerungereimteste wäre und, wie Paulus sagt (1 Cor. 1,23.), „den Heiden eine Thorheit und den Juden ein Aergerniß“, daß Gott Mensch sei, der Sohn einer Jungfrau, gekreuzigt, sitzend zur Rechten des Vaters. Es ist ungereimt (sage ich), solches zu glauben. Also laßt uns mit den Arianern einige bildliche Reden erdichten, damit Christus nicht einfach Gott sei. Laßt uns bildliche Reden mit den Manichäern erdichten, damit er nicht wahrer Mensch sei, sondern ein Gespenst, welches durch die Jungfrau, wie ein Strahl durch das Glas, hindurchgegangen und gekreuzigt sei. So schön werden wir die Schrift behandeln (wenn wir der Vernunft folgen). Aber es helfen die bildlichen Reden doch nicht, noch wird dadurch die Ungereimtheit vermieden. Denn es bleibt (nach dem Urtheil der Vernunft) ungereimt, daß der gerechte und gute Gott von dem freien Willen unmögliche Dinge fordern sollte, und, da der freie Wille das Gute nicht wollen kann und nothwendiger Weise der Sünde dient, er es ihm doch anrechnen sollte. Und indem er den Geist nicht verleiht, daß er dann nicht gütiger oder gnädiger handelte, als wenn er verstockte, oder zuließe, daß sie sich verstocken. Von diesen Dingen wird die Vernunft sagen, daß sie einem guten und gnädigen Gotte nicht zukommen. Dieselben sind allzusehr über ihr Begreifen und sie kann sich auch nicht gefangen geben, daß sie glauben sollte, Gott sei gut, der solches thut und richtet, sondern mit Beiseitesetzung des Glaubens will sie tasten und sehen und begreifen, wie er gut und nicht grausam sei. Sie würde ihn aber dann begreifen, wenn so in Bezug auf Gott geredet würde: Er verhärtet niemanden, er verdammt niemanden, sondern er erbarmt sich aller, alle macht er selig, so daß, nachdem die Hölle zunichte gemacht und die Furcht vor dem Tode darniedergelegt ist, keine künftige Strafe zu befürchten stände. Darum ist sie so hitzig und strengt sich an, Gott als einen gerechten und guten zu entschuldigen und zu vertheidigen. Aber der Glaube und der Geist urtheilen anders, da sie glauben, daß Gott gut ist, wenngleich er alle Menschen ins Verderben stoßen würde (perderet). Und was nützt es, daß wir uns mit diesen Gedanken abmühen, daß wir die Schuld der Verstockung auf den freien Willen wälzen; der freie Wille in der ganzen Welt und aus allen Kräften möge thun, was er nur vermag, so wird er doch kein Beispiel beibringen, durch welches (bewiesen würde, das) er vermeiden könne, daß er nicht verstockt werde, wenn Gott den Geist nicht gibt, oder durch welches (er zeigen könnte, daß) er Barmherzigkeit verdienen könne, wenn er seinen eigenen Kräften überlassen worden ist. Denn was liegt daran, ob er verstockt werde, oder ob er verdiene, verstockt zu werden, da die Verstockung nothwendiger Weise in ihm liegt, so lange jenes Unvermögen in ihm ist, nach welchem er das Gute nicht wollen kann, wie die Diatribe selbst bezeugt. Da nun durch diese bildlichen Reden die Ungereimtheit nicht weggenommen wird oder, wenn sie weggenommen wird, größere Ungereimtheiten beigebracht werden, und dem freien Willen alles zugeschrieben wird, so mögen die unnützen und trügerischen bildlichen Reden dahinfahren und wir wollen an dem reinen und einfachen Worte Gottes festhalten. Die andere Ursache ist, daß das, was Gott gemacht hat, sehr gut ist, und Gott nicht gesagt hat: Gerade dazu habe ich dich gemacht, sondern, gerade dazu habe ich dich erweckt. Erstlich sagen wir, daß dieses vor dem Falle des Menschen gesagt worden ist, wo das, was Gott gemacht hatte, sehr gut war. Aber bald, im dritten Capitel, folgt, wie der Mensch böse geworden ist, von Gott verlassen und sich selbst überlassen. Von diesem so verderbten Menschen sind alle Gottlosen geboren, auch Pharao, wie Paulus (Eph. 2,3.) sagt: „Wir alle waren Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern.“ Gott hat also den Pharao als einen Gottlosen geschaffen (condidit), das heißt, aus einem gottlosen und verderbten Samen, wie es in den Sprüchen Salomonis (16,4.) heißt: „Der Herr macht alles um sein selbst willen, auch den Gottlosen zum bösen Tage.“ Daraus folgt nun nicht: Gott hat den Gottlosen geschaffen, also ist er nicht gottlos; denn wie sollte der, welcher aus gottlosem Samen herkommt, nicht gottlos sein? wie der 51. Psalm (V.7.) sagt: „Siehe, ich bin in Sünden empfangen“, und Hiob (14,4.): „Wer kann einen Reinen machen aus dem, der von unreinem Samen empfangen ist?“ Denn wiewohl Gott die Sünde nicht macht, so hört er doch nicht auf, die Natur, welche durch die Sünde verderbt ist, nachdem der Geist hinweggenommen ist, zu bilden und zu vervielfältigen, gleichsam als wenn ein Künstler aus verderbtem Holze Bildsäulen machte. Welcherlei nun das natürliche Wesen (natura) ist, solcherlei werden die Menschen, da Gott sie schafft und bildet aus einer solchen Natur. Zweitens sage ich: Wenn du willst, daß die Worte „es war sehr gut“ von den Werken Gottes nach dem Falle verstanden werden, so hast du zu beachten, daß dies nicht von uns, sondern von Gotte gesagt wird. Denn es heißt nicht: der Mensch sahe an, was Gott gemacht hatte, und es war sehr gut. Vieles scheint und ist vor Gotte sehr gut, was uns sehr schlecht scheint und ist. So die Heimsuchungen, Uebel, Irrthümer, die Hölle. Ja, alle besten Werke Gottes sind vor der Welt sehr schlecht und verdammlich. Was gibt es Besseres als Christus und das Evangelium? aber was gibt es Verfluchteres für die Welt? Deshalb, wie das gut sein kann vor Gotte, was für uns böse ist, das weiß allein Gott, und diejenigen, welche mit den Augen Gottes sehen, das heißt, die den Geist haben. Aber eine so scharfe Erörterung ist noch nicht nöthig, es genügt einstweilen die vorige Antwort. Es wird vielleicht die Frage aufgeworfen, wie von Gott gesagt werden könne, daß er Böses in uns wirke, als verhärten, den Lüsten übergeben, irreführen, und dergleichen. Man sollte wahrlich mit den Worten Gottes zufrieden sein und einfältiglich glauben, was sie sagen, da die Werke Gottes ganz unaussprechlich sind, doch um der Vernunft, das ist, der menschlichen Thorheit zu Willen zu sein, wollen wir kindisch und thöricht sein und lallend versuchen, ob wir etwa etwas an ihr ausrichten können. Erstens. Auch die Vernunft und die Diatribe gibt zu, daß Gott alles in allen wirke (1 Cor. 12,6.), und daß ohne ihn nichts geschehe noch wirksam sei, denn er ist allmächtig, und das gehört zu seiner Allmacht, wie Paulus sagt zu den Ephesern (1,19.). Nun können der Teufel und der Mensch, gefallen und von Gott verlassen, das Gute nicht wollen, das heißt, das, was Gotte gefällt, oder was Gott will, sondern sie sind beständig auf ihre Lüste bedacht, so daß sie nicht anders können als das suchen, was ihr eigen ist. Dieser ihr so von Gott abgewendeter Wille und Natur ist nicht Nichts, denn weder der Teufel noch der gottlose Mensch ist Nichts, oder haben keine Natur oder Willen, wiewohl sie eine verderbte und (von Gott) abgewendete Natur haben. Es bleibt also nur das übrig, daß wir sagen: das natürliche Wesen (naturae) bei dem Gottlosen und dem Teufel, wie es ein Geschöpf und Werk Gottes ist, ist der Allmacht und dem göttlichen Handeln nicht weniger unterworfen als alle anderen Geschöpfe und Werke Gottes. Da nun Gott alles in allen bewegt und wirkt, so bewegt und wirkt er auch nothwendiger Weise in dem Teufel und in dem Gottlosen. Er wirkt aber in ihnen in solcher Weise, wie sie selbst beschaffen sind und welcherlei er sie findet, das heißt, da sie abgewendet (von Gott) und böse sind und getrieben werden durch die Bewegung (motu) der göttlichen Allmacht, so thun sie nur, was (Gotte) zuwider (aversa) und böse ist, gleichsam als wenn ein Reiter ein Pferd führt (agit), welches nur drei oder nur zwei (gesunde) Beine hat, er führt es aber in solcher Weise, wie das Pferd ist, das heißt, das Pferd geht gar übel einher. Aber was soll der Reiter thun? Er führt ein solches Pferd zugleich mit gesunden, jenes auf üble Weise, diese in guter Weise; er kann nicht anders, wenn nicht das Pferd gesund wird. Hier siehst du, daß Gott, da er in Bösen und durch Böse wirkt, das Böse zwar geschehen läßt, daß aber Gott dennoch nicht böse Handeln kann, wiewohl er das Böse durch Böse ausrichtet, weil er selbst als der Gute nicht böse handeln kann, doch bedient er sich böser Werkzeuge, welche dem Triebe (raptum) und der Bewegung (motum) seiner Macht sich nicht entziehen können. Der Fehler liegt an den Werkzeugen, welche Gott nicht müßig sein läßt, so daß Böses geschieht, indem Gott selbst bewegt (movente), nicht anders als wenn ein Zimmermann mit einem rauhen, schartigen Beile übel hackte. Daher kommt es, daß ein Gottloser immer irren und sündigen muß, weil ihm, indem er durch den Trieb der göttlichen Macht bewegt wird, nicht zugelassen wird, unthätig zu sein, sondern, daß er in solcher Weise wollen, wünschen und thun muß, wie er selbst beschaffen ist. Dies ist fest und gewiß, wenn wir glauben, daß Gott allmächtig ist, dann auch, daß der Gottlose Gottes Geschöpf ist, aber, (von Gott) abgewendet und sich selbst überlassen, ohne den Geist Gottes das Gute weder wollen noch thun kann. Die Allmacht Gottes bewirkt, daß der Gottlose sich der Bewegung und Handlung Gottes nicht entziehen kann, sondern derselben als ein ihr notwendiger Weise Unterworfener gehorcht. Aber seine Verderbniß oder die Abwendung seiner (Person) von Gott macht, daß er nicht in guter Weise bewegt und getrieben werden kann. Gott kann seine Allmacht um der Abwendung jenes willen nicht anstehen lassen, der Gottlose aber kann seine Abwendung nicht ändern. So geschieht es, daß er beständig und nothwendiger Weise sündigt und irrt, bis er durch den Geist Gottes gebessert wird. In dem allen aber herrscht der Teufel noch in Frieden und besitzt seinen Palast in Frieden unter dieser Wirkung (motu) der göttlichen Allmacht. Darnach aber folgt der Handel der Verstockung, der sich so verhält: Der Gottlose (wie wir gesagt haben) wie auch sein Fürst, der Teufel, ist ganz auf sich und das Seine hingewendet; er sucht Gott nicht, kümmert sich auch nicht um das, was Gottes ist; seine Schätze, seinen Ruhm, seine Werke, seine Weisheit, sein Vermögen (posse) und überhaupt sein Reich sucht er und will diese Dinge in Frieden genießen. Wenn ihm nun jemand widersteht, oder ihm irgend etwas von diesen Dingen vermindern will, so wird er durch dieselbe (von Gott) abgewendete Gesinnung, nach welcher er jene Dinge sucht, auch bewegt und entrüstet, und wüthet gegen seinen Widersacher. Und ebensowenig kann er es unterlassen, zu wüthen, als er es unterlassen kann, zu begehren und (das Seine) zu suchen, und ebensowenig kann er aufhören zu begehren, als er aufhören kann zu sein, da er ein Geschöpf Gottes ist, wiewohl ein verderbtes. Dies ist jenes Wüthen der Welt wider das Evangelium Gottes, denn durch das Evangelium kommt jener Stärkere, der den ruhigen Besitzer des Palastes überwinden will und diese Lüste der Ehre, des Reichthums, der Weisheit und der eigenen Gerechtigkeit verdammt und alles, worauf er vertraut. Gerade diese Reizung der Gottlosen, daß Gott das Gegentheil sagt oder thut von dem, was sie wollten, ist ihre Verhärtung und Aergerwerden (ingravatio). Denn da sie durch sich selbst durch die Verderbniß der Natur (von Gott) abgewandt sind, so werden sie dann viel mehr abgewandt und werden ärger, wenn ihrer Abwendung widerstanden oder verkleinerlich davon geredet wird. So reizte Gott den gottlosen Pharao, da er ihm seine Herrschaft entreißen wollte, und verhärtete und verstockte sein Herz immer mehr, indem er ihn durch das Wort Mosis angriff, gleichsam als wollte derselbe ihm sein Reich nehmen und das Volk seiner Herrschaft entziehen, und gab ihm inwendig den Geist nicht, sondern ließ seine gottlose Verderbniß zu, daß er unter der Herrschaft des Teufels zornig wäre, sich stolz erhöbe, wüthete und fortführe