Ein zusammenfassendes Bekenntnis
Für eilige Leser der Online-Dogmatik
Ich erkenne und bekenne, dass ich in Gottes Gegenwart, unter seinen Augen und von seiner Gnade lebe. Er ist die alles bestimmende Wirklichkeit. Er übersteigt bei weitem, was ein Mensch zu denken vermag. Und obwohl er immer ein und derselbe ist, begegnet er seinen Geschöpfen doch dreifach, als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist.
Gemessen an seiner Lebendigkeit sind alle tot. Gemessen an seiner Weisheit ist jeder töricht. Gemessen an seiner Unendlichkeit ist es überall eng. Gott war immer und wird immer sein. Für ihn gibt es kein zu früh und kein zu spät. Denn in seiner Ewigkeit ist er aller Zeit enthoben. Das Vergangene ist ihm genauso gegenwärtig wie das Zukünftige. Und ohne ihn geschieht nichts, was geschieht. Denn niemand widersteht seiner Vorsehung oder bringt seine Pläne zu Fall.
Gott ist in allem, alles ist in ihm und nichts ist außerhalb von ihm, denn er ist nirgends nicht. Was Gott will, das kann er auch. Und zu allem hat er das Recht. Denn sein Wille allein ist Maßstab und Norm des Guten. Gott unterliegt keinem Urteil und schuldet niemandem Rechenschaft. Er schaut aber in jedes Herz und nichts ist vor ihm verborgen.
Gott liebt seine Geschöpfe. Er hasst aber das Böse, durch das sie sich selbst ins Verderben stürzen. Für alle, die zu ihm flüchten, ist er ein Fels und eine feste Burg. Für seine Feinde aber ein Abgrund und ein verzehrendes Feuer. Gott bleibt stets frei, zu erwählen und zu verwerfen, denn er ist an nichts gebunden als nur an sein eigenes Wort. Alles aber, was nicht Gott ist, ist zu seinem Dienst bestimmt.
Ich erkenne und bekenne, dass der Mensch nichts von Gott weiß, als nur, was Gott ihn wissen lässt. Er ist nur dort zu greifen, wo er begriffen werden will, und kann nur auf dem Weg gefunden werden, den er selbst in Christus gewiesen hat. Er, der Himmel und Erde erfüllt, ist ein verborgener Gott. Doch hat er sich seinen Geschöpfen offenbart und davon Zeugnis gegeben in der Heiligen Schrift, die durch Gottes Geist eingegeben von Menschen niedergeschrieben wurde.
So begegnet Gott dem Menschen zwar nicht nur in Jesus Christus. Aber er begegnet ihm nur in Christus so, dass er seinen Schöpfer begreifen und mit ihm versöhnt werden kann. Die Heilige Schrift ist das einzige Medium, das uns mit Gottes geschichtlicher Offenbarung in Christus verbindet. Sie ist darum der Maßstab, an dem sich christliches Leben und kirchliche Lehre messen lassen müssen. Die Heilige Schrift ist klar, zuverlässig und verbindlich in allen Fragen des Glaubens und des Lebens. Zur Auslegung taugt aber nur, wer sich ihrer Autorität unterordnet. Denn nicht der Mensch richtet über Gottes Wort, sondern Gottes Wort richtet über ihn.
Ich erkenne und bekenne, dass kein Ding dieser Welt sich selbst hervorbringt. Auch ich selbst habe es nicht getan, sondern habe (wie die Welt insgesamt) den Grund meines Daseins in Gott. Denn die in Natur und Geschichte wirkenden Kräfte sind Gottes Kräfte, sind seine Werkzeuge, Mittel und Masken. Gott selbst ist kein Seiendes, sondern der Grund allen Seins. Alle Geschöpfe aber sind nur in dem Maße wirklich, wie er ihnen aus seiner eigenen Kraft und Fülle Wirklichkeit verleiht.
Niemandem widerfährt etwas anderes, als nur, was Gott ihm zumutet oder gönnt. Darum hat es der Mensch immer und überall mit ihm zu tun. Weil aber er, der uns nichts schuldet, doch einen jeden beschenkt und begnadet mit Lebenszeit, Gesundheit, Kraft und Vernunft, ihn auch täglich erhält, ernährt und führt, wäre es recht und billig, dass der Mensch ihm fröhlich folgte und gehorsam wäre, seine Weisungen und Ordnungen respektierte und die ihm von Gott anvertrauten Gaben nie anders als im Sinne des Gebers nutzte.
