Drittes Hauptstück

 

Das dritte Hauptstück.

 

798. WODURCH ERLANGEN WIR VON GOTT DEN GLAUBEN UND ALLERLEI ANDERE GÜTER?

 

Gleichwie Gott seine göttliche Gnade, Glauben und alles andere geistliche Gut durch das Wort und Sakramente uns anbieten und darreichen lässet, also müssen wir uns derselben auch recht in seiner Ordnung gebrauchen, und soll zu solchem Gebrauch auch kommen ein andächtiges Gebet. Daher, wo wir in dem ersten Hauptstück gelernet, unsere Sünde erkennen und wie wir vor Gott wandeln sollen, in dem zweiten aber den Glauben an Christum gefasset haben, so folget alsdann in dem dritten Hauptstück das Gebet, als des Glaubens Frucht und Mittel. 

 

799. WAS IST DENN DAS GEBET?

 

Es ist das Gespräch eines Gläubigen mit Gott, darinnen er etwas von ihm bittet, oder ihn lobet, oder ihm für das Empfangene danket. 

 

Ps. 19,15: Laß dir wohlgefallen die Rede meines Mundes, und das Gespräch meines Herzens vor dir. 

 

800. IST UNS DENN ZU BETEN BEFOHLEN?

 

Ja, das zweite Gebot verbindet uns darzu; so haben wir auch viele andere ausdrückliche Befehle zu beten. 

 

Ps. 50,15: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. 

Matth. 7,7: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 

Luk. 18,1: Er sagte aber ihnen ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten, und nicht laß werden sollte. 

1 Thess. 5,17: Betet ohne Unterlass. 

 

801. WER SOLL ABER BETEN?

 

Alle Menschen sind solches schuldig zu tun, auch die Kinder nicht ausgeschlossen (A). Aber nicht alle vermögen also zu beten, dass es Gott gefällig sei, sondern wer erhörlich beten will, der muss in herzlicher Buße und wahrem Glauben stehen (B): welcher aber in herrschenden Sünden und Unbußfertigkeit stecket, dessen Gebet ist Gott ein Greuel (C). 

 

(A)

Ps. 8,3: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet. 

Matth. 21,16. 

 

(B)

Ps. 145,18.19: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen. Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und höret ihr Schreien, und hilft ihnen. Der Herr behütet alle, die ihn lieben, und wird vertilgen alle Gottlosen. 

1 Tim. 2,8: So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten, und aufheben heilige Hände, ohne Zorn und Zweifel. 

1 Joh. 3,21.22: Ihr Lieben, so uns unser Herz nicht verdammet, so haben wir eine Freudigkeit zu Gott, und was wir bitten, werden wir von ihm nehmen; denn wir halten seine Gebote, und tun, was ihm gefällig ist. 

 

(C)

Spr. 28,9: Wer sein Ohr abwendet, zu hören das Gesetz, deß Gebet ist ein Greuel. 

Joh. 9,31: Wir wissen, dass Gott die Sünder nicht höret, sondern so jemand gottesfürchtig ist, und tut seinen Willen, den höret er. 

Ps. 66,18: Wenn ich Unrechtes vorhätte in meinem Herzen, so würde der Herr nicht hören. 

Jes. 1,15.16: Wenn ihr schon eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen von euch; und ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Bluts. Waschet, reiniget euch, tut euer böses Wesen von meinen Augen, lasset ab vom Bösen, lernet Gutes tun u.s.w. 

Ps. 50,16.17: Zu den Gottlosen spricht Gott: Was verkündigest du meine Rechte, und nimmst meinen Bund in deinen Mund; so du doch Zucht hassest, und wirfest meine Worte hinter dich?

 

802. DARF DENN DER MENSCH NICHT EHER BETEN, ALS WO ER FINDET, DASS ER NUNMEHR ALLER SÜNDEN REIN SEI?

 

Bei Leibe nicht: sondern so bald und je mehr der Mensch seiner Sünden, die er an sich hat, gewahr wird, so bald und vielmehr hat er sich vor Gott mit herzlichem Gebet zu demütigen, und seine Gnade ohne Aufschub in bußfertigem Gebet zu suchen. Denn Gott hat zwar ein Greuel an der Unbußfertigen Gebet, aber der ihrer Sünde wegen geängstigten Herzen Gebet ist ihm ein angenehmes Opfer.

Ps. 51,19: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. 