in großer Sicherheit und Verachtung. Darum soll niemand denken, daß Gott, wenn von ihm gesagt wird, er verhärte oder wirke Böses in uns (denn verhärten ist Böses thun), so handele, als ob er von neuem Böses in uns schaffe, als wenn du dir dächtest, daß ein boshafter Schenkwirth, der selbst böse ist, in ein nicht böses Gefäß Gift schüttete oder mischte, indem das Gefäß selbst nichts thäte, als daß es die Bosheit des Giftmischers empfinge oder litte. Denn so scheinen sie es sich vorzustellen, daß der Mensch, welcher an sich gut oder nicht böse wäre, von Gotte ein böses Werk litte, wenn sie hören, daß von uns gesagt wird, Gott wirke in uns Gutes und Böses, und daß wir durch eine Notwendigkeit, in der wir uns rein leidentlich verhalten (mera necessitate passiva), Gotte, der da wirkt, unterworfen seien, indem sie nicht genügend bedenken, wie rastlos Gott in allen seinen Creaturen wirkt, und daß er keine müßig sein läßt. Sondern, wer dergleichen in irgend einer Weise verstehen will, daß Gott in uns, das heißt, durch uns Böses wirke, der muß so denken, daß dies nicht durch Schuld Gottes, sondern durch unseren Fehl geschehe. Denn, da wir von Natur böse sind, Gott aber gut, und er uns nach der Art seiner Allmacht durch seine Wirkung treibt (rapiens), so kann er nichts Anderes thun, als daß er, der selbst gut ist, durch das böse Werkzeug Böses thue, wiewohl er nach seiner Weisheit dieses Bösen wohl gebraucht zu seiner Ehre und zu unserem Heil. So findet er auch den Willen des Teufels als einen bösen vor, hat ihn aber nicht so geschaffen; sondern, da Gott ihn verließ und der Teufel sündigte, ist er böse geworden. Den treibt er durch seine Wirkung und bewegt ihn, wozu er will, wiewohl dieser Wille durch eben diese Bewegung Gottes nicht aufhört böse zu sein. Auf diese Weise hat David 2 Sam. 16,11. von Simei gesagt: „Laß ihn gewähren, daß er fluche, denn der Herr hat es ihn geheißen“, daß er dem David fluche. Wie mag Gott befehlen zu fluchen, was doch ein so giftiges und böses Werk ist? Ein solches äußerliches Gebot war nirgends vorhanden. Deshalb hat David das im Auge, daß der allmächtige Gott sprach, und es geschah also, das heißt, er thut alles durch das ewige Wort. Die göttliche Wirkung (actio) und Allmacht treibt (rapit) also den mit allen seinen Gliedern schon bösen Willen des Simei, der wider David schon vorher entbrannt war, da David zu gelegener Zeit ihm in den Weg kam, wie er denn eine solche Lästerung verdient hatte, und der gute Gott selbst befiehlt durch ein böses und lästerliches Werkzeug, das heißt, er redet und thut durch das Wort, nämlich durch den Trieb seiner Wirkung (raptu actionis suae), diese Lästerung. So verhärtet er den Pharao, indem er dem gottlosen und bösen Willen desselben ein Wort und Werk vorhält, welches derselbe haßt, nämlich aus angeborenem Fehl und natürlicher Verderbniß. Und da Gott durch den Geist ihn innerlich nicht ändert, vielmehr fortfährt, ihm (seine Worte und Werke) anzubieten und aufzudringen, Pharao aber seine Kräfte, Reichthümer und Macht ansieht und nach demselben natürlichen Fehl darauf vertraut, so geschieht es, daß er nach dieser Seite durch die Einbildung auf seine Dinge aufgeblasen und hochmüthig, nach jener Seite aber durch die Niedrigkeit Mosis, und weil das Wort Gottes unter verächtlicher Gestalt kommt, ein stolzer Verächter und auf diese Weise verhärtet wird; dann, daß er mehr und mehr gereizt und verstockt wird, je mehr Moses anhält und droht. Dieser sein böser Wille würde aus sich allein nicht bewegt oder verhärtet werden, sondern da der allmächtige Wirker (actor) ihn mit unvermeidlicher Bewegung treibt (agat), wie die übrigen Creaturen, so ist es nothwendig, daß er irgend etwas wolle. Dann hält er ihm zugleich äußerlich das entgegen, was ihn seiner Natur nach reizt und ärgert. So kommt es, daß Pharao seine Verhärtung nicht vermeiden kann, gleichwie er weder die Wirkung der göttlichen Allmacht, noch die Abwendung (von Gotte) oder die Bosheit seines Willens vermeiden kann. Deshalb wird die Verhärtung Pharao's durch Gott so vollzogen, daß er äußerlich seiner Bosheit das entgegenhält, was jener von Natur haßt; dann hört er auch innerlich nicht auf, durch allmächtigen Antrieb (motu) den bösen Willen (wie er ihn denn böse vorgefunden hat) zu bewegen, und jener kann, nach der Bosheit seines Willens, nicht umhin, das zu hassen, was ihm widerwärtig ist, und auf seine Kräfte zu vertrauen. So wird er verstockt, daß er weder hört noch Einsicht hat, sondern hingerissen wird als ein vom Teufel Besessener, gleichsam sinnlos und toll. Wenn wir dieses in überzeugender Weise dargethan haben, so haben wir in dieser Sache gewonnen, und, da die bildlichen Reden und Deutungen der Menschen abgethan sind, so nehmen wir die Worte Gottes einfachhin, damit es nicht nöthig sei, Gott zu entschuldigen oder ihn der Unbilligkeit zu beschuldigen. Denn da er sagt: Ich will das Herz Pharao's verhärten, redet er einfach, als wenn er so sagte: Ich will machen, daß das Herz Pharao's verstockt werde, oder daß es, indem ich wirke und thue, verhärtet werde. Wie das zugehe, haben wir gehört, nämlich: inwendig will ich durch den allgemeinen Antrieb (motu) gerade den bösen Willen bewegen, daß er in seiner Anstrengung und seinem Laufe zu wollen fortfahre; ich werde weder aufhören ihn zu bewegen noch kann ich anders. Aeußerlich aber werde ich ihm Wort und Werk vorhalten, wogegen jene böse Anstrengung sich stemmen wird, da er nichts Anderes vermag, als Böses zu wollen, indem ich gerade das Böse in Bewegung setze durch die Kraft der Allmacht. So war Gott ganz gewiß und sprach es auf die gewisseste Weise aus, daß Pharao verhärtet werden sollte, da er ja ganz gewiß war, daß der Wille Pharao's weder dem Antriebe (motui) der Allmacht widerstehen, noch seine Bosheit ablegen, noch auch dem ihm vorgestellten Widersacher, Moses, nachgeben könne, sondern daß er, da sein böser Wille blieb, nothwendiger Weise ärger, härter und stolzer werden würde, indem er in seinem Laufe und mit seiner Anstrengung wider das sich setzte, was er nicht wollte und was er verachtete, indem er auf sein Vermögen vertraute. So siehst du hier, daß auch selbst durch dieses Wort bestätigt wird, daß der freie Wille nur Böses vermöge, indem Gott, der sich nicht irrt aus Unwissenheit, noch lügt aus Bosheit, so sicher die Verhärtung Pharao's vorherverkündigt, nämlich, da er gewiß ist, daß der böse Wille nur Böses wollen kann und dadurch, daß ihm das ihm entgegenstehende Gute angeboten wird, nicht anders kann als ärger werden. Es bleibt hier nun noch übrig, daß jemand fragen möchte, warum Gott von diesem Antriebe der Allmacht nicht ablasse, durch welchen der Wille der Gottlosen bewegt wird, daß dieser böse zu sein und ärger zu werden fortfährt. Darauf ist zu antworten: Das heißt wünschen, daß Gott um der Gottlosen willen aufhören möge Gott zu sein, indem ein solcher wünscht, daß seine Kraft und Wirkung aufhöre, nämlich, daß er aufhören möge gut zu sein, damit jene nicht ärger werden möchten. Aber warum verändert er nicht zugleich den bösen Willen, welchen er bewegt? Das gehört zu den Geheimnissen der Majestät, wo seine Gerichte unbegreiflich sind. Und uns steht es nicht zu, dies zu forschen, sondern diese Geheimnisse anzubeten. Wenn nun Fleisch und Blut hier geärgert murren sollte, so mag es immerhin murren, aber es wird nichts ausrichten, Gott wird deshalb nicht anders werden. Und wenn die geärgerten Gottlosen in noch so großer Anzahl davongehen sollten, so werden dennoch die Auserwählten bleiben. Dasselbe muß zu denen gesagt werden, welche fragen: Warum hat er zugelassen, daß Adam fiel, und warum läßt er uns alle mit derselben Sünde angesteckt geboren werden, da er doch jenen hätte bewahren können, und uns anderswoher oder erst aus gereinigtem Samen hätte schaffen können? Er ist Gott, für dessen Willen keine Ursache noch Grund da ist, der ihm als Regel und Maßstab vorgeschrieben werden könnte, da ihm nichts gleich oder höher ist, sondern er selbst (der Wille Gottes) ist die Regel für alles. Denn wenn es für ihn irgend eine Regel oder einen Maßstab gäbe, oder eine Ursache oder einen Grund, so könnte es schon nicht mehr Gottes Wille sein. Denn nicht darum ist das recht, was er will, weil er so wollen muß oder mußte, sondern im Gegentheil, weil er so will, darum muß das recht sein, was geschieht. Für den Willen der Creatur wird Ursache und Grund vorgeschrieben, aber nicht für den Willen des Schöpfers, es sei denn, du wolltest einen anderen Schöpfer über ihn setzen. Hiemit, glaube ich, ist die bildlich redende Diatribe mit ihrer bildlichen Rede hinlänglich widerlegt; doch wollen wir auf den Text selbst kommen, um zu sehen, wie dieser und die bildliche Rede zu einander passen. Denn es ist die Weise aller, die mit bildlichen Reden den Beweisgründen entschlüpfen, daß sie den Text selbst tapfer verachten und allein darauf ihr Bemühen richten, daß sie irgend ein herausgerissenes Wort mit bildlicher Rede verdrehen und nach ihrem Sinne kreuzigen, indem sie keine Rücksicht nehmen, weder auf die Umstände, noch auf das, was nachfolgt oder vorhergeht, noch auf die Absicht oder die Ursache des Verfassers. So kümmert sich die Diatribe an dieser Stelle nichts darum, wovon Moses handelt, oder was seine Rede bezweckt, und reißt dies Wörtlein „Ich will verhärten“ (daran sie sich ärgert) aus dem Texte und dichtet allerlei nach ihrem Belieben. Unterdessen denkt sie gar nicht daran, wie es (der Rede) wieder eingefügt und angepaßt werden könne, so daß es sich mit dem Ganzen des Textes reimt. Und dies ist jener Grund, warum die Schrift bei so vielen gar bewährten und gelehrten Männern in so vielen Jahrhunderten nicht hinlänglich klar ist; es ist auch nicht zu verwundern, da auch die Sonne nicht würde leuchten können, wenn sie mit solchen Kunstgriffen behandelt würde. Aber, um zu übergehen, was ich oben gezeigt habe, es werde nicht mit Recht gesagt, Pharao sei dadurch verhärtet, weil Gott ihn mit Lindigkeit getragen und nicht sofort gestraft habe, da er ja mit so vielen Plagen gezüchtigt worden sei; wozu war es nöthig, daß Gott so oft verheißen sollte, er werde das Herz Pharao's verstocken, damals als die Zeichen geschahen, da dieser schon vor den Zeichen und vor dieser Verstockung so beschaffen war, daß er, getragen von der göttlichen Lindigkeit und nicht gestraft, den Kindern Israel so viel Böses zufügte, aufgeblasen durch glücklichen Erfolg und Macht, wenn verstocken heißt, in göttlicher Lindigkeit tragen und nicht sogleich bestrafen? Siehst du nun, daß diese bildliche Redeweise an dieser Stelle durchaus in nichts zur Sache dient? denn diese (uneigentliche Rede) bezieht sich ganz allgemein auf alle, welche sündigen, getragen von der göttlichen Milde. Denn auf solche Weise könnten wir sagen, daß alle Menschen verhärtet würden, da jedermann sündigt, es würde aber niemand sündigen, wenn er nicht durch die göttliche Lindigkeit getragen würde. Es ist also die Verstockung Pharao's etwas ganz Anderes als die allgemeine Duldung seitens der göttlichen Lindigkeit. Vielmehr geht Moses damit um, daß er nicht so sehr die Bosheit Pharao's predigt, als die Wahrhaftigkeit und das Erbarmen Gottes, nämlich damit die Kinder Israel den Verheißungen Gottes nicht mißtrauen möchten, da er versprochen hat, er werde sie befreien. Da dies eine sehr große Sache war, so sagt er ihnen die Schwierigkeit vorher, damit sie im Glauben nicht wankend würden, indem sie wußten, daß dies alles zuvorgesagt war und auf Verfügung dessen, der es verheißen hatte, so geschehen sollte, als wenn er sagen wollte: Ich befreie euch zwar, aber ihr werdet dies schwerlich glauben, so sehr wird Pharao widerstehen und die Sache verzögern; aber vertrauet nichtsdestoweniger, auch alles dies, daß er es in die Länge zieht, geschieht durch meine Wirkung, damit ich desto mehr und größere Wunder thue, um euch im Glauben zu befestigen und meine Macht zu zeigen, damit ihr darnach mir in allen anderen Dingen desto mehr glaubet. So thut auch Christus, da er seinen Jüngern bei Einsetzung des heiligen Abendmahles sehr viele Schwierigkeiten vorhersagt, seinen eigenen Tod und viele Trübsale, die ihnen begegnen würden, damit sie, wenn es geschähe, darnach um so mehr glaubten. Und Moses gibt uns diesen Sinn nicht in dunkler Weise, da er spricht (2 Mos. 3,19.20.): „Pharao aber wird euch nicht ziehen lassen, damit viele Wunder geschehen in Egypten“, und wiederum (2 Mos. 9,16.): „Und zwar darum habe ich dich erweckt, daß meine Kraft an dir erscheine, und mein Name verkündiget werde in allen Landen.