Ich erkenne und bekenne, dass ich – gleich allen Menschen – meine gottgewollte Bestimmung ganz und gar verfehle. Gott hat den Menschen freundlich dazu berufen, sein geliebtes Kind und Ebenbild zu sein. Der Mensch sollte ihm ganz entsprechen, wie der Siegelabdruck dem Siegelring. Er sollte empfangen, wo Gott schenkt, sollte hören, wo Gott redet, und folgen, wo Gott ruft. Doch hat der Mensch seinem Schöpfer den Rücken zugekehrt, um sich in die Gier und in die Sorge dieser Welt zu verstricken.
Der Mensch nimmt seinen Willen wichtiger als Gottes Gebote. Er schreibt sich als Verdienst zu, was Gottes Geschenk und Gabe ist. Auch in seinen besten Taten sucht er den eigenen Vorteil und die eigene Ehre. Aus eigenem Antrieb liebt er aber weder Gott noch seinen Nächsten, sondern wendet sich ihnen nur zu, wenn er sich davon Genuss oder Nutzen verspricht.
Da der Mensch so beharrlich sündigt in Gedanken, Worten und Werken, hat Gott guten Grund, jeden Einzelnen in das Nichts zurückzustoßen, aus dem er ihn gerufen hat. Gottes Zorn ist gerecht, denn es ist der Wider-Wille des Schöpfers gegen das Böse, das seine Schöpfung zu zersetzen droht. Ich bitte ihn darum auch nicht, meine Sünde zu dulden – Gott wird gerade wegen seiner Güte allezeit ein Feind des Bösen bleiben. Ich bitte ihn vielmehr, meine Sünde von meiner Person zu unterscheiden, meine Sünde zu verwerfen, meine Person aber anzunehmen – um Christi willen.
Ich erkenne und bekenne, dass Jesus Christus, Gottes Sohn, mit dem Vater und dem Heiligen Geist gleichen Wesens, gleicher Würde und gleichen Willens ist. Nicht ein Volk, eine Familie oder die Geschichte haben Christus hervorgebracht, sondern der Vater hat ihn gesandt, damit er dem Teufel zum Teufel und der Menschheit zum Erlöser würde.
Gott wollte seine Geschöpfe nicht dem Verderben überlassen, sondern wurde Mensch, um der Sünder Not zu seiner Not zu machen, um am Kreuz ihre Schuld zu tragen, um ihren Tod zu sterben und ihnen damit Freiheit zu schenken. In Jesus Christus hat Gott selbst seinen Kopf hingehalten und mit seinem eigenen Leib den Schlag abgefangen, der die Schuldigen hätte treffen müssen. Er trug unseren Fluch, um uns zu segnen, er wurde arm, um uns reich zu machen, er ging für uns durch die Hölle und überwand den Tod, um uns einen Weg ins Leben zu bahnen.
Christus zahlte den höchst denkbaren Preis, um auch mich freizukaufen, und ist mein Herr geworden, um mit mir seine Gerechtigkeit, Heiligkeit und Lebendigkeit zu teilen. Ich aber will nie von ihm geschieden sein und will auch nicht mehr versuchen, für mich selbst gerade zu stehen. Vielmehr lasse ich Christus meinen Rechtsanwalt und Verteidiger sein, rühme mich nicht vermeintlicher Verdienste, sondern rühme mich allein Christi und seiner Gnade. Er legt allen Glaubenden den Mantel seiner Gerechtigkeit um die Schultern, bedeckt damit ihre Schande, leiht ihnen seine Identität und rettet ihnen den Hals, denn Gott hält ihnen zu Gute, was (nicht sie, sondern) Christus für sie getan hat.
Ich erkenne und bekenne, dass Gott sich durch den Heiligen Geist der Sünder annimmt, weil ohne seinen Beistand unser Wille gelähmt, unsere Vernunft umnachtet, unser Gewissen stumpf und unser Herz vergiftet ist. Wo aber Gott einen Menschen durch seinen Geist reinigt und tröstet, heiligt, erneuert und erleuchtet, da wirkt er in ihm den Glauben, ertränkt in der Taufe, was von Adams Art war, und erweckt zum Leben, was zu Christus gehört.