 

803. KANN ABER DER MENSCH AUS EIGENER KRAFT BETEN?

 

Nein, er kann solches so wenig, als einig ander gutes Werk verrichten, sondern der Heilige Geist, als ein Geist der Gnaden und des Gebets, muss solches wirken.

 

Sach. 12,10: Über das Haus David, und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnaden und des Gebets. 

Röm. 8,15: Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermal fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindischen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! V. 26: Desselbigen gleichen der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sichs gebühret, sondern der Geist selbst vertritt uns auf das beste mit unaussprechlichem Seufzen.

Gal. 4,6: Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater! 

1 Kor. 12,3: Niemand kann Jesum einen Herrn nennen, ohne durch den heiligen Geist. 

 

804. ZU WEM SOLL ALLES GEBET GERICHTET SEIN?

 

Allein zu dem Dreieinigen Gott, dem alle göttliche Ehre, und also auch des Glaubens und der Anrufung gebühret: der allein die Herzen forschen, und des Gebetes Grund in demselben erkennen, auch allein in allen Nöten helfen kann: der also auch allein der himmlische Vater ist, zu dem wir in dem Vater Unser gewiesen werden. 

 

Matth. 4,10: Du sollst anbeten Gott deinen Herrn, und ihm allein dienen. 

Ps. 38,10: Herr, vor dir ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. 

Jer. 17,10: Ich der Herr, kann das Herz ergründen, und die Nieren prüfen; und gebe einem jeglichen nach seinem Tun, nach den Früchten seiner Werke. 

Eph. 3,20: Er kann überschwänglich tun über alles, das wir bitten oder verstehen.

 

805. DÜRFEN WIR ABER AUCH CHRISTUM NACH SEINER MENSCHHEIT ANBETEN?

 

Freilich ja, wir müssen solches tun, indem auch sie in die Einigkeit der göttlichen Person aufgenommen (A), und solche göttlich Ehre auch selbst von den Engeln empfangen hat (B). 

 

(A)

Kol. 2,9: In ihm wohnet die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. 

 

(B)

Phil. 2,10: Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel, und auf Erden, und unter der Erde sind.

Hebr. 1,6: Da er einführet den Erstgebornen in die Welt, spricht er: Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten. 

 

806. MÖGEN WIR ABER DIE ENGEL ODER DIE HEILIGEN IN DEM HIMMEL AUCH ANBETEN?

 

Nein, solche Ehre kann ohne Abgötterei keiner Kreatur beigeleget werden; denn wen ich anrufen soll, auf den muss ich mein höchstes Vertrauen setzen, und also an ihn glauben, welches niemand als Gott gebühret (A). Die Engel sind unsere Mitknechte (B): die Heiligen in dem Himmel unsere Mitbrüder (C); keine aber unser himmlischer Vater, an welchen wir gewiesen sind als an den, der in dem Himmel, und dessen allein das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit ist, der allein unsere Not wissen, und daraus helfen kann und will. 

 

(A)

Jer. 17,5: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt, und hält Fleisch für seinen Arm, und mit seinem Herzen vom Herrn weichet. 

 

(B)

Offenb. 19,10: Und ich fiel vor ihm (dem Engel) zu seinen Füßen, ihn anzubeten. Und er sprach zu mir: Siehe zu, tue es nicht, ich bin dein Mitknecht, und deiner Brüder, und derer, die das Zeugnis Jesu haben. Bete Gott an. 

 

(C)

Matth. 23,8.9: Ihr seid alle Brüder: und sollt niemand Vater heißen auf Erden; denn Einer ist euer Vater, der im Himmel ist. 

 

807. DÜRFEN WIR SIE ABER ALS UNSERE FÜRBITTER ANRUFEN?

 

Nein, denn auch hiervon haben wir weder Befehl, noch Verheißung, noch Exempel in der Schrift: wir sind nicht versichert, dass sie unsere Not und Gebet wissen (A); so haben wir an Christo einen genugsamen Fürsprecher (B), und haben auch nicht Ursach zu gedenken, dass die Heiligen barmherziger seien als der himmlische Vater, welcher die Barmherzigkeit selbsten ist (C). 

 

(A)

Jes. 63(64),16: Bist du doch unser Vater: denn Abraham weiß von uns nicht, und Israel kennet uns nicht: du aber, Herr, bist unser Vater und unser Erlöser, von Alters her ist das dein Name. 