“ Du siehst hier, daß Pharao um deß willen verhärtet wird, damit er Gotte widerstehe und die Erlösung verzögere, wodurch Anlaß gegeben wird zu vielen Wundern und zur Erweisung der Macht Gottes, damit dies verkündigt und ihm geglaubt werde in allen Landen. Was ist dies anders, als daß dies alles gesagt werde und geschehe, um den Glauben zu stärken und die Schwachen zu trösten, damit sie darnach Gotte als einem wahrhaftigen, treuen, mächtigen und barmherzigen gern glauben sollten? gleich als ob zu kleinen Kindern ganz liebkosend geredet würde: Laßt euch durch die Härte Pharao's nicht schrecken. Denn auch die wirke ich und habe sie in meiner Hand, ich, der ich euch befreie. Ich werde sie nur gebrauchen, um viele Wunder zu thun und meine Majestät kund zu thun um eures Glaubens willen. Daher kommt das, daß Moses fast nach jeder einzelnen Plage wiederholt: Und das Herz Pharao's wurde verstockt, daß er das Volk nicht ziehen ließ, wie der Herr gesagt hatte (2 Mos. 9,12. 4,21.). Was will das: „Wie der Herr gesagt hatte“, anders als, daß der Herr als wahrhaftig erscheinen soll, da er vorhergesagt hatte, daß jener verstockt werden würde? Wenn hier bei Pharao irgend eine Möglichkeit sich zu ändern oder eine Freiheit des Willens gewesen wäre, die sich nach beiden Seiten zu wenden vermocht hätte, so hätte Gott die Verstockung desselben nicht mit solcher Gewißheit vorhersagen können. Jetzt aber, da es der verheißt, der weder fehlen noch lügen kann, so mußte es nothwendiger Weise und ganz gewiß eintreten, daß er verstockt würde; dies hätte nicht geschehen können, wenn nicht die Verstockung gänzlich außerhalb der Kräfte des Menschen und allein in Gottes Gewalt wäre, in der Weise, wie wir oben gesagt haben, nämlich, daß Gott gewiß war, er werde die allgemeine Wirkung der Allmacht in Pharao, oder um Pharao's willen, nicht anstehen lassen, da er sie ja auch nicht unterlassen kann. Ferner war ebenso gewiß, daß der Wille Pharao's, welcher von Natur böse und (von Gott) abgewendet war, dem Worte und Werke Gottes, welches ihm zuwider war, nicht beistimmen konnte. Deshalb konnte, durch die Anstrengung (impetu) des Wollens in Pharao, welche durch die Allmacht Gottes erhalten worden war, und durch das Entgegentreten des dawiderlaufenden Wortes und Werkes, welches ihm äußerlich entgegengehalten wurde, nichts Anderes geschehen, als Aergerniß und Verstockung des Herzens bei Pharao. Denn wenn Gott die Wirkung seiner Allmacht bei Pharao unterlassen hätte, damals als ihm das Wort Mosis das Widerwärtige vorhielt, und man sich vorstellte, daß allein der Wille Pharao's aus seiner Kraft gehandelt habe, dann wäre vielleicht noch Raum zum Disputiren gewesen, zu welchem von beiden er sich hätte neigen können. Jetzt aber, da er getrieben und hingerissen wird (rapiatur) zum Wollen, so geschieht seinem Willen zwar keine Gewalt, weil er nicht wider seinen Willen gezwungen wird, sondern durch natürliche Wirkung Gottes getrieben wird, natürlicher Weise zu wollen, gerade so wie er beschaffen ist (er ist aber böse), daher kann er nicht anders als gegen das Wort anstoßen und so verhärtet werden. So sehen wir, daß diese Stelle stark wider den freien Willen streitet, in der Hinsicht, daß Gott, welcher verheißt, nicht lügen kann, wenn er aber nicht lügt, so kann das Verhärtetwerden Pharao's nicht ausbleiben. Aber wir wollen auch Paulus ansehen, welcher diese Stelle aus Moses Röm. 9,17. aufnimmt. Wie jämmerlich windet sich die Diatribe bei dieser Stelle! Damit sie den freien Willen nicht verliere, dreht sie sich nach allen Seiten hin. Bald sagt sie, es sei eine Notwendigkeit der Folge, aber nicht dessen, was folgt; bald, es sei ein geordneter oder offenbarter Wille (voluntas signi), dem Widerstand geleistet werden könne, (bald) es sei ein Wille, des (verborgenen) Rathschlusses (voluntas placiti), dem man nicht widerstehen könne. Das eine Mal dienen die aus Paulus augezogenen Stellen nicht zum Beweise, reden nicht von der Seligkeit des Menschen; das andere Mal bringt das Vorherwissen Gottes Notwendigkeit mit sich, bald keine Nothwendigkeit; bald kommt die Gnade dem Willen zuvor, damit er wolle, begleitet ihn auf seinem Wege, gibt einen glücklichen Ausgang, bald thut sie als die Hauptursache alles, bald wirkt sie durch Nebenursachen und verhält sich selbst still. Mit diesen und ähnlichen Spielereien mit Worten richtet sie nichts aus, als daß sie die Zeit hinbringt und uns unterdeß die Sache aus den Augen rückt und anderswohin zieht. Sie hält uns für so stumpfsinnig und unverständig, oder meint, daß wir so wenig von der Sache berührt werden, wie sie sich darum annimmt, oder (handelt) nach der Weise der kleinen Kinder, welche, wo sie sich fürchten oder spielen, die Augen mit den Händen bedecken, und dann meinen, daß sie dann von niemandem gesehen werden, weil sie selbst niemanden sehen. So thut die Diatribe in jeder Weise. Weil sie die Strahlen, ja, die Blitze der deutlichsten Worte nicht ertragen kann, so gibt sie vor, sie sehe das nicht, um was es sich handelt, und will zu gleicher Zeit auch uns überreden, daß wir ebenfalls mit verhüllten Augen nicht sehen sollen. Aber alle diese Dinge sind Zeichen eines Geistes, der überführt ist und der unüberwindlichen Wahrheit frevelhaft widerstreitet. Jenes Fündlein von der Nothwendigkeit der Folge und dessen, was folgt, ist oben widerlegt worden. Die Diatribe möge dichten und umdichten, Spitzfindigkeiten erheben und dagegen erheben: wenn Gott vorhergewußt hat, daß Judas der Verräther sein werde, so wurde Judas mit Nothwendigkeit der Verräther, und es war nicht in der Hand des Judas oder irgend einer Creatur, es anders zu machen oder den Willen zu ändern, wiewohl er dies, indem er es wollte, nicht gezwungen that, aber jenes Wollen war das Werk Gottes, welches seine Allmacht bewegte, wie auch alles Andere. Denn es steht unüberwindlich und deutlich der Spruch da (Hebr. 6,18.): „Gott lügt nicht“ und fehlt auch nicht. Hier sind nicht dunkle oder zweifelhafte Worte, wenngleich die gelehrtesten Männer aller Jahrhunderte allesammt blind sein sollten, so daß sie anders hielten und sagten. Und solltest du auch viele Ausflüchte machen, so wird doch dein und aller Gewissen, überführt, gezwungen so zu sagen: Wenn Gott nicht fehlt in dem, was er vorherweiß, so ist es nothwendig, daß gerade das Vorhergewußte geschehe, denn wer könnte sonst seinen Verheißungen glauben, wer seine Drohungen fürchten, wenn nicht nothwendiger Weise folgt, was er verheißt oder droht, oder wie sollte er verheißen oder drohen, wenn sein Vorherwissen trügt oder durch unsere Veränderlichkeit gehindert werden kann? Es verstopft dieses überaus helle Licht der gewissen Wahrheit völlig den Mund aller, löst alle Fragen auf und hat den Sieg erlangt wider alle spitzfindigen Ausflüchte. Wir wissen freilich, daß das Vorherwissen der Menschen irrt, wir wissen, daß eine Sonnenfinsterniß nicht um deß willen kommt, weil man sie vorherweiß, sondern daß man sie darum vorherweiß, weil sie kommen wird. Was haben wir mit diesem Vorherwissen zu thun? Wir disputiren von dem Vorherwissen Gottes; wenn du diesem nicht zuschreibst, daß das Vorhergewußte nothwendig gewirkt werde (necessarium effectum praesciti), so hast du schon den Glauben und die Furcht Gottes weggenommen, hast alle göttlichen Verheißungen und Drohungen wankend gemacht und sogar die Gottheit selbst geleugnet. Aber auch die Diatribe selbst, nachdem sie lange gerungen und alles versucht hatte, bekennt endlich, durch die Macht der Wahrheit getrieben, unsere Meinung und spricht: „Die Frage von dem Willen und dem Vorsatz (destinatione) Gottes ist noch schwerer. Denn Gott will eben das, was er vorherweiß. Und das ist, was Paulus (Röm. 9,19.18.) zu verstehen gibt: „Wer kann seinem Willen widerstehen, wenn er sich erbarmt, welches er will, und wenn er verstockt, welchen er will?“ Denn wenn ein König wäre, der hinausführen könnte, was er nur wollte, und dem niemand widerstehen könnte, so würde man sagen, er thäte, was er nur wollte. So scheint der Wille Gottes, weil er die Hauptursache ist von allem, was geschieht, unserem Willen eine Notwendigkeit aufzulegen.“ Soweit jene. Und endlich einmal können wir Gotte danken für die gesunde Auffassung (sensu) der Diatribe. Wo ist jetzt also der freie Wille? Aber wiederum entschlüpft dieser Aal und sagt plötzlich: Aber „diese Frage löst Paulus nicht auf, sondern gibt dem, der über solche Dinge disputiren will, einen Verweis: „O Mensch, wer bist du, daß du mit Gott rechten willst?“ O eine schöne Ausflucht! Heißt das etwa die göttliche Schrift handeln, wenn man so aus eigener Gewalt, aus eigenem Kopfe, ohne Schrift, ohne Wunder einen solchen Ausspruch thut, ja, die klarsten Worte Gottes fälscht? Paulus löst diese Frage nicht? Was thut er denn? (Sie sagt) er gibt dem Disputirenden einen Verweis. Ist denn nicht dieser Verweis die vollkommenste Lösung? Denn wonach wurde in dieser Frage über den Willen Gottes gefragt? Doch darnach, ob er unserem Willen eine Nothwendigkeit auflegte? Aber Paulus (Röm. 9,18.) antwortet, daß es so sei: „So erbarmt er sich nun, welches er will (sagt er), und verstockt, welchen er will.“ (Röm. 9,16.:) „So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.“ Und nicht zufrieden damit, daß er die Lösung gegeben hat, führt er überdies jene redend ein, welche für den freien Willen gegen diese Lösung murren und schwatzen, dann gäbe es kein Verdienst und wir würden ohne unsere Schuld verdammt, und dergleichen, damit er ihr Murren und ihre Entrüstung dämpfe, indem er spricht (Röm. 9,19. nach der Vulgata): „So sagst du zu mir: Was beklagt er sich dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?“ Siehst du, daß er andere Personen redend einführt (prosopopoeiam)? Jene, nachdem sie gehört haben, daß uns der Wille Gottes eine Nothwendigkeit auflegt, murren lästernd und sprechen: „Was beklagt er sich noch?“ das heißt: Warum besteht Gott denn so darauf, drängt so, fordert so, beklagt sich so? Was klagt er uns an? Was beschuldigt er uns? als ob wir Menschen das könnten, was er fordert, wenn wir wollten. Er hat keine gerechte Ursache für diese Klage; vielmehr möge er seinen Willen anklagen, da möge er sich beklagen, da möge er drängen. Denn wer kann seinem Willen widerstehen? Wer kann Barmherzigkeit erlangen, wenn er nicht will? Wer kann weich werden, wenn er verhärten will? Es steht nicht in unserer Hand, seinen Willen zu ändern, viel weniger, dem (Willen) zu widerstehen, der uns als Verhärtete will, da wir durch diesen Willen gezwungen werden, verhärtet zu sein, wir mögen wollen oder nicht. Wenn Paulus diese Frage nicht gelöst, oder nicht in entschiedener Weise die Erklärung ausgesprochen hätte, daß uns durch das göttliche Vorherwissen eine Nothwendigkeit aufgelegt werde, wozu wäre es dann nöthig gewesen, solche Leute einzuführen, welche murren und streiten, man könne seinem Willen nicht widerstehen? Denn wer würde murren oder entrüstet sein, wenn er nicht dafür hielte, jene Nothwendigkeit werde in bestimmter Weise ausgesprochen? Die Worte sind nicht dunkel, in welchen er davon redet, daß man dem Willen Gottes widerstehe. Oder ist es zweifelhaft, was widerstehen sei, was der Wille, oder von wem er rede, da er von Gottes Willen redet? Freilich mögen hier unzählige Tausende der bewährtesten Lehrer blind sein und erdichten, die Schrift sei nicht klar, und die Frage als eine schwierige fürchten. Wir haben die ganz klaren Worte: „Er erbarmt sich, welches er will, er verstockt, welchen er will“; desgleichen: „So sagst du zu mir: Was beklagt er sich? Wer kann seinem Willen widerstehen?