Der Heilige Geist lehrt mich und alle Glaubenden, Gottes strenges Urteil (im Gesetz) genauso gehorsam anzunehmen wie Gottes gnädiges Urteil (im Evangelium) und beide Urteile uneingeschränkt gelten zu lassen. Der Heilige Geist befreit mich und alle Glaubenden von dem Wahn, selbst tun zu müssen, was Christus für uns getan hat. Und er vertritt uns vor Gott, wie es Gott gefällt. Er lehrt uns, nicht länger in der Welt zu suchen, was nur bei Gott zu finden ist. Er hilft uns, unsere Mitmenschen mit Gottes Augen zu sehen. Und er gibt uns den Mut zu einem widerständigen Leben, das sich nicht nach den Regeln der gegebenen, sondern der kommenden Welt richtet.
Als Christ muss ich nicht glänzen, sondern kann mir daran genügen lassen, in dem Licht zu stehen, das von Christus ausgeht. Ich finde den Sinn meines Lebens darin, die eigene Rolle in Gottes Plan zu erkennen und auszufüllen. Und ich strebe vorbehaltlos nach Wahrheit. Denn wer den wahren Grund aller Wirklichkeit sucht, kann letztlich nichts anderes finden als Gott.
Ich erkenne und bekenne, dass Gott die Seinen nicht zu Einzelkämpfern machen wollte, sondern sie zur Gemeinschaft seiner Kirche verbunden hat. Wie die Glieder und die Amtsträger dieser Kirche nicht vollkommen sind, so bin auch ich es nicht. Aber wie eine klebrige Auster kostbar wird durch die Perle in ihr, so wird die Kirche geheiligt durch das Evangelium, das sie durch die Jahrhunderte trägt. Solange sie ein Gefäß ist, das diesen Schatz treu bewahrt, verdient sie um seinetwillen geliebt zu werden.
Weil Gottes Torheit klüger ist als die Weisheit der Menschen, will ich nicht weise sein aus mir selbst, sondern nur durch Gottes Geist. Ich will nichts mehr anders sehen als nur im Licht christlicher Wahrheit. Und täglich will ich danach streben, (meiner Lebensführung nach) so gerecht zu werden, wie ich es (Gottes barmherzigem Urteil nach) schon bin.
Mit allen Christen gemeinsam will ich ein Schüler der Heiligen Schrift bleiben, will die Gemeinschaft der Gläubigen suchen, will meiner Taufe würdig leben und mich am Abendmahl stärken, weil ich in und mit dem Brot und dem Wein Christi Leib und Blut empfange. Als Christ will ich nicht mehr mir selbst dienen, sondern stelle mich Gott zur Verfügung. Er vergebe mir, was ich war, er nehme mich, wie ich bin, und mache mich, wie er mich haben will!
Ich erkenne und bekenne, dass Gott tut, was er sagt, und kann, was er will. Darum wird einst aller Widerstand weichen, und alle Knie werden sich beugen vor unserem Gott, der kommen wird, um zu vernichten, was nicht sein soll, um gerade zu richten, was krumm ist, und aufzurichten, was am Boden liegt. Wenn dann Gottes Wege zum Ziel gelangen und sein Schöpfungswerk sich vollendet, kommt auch das verborgenste Unrecht ans Licht, alle Verheißungen werden erfüllt und alle Rätsel gelöst. Die Toten werden auferstehen, die Täter werden mit ihrer Schuld konfrontiert, und jedem Geschöpf widerfährt Gerechtigkeit.
Weil aber die, die zu Christus gehören, nicht bekommen, was sie verdienen, sondern um Christi willen die Gnade erfahren, die sie brauchen, darum will ich den Jüngsten Tag nicht fürchten, sondern voller Sehnsucht erwarten.
Es vergehe diese alte, kranke Welt! Es komme aber der Herr! Amen.
Bild am Seitenanfang: Music sheet of Martin Luther's "Ein' feste Burg"
w:Drboisclair, Public domain, via Wikimedia Commons