 

(B)

1 Joh. 2,1: Ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. 

 

(C)

2 Kor. 1,3: Gelobet sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit, und Gott alles Trostes. 

 

808. DÜRFEN WIR DIE HEILIGE JUNGFRAU MARIA ANBETEN?

 

Wir haben sie zwar billig hoch zu ehren, als die Gesegnete des Herrn und Mutter Gottes (A), aber die Ehre der Anrufung gebühret ihr so wenig, als einiger andern Kreatur: und welche ihrem Sohn in den Tagen seines Fleisches und Amts nichts hat zu befehlen gehabt (B), mag ihm jetzo so viel weniger vorschreiben, da er in der Herrlichkeit herrschet. 

 

(A)

Luk. 1,42: Gebenedeiet bist du unter den Weibern, und gebenedeiet ist die Frucht deines Leibes. V. 48: Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. 

 

(B)

Joh. 2,4: Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?

Matth. 12,47-50: Da sprach einer zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen, und wollen mit dir reden. Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? und reckte die Hand aus über seine Jünger, und sprach: siehe da, das ist meine Mutter und meine Brüder: denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, derselbe ist mein Bruder, Schwester und Mutter. 

S. auch 1 Kön. 8,23-54. 

 

809. WARUM SOLLEN WIR BITTEN?

 

Um alles, was zu göttlicher Ehre, unserm und des Nächsten Heil dienlich ist, in Geistlichem und Leiblichem; jedoch in solcher Ordnung, dass wir zum vördersten das Geistliche, und solches, weil wir des göttlichen Willens gewiss versichert sind, ohne Bedingung, nächst demselben aber auch das Zeitliche, mit Bedingung und Ausnahme göttlichen Willens, bitten: welches uns die Ordnung der Bitten des Vater Unser selbsten lehret. 

Matth. 6,33: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen. 

Matth. 26,39: Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst. 

 

810. FÜR WEN SOLLEN WIR BITTEN?

 

Für uns selbst und alle andere Menschen (A), auch sogar für die Feinde (B). Vornehmlich aber für unsere Mitbrüder und Mitschwestern in Christo, die auch nach der Wiedergeburt Einen himmlischen Vater mit uns haben, sowohl insgemein, als wo deroselben sonderbares Anliegen uns bekannt ist (C), sonderlich für die Lehrer göttlichen Worts (D). 

 

(A)

1 Tim. 2,1-4: So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung, für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit; auf dass wir ein geruhiges und stilles Leben führen mögen, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; denn solches ist gut, darzu auch angenehm vor Gott unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde, und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 

 

(B)

Matth. 5,44.45: Ich sage euch, liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen; auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. 

 

(C)

Jak. 5,16: Betet für einander. 

Eph. 6,18: Betet stets in allem Anliegen, mit Bitten und Flehen im Geist, und wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen. 

 

(D)

Eph. 6,19.20: Und für mich, auf dass mir gegeben werde das Wort mit freudigem Auftun meines Mundes, dass ich möge kund machen das Geheimnis des Evangelii, welches Bote ich bin in der Kette, auf dass ich darinnen freudig handeln möge, und reden, wie sich gebühret. 

Kol. 4,2-4. 

Röm. 15,30: Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch unsern Herrn Jesum Christum, und durch die Liebe des Geistes, dass ihr mir helfet kämpfen, mit Beten für mich zu Gott.

2 Thess. 3,1: Lieben Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepreiset werde, wie bei euch. 

 

811. WIE MUSS DAS GEBET GESCHEHEN?

 

Mit herzlicher Andacht, und also in einer Sprache, die man verstehet: mit demütiger Erkenntnis seiner Unwürdigkeit vor der heiligen Majestät Gottes (A): in dem Glauben, und in guter Zuversicht der verlangten Erhörung (B), auf göttliches Wort und Verheißung (C): in dem Namen, das ist, auf das Verdienst und Fürbitte Jesu Christi, ohne welchen unser Gebet Gott nicht gefallen könnte (D); und also allerdings in dem Geist und in der Wahrheit (E). 

 

(A)

1 Mos. 18,27: Abraham antwortete, und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin. 

 

(B)

Jak. 1,6.7: Er bitte aber im Glauben, und zweifle nicht: denn wer da zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebet wird; solcher Mensch denke nicht, dass er etwas empfahen werde. 

Mark. 11,24: Alles, was ihr bittet in eurem Gebete, glaubet nur, dass ihrs empfangen werdet, so wirds euch werden. 

 

(C)

Ps. 27,8: Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen; darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz. 