“ Es ist auch nicht eine schwierige Frage, ja, nichts leichter auch für den gesunden Menschenverstand, als daß diese Folgerung gewiß, fest und wahr sei: Wenn Gott vorherweiß, so geht dieses nothwendiger Weise in Erfüllung, wenn dies aus der Schrift als Voraussetzung angenommen wird, daß Gott weder irrt noch fehlt. Ich bekenne zwar, daß es eine schwierige, ja, eine unmögliche Frage ist, wenn du beides zugleich aufstellen willst, sowohl das Vorherwissen Gottes als auch die Freiheit des Menschen. Denn was ist schwieriger, ja, mehr unmöglich, als daß du behauptest, daß widersprechende oder einander entgegengesetzte Dinge nicht wider einander streiten, oder daß irgend eine Zahl zehn sei und dieselbe Zahl zugleich auch neun sei? Es ist keine Schwierigkeit in unserer Frage, sondern dieselbe wird gesucht und hineingebracht, nicht anders als wie Zweideutigkeit und Dunkelheit in der Schrift gesucht und gewaltsam hineingebracht wird. Er dämpft daher die Gottlosen, welche sich an diesen ganz klaren Worten ärgerten, weil sie inne wurden, daß der Wille Gottes dadurch erfüllt werde, daß wir unsererseits unter der Notwendigkeit stehen, und merkten, daß es für gewiß ausgesprochen worden war, ihnen sei nichts an Freiheit oder freiem Willen übrig gelassen, sondern alles beruhe allein auf Gottes Willen. Er dämpft sie aber so, daß er ihnen befiehlt, zu schweigen und die Herrlichkeit der Macht und des Willens Gottes anzubeten, gegen den wir kein Recht haben; er aber hat gegen uns volles Recht zu thun, was er will, und es geschieht uns nicht Unrecht, da er uns nichts schuldig ist, nichts von uns empfangen hat, nichts verheißen hat, außer so viel er wollte und ihm wohlgefiel. Hier ist also der Ort, hier die Zeit, nicht jene Corycischen Höhlen, sondern die wahre Majestät in ihren erschrecklichen Wunderwerken und in ihren unbegreiflichen Gerichten anzubeten und zu sprechen: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.“ Aber wir sind nirgends mehr unehrerbietig und vermessen, als wenn wir gerade diese unerforschlichen Geheimnisse und Gerichte angreifen und strafen. Indessen dichten wir uns selbst aber eine unglaubliche Ehrerbietung in Erforschung der heiligen Schrift an, von der Gott befohlen hat, daß sie erforscht werden solle. Hier forschen wir nicht, dort aber, wo er verboten hat zu forschen, thun wir nichts, als daß wir mit beständiger Vermessenheit, um nicht zu sagen, Gotteslästerung, forschen. Aber das ist nicht forschen, wenn wir frevelhafter Weise (temere) unser Bemühen darauf richten, daß das ganz freie Vorherwissen Gottes sich mit unserer Freiheit reime. Hier sind wir immer bereit, dem Vorherwissen Gottes Abbruch zu thun, wenn er uns nicht die Freiheit überläßt; oder wenn er die Nothwendigkeit auflegt, mit den Murrenden und Lästernden zu sprechen: „Was beklagt er sich noch? Wer kann seinem Willen widerstehen?“ Wo ist Gott, der seinem Wesen nach der allergütigste ist? Wo der, der nicht will den Tod des Sünders? Hat er uns etwa deshalb geschaffen, damit er sich an den Qualen der Menschen ergötzen möchte? und ähnliche Dinge, die bei denen in der Hölle und den Verdammten in Ewigkeit werden geheult werden. Aber, daß der lebendige und wahre Gott so beschaffen sein müsse, daß er uns durch seine Freiheit die Nothwendigkeit auflegen müsse, das muß selbst die natürliche Vernunft bekennen, nämlich, weil das ein lächerlicher Gott sein würde, oder richtiger, ein Götze, der auf ungewisse Weise die künftigen Dinge vorhersähe, oder sich täuschte in den Ereignissen, da selbst die Heiden ihren Göttern ein unvermeidliches Bestimmen des Schicksals (fatum) beilegten. Ebenso lächerlich wäre er, wenn er nicht alles könnte und thäte oder irgend etwas ohne ihn geschähe. Wenn man aber das Vorherwissen und die Allmacht zugibt, so folgt natürlicher Weise mit unwiderleglicher Folgerung: Daß wir nicht durch uns selbst gemacht sind, noch leben, noch irgend etwas thun, sondern durch seine Allmacht. Da er aber zuvor gewußt hat, daß wir von solcher Beschaffenheit sein würden, und uns jetzt zu solchen macht, und als solche treibt und regiert, ich bitte dich, wie kann man noch vorgeben, daß in uns irgend etwas frei sei und auf eine andere Weise geschehe, als er es vorhergewußt hat oder jetzt thut. Deshalb streitet das Vorherwissen und die Allmacht Gottes geradezu wider unseren freien Willen; denn entweder wird sich Gott täuschen im Vorherwissen und auch im Wirken irren (was unmöglich ist), oder wir werden handeln und getrieben werden nach seinem Vorherwissen und seiner Wirkung. Die Allmacht Gottes aber nenne ich nicht jenes Vermögen, nach welchem er vieles nicht thut, was er kann, sondern die Gewalt, welche thätig ist (actualem), durch welche er mächtiglich alles in allen wirkt, wie die Schrift ihn allmächtig nennt. Diese Allmacht, sage ich, und das Vorherwissen Gottes heben die Lehre vom freien Willen von Grund aus auf. Und hier kann nicht eine Dunkelheit der Schrift oder die Schwierigkeit der Sache vorgewendet werden. Die Worte sind ganz klar, auch den Kindern bekannt; die Sache ist deutlich und leicht, auch durch das gemeinsame natürliche Urtheil der Vernunft erwiesen, so daß eine noch so große Reihe von Jahrhunderten, Zeiten und Personen, die anders schreiben und lehren, nichts ausrichtet. Freilich dies ärgert aufs allerhöchste den gemeinen Menschenverstand oder die natürliche Vernunft, daß Gott allein nach seinem Willen die Menschen verlasse, verhärte, verdamme, gleich als ob er sich an den Sünden und an so großen und ewigen Qualen der Elenden ergötze, während doch von ihm gepriesen wird, daß er von so großer Barmherzigkeit und Güte etc. sei. Eine solche Meinung von Gott zu haben, das schien unbillig, das schien grausam, das schien unerträglich; daran haben sich auch so viele und so große Männer in so vielen Jahrhunderten geärgert. Und wer sollte sich nicht daran ärgern? Ich selbst habe mich gar oft daran gestoßen in einem solchen Grade, daß ich fast in den tiefen Abgrund der Verzweiflung gefallen wäre, so daß ich auch gewünscht habe, ich möchte nie zu einem Menschen geschaffen worden sein, ehe ich wußte, wie heilsam diese Verzweiflung wäre und wie nahe der Gnade. Darum hat man sich so angestrengt und bemüht, die Güte Gottes zu entschuldigen, den Willen des Menschen anzuklagen. Hier hat man die Unterscheidungen erfunden von dem geordneten (ordinata) Willen Gottes und dem Willen Gottes an sich (absoluta); von der Nothwendigkeit der Folge und der Notwendigkeit dessen, was folgt, und viele ähnliche Dinge. Aber damit ist nichts ausgerichtet worden, als daß ungelehrte Leute getäuscht worden sind durch nichtige Worte und Entgegenhalten einer fälschlich so genannten Wissenschaft. Nichtsdestoweniger blieb immer der Stachel im innersten Herzen stecken, sowohl bei Ungelehrten als auch bei Gelehrten, wenn es zum Ernst kam, daß sie inne wurden, es sei auf unserer Seite Nothwendigkeit, wenn man das Vorherwissen und die Allmacht Gottes glaubte. Und selbst die natürliche Vernunft, welche sich an jener Notwendigkeit ärgert und so vieles versucht, um sie wegzubringen, wird gezwungen sie zuzugestehen, überführt durch ihr eigenes Urtheil, selbst wenn keine Schrift da wäre. Denn alle Menschen finden diese Meinung in ihren Herzen geschrieben, erkennen sie an und billigen sie (wiewohl ungern), wenn sie hören, daß sie vorgelegt wird: Erstens, daß Gott allmächtig ist, nicht allein der Gewalt nach, sondern auch darin, daß er wirkt (actione) (wie ich gesagt habe), sonst wäre er ein lächerlicher Gott; sodann, daß er alles wisse und vorherwisse, weder irren noch fehlen könne. Da diese zwei Stücke von dem Herzen und Verstand aller zugegeben werden, so werden sie alsbald durch unvermeidliche Folgerung gezwungen, zuzugestehen, daß wir nicht werden durch unseren Willen, sondern durch Nothwendigkeit, und daß wir daher nicht alles Beliebige thun aus dem, was der freie Wille vermag (pro jure liberi arbitrii), sondern wie es Gott vorhergewußt hat und wirkt, nach seinem unfehlbaren und unveränderlichen Rathe und Kraft. Daher wird es zugleich in aller Herzen geschrieben gefunden, daß der freie Wille nichts sei, wiewohl dies verdunkelt wird durch so viele dem entgegenstehende Erörterungen und so großes Ansehen so vieler Männer, die so viele Jahrhunderte hindurch anders gelehrt haben, gleichwie auch jedes andere Gesetz (wie Paulus (Röm. 2,15.) bezeugt), das in unseren Herzen geschrieben ist, dann erkannt wird, wenn recht davon gehandelt wird, dagegen dann verdunkelt wird, wenn es von gottlosen Lehrern unrecht behandelt oder durch andere Meinungen bemeistert wird. Ich komme auf Paulus zurück. Wenn dieser Röm. 9,20.21. die Frage nicht löst und aus dem Vorherwissen und Willen Gottes nicht folgert, daß wir unsererseits unter der Nothwendigkeit stehen, was hatte er nöthig, das Gleichniß vom Töpfer einzuführen, der aus einem und demselben Thon ein Gefäß macht zu Ehren, das andere zu Unehren? Spricht doch nicht ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich also? Denn er spricht von Menschen, die er dem Thon vergleicht, und Gott einem Töpfer. Das ist natürlich matt, ja, das Gleichniß ist läppisch und vergeblich eingeführt, wenn er nicht dafürhält, daß unsere Freiheit keine (Freiheit) ist. Ja, die ganze Erörterung des Paulus (Röm. 11.) ist vergeblich, mit der er die Gnade aufrecht erhält (tuetur). Denn damit beschäftigt sich der ganze Brief, daß er zeige, daß wir nichts vermögen, selbst dann nicht, wenn wir gut zu handeln scheinen, wie er ebendaselbst (Röm. 9,31.) sagt, daß Israel, da es der Gerechtigkeit nachstand, die Gerechtigkeit nicht überkommen hat, aber (V. 30.) die Heiden, die ihr nicht nachgestanden haben, sie erlangt haben. Hierüber werde ich weitläufiger handeln, wenn ich unsere Truppen vorführen werde. Aber die Diatribe stellt sich, als ob sie die ganze Hauptsache der Erörterung des Paulus nicht sähe und wohin Paulus ziele, und tröstet sich indessen mit (einigen) herausgeklaubten und verdrehten Wörtern. Auch hilft es die Diatribe nichts, daß Paulus nachher Röm. 11,20. wiederum ermahnt und spricht: „Du stehest durch den Glauben, siehe zu, daß du nicht stolz seiest“; desgleichen (V. 23.): „auch jene, wenn sie glauben sollten, werden eingepfropft werden“ etc. Denn dort sagt er nichts über die Kräfte der Menschen, sondern bringt befehlende und verpflichtende Worte; was durch die ausgerichtet wird, ist oben hinlänglich gesagt. Und Paulus selbst kommt an dieser Stelle denen zuvor, die den freien Willen rühmen, und sagt nicht, daß jene glauben können, sondern Gott vermag, sagt er, sie einzupfropfen. Kurz, die Diatribe geht in der Behandlung jener Stellen des Paulus so zaghaft und zögernd einher, daß man sieht, daß sie in ihrem Gewissen anders hält, als ihre Worte lauten. Denn da sie am meisten hätte fortfahren und beweisen sollen, bricht sie fast immer die Rede ab und spricht: „Davon sei dies genug“; desgleichen: „Jetzt will ich jenes nicht untersuchen“; desgleichen: „Es ist hier nicht mein Vorsatz“; desgleichen: „Jene würden so sagen“, und viele ähnliche Dinge, und hat die Sache unentschieden gelassen, so daß du nicht wissen kannst, ob sie für den freien Willen rede, oder ob sie dafür angesehen sein wolle, daß sie nur mit vergeblichen Worten dem Paulus entschlüpfen wolle, und zwar nach ihrem Recht und Brauch, weil es ihr um diese Sache kein Ernst ist. Wir aber dürfen nicht so kaltsinnig sein, nicht auf Eiern gehen, oder wie ein Rohr vom Winde bewegt werden, sondern gewiß, beständig und feurig behaupten, dann auch auf gegründete Weise und geschickt und reichlich nachweisen, was wir lehren. Nun aber, wie schön erhält sie die Freiheit zugleich mit der Notwendigkeit aufrecht, indem sie sagt: „Auch nicht eine jede Notwendigkeit schließt den freien Willen aus, wie „Gott der Vater nothwendig den Sohn zeugt, und doch denselben willig und frei zeugt, weil er nicht dazu gezwungen worden ist.