D. Martin Luthers Antwort an Erasmus von Rotterdam,
daß der freie Wille nichts sei (De servo arbitrio, 1525)
Beschluß des ganzen Buchs.
Hier will ich dieses Büchlein beschließen, und bin bereit, wenn es nöthig sein sollte, diese Sache noch weitläuftiger zu behandeln, wiewohl ich glaube, daß hier dem gottseligen (Leser), welcher der Wahrheit ohne Hartnäckigkeit Raum geben will, reichlich genuggethan sei. Denn, wenn wir glauben, daß es wahr sei, daß Gott alles vorherweiß und zuvorverordnet, dann auch, daß er in seinem Vorherwissen und seiner Vorherbestimmung nicht fehlen noch gehindert werden kann, ferner, daß nichts geschehe, außer durch seinen Willen, was selbst die Vernunft zugestehen muß, so kann zugleich auch nach dem Zeugniß der Vernunft selbst kein freier Wille sein, weder im Menschen, noch in einem Engel, noch in irgend einer Creatur. So, wenn wir glauben, daß der Teufel der Fürst der Welt ist, der Christi Reiche mit allen Kräften beständig auflauert und es bekämpft, um die gefangenen Menschen nicht loszulassen, es sei denn, er werde durch die göttliche Kraft des Geistes dazu getrieben, so ist wiederum offenbar, daß kein freier Wille sein kann. So auch, wenn wir glauben, daß die Erbsünde uns so verderbt habe, daß sie auch denen, welche vom Geiste getrieben werden, überaus schwer zu schaffen mache, dadurch, daß sie wider das Gute stark ankämpft: so ist es klar, daß in dem Menschen, der den Geist nicht hat, nichts ist, was sich zum Guten wenden könne, sondern nur zum Bösen. Desgleichen, wenn die Juden, die aus allen Kräften der Gerechtigkeit nachstanden, vielmehr in Ungerechtigkeit stürzten, und die Heiden, welche der Gottlosigkeit nachjagten, umsonst und unverhofft zur Gerechtigkeit gelangten, so ist es ebenfalls offenbar, selbst aus Werk und Erfahrung, daß der Mensch ohne die Gnade nichts als Böses wollen könne. Aber kurz, wenn wir glauben, daß Christus durch sein Blut die Menschen erlöst habe, so werden wir gezwungen, zu bekennen, daß der ganze Mensch verderbt gewesen sei, sonst würden wir Christum entweder überflüssig machen, oder zu einem Erlöser des schlechtesten Theiles (am Menschen), was lästerlich wäre, und Gotte rauben, was sein ist. Nun, lieber Erasmus, bitte ich dich um Christi willen, daß du nun auch halten wollest, was du versprochen hast. Du hast aber versprochen, du wollest dem weichen, der dich eines Bessern belehrte. Laß das Ansehen der Personen fahren. Ich gestehe, daß du ein großer Mann bist, mit vielen und gar herrlichen Gaben von Gott geschmückt, um anderer Dinge zu geschweigen, als, deines scharfen Verstandes, deiner Gelehrsamkeit und deiner ans Wunderbare grenzenden Wohlredenheit. Ich aber habe nichts und bin nichts, nur daß ich mich fast rühmen möchte, ein Christ zu sein. Sodann rühme und preise ich auch dieses an dir gar sehr, daß du allein vor allen die Sache selbst angegriffen hast, das heißt, den kurzen Inbegriff der Sache, mich auch nicht ermüdest mit fernliegenden (alienis) Sachen vom Pabstthum, Fegfeuer, Ablaß und ähnlichen Dingen, die vielmehr Possen sind als Sachen, mit welchen mich bisher fast alle gejagt haben, wiewohl vergeblich. Allein du hast den Hauptangelpunkt erkannt und das Messer an die Kehle gesetzt, wofür ich dir von Herzen Dank sage, denn mit dieser Sache gehe ich gerne um, so viel die Zeit und Muße zuläßt. Wenn dies auch die gethan hätten, welche mich bisher angegriffen haben, und wenn es jetzt noch diejenigen thäten, welche sich jetzt eines neuen Geistes und neuer Offenbarungen rühmen, so hätten wir weniger Aufruhr und Rotten und mehr Frieden und Eintracht. Aber Gott hat so durch den Teufel unsere Undankbarkeit bestraft. Doch, wenn du diese Sache nicht anders handeln kannst, als du es in dieser Diatribe gethan hast, so möchte ich sehr wünschen, daß du, mit deiner Gabe zufrieden, die Wissenschaften und Sprachen, wie du bisher mit großem Nutzen und Ehren gethan hast, pflegtest, ziertest und fördertest. Mit diesem Bemühen hast du auch mir nicht wenig gedient, so daß ich bekenne, daß ich dir vieles verdanke, und in dieser Hinsicht halte ich dich hoch und sehe aufrichtigen Herzens zu dir hinauf. Daß du dieser unserer Sache gewachsen wärest, hat Gott noch nicht gewollt, auch nicht gegeben. Ich bitte dich, du wollest nicht meinen, daß dies aus Anmaßung gesagt sei, ich bitte aber, daß der Herr dich bald in dieser Sache so groß und so viel höher als mich machen wolle, als du mir in allen anderen Dingen überlegen bist. Denn es ist nicht etwas Neues, daß Gott den Moses durch einen Jethro unterweist und den Paulus belehrt durch einen Ananias. Denn, daß du sagst, das sei des Zieles weit gefehlt, wenn du Christum nicht kennen solltest, so glaube ich, du selbst siehst, wie es damit steht. Denn darum werden nicht alle irren, wenn auch wir, du oder ich, irren. Gott ist es, der gepriesen wird, daß er wunderbar ist in seinen Heiligen, so daß wir etwa die für Heilige halten, welche am weitesten von der Heiligkeit entfernt sind. Denn es kann leicht geschehen, daß du, da du ein Mensch bist, Schriftstellen oder Aussprüche der Väter, durch deren Leitung du glaubst das Ziel zu treffen, weder richtig verstehst, noch auch sorgfältig genug in Acht nimmst. Davon ist jenes Wort eine genügsame Anzeige, daß du schreibst, du wollest nichts behaupten, sondern nur gegen einander halten. So schreibt der nicht, welcher eine Sache völlig durchschaut und sie recht versteht. Ich aber habe in diesem Buche nicht gegen einander gehalten, sondern behauptet und behaupte, und will nicht, daß bei irgend jemand das Urtheil stehe, sondern rathe allen, daß sie Folge leisten mögen. Der Herr aber, dessen diese Sache ist, erleuchte dich und mache aus dir ein Gefäß zu Ehren und Herrlichkeit. Amen.
Ende.