 

(D)

Joh. 16,23.24: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird ers euch geben. Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen: bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. 

2 Kor. 1,20: Alle Gottes-Verheißungen sind Ja in ihm, und sind Amen in ihm, Gott zu Lobe durch uns. 

 

(E)

Joh. 4,24: Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 

 

812. WOHIN SOLL UNSER GEBET ZIELEN?

 

Dass Gott dadurch gepriesen, das Gebetene von Gott aus Gnaden geschenket, und unser Glaube und Liebe geübet werde. 

 

Joh. 14,13.14: Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater geehret werde in dem Sohne. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun. 

 

813. SOLL DAS GEBET LAUT UND MIT WORTEN, ODER NUR IN DEM HERZEN GESPROCHEN WERDEN?

 

Beiderlei gefället Gott, dass wir allein in unseren Herzen mit ihm reden, und auch, dass wir unsere Zunge und Sprache, weil auch der Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist (A), in dem Gebet zu seinen Ehren heiligen. Wo aber der Mund allein betet, und das Herz nicht dabei ist, da doch in dem Verlangen der Seele das Gebet eigentlich bestehen soll, solches, weil der Mensch darinnen Gottes selbst nur spottet und seinen Namen entheiliget, ist Gott dem Herrn ein Greuel (B). 

 

(A)

S. oben Fr. 731. 

 

(B)

Jes. 29,13.14: Der Herr spricht: Darum, dass dies Volk zu mir nahet mit seinem Munde, und mit seinen Lippen mich ehret, aber ihr Herz ferne von mir ist, und mich fürchten nach Menschengeboten, die sie lehren: so will ich auch mit diesem Volk wunderlich umgehen. 

Ps. 10,17: Das Verlangen der Elenden hörest du, Herr; ihr Herz ist gewiss, dass dein Ohr darauf merket. 

 

814. MIT WAS STELLUNG DES LEIBES, UND MIT WAS GEBERDEN SOLL DAS GEBET GESCHEHEN?

 

Hievon ist kein sonderliches Gebot, ob es knieend, liegend oder stehend verrichtet werde: weil aber das Herz vor Gott soll demütig sein, so wird es auch die Geberden also einrichten, dass die Andacht und Demut dadurch gezeiget und geübet werde. Und können wir uns ja nicht genug vor der hohen Majestät auch äußerlich demütigen, hingegen unsere Herzen, Augen und Hände zu ihm erheben; wie davon die Exempel Christi und anderer Heiligen zeugen, die in ihrem Gebete auf ihr Angesicht oder Kniee sich geleget haben. 

 

4 Mos. 16,22: Moses und Aaron fielen auf ihr Angesicht, und sprachen: Ach Gott, du bist ein Gott der Geister alles Fleisches etc. 

4 Mos. 20,6: Moses und Aaron gingen von der Gemeine zu der Tür der Hütte des Stifts, und fielen auf ihr Angesicht; und die Herrlichkeit des Herrn erschien ihnen. 

Josua 7,6: Josua zerriss seine Kleider, und fiel auf sein Angesicht zur Erde, vor der Lade des Herrn, bis auf den Abend, samt den Ältesten Israel, und warfen Staub auf ihre Häupter. 

1 Kön. 8,54: Und da Salomo all dies Gebet und Flehen hatte vor dem Herrn ausgebetet, stund er auf von dem Altar des Herrn, und ließ ab vom Knieen und Hände-Ausbreiten gen Himmel. 

S. 2 Chr. 6,13. 

Ps. 95,6: Kommt, lasst uns anbeten, und knieen und niederfallen vor dem Herrn, der uns gemacht hat. 

Dan. 6,10: Daniel knieete des Tages dreimal auf seine Kniee, betete, lobete und dankte seinem Gott, wie er denn vorhin zu tun pflegte. 

2 Chr. 7,3: Auch sahen alle Kinder Israel das Feuer herab fallen, und die Herrlichkeit des Herrn über dem Hause; und fielen auf ihre Kniee, mit dem Antlitz zur Erde aufs Pflaster, und beteten an, und danketen dem Herrn, dass er so gütig ist, und seine Barmherzigkeit währet ewiglich. 

Esra 9,5: Um das Abendopfer stund ich auf von meinem Elend, und zerriss meine Kleider und meinen Rock, und fiel auf meine Kniee, und breitete meine Hände aus zu dem Herrn, meinem Gott. 