“ Ich bitte dich, disputiren wir denn jetzt von Zwang und Gewalt? Haben wir denn nicht durch so viele Bücher bezeugt, daß wir von der Notwendigkeit der Unveränderlichkeit reden? Wir wissen, daß der Vater willig zeugt, daß Judas willig Christum verrathen hat, aber wir sagen, daß dieses Wollen in Judas selbst gewißlich und unfehlbarer Weise hat geschehen müssen, wenn Gott vorhergewußt hat. Oder wenn das noch nicht verstanden wird, was ich sage, so wollen wir die eine Notwendigkeit, welche mit Gewalt erzwingt (violentam), auf das Werk, die andere Notwendigkeit, nach der etwas unfehlbar eintritt (infallibilem), auf die Zeit beziehen. Wer uns hört, der möge verstehen, daß wir von der letzteren reden, nicht von der ersteren, das heißt, wir disputiren nicht, ob Judas wider seinen Willen oder mit seinem Willen ein Verräther geworden sei, sondern, ob es zu der von Gott vorherbestimmten Zeit unfehlbarer Weise geschehen mußte, daß Judas mit Willen (volendo) Christum verrieth. Aber siehe, was hier die Diatribe sagt: „Wenn du auf das unfehlbare Vorherwissen Gottes siehst, so mußte Judas mit Notwendigkeit den Verrath ausüben, und doch konnte Judas seinen Willen ändern.“ Verstehst du auch, liebe Diatribe, was du redest? um das zu übergehen, daß der Wille nur Böses wollen kann, wie oben bewiesen worden ist. Wie konnte Judas seinen Willen ändern, da das unfehlbare Vorherwissen Gottes feststeht? Konnte er etwa das Vorherwissen Gottes ändern und zu einem solchen machen, das fehlen kann (fallibilem)? Hier unterliegt die Diatribe, verläßt die Fahnen, wirft die Waffen weg und verläßt den Kampfplatz, indem sie die Disputation von sich wirft zu den scholastischen Spitzfindigkeiten von der Nothwendigkeit der Folge und der Nothwendigkeit dessen, was folgt, als wollte sie diese Spitzfindigkeiten nicht verfolgen. Gewiß ist es recht vorsichtig, nachdem du die Sache in den heftigsten Kampf gebracht hast, und nun gerade am meisten ein Disputator vonnöthen ist, daß du gerade dann ausreißest (terga vertas) und anderen die Aufgabe überlässest, Antwort zu geben und die Sache zum Austrag zu bringen (definiendi). Diesen Rath hättest du von Anfang an befolgen und ganz und gar des Schreibens dich enthalten sollen, nach dem Worte: Wer nicht zu kämpfen versteht, enthält sich des Kampfs im Turniere. Denn das wurde von Erasmus nicht erwartet, daß er jene Schwierigkeit in Gang bringen sollte (moveret), wie Gott gewiß vorherwüßte, und doch das Unsere vielleicht, vielleicht auch nicht (contingenter) geschähe; diese Schwierigkeit war lange vor der Diatribe in der Welt; sondern es wurde erwartet, daß er darauf antworten und die Entscheidung geben sollte. Aber er gebraucht einen rednerischen Uebergang und zieht uns, die wir der Redekunst unkundig sind, mit sich, als ob hier von der Sache nichts gehandelt werde und nur gewisse bloße Spitzfindigkeiten da wären, und stürzt sich tapfer mitten aus dem Kampfgewühl heraus, bekränzt mit Epheu und Lorbeer. Aber nicht also, lieber Bruder, keine Redekunst ist so groß, daß sie ein wahres Gewissen betrügen könnte; der Stachel des Gewissens ist stärker, als alle Kräfte und Bilder der Beredsamkeit. Wir werden hier nicht leiden, daß der Redner darüber hinweggehe und sich verstelle; hier ist jetzt nicht der Ort für diesen Kunstgriff. Hier fordert man den Mittelpunkt und die Hauptsache des Handels. Und hier wird entweder der freie Wille vernichtet, oder er wird ganz und gar den Sieg davontragen. Du aber, da du die Gefahr inne wirst, ja, den gewissen Sieg wider den freien Willen, stellst dich, als ob du nichts bemerktest, als Spitzfindigkeiten. Heißt das handeln, wie es einem treuen Gottesgelehrten geziemt? Sollte dich die Sache wohl ernstlich bewegen, da du in solcher Weise sowohl die Hörer in der Schwebe läßt, als auch die Erörterung, nachdem sie zum schwersten Punkt gekommen (perturbatam) und auf die Spitze getrieben ist (exasperatam), fahren läßt, aber nichtsdestoweniger den Schein haben willst, als habest du redlich Genüge geleistet und den Sieg davongetragen? Diese Verschlagenheit und List möchte in weltlichen Dingen ertragen werden: in einer theologischen Angelegenheit, wo die einfache und deutliche Wahrheit gesucht wird, ist dies des größten Hasses werth und unerträglich. Auch die Sophisten haben die unüberwindliche und unwiderstehliche Kraft dieses Beweisgrundes gefühlt, deshalb erdichteten sie die Nothwendigkeit der Folge und die Nothwendigkeit dessen, was folgt (necessitatem consequentiae et consequentis); aber wie gar nichts dieses Fündlein ausrichte, haben wir oben gelehrt, nämlich auch sie beachten nicht, was sie sagen und wie viel sie, wider sich selbst, zulassen. Wenn man die Nothwendigkeit der Folge zugibt, so ist der freie Wille besiegt und darniedergelegt, und es hilft nicht im geringsten, weder die Nothwendigkeit, noch die Zufälligkeit (contingentia) dessen, was folgt. Was geht mich das an, wenn der freie Wille nicht gezwungen wird, sondern mit Willen (volenter) thut, was er thut? Mir ist es genug, daß du zugestehst, es werde mit Nothwendigkeit eintreten, daß er mit Willen thue, was er thut, und er könne sich nicht anders verhalten, wenn Gott es so vorhergewußt hat. Wenn Gott vorherweiß, daß Judas den Verrath ausüben werde, oder daß er den Willen, zu verrathen, ändern werde: welches von beiden er vorhergewußt hat, wird nothwendiger Weise eintreten, oder Gott würde im Vorherwissen und Vorhersagen fehlen, was unmöglich ist. Denn dies bringt die Nothwendigkeit der Folge zuwege, das heißt, wenn Gott vorherweiß, so geschieht es nothwendiger Weise. Das heißt, der freie Wille ist nichts. Diese Nothwendigkeit der Folge ist nicht dunkel noch zweifelhaft, so daß, wenn auch die Lehrer aller Jahrhunderte blind sein sollten, sie doch gezwungen werden, dieselbe zuzugeben, da sie so offenbar und gewiß ist, daß sie mit Händen gegriffen werden kann. Aber die Nothwendigkeit dessen, was folgt, womit jene sich trösten, ist ein bloßes Hirngespinst (phantasma) und streitet geradezu gegen die Nothwendigkeit der Folge. Zum Beispiel, eine Nothwendigkeit der Folge ist es, wenn ich sage: Gott weiß vorher, daß Judas der Verräther sein wird, also wird es gewißlich und unfehlbar geschehen, daß Judas der Verräther sei. Gegen diese Nothwendigkeit und Folge tröstest du dich so: Aber weil Judas den Willen, zu verrathen, ändern kann, darum ist es nicht die Nothwendigkeit dessen, was folgt. Ich bitte dich, wie können jene zwei Stücke sich reimen: Judas kann „nicht verrathen wollen“; und: „es ist nothwendig, daß Judas verrathen wolle“? Widerspricht und streitet das nicht geradezu wider einander? Er wird (sagst du) nicht gezwungen werden, zu verrathen, wider seinen Willen. Was geht das die Sache an? Du hast gesagt von der Nothwendigkeit dessen, was folgt, nämlich, daß diese nicht veranlaßt werde durch die Nothwendigkeit der Folge; von dem Zwange dessen, was folgt, hast du nichts gesagt. Die Antwort hätte gegeben werden sollen von der Nothwendigkeit dessen, was folgt, und du führst ein Beispiel an von dem Zwange dessen, was folgt. Nach einer Sache frage ich, und über eine andere gibst du Bescheid. Das bringt jenes Hin- und Herwanken zuwege, um dessentwillen nicht in Acht genommen wird, wie gar nichts jenes Fündlein von der Nothwendigkeit dessen, was folgt, ausrichtet. Dies über die erste Stelle, welche handelte von der Verhärtung des Pharao, welche jedoch alle Stellen und viele Truppen in sich begreift und zwar unüberwindliche. Jetzt wollen wir die andere von Jakob und Esau ansehen, von denen, da sie noch nicht geboren waren, gesagt wurde (1 Mos. 25,23.): „Der Größere wird dem Kleineren dienen.“ Dieser Stelle entschlüpft die Diatribe so, „daß sie eigentlich nicht die Seligkeit des Menschen anbetrifft, denn Gott kann wollen, daß ein Mensch ein Knecht sei und arm, er möge wollen oder nicht, daß er aber doch nicht von der ewigen Seligkeit ausgeschlossen werde.“ Lieber, siehe, wie viele Nebenwege und Ausflüchte ein schlüpfriger Geist sucht, der die Wahrheit flieht, ihr aber doch nicht entfliehen kann. Es mag immerhin zugegeben werden, daß diese Stelle sich nicht auf die Seligkeit des Menschen beziehe; davon nachher. Sollte um deß willen Paulus, der sie anführt, nichts damit ausrichten? Würden wir dann nicht den Paulus zu einem lächerlichen oder läppischen Menschen machen in einer so ernsten Erörterung? Doch jenes ist ein Ausspruch des Hieronymus, welcher mehrfach sich erdreistet, mit großer Anmaßung, aber zugleich mit gotteslästerlichem Munde zu sagen: Das diene bei Paulus zum Beweise (pugnare), was in seinem ursprünglichen Zusammenhange (suis locis) nichts beweise. Das heißt nur sagen: Indem Paulus die Grundlagen der christlichen Lehre legt, fälscht er nur die göttliche Schrift und betrügt die Seelen der Gläubigen durch eine Meinung, die aus seinem Kopfe erdichtet und gewaltsamer Weise in die Schrift hineingetragen worden ist. So muß der (Heilige) Geist geehrt werden in jenem heiligen und auserwählten Rüstzeug Gottes, Paulus. Und wiewohl Hieronymus mit (gutem) Urtheil gelesen werden muß, und dieser Ausspruch den gottlosen Aussprüchen zuzuzählen ist, welche dieser Mann in großer Anzahl (denn so schwankend und stumpfsinnig ist er im Verständnis; der Schrift) geschrieben hat, so rafft ihn doch die Diatribe ohne Urtheil auf und hält es auch nicht der Mühe werth, ihn auch nur mit irgend einer Deutung zu mildern, sondern richtet und deutelt die Schrift Gottes darnach, als wäre es ein ganz gewisser Ausspruch vom Himmel. So nehmen wir die gottlosen Aussprüche der Menschen an als Regel und Maßstab für die heilige Schrift. Und dann wundern wir uns noch, daß dieselbe dunkel und zweideutig wird, und daß so viele Väter blind darin sind, da sie (die Schrift) es (dunkel und ungewiß) wird durch diese gottlose und gotteslästerliche Weise. Verflucht sei daher, wer da sagt, das diene im ursprünglichen Zusammenhange nicht zum Beweise, was bei Paulus beweist. Denn dies wird nur geredet, aber nicht bewiesen; es wird aber von denen geredet, welche weder den Paulus noch die von ihm angeführten Stellen verstehen, sondern irre gehen, indem sie die Wörter nach ihrer, das ist, nach einer gottlosen Meinung verstehen. Denn mag immerhin vornehmlich diese Stelle 1 Mos. 25,23. allein von einer zeitlichen Knechtschaft zu verstehen sein (was nicht wahr ist), so wird sie doch von Paulus (Röm. 9,12.) richtig und wirksam angezogen, da er durch dieselbe beweist, daß nicht um des Verdienstes Jakobs oder Esau's willen, sondern aus Gnaden des Berufers zu Rebekka gesagt worden sei: „Der Größere wird dem Kleineren dienen.“ Paulus disputirt, ob jene durch Kraft oder Verdienst des freien Willens zu dem gekommen seien, was von ihnen gesagt wird, und beweist, daß dies nicht der Fall sei, sondern Jakob sei allein durch die Gnade des Berufers zu dem gekommen, wozu Esau nicht gekommen ist. Er beweist dies aber durch unüberwindliche Worte der Schrift, nämlich, daß sie noch nicht geboren waren, desgleichen, nichts Gutes oder Böses gethan hatten. Und in dieser Beweisung liegt das Hauptgewicht der Sache, hierum handelt es sich in dieser Angelegenheit. Aber die Diatribe übergeht dies alles mit trefflicher Redekunst, stellt sich, als sehe sie es nicht, und disputirt nichts von dem Verdienst, was sie doch auf sich genommen hatte zu thun und was die Darlegung des Paulus verlangte, sondern macht ein leeres Gerede von zeitlicher Knechtschaft, als ob dies zur Sache gehörte, nur damit es nicht den Schein habe, als sei sie besiegt durch die überaus kräftigen Worte des Paulus. Denn was könnte sie sonst wider Paulus für den freien Willen belfern? Was hat der freie Wille dem Jakob geholfen? Was hat er dem Esau geschadet? da ja schon, durch das Vorherwissen und die Bestimmung Gottes jedem von beiden, als er noch nicht geboren war und noch nichts gethan hatte, festgestellt worden war, was er empfangen sollte, nämlich, daß jener dienen, dieser herrschen sollte. Der Lohn wird bestimmt, ehe die Arbeiter geboren werden und arbeiten. Hier hätte die Diatribe Antwort geben sollen; darauf dringt Paulus, daß sie noch nichts Gutes, noch nichts Böses gethan hätten, und doch durch den göttlichen Ausspruch der eine zum Herrn, der andere zum Knechte bestimmt wird. Es wird nicht darnach gefragt, ob jene Knechtschaft zur Seligkeit gehöre, sondern durch welches Verdienst wird sie dem aufgelegt, der sie nicht verdient hatte? Aber es ist sehr verdrießlich, mit denen zu streiten, die das gottlose Bestreben haben, die Schrift zu verdrehen und ihr zu entschlüpfen. Ferner, daß Moses nicht allein von der Knechtschaft jener handelt, und Paulus auch hierin recht thut, daß er es von der ewigen Seligkeit versteht (wiewohl dies nicht gar sehr zur Sache dient, werde ich dennoch nicht leiden, daß Paulus von den Verleumdungen der Gottlosen besudelt werde), wird durch den Text selbst überzeugend dargethan. Denn so lautet die göttliche Offenbarung bei Moses (1 Mos. 25,23.): „Zwei Völker werden sich scheiden aus deinem Leibe; und ein Volk wird dem andern überlegen sein, und der Größere wird dem Kleinern dienen.“ Hier werden offenbar zwei Völker unterschieden, das eine wird in die Gnade Gottes aufgenommen, nämlich das kleinere, damit es das größere überwinde, freilich nicht durch (eigene) Kraft, sondern durch Gottes Beistand, denn wie sollte sonst das kleinere das größere überwinden, wenn Gott nicht mit ihm wäre? Weil daher das kleinere Gottes Volk sein wird, so wird dort nicht allein die äußere Herrschaft oder Knechtschaft behandelt, sondern alles, was zu Gottes Volk gehört, das ist, Segen, Wort, Geist, Christi Verheißung und ewiges Reich, was die Schrift nachher auch ganz weitläuftig bestätigt, da sie beschreibt, wie Jakob gesegnet wurde und die Verheißungen und das Reich empfing. Das alles zeigt Paulus kurz an, da er sagt, der Größere werde dem Kleineren dienen, indem er uns auf Moses hinweist, der dies weitläuftiger behandelt, so daß du wider die gottlose Meinung des Hieronymus und der Diatribe sagen kannst, daß das in seinem ursprünglichen Zusammenhange stärkere Beweiskraft habe (pugnet), als bei Paulus, was er auch immer anzieht. Dies ist nicht allein in Bezug auf Paulus wahr, sondern auch in Betreff aller Apostel, welche Schriftstellen anführen als Zeugen und Bekräftiger ihrer Predigt. Es wäre aber lächerlich, das als ein Zeugniß anzuführen, was nichts bezeugte und nicht zur Sache diente. Denn wenn bei den Philosophen die als lächerlich gelten, welche etwas Unbekanntes durch ein noch Unbekannteres oder durch etwas nicht Dazugehöriges beweisen, wie könnten wir so frech sein, dieses den höchsten Leitern und Urhebern der christlichen Lehre zuzuschreiben, auf welcher das Heil der Seelen beruht, besonders, wo sie das lehren, was die Hauptstücke des Glaubens sind? Aber dieses gebührt sich für die, die von der göttlichen Schrift nicht ernstlich bewegt werden. Aber den Spruch des Maleachi (1,2.3.), welchen Paulus angefügt hat (Röm 9,13.): „Jakob habe ich geliebet, aber Esau habe ich gehasset“, verdreht sie mit Fleiß auf dreierlei Weise. Die erste ist: „Wenn man den Buchstaben pressen will (sagt sie), so liebt Gott nicht, wie wir lieben, auch haßt er niemand, weil dergleichen Gemüthsbewegungen Gotte nicht zukommen.“ Was höre ich? Ist denn nun die Frage, wie Gott liebt und haßt, und nicht vielmehr, warum er liebt und haßt? Es fragt sich, aus was für Verdienst auf unserer Seite er liebe oder hasse. Wir wissen sehr wohl, daß Gott nicht liebt oder haßt wie wir, da wir ja in veränderlicher Weise sowohl lieben als auch hassen. Er liebt und haßt mit ewigem und unveränderlichem Wesen, und so fallen bei ihm Zufälligkeiten und Gemüthsbewegungen nicht vor. Und gerade dies ist es, was zwingend beweist, daß der freie Wille nichts sei, weil die Liebe ewig und unveränderlich ist, und ewig der Haß Gottes gegen die Menschen, ehe die Welt ward, nicht allein vor einem Verdienste und Werke des freien Willens, und daß bei uns alles mit Nothwendigkeit geschehe, gemäß dem, daß er entweder liebt oder nicht liebt von Ewigkeit: so daß nicht allein die Liebe Gottes, sondern auch die Weise des Liebens uns eine Nothwendigkeit auflegt. Und so siehst du, wie der Diatribe ihre Ausflüchte dazu dienen, daß sie überall um so mehr anläuft, je mehr sie sich bemüht zu entrinnen; so gar gelingt es ihr nicht, der Wahrheit zu widerstreben. Aber es sei, die bildliche Rede soll dir zugelassen werden, daß die Liebe Gottes sei die Wirkung der Liebe, und der Haß Gottes sei die Wirkung des Hasses; geschehen denn etwa jene Wirkungen ohne und wider den Willen Gottes? Oder wirst du auch hier sagen, Gott wolle nicht wie wir, es habe bei ihm nicht die Gemüthsbewegung (affectum) des Wollens statt? Wenn also jene Wirkungen geschehen, so geschehen sie nur durch den wollenden Gott. Was nun aber Gott will, das liebt er entweder, oder haßt es. Antworte daher: um welches Verdienstes willen wird Jakob geliebt und Esau gehaßt, ehe sie geboren werden und ehe sie ein Werk thun? Es steht daher Paulus fest, der aufs beste den Maleachi einführt für die Meinung Mosis, nämlich, daß er um deß willen Jakob berufen hat, ehe er geboren wurde, weil er ihn liebte, nicht aber zuerst von Jakob geliebt worden sei, oder durch irgend ein Verdienst desselben bewogen worden sei, damit an Jakob und Esau gezeigt würde, was unser freier Wille vermöge. Die zweite Weise (wie die Diatribe den Spruch Mal. 1,2.3. verdreht) ist: „Maleachi scheint nicht von dem Haß zu reden, wodurch wir in Ewigkeit verdammt werden, sondern von einer zeitlichen Plage, denn es werden diejenigen getadelt, welche Edom wieder aufbauen wollten.“ Dies wird wiederum zur Schmach des Paulus geredet, als ob er der Schrift Gewalt angethan hätte. So gar nichts scheuen wir uns vor der Majestät des Heiligen Geistes, wenn wir nur das Unsere aufrichten können. Doch einstweilen wollen wir diese Schmach dulden und sehen, was sie beweist. Maleachi redet von zeitlicher Plage. Was folgt daraus? oder was dient das zur Sache? Paulus beweist aus Maleachi, daß diese Plage ohne Verdienst und allein durch den Haß Gottes dem Esau auferlegt worden sei, um daraus zu schließen, der freie Wille sei nichts. Hier wirst du in die Enge getrieben, hier hättest du Rede und Antwort stehen sollen. Wir disputiren vom Verdienst, du redest vom Lohne und redest so, daß du doch nicht entkommst, was du gewollt hast; ja, indem du vom Lohne redest, so gestehst du das Verdienst zu, aber stellst dich, als sähest du es nicht. Sage daher, was war die Ursache bei Gott, daß er Jakob liebte und Esau haßte, da sie noch nicht waren? Aber auch das ist falsch, daß Maleachi allein von zeitlicher Plage rede, noch hat er es mit der Verwüstung von Edom zu thun, und mit dieser (zweiten) Weise verdrehst du den Verstand des Propheten ganz und gar. Der Prophet zeigt mit den klarsten Worten hinlänglich an, was er will, nämlich er wirft den Israeliten ihre Undankbarkeit vor, daß sie, da er sie geliebt hat, ihrerseits ihn weder wiederum lieben als einen Vater, noch ihn fürchten als einen Herrn. Daß er aber geliebt habe, beweist er sowohl mit Schrift als auch mit dem Werke, nämlich, daß, da Jakob und Esau Brüder waren, wie Moses im ersten Buche Cap. 25. schreibt, er den Jakob geliebt und erwählt habe, ehe er geboren wurde, wie kurz zuvor gesagt worden ist, den Esau aber in solcher Weise gehaßt habe, daß er sein Land zu einer Einöde gemacht habe, dann auch noch mit solcher Beharrlichkeit hasse und darin fortfahre, daß er, während er den Jakob aus der Gefangenschaft zurückgeführt und wieder eingesetzt habe, doch nicht zulasse, daß die Edomiter wieder eingesetzt würden, sondern, wenngleich sie sagen sollten, sie wollten wieder aufbauen, er ihnen doch die Zerstörung drohe. Wenn dies der ganz deutliche Text des Propheten nicht in sich enthält, so soll mich die ganze Welt einen Lügner schelten. Es wird also nicht die Vermessenheit der Edomiter getadelt, sondern (wie ich gesagt habe) die Undankbarkeit der Kinder Jakob, welche nicht sehen, was er ihnen verleiht, und ihren Brüdern, den Edomitern, wegnimmt, ans keiner (anderen) Ursache, als weil er hier haßt, dort liebt. Wie soll nun das bestehen, daß der Prophet von zeitlicher Plage rede? da er mit völlig klaren Worten bezeugt, er rede von zwei Völkern, die von zwei Patriarchen geboren worden sind; jenes sei zu einem Volke angenommen und erhalten, dieses aber verlassen und endlich zerstört. Zu einem Volke annehmen und nicht zu einem Volke annehmen, geht nicht allein zeitliches Gut oder Uebel an, sondern bezieht sich auf alles. Denn unser Gott ist nicht allein ein Gott der zeitlichen Dinge, sondern aller Dinge. Er will dir aber nicht so ein Gott sein oder so verehrt werden, daß es nur halb geschehe oder mit hinkendem Fuße (1 Kön. 18,21.), sondern mit allen Kräften und von ganzem Herzen, daß er dir ein Gott sei sowohl hier, als auch im künftigen Leben, und in allen Dingen, Fällen, Zeiten und Werken. Die dritte Weise ist, daß er (Gott) nach der Meinung der bildlichen Redeweise weder alle Heiden liebt, noch alle Juden haßt, sondern aus beiderlei Volk einige. „Durch diese bildliche Redeweise wird bewirkt, daß dieses Zeugniß (sagt sie) nichts erkämpft, um die Nothwendigkeit zu beweisen, sondern (dient), dem „Hochmuth der Juden Einhalt zu thun.“ Nachdem dieser Weg gemacht worden ist, entschlüpft die Diatribe dahin: es werde von Gott gesagt, er habe die gehaßt, welche noch nicht geboren waren, weil er vorherweiß, daß sie thun würden, was des Hasses werth ist; und so steht der Haß und die Liebe Gottes der Freiheit des Willens nicht entgegen. Endlich schließt sie, die Juden seien durch das, was sie mit ihrem Unglauben verdient haben, vom Oelbaum abgeschnitten, und durch das Verdienst des Glaubens seien die Heiden eingepfropft und zwar nach Angabe (autore) des Paulus, und er macht den Abgeschnittenen Hoffnung, daß sie wieder könnten eingepfropft werden, und erweckt bei den Eingepfropften die Furcht, daß sie möchten abgeschnitten werden. Ich will des Todes sein, wenn die Diatribe selbst versteht, was sie redet. Aber vielleicht ist auch hier ein rhetorischer Kunstgriff, der da lehrt, den Sinn dunkel zu machen, wenn etwa eine Gefahr droht, du möchtest beim Worte ergriffen werden. Denn wir sehen an dieser Stelle keine bildlichen Reden, welche die Diatribe sich erträumt, aber nicht beweist. Deshalb ist es kein Wunder, wenn für sie das Zeugniß des Maleachi in bildlichem Verstande nichts beweist, denn derselbe ist nicht vorhanden. Ferner disputiren wir nicht vom Ausschneiden und Einpfropfen, wovon Paulus redet, indem er ermahnt. Wir wissen, daß die Menschen durch den Glauben eingepfropft, durch den Unglauben ausgeschnitten werden, und daß sie ermahnt werden sollen, zu glauben, damit sie nicht ausgeschnitten werden mögen. Aber daraus folgt nicht, wird auch nicht bewiesen, daß sie glauben oder nicht glauben können aus Kraft des freien Willens, wovon wir handeln. Wir disputiren nicht, welche die sind, die glauben, welche nicht, welche Juden, welche Heiden, was den Gläubigen und Ungläubigen folge; das gehört einem Ermahner zu. Sondern darüber disputiren wir, durch welches Verdienst, durch welches Werk sie zum Glauben gelangen, durch welchen sie eingepfropft werden, oder zum Unglauben, durch welchen sie abgeschnitten werden. Dies kommt einem Lehrer zu; dies Verdienst beschreibe uns. Paulus lehrt, daß dies durch kein Werk von unserer Seite, sondern allein durch Liebe und Haß Gottes zu Theil werde; denen es aber zugefallen ist, die ermahnt er, daß sie beharren möchten, damit sie nicht abgeschnitten werden. Aber eine Ermahnung beweist nicht, was wir vermögen, sondern was wir schuldig sind. Ich werde gezwungen, den Gegner fast mit mehr Worten festzuhalten, damit er nicht, indem er die Sache fahren läßt, anderswohin abschweife, als (ich Worte gebrauche, um) die Sache selbst zu behandeln. Und doch würde ich den Sieg schon damit erlangt haben, wenn ich ihn fest bei der Sache halten könnte: so klar und unüberwindlich sind die Worte; und deshalb hat er auch fast mit nichts Anderem zu thun, als daß er das umgehe und sich den Blicken entziehe, und etwas Anderes vornehme, als er sich vorgesetzt hatte. Die dritte Stelle nimmt sie aus Jes. 45,9.: „Spricht auch der Thon zu seinem Töpfer, was machst du?