Matth. 26,39: Jesus ging hin ein wenig, fiel nieder auf sein Angesicht, und betete.

Eph. 3,14: Derhalben beuge ich meine Kniee gegen den Vater unsers Herrn Jesu Christi. 

Ps. 141,2: Mein Gebet müsse vor dir taugen wie ein Rauchopfer, und meiner Hände Aufheben wie ein Abendopfer. 

1 Tim. 2,8: So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten, und aufheben heilige Hände, ohne Zorn und Zweifel. 

Joh. 11,41: Jesus hub seine Augen empor, und sprach: Vater, ich danke dir, u.s.w.

Joh. 17,1: Solches redete Jesus, und hub seine Augen auf gen Himmel. 

 

815. WANN SOLL MAN BETEN?

 

Nach Christi Befehl und des Apostels Vermahnung allezeit (A): nicht, als ob müsste alle Zeit mit äußerlichem mündlichem Gebet zugebracht, und sonst nichts anders getan werden; sondern dass auch unter allen Geschäften das Herz zu Gott gerichtet sei, und von ihm Gnade und Beistand verlange und erwarte, welches ein stetswährendes Gebet ist. Daneben ists Gott nicht zuwider, dass man auch gewisse Zeiten zum Gebet halte, und darinnen mit mündlichem Gebet vor ihn trete (B). 

 

(A)

Luk. 18,1. 1 Thess. 5,17. S. oben Fr. 800. 

 

(B)

Ps. 55,17.18: Ich will zu Gott rufen, und der Herr wird mir helfen; des Abends, Morgens und Mittags will ich klagen und heulen, so wird er meine Stimme hören. 

Ps. 119,164: Ich lobe dich des Tages siebenmal, um der Rechte willen deiner Gerechtigkeit. 

 

816. WO SOLL MAN BETEN?

 

Aller Orten (A), indem Gott den Unterschied der Orte in dem Neuen Testament aufgehoben hat (B), und es also ein Aberglaube wäre, wo man sich einbilden wollte, es sei das Gebet an einem Ort angenehmer, als an dem andern. Dass man demnach zu beten hat in der öffentlichen Gemeinde und in den Gotteshäusern (C), nur dass es ohne Heuchelei und Gepränge geschehe, aber nicht weniger zu Haus in seinem Kämmerlein (D). 

 

(A)

1 Tim. 2,8: So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten. 

 

(B)

Joh. 4,21: Es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge, noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten. V. 23: Es kommt die Zeit, und ist schon jetzt, dass die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will auch haben, die ihn also anbeten. 

 

(C)

Apg. 3,1: Petrus und Johannes gingen mit einander hinauf in den Tempel, um die neunte Stunde, da man pflegte zu beten. 

Luk. 19,46: Mein Haus ist ein Bethaus. 

 

(D)

Matth. 6,5.6: Wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler, die da gern stehen, und beten in den Schulen, und an den Ecken auf der Gasse, auf dass sie von den Leuten gesehen werden; wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin. Wenn du aber betest, so gehe in dein Kämmerlein, und schleuß die Türe zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der in das Verborgene siehet, wird dirs vergelten öffentlich. 

 

817. WIE SOLL MAN BETEN?

 

Unser lieber Heiland hat seinen Jüngern selbst eine gewisse Formel gestellt, Matth. 6. und Luk. 11., welche wir von den Anfangsworten das Vater Unser zu nennen pflegen. 

 

818. DÜRFEN WIR ABER KEINE ANDEREN WORTE GEBRAUCHEN, ALS ALLEZEIT DAS VATER UNSER WIEDERHOLEN?

 

Wir mögen auch unser Anliegen gegen Gott mit andern Worten, so die eigene Andacht an die Hand gibet, vortragen, wie auch von den Aposteln andere Worte oft gebrauchet worden, gleichwie wir in der Apostelgeschichte und den Episteln sehen; aber alles unser Gebet muss mit dem Gebet des Herrn überein kommen, dass wir nichts anders beten, als der Herr uns in solcher allervollkommensten Formel, welche mit wenig Worten alles begreifet, zu beten gelehret hat. 

 

819. WIE WIRD DAS VATER UNSER ABGETEILET?

 

In drei Teile: in den Eingang oder Anspruch, die sieben Bitten, und den Beschluss. 

 

820. WIE LAUTET DER EINGANG ODER ANSPRUCH?

 

Vater unser, der du bist im Himmel. 