“ und Jer. 18,6.: „Wie der Thon ist in des Töpfers Hand, so seid ihr in meiner Hand.“ Wiederum sagt sie, daß diese Stellen bei Paulus mehr beweisen, als bei den Propheten, aus denen sie genommen sind, weil sie bei den Propheten von zeitlicher Trübsal lauten, Paulus aber (Röm. 9,20.) sie gebraucht, die ewige Erwählung und Verwerfung zu beweisen, um der Vermessenheit oder Unwissenheit des Paulus einen Schlag zu versetzen. Aber ehe wir zusehen, wie sie beweise, daß beide Stellen den freien Willen nicht ausschließen, will ich zuvor dies sagen, daß es nicht scheint, als habe Paulus diese Stelle aus den Propheten genommen, auch beweist die Diatribe dies nicht. Denn Paulus pflegt den Namen des Verfassers anzugeben, oder zu bezeugen, daß er etwas aus der Schrift beibringe; hier thut er aber keins von beiden. Deshalb ist es richtiger, daß Paulus durch dieses allgemeine Gleichniß, welches andere zu anderen Sachen gebrauchen, selbst aus eigenem Geiste zu seiner Sache gebrauche, wie er mit jenem Gleichniß thut: „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig“, welches er 1 Cor. 5,6. auf die Sitten anwendet, die leicht verderbt werden, an anderen Stellen es denen entgegenhält, die Gottes Wort fälschlich führen (Gal. 5,9.), wie auch Christus (Marc. 8,15.) den Sauerteig Herodis und der Pharisäer nennt. Mögen daher die Propheten besonders von zeitlicher Trübsal reden, wovon ich jetzt nichts sagen will, damit ich nicht so oft mit fernliegenden Fragen beschäftigt und dadurch aufgehalten werde, so gebraucht doch Paulus seines Geistes wider den freien Willen. Daß aber dem Willen seine Freiheit nicht genommen sein soll, wenn wir für Gott, der da heimsucht, sind wie Thon, das weiß ich nicht, wo das hingehören soll, oder warum die Diatribe das behauptet, da kein Zweifel ist, daß die Trübsale von Gott kommen ohne unsern Willen, und die Notwendigkeit, sie zu ertragen, mit sich bringen, wir mögen wollen oder nicht, und es steht nicht in unserer Hand, sie abzuwenden, wenn wir auch ermahnt werden, sie willig zu tragen. Aber es ist der Mühe werth, die Spitzfindigkeiten der Diatribe zu hören, wie die Rede des Paulus durch dies Gleichniß den freien Willen nicht ausschließe. Denn sie wirft ihm zwei Ungereimtheiten vor; die eine nimmt sie aus der Schrift, die andere aus der Vernunft. Aus der Schrift schließt sie so: Paulus hätte so gesagt, 2 Tim. 2,20.21., in einem großen Hause seien goldene, silberne, hölzerne und irdene Gefäße, einige zu Ehren, andere zu Unehren, aber bald daran gefügt: So nun jemand sich reinigt von solchen Leuten, der wird ein Gefäß sein zu den Ehren etc. Dann schließt die Diatribe so: „Was wäre einfältiger, als wenn jemand zu einem irdenen Geschirr spräche, wenn du dich reinigst, so wirst du ein Gefäß zu Ehren sein? Aber dies wird mit Recht gesagt zu einem mit Vernunft begabten Gefäße, welches, wenn man es erinnert, sich nach dem Willen des Herrn zu richten vermag.“ Hiedurch meint sie bewiesen zu haben, daß das Gleichniß sich nicht in allen Stücken zur Sache reime, und daß es so beseitigt sei, daß es nichts beweisen könne. Ich antworte, um das nicht aufzugreifen, daß Paulus nicht sagt: Wenn jemand sich reinigt „von seinem Unflath“, sondern „von solchen Leuten“, das heißt, von den Gefäßen der Unehre, daß der Sinn sei: Wenn jemand getrennt bleibt und sich nicht unter die gottlosen Lehrer mischt, der wird ein Gefäß der Ehren sein etc. Wir wollen auch zugeben, daß diese Stelle des Paulus das völlig beweise (facere), was die Diatribe will, das heißt, daß das Gleichniß nicht schlagend (non efficacem) sei; wie wird sie beweisen, daß Paulus dasselbe wolle an jener Stelle, Röm. 9,20.f., davon wir disputiren? Ist es denn genug, eine andere Stelle anzuführen und sich durchaus nichts darum zu kümmern, ob sie dasselbe oder etwas ganz Anderes beweise? Bei Behandlung der Schrift wird kein Fehler leichter gemacht, ist auch keiner häufiger, als daß man aus der Schrift verschiedenartige Stellen zusammenfaßt, als wären sie gleiche, wie ich öfter gezeigt habe, so daß die Vergleichung der Stellen, womit die Diatribe prangt, weniger beweist, als diese unsere Stelle, welche sie widerlegt. Aber um nicht zanksüchtig zu sein, wollen wir zugeben, daß beide Stellen des Paulus dasselbe wollen, und, was ganz unbestritten wahr ist, daß ein Gleichniß nicht immer und in allen Stücken zu der Sache paßt, sonst wäre es nicht ein Gleichniß, noch eine übertragene Sache (translatio), sondern die Sache selbst, nach dem Sprüchwort: Ein Gleichniß hinkt und läuft nicht immer auf vier Beinen. Doch darin irrt und fehlt die Diatribe, daß sie die Ursache des Gleichnisses, worauf am meisten gesehen werden muß, außer Acht läßt, und streitsüchtig die Wörter aufgreift. Denn aus den Ursachen der Rede ist das Verständniß abzunehmen, sagt Hilarius, nicht allein aus den Wörtern; so hängt auch die Beweiskraft (efficacia) eines Gleichnisses ab von der Ursache des Gleichnisses. Warum übergeht denn die Diatribe das, um dessentwillen Paulus dieses Gleichniß gebraucht, und greift das auf, was er nicht mit Bezug auf die Ursache des Gleichnisses sagt? Nämlich das gehört zur Ermahnung, daß er sagt: „So sich jemand reinigt“; jenes aber gehört zur Lehre, daß er sagt: „In einem großen Hause sind Gefäße“ etc., so daß du aus allen Umständen der Worte und der Meinung des Paulus verstehen kannst, er handele von der Verschiedenheit und dem Gebrauche der Gefäße, so daß der Sinn ist: da so viele vom Glauben abtreten, haben wir keinen anderen Trost, als daß wir gewiß sind (2 Tim. 2,19.): „Der feste Grund Gottes besteht und hat dies Siegel: Der Herr kennet die Seinen, und es tritt ab von der Ungerechtigkeit jeder, der den Namen des Herrn anruft.“ So weit geht die Ursache und die Beweiskraft (efficacia) des Gleichnisses, nämlich, daß der Herr die Seinen kennt. Dann folgt das Gleichniß, nämlich, es gebe verschiedene Gefäße, einige zu Ehren, andere zu Unehren. Hiemit wird die Lehre abgeschlossen (absolvitur), daß die Gefäße sich nicht selbst bereiten, sondern der Herr. Dies will auch Röm. 9,21., daß ein Töpfer Macht hat etc. So steht das Gleichniß des Paulus ganz beweiskräftig da, daß die Freiheit des Willens vor Gotte nichts sei. Hiernach folgt die Ermahnung: „So jemand sich reinigt von solchen Leuten“ etc. Was dies in sich enthalte, ist aus dem oben Gesagten hinlänglich bekannt. Denn es folgt nicht: deshalb können sie sich reinigen; ja, wenn etwas bewiesen wird, so wird bewiesen, daß der freie Wille sich selbst reinigen könne ohne die Gnade, da es nicht heißt, wenn jemanden die Gnade reinigt, sondern, so er sich selbst reinigt. Aber von befehlenden und verpflichtenden Worten ist überflüssig geredet worden, und ein Gleichniß wird nicht mit verpflichtenden Worten vorgetragen, sondern mit solchen, welche die Wirklichkeit anzeigen (indicativis): wie es Auserwählte und Verworfene gibt, so gibt es auch Gefäße zu Ehren und zu Unehren. Kurz, wenn diese Ausflucht (elusio) gelten sollte, so würde die ganze Erörterung des Paulus keinen Werth haben, denn vergeblich würde er die einführen, welche gegen den Töpfer, (nämlich) Gott, murrten, wenn es die Schuld des Gefäßes und nicht des Töpfers zu sein schiene; denn wer würde murren, wenn er hörte, daß jemand, der der Verdammniß werth ist, verdammt werde? Die zweite Ungereimtheit (welche sie dem Gleichniß aufrückt) entnimmt sie von der sogenannten menschlichen Frau Vernunft, nämlich, daß nicht dem Gefäße, sondern dem Töpfer die Schuld beizumessen sei, zumal, da es ein solcher Töpfer ist, der auch den Thon selbst schafft und zubereitet. „Dieses Gefäß“ (sagt die Diatribe) „wird ins ewige Feuer geworfen, weil es nichts verdient hat, nur weil es nicht sein eigener Herr ist.“ Nirgends gibt sich die Diatribe deutlicher an den Tag, als an dieser Stelle. Denn du hörst, daß hier, zwar mit anderen Worten, aber doch in demselben Sinne, gesagt wird, was Paulus den Gottlosen in den Mund legt (Röm. 9,19.): „Was schuldiget er uns denn? Wer kann seinem Willen widerstehen?“ Das ist es, was die Vernunft weder fassen noch leiden kann, dies ärgert so viele durch Geistesgaben hervorragende Männer, denen man so viele Jahrhunderte hindurch glaubte und folgte (receptos). Hier fordern sie, daß Gott nach menschlichem Rechte handeln und thun soll, was ihnen richtig erscheint, oder er soll aufhören Gott zu sein. Die Geheimnisse der Majestät können ihm nichts nützen, er gebe Rechenschaft, warum er Gott sei, oder warum er wolle oder thue, was keinen Schein der Gerechtigkeit habe, als wenn du einen Schuster oder einen Beutler auffordertest, sich vor Gericht zu stellen. Das Fleisch hält Gott (Deum) einer so großen Ehre nicht werth, daß es glauben sollte, er sei gerecht und gut, wenn er etwas Höheres oder über das hinaus redet und thut, was das Rechtsbuch des Justinian oder das fünfte Buch der Sittenlehre des Aristoteles festgesetzt hat. Die Majestät, welche alle Dinge geschaffen hat, weiche Einer Hefe ihrer Creatur, und jene Corycische Höhle, indem man die Sache umkehrt, fürchte sich vor ihren Beschauern. Es ist also ungereimt, daß er den verdammen sollte, welcher das Verdienst der Verdammniß nicht vermeiden kann, und wegen dieser Ungereimtheit muß es falsch sein, daß Gott sich erbarmt, welches er will, und verstockt, welchen er will (Röm. 9,18.), sondern er muß wieder zur Ordnung gebracht werden, und ihm müssen Gesetze vorgeschrieben werden, damit er niemanden verdamme, es sei denn, er habe es nach unserem Urtheile verdient. So ist dem Paulus mit seinem Gleichnisse genug geschehen, nämlich, daß er es widerrufe und es nichts gelten lasse, sondern so gestalte, daß der Töpfer hier (wie es die Diatribe auslegt) ein Gefäß macht zu Unehren, wegen der vorhergehenden Verdienste, gleichwie er einige Juden verwirft wegen ihres Unglaubens, die Heiden annimmt wegen ihres Glaubens. Aber wenn Gott so wirkt, daß er die Verdienste ansieht, warum murren jene und stellen ihn zur Rede? Warum sagen sie: was schuldiget er denn uns? wer kann seinem Willen widerstehen? Warum mußte Paulus jene zum Schweigen bringen? Denn wer wundert sich, ich will nicht sagen, entrüstet sich oder stellt zur Rede, wenn jemand, der es verdient hat, verdammt wird? Ferner, wo bleibt die Macht des Töpfers, zu machen, was er will, wenn man ihn Verdiensten und Gesetzen unterwirft und ihn nicht machen läßt, was er will, sondern von ihm fordert, er solle machen, was er muß? Denn es streitet das Ansehen der Verdienste mit der Macht und Freiheit, zu machen, was er will, wie jener Hausvater beweist, welcher den murrenden Arbeitern, die ihr Recht forderten, die Freiheit des Willens in Bezug auf seine Güter entgegenhielt. Hiedurch wird die Deutung der Diatribe als unstatthaft dargethan. Doch, Lieber, wir wollen annehmen, Gott müsse so beschaffen sein, daß er die Verdienste ansehe bei denen, die verdammt werden sollen, werden wir dann nicht auf gleiche Weise darauf bestehen und zugeben, daß er auch bei denen, die selig werden sollen, die Verdienste ansehe? Wenn wir der Vernunft folgen wollen, so ist es ebenso unbillig, daß solche, die es nicht werth sind, gekrönt werden, als daß solche, die es nicht verdient haben, bestraft werden. Deshalb müssen wir schließen, daß Gott um der vorhergehenden Verdienste willen rechtfertigen müsse, oder wir werden ihn für unbillig erklären, weil er an bösen und gottlosen Menschen Gefallen habe und ihre Gottlosigkeit durch Belohnungen herausfordere und kröne. Aber dann wehe uns Armen bei einem solchen Gotte! Denn wer könnte selig werden? Siehe daher die Bosheit des menschlichen Herzens: wenn Gott die Unwürdigen ohne Verdienste selig macht, ja, die Gottlosen, die es mit vielem ganz anders verdient haben, rechtfertigt, da klagt es ihn nicht der Unbilligkeit an, da stellt es ihn nicht zur Rede, warum er dies wolle, wiewohl es nach seinem Urtheil ganz unbillig ist; aber weil es ihm vortheilhaft ist und leicht eingeht, urtheilt es davon, es sei billig und gut. Aber da er die, welche es nicht verdient haben, verdammt: weil ihm das unbequem ist, ist dies unbillig, dies ist unleidlich, hier wird (Gott) zur Rede gestellt, hier wird gemurrt, hier wird gelästert. Du siehst also, daß die Diatribe mit den Ihrigen in dieser Sache nicht nach der Billigkeit urtheile, sondern nach ihrer eigennützigen Gesinnung. Denn wenn sie die Billigkeit ansähe, so würde sie gleicherweise mit Gott rechten, wenn er die, welche es nicht werth sind, krönt, wie sie mit ihm rechtet, wenn er die, welche es nicht verdient haben, verdammt. Gleicherweise würde sie auch Gott loben und preisen, wenn er die verdammt, welche es nicht verdient haben, wie sie dies thut, wenn er die Unwürdigen selig macht. Denn auf beiden Seiten ist gleiche Unbilligkeit, wenn du auf unseren Verstand siehst. Es wäre gewiß ebenso unbillig, wenn du den Kain wegen seines Mordes loben und zum Könige machen würdest, als wenn du den unschuldigen Abel ins Gefängniß werfen oder tödten wolltest. Weil daher die Vernunft Gott lobt, indem er die Unwürdigen selig macht, ihn aber beschuldigt, indem er die verdammt, welche es nicht verdient haben, so wird sie überführt, daß sie Gott nicht lobe als Gott, sondern als einen solchen, der ihrem eigenen Vortheile dient, das heißt, sie sucht und lobt in Gotte sich selbst und das Ihre, nicht Gott oder was Gottes ist. Aber wenn dir Gott gefällt, indem er die Unwürdigen krönt, darf er dir auch nicht mißfallen, indem er die verdammt, welche es nicht verdient haben; wenn er dort gerecht ist, warum sollte er hier nicht gerecht sein? Dort streuet er Gnade und Barmherzigkeit aus über die Unwürdigen, hier streuet er Zorn und Strenge aus über die, welche es nicht verdient haben. Nach beiden Seiten hin thut er zu viel und ist unbillig vor den Menschen, aber gerecht und wahrhaftig bei ihm selbst. Denn wie dies gerecht sei, daß er die Unwürdigen krönt, das ist jetzt unbegreiflich, wir werden es aber sehen, wenn wir dahin kommen, wo wir nicht mehr glauben, sondern mit unverhülltem Angesichte sehen. So auch, wie dies gerecht sei, daß er die verdammt, welche es nicht verdient haben, ist jetzt unbegreiflich, doch glauben wir es, bis des Menschen Sohn offenbart werden wird. Die Diatribe aber, durch jenes Gleichniß vom Töpfer und Thon heftig geärgert, ist einigermaßen entrüstet, daß sie durch dasselbe so sehr in die Enge getrieben wird, und kommt endlich wieder darauf zurück, daß sie, nachdem verschiedene Stellen aus der Schrift beigebracht worden sind, deren einige dem Menschen alles beizulegen scheinen, andere alles der Gnade, grollend behauptet, beiderlei Stellen müßten nach einer gesunden Auslegung verstanden, und nicht einfach angenommen werden. Sonst, wenn wir auf dieses Gleichniß dringen, ist sie wieder bereit, uns mit jenen befehlenden und verpflichtenden Stellen in die Enge zu treiben, besonders mit der des Paulus (2 Tim. 2,21.): „So nun jemand sich reiniget von solchen Leuten“; hier bringt sie Paulus mit sich selbst in Widerspruch und läßt ihn alles dem Menschen beilegen, wenn ihm nicht eine gesunde Auslegung zu Hülfe kommt. Wenn nun hier die Auslegung zugelassen wird, daß der Gnade Raum gelassen werde, warum sollte denn das Gleichniß vom Töpfer nicht auch eine Auslegung zulassen, daß da Raum sei für den freien Willen? Ich antworte: Mir liegt nichts daran; du kannst es einfach, zweifach oder hundertfach nehmen? Ich sage dies, daß durch diese gesunde Auslegung nichts ausgerichtet noch bewiesen wird, was in Frage steht. Denn es muß bewiesen werden, daß der freie Wille nichts Gutes wollen kann. Aber an jener Stelle: „So nun jemand sich reinigt von solchen Leuten“, wird, weil es eine verpflichtende Rede ist, weder nichts noch etwas bewiesen; Paulus ermahnt nur. Oder wenn du die Folgerung der Diatribe anfügen willst und sprechen: er ermahnt vergeblich, wenn er sich nicht reinigen kann, dann wird bewiesen, daß der freie Wille alles vermöge ohne die Gnade, und so beweist die Diatribe wider sich selbst. Wir erwarten also noch irgend eine Stelle der Schrift, welche diese Auslegung lehre; denen, die sie aus ihrem Kopfe erdichten, glauben wir nicht, denn wir leugnen, daß sich irgend eine Stelle findet, welche dem Menschen alles beilegt. Wir leugnen auch, daß Paulus sich selbst widerspreche, da er sagt: „So nun jemand sich reiniget von solchen Leuten“, sondern wir sagen, daß ebensowohl der Widerspruch bei Paulus erdichtet wird, als die Deutung ersonnen ist, welche jene (die Diatribe) herauspreßt, und daß keins von beiden nachgewiesen werden kann. Das gestehen wir freilich, wenn man die Schrift mit den Folgerungen und Zusätzen der Diatribe vermehren darf: „Vergeblich wird geboten, wenn wir nicht vermögen, was geboten wird“; dann streitet Paulus in Wahrheit wider sich selbst und die ganze Schrift, weil dann die Schrift eine andere wäre, als sie gewesen ist; dann beweist sie auch, daß der freie Wille alles vermöge. Was wäre es aber auch zu verwundern, wenn sie dann auch wider das stritte, was sie anderswo sagt, daß Gott allein alles thue. Aber die so vermehrte Schrift streitet nicht allein wider uns, sondern auch wider die Diatribe, welche erklärt hat, daß der freie Wille nichts Gutes wollen könne. Sie möge sich also erst selbst befreien und sagen, wie diese beiden Stücke mit Paulus stimmen: Der freie Wille kann nichts Gutes wollen, und: So jemand sich reinigt, also kann er sich reinigen, oder es wird vergebens gesagt. Du siehst also, daß die Diatribe in Noth und besiegt ist durch jenes Gleichniß vom Töpfer und nur damit umgeht, daß sie dem entschlüpfen möge, und unterdeß nicht bedenkt, wie sehr der Sache, die sie auf sich genommen hat, die Auslegung schade, und wie sie sich selbst widerlegt und zum Gespötte macht. Wir aber, wie wir gesagt haben, haben niemals eine Auslegung erkünstelt, haben auch nicht so geredet: Strecke deine Hand aus, das ist, die Gnade wird ausstrecken. Dies alles erdichtet die Diatribe von uns, zum Vortheil ihrer Sache. Sondern so haben wir geredet, es sei kein Widerstreit in den Aussprüchen der Schrift und es sei keine Auslegung nöthig, welche den Knoten löse. Aber gerade die Lehrer des freien Willens suchen Schwierigkeiten, die nicht vorhanden sind, und erträumen sich Widersprüche. Zum Beispiel, dies streitet nicht wider einander: „So jemand sich reinigt“, und: „Gott wirkt alles in allen.“ Es ist nicht nöthig, daß man, um den Knoten zu lösen, sage: Einiges thut Gott, einiges der Mensch, weil der erste Spruch eine verpflichtende Rede in sich enthält, welche ein Werk oder eine Kraft im Menschen durchaus nicht behauptet oder leugnet, sondern vorschreibt, was an Werken oder Kräften im Menschen sein sollte. Hier ist nichts Bildliches, nichts, was einer Auslegung bedarf; es sind einfache Worte, es ist ein einfacher Sinn, nur mögest du keine Folgerungen und verderbende Zusätze anhängen nach der Weise der Diatribe, denn dann entstände ein nicht gesunder Sinn, aber nicht durch die Schuld der Worte, sondern durch die Schuld des Verderbers. Die letztere Stelle aber: „Gott wirkt alles in allen“, ist eine Rede, welche die Wirklichkeit anzeigt und behauptet, daß alle Werke, alle Kraft in Gott sei. Wie sollten also die beiden Stellen wider einander streiten, da die eine nichts handelt von der Kraft des Menschen, die andere Gotte alles zuschreibt, und nicht vielmehr aufs beste mit einander übereinstimmen? Aber die Diatribe ist so ersäuft, erstickt und verderbt durch die Meinung jenes fleischlichen Gedankens, „unmögliche Dinge würden vergeblich geboten“, daß sie sich nicht beherrschen kann, vielmehr, so oft sie ein befehlendes oder verpflichtendes Wort hört, alsbald ihre Folgerungen, daß es in Wirklichkeit so sei (indicativas), anhängt, nämlich: Es wird etwas befohlen, also können wir es und thun es, sonst würde es thörichter Weise befohlen. Darauf gestützt bricht sie hervor und rühmt sich überall des Sieges, als ob sie nachgewiesen hätte, daß diese Folgerungen mit ihrem Denken so bestätigt wären, als wären sie göttlichen Ansehens. Darauf gestützt verkündigt sie sicher, daß an einigen Stellen der Schrift dem Menschen alles beigelegt werde, deshalb sei dort ein Widerspruch, und eine Auslegung sei nöthig. Und sie sieht nicht, daß dies alles eine Erdichtung ihres Kopfes ist, die nirgends in der Schrift durch ein Tüttelchen bestätigt wird, dann auch von solcher Art, daß es, wenn man es zugestände, niemanden stärker widerlegen würde, als sie selbst, da sie ebendamit beweist, wenn sie irgend etwas beweist, der freie Wille vermöge alles, wovon sie das Gegentheil zu beweisen unternommen hat. So wiederholt sie auch so oft: „Wenn der Mensch nichts thut, so hat kein Verdienst statt; wo kein Verdienst statthat, da können weder Strafen noch Belohnungen statthaben.“ Wiederum sieht sie nicht, wie sie sich durch diese fleischlichen Beweisgründe selbst stärker widerlegt als uns. Denn was beweisen diese Folgerungen anders, als daß das ganze Verdienst bei dem freien Willen sei? Wo kann dann Raum sein für die Gnade? Ferner, wenn der freie Wille ganz wenig verdient, das Uebrige aber die Gnade, warum empfängt der freie Wille die ganze Belohnung? Oder wollen wir ihm auch nur eine ganz kleine Belohnung andichten? Wenn Verdienste statthaben, damit Belohnungen statthaben können, so muß das Verdienst auch so groß sein als die Belohnung. Doch, was verliere ich Worte und Zeit mit einer Sache, die nichts ist? Wenn nun auch alles Bestand hätte, was die Diatribe aufbringt, und es theilweise des Menschen, teilweise Gottes Werk wäre, daß wir verdienen, so können sie doch das Werk selbst nicht angeben, was, wie beschaffen und wie groß es sei, deshalb ist dies ein Streit um Nichts. Nun aber, da sie nichts von dem beweist, was sie sagt, weder den Widerspruch, noch die Auslegung, noch die Stelle, welche dem Menschen alles zuschreibt, zeigen kann, sondern alle diese Dinge Gebilde ihres Denkens sind, so steht das Gleichniß des Paulus vom Töpfer und Thon unberührt und unüberwindlich fest, daß es nicht in unserem Willen ist, als was für Gefäße wir gebildet werden. Die Ermahnungen Pauli aber: „So jemand sich reiniget“ und ähnliche sind Formen, nach denen wir gebildet werden sollen, nicht aber Zeugnisse über unser Werk oder Bestreben. Dies mag genug sein über jene Stellen von der Verstockung des Pharao, von Esau, und vom Töpfer.