 

821. WAS IST DAS?

 

Gott will uns damit locken, dass wir glauben sollen, Er sei unser rechter Vater, und wir seine rechten Kinder, auf dass wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater. 

 

822. WER IST DER VATER, DEN WIR ANRUFEN?

 

Gott, die ganze heilige Dreieinigkeit. Indem das Wort: Vater hier nicht persönlich allein für den Vater unsers Herrn Jesu Christi, sondern wesentlich für unseren Vater genommen wird. 

 

S. oben Fr. 490. 491. 

 

823. WIE IST ABER GOTT UNSER VATER?

 

Er ist aller Menschen Vater, nach der Schöpfung, indem alle ihr Wesen von ihm haben, sowohl als ein Sohn von dem Vater; auch nach der Erhaltung, und väterlichem Willen gegen uns (A). Er ist aber auch absonderlich der Gläubigen Vater aus der Wiedergeburt (B). 

 

(A)

Mal. 2,10: Haben wir nicht alle Einen Vater? Hat uns nicht Ein Gott geschaffen?

 

(B)

Jak. 1,18: Er hat uns gezeuget nach seinem Willen, durch das Wort der Wahrheit, auf dass wir wären Erstlinge seiner Kreaturen. 

Gal. 4,6: Weil ihr Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater! 

 

824. WARUM BRAUCHEN WIR NUN DAS WORT VATER, DA WIR IHN AUCH MÖCHTEN GOTT ODER HERR NENNEN?

 

Dass wir dadurch in dem Glauben uns ermuntern, weil wir nicht mit einem bloßen Herrn als Knechte zu tun haben, sondern als die Kinder zuversichtlich vor unsern Vater treten: welchen auch sein eigen Vaterherz zur Erhörung beweget. Also will uns Gott damit locken, dass wir glauben sollen, Er sei unser rechter Vater, und wir seine rechten Kinder, auf dass wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater. 

 

Jes. 63(64),16. S. Fr. 807. 

 

825. WARUM SAGEN WIR ABER NICHT BLOS DAHIN: VATER, SONDERN: VATER UNSER, ODER: UNSER VATER?

 

Einesteils, dass wir uns damit versichern, dass auch wir unter die Zahl seiner Kinder gehören, und uns Gutes zu ihm versehen dürfen: andernteils, weil wir auch nicht sagen: Mein Vater, sondern Vater unser, dass in dem Gebet ein jeglicher nicht nur für sich, sondern auch für alle Menschen, deren Vater Gott auf einerlei Weise ist, sonderlich aber für die gläubigen Mitbrüder und Mitschwestern bitte, welche mit uns Einen Vater aus der Wiedergeburt haben (A). Welches auch zu der Gemeinschaft der Heiligen gehöret (B). 

 

(A)

S. oben Fr. 810. 

 

(B)

S. oben Fr. 759. 760. 

 

826. WARUM SAGEN WIR ABER: DER DU BIST IN DEM HIMMEL?

 

Dass wir sowohl Gottes Majestät damit preisen, als auch unsere gläubige Zuversicht damit stärken, weil wir nicht mit einem irdischen sondern himmlischen Vater zu tun haben. 

 

827. WAS HEISST IN DEM HIMMEL SEIN?

 

Nicht dem Ort nach allein in dem Himmel sich halten, indem Gott mit seinem Wesen und Macht Himmel und Erde erfüllet (A), sondern es heißet von himmlischer Kraft, Herrlichkeit und Gütigkeit sein. Denn irdische Väter verstehen oft ihrer Kinder Not nicht, und vermögen oder wollen nicht helfen: aber der Vater in dem Himmel ist ein solcher Vater, dem es an himmlischer Weisheit und Erkenntnis desjenigen, was wir bedürfen, an himmlischer Allmacht, alles zu geben und allezeit zu helfen, an himmlischer Liebe und Gütigkeit, uns allezeit zu erhören, nicht mangelt. Daher wir ein mehrer Vertrauen zu ihm, als zu allen irdischen Vätern haben dürfen und sollen (B). 

 

(A)

Jer. 23,24. 

 

(B)

Ps. 115,3: Unser Gott ist im Himmel; Er kann schaffen, was Er will.

Luk. 11,13: So ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kindern gute Gaben geben, vielmehr wird der Vater in dem Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten. 

Jes. 49,14-16: Zion spricht: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen. Kann auch eine Mutter ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie schon desselben vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen: siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet. 

Jer. 31,20: Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn, und mein trautes Kind? Denn ich gedenke noch wohl daran, was ich ihm geredet habe; darum bricht mir mein Herz gegen ihn, dass ich mich sein erbarmen muss. 

 

828. WAS SOLLEN WIR UNS FERNER BEI SOLCHEM ANSPRUCH ERINNERN?

 

Dass wir uns 1. fleißig prüfen, ob wir auch wirklich Kinder seien, wie wir ihn mit Worten Vater nennen, und uns also unsers kindlichen Gehorsams dabei erinnern: denn welche Gott nicht gehorsam sein wollen, sind nicht seine, sondern des Satans Kinder. Hingegen dass wir 2. allen Zweifel fallen lassen in dem Gebet, weil wir sehen, dass unser liebster Heiland auch alle Worte des Anspruchs, eine herzliche Zuversicht zu erwecken, gesetzet hat: hingegen widerspricht seinem eigenen Anspruch, wer ohne kindliches Vertrauen bittet. Also auch 3. dass wir mit Andacht, Demut und Ehrerbietung beten, und allemal in dem Gebet bei solchem Namen uns erinnern, was für ein majestätischer Gott derjenige sei, vor den wir in dem Gebet treten, vor welchem auch die Engel in dem Himmel mit Ehrerbietung stehen, welcher Himmel und Erde mit seiner Herrlichkeit erfüllet, wir aber nichts als elende Erdwürmer sind, und unser Gemüt in den Himmel erschwingen müssen. 

 

1. Joh. 3,9: Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde; denn sein Name bleibet bei ihm, und kann nicht sündigen; denn er ist von Gott geboren. 

 

829. WIE VIEL SIND BITTEN?

 

Sieben. 

 

830. WIE MÖGEN SOLCHE BITTEN ABGETEILET WERDEN?

 

In den vier ersten bitten wir Gott um Erlangung des Guten, in den drei letzten aber um Abwendung des Bösen: und zwar, wie das Gute entweder geistlich oder leiblich ist, also bitten wir um das Geistliche in den drei ersten, um das Leibliche in der vierten Bitte. 

 

831. WIE LAUTET DIE ERSTE BITTE?

 

Geheiliget werde dein Name. 

 

832. WAS IST DAS?

 

Gottes Name ist zwar an ihm selbst heilig; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns geheiliget werde. 

 

833. WIE GESCHIEHET DAS?

 

Wenn das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird, und wir auch heilig, als die Kinder Gottes, darnach leben: das hilf uns, lieber Vater im Himmel. Wer aber anders lehret und lebet, denn das Wort Gottes lehret, der entheiliget unter uns den Namen Gottes: da behüt uns vor, lieber himmlischer Vater. 

 

834. WAS HEISST GOTTES NAME?

 

Gott selbst mit seinen Eigenschaften, Majestät, Wohltaten, Gericht und Wort (A). Und sonderlich, wie sein Name unserem und des Satans Namen und Ehre entgegen gesetzet wird, dass wir bitten, es möge nicht unsere, oder einiges Menschen, viel weniger des Satans Ehre, sondern allein Gottes Ehre gepriesen werden (B). 

 

(A)

S. oben Fr. 120. 

 

(B)

Ps. 115,1: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre, um deine Gnade und Wahrheit. 

 

835. WAS HEISST HEILIGEN?

 

Nicht etwas, so nicht heilig wäre, erst heilig machen, wie es genommen wird in dem dritten Artikel, dass der Heilige Geist uns heilige; sondern dasjenige, was heilig ist, heilig halten, erkennen, preisen, mit Gedanken, Worten und Werken. 

 

5 Mos. 26,19: Und er dich das höchste mache, und du gerühmet, gepreiset und geehret werdest über alle Völker, die er gemacht hat, dass du dem Herrn, deinem Gott ein heilig Volk seiest, wie er geredet hat. 

 

836. WIE GESCHIEHET DENN SOLCHES HEILIGEN?

 

Durch das heilige göttliche Wort, wo dasselbige rein und lauter gelehret, und das Leben nach demselben gottselig angestellet wird: damit der Name Gottes, der an sich selbst heilig ist, auch bei uns, in uns, unter uns und von uns geheiliget werde. 

 

837. WAS IST ALSO DIE MEINUNG DIESER BITTE?

 

Gott wolle alles zu seinem Preis richten, dass, was in der ganzen Welt geschiehet, zur Beförderung seiner Ehre dienen möge: sonderlich uns dahin regieren, dass wir seine Ehre in allem erkennen, und unser ganzes Tun zu deroselben Großmachung anrichten. Damit aber solches geschehe, wolle er geben, dass die Prediger sein Wort treulich lehren, und die Zuhörer mit fleißiger Annehmung und Übung solches reichlich unter sich wohnen lassen (A), dabei endlich wirken, dass auch die Frucht des Worts bei allen zu seinem Preis in heiligem Leben folge (B). 

 

(A)

Ps. 26,7.8: Da man höret die Stimme des Dankens, und da man prediget alle deine Wunder. Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses, und den Ort, da deine Ehre wohnet. 

Mal. 1,11: Vom Aufgang der Sonnen bis zum Niedergang soll mein Name herrlich werden unter den Heiden; und an allen Orten soll meinem Namen geräuchert, und ein reines Speisopfer geopfert werden; denn mein Name soll herrlich werden unter den Heiden, spricht der Herr Zebaoth. 

Ps. 72,17-19: Sein Name wird ewiglich bleiben; so lange die Sonne währet, wird sein Name auf die Nachkommen reichen, und werden durch denselben gesegnet sein; alle Heiden werden ihn preisen. Gelobet sei Gott, der Herr, der Gott Israel, der allein Wunder tut: und gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich; und alle Lande müssen seiner Ehre voll werden. Amen, Amen! 

 

(B)

Matth. 5,16: Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen. 

1. Petr. 1,14-16: Stellet euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet, sondern nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel; denn es stehet geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. 

 

838. WIE WIRD ABER DER NAME GOTTES ENTHEILIGET?

 

Durch falsche Lehre, Irrtum, Unfleiß, Untreue und Überdruss an Gottes Wort; sodann durch gottloses Leben: daher wir in dieser Bitte auch bitten, dass Gott dergleichen abwenden, und uns davor behüten wolle. 

 

Röm. 2,23: Du rühmest dich des Gesetzes, und schändest Gott durch Übertretung des Gesetzes. 

Ezech. 36,22.23: So spricht der Herr Herr: Ich tue es nicht um euretwillen, ihr vom Hause Israel, sondern um meines heiligen Namens willen, welchen ihr entheiliget habt unter den Heiden, zu welchen ihr kommen seid. Denn ich will meinen großen Namen, der durch euch vor den Heiden entheiliget ist, den ihr unter denselben entheiliget habt, heilig machen. Und die Heiden sollen erfahren, dass ich der Herr sei (spricht der Herr), wenn ich mich vor ihnen an euch erzeige, dass ich heilig sei. 

 

839. WAS ERFORDERT ABER DIESE BITTE VON UNS?

 

Dass wir denn 1. erkennen, wir vermögen göttlichen Namen nicht selbst zu heiligen, sondern dass Gott seinem Namen die Ehre geben, wir ihn aber darum anrufen müssen: dass wir 2. auch alles Ernstes und so viel an uns ist uns befleißen, durch Ausbreitung göttlicher Weisheit und emsige Übung rechtschaffener Gottseligkeit den Namen Gottes zu heiligen, und nicht wider unser eigen Gebet ihn zu entheiligen, dadurch wir selbsten Gottes spotten würden: sodann 3. dass wir gedenken, es sei die göttliche Ehre der äußerste Zweck unsers ganzen Lebens, nach dem wir uns allein bestreben und alles richten, unsre Ehre und Namen aber in nichts suchen müssen. Wie wir denn in dieser Bitte nicht sowohl etwas für uns selbst bitten, als bezeugen, dass unser allererstes Verlangen allein dieses sei, dass nur Gottes Ehre in allem gepriesen werde, nach welchem wir erst unserer eigenen geistlichen und leiblichen Notdurft gedenken wollen. Was also das Erste ist in unserm Gebet, soll auch das Erste sein in der Absicht des ganzen Lebens. 

 

840. WIE LAUTET DIE ZWEITE BITTE?

 

Dein Reich komme. 

 

841. WAS IST DAS?

 

Gottes Reich kommt wohl ohne unser Gebet, aber wir bitten in diesem Gebet, dass es auch zu uns komme. 

 

842. WIE GESCHIEHT DAS?

 

Wenn der himmlische Vater uns seinen heiligen Geist gibt, dass wir seinem heiligen Worte durch seine Gnade glauben, und göttlich leben, hie zeitlich und dort ewiglich. 

 

843. WAS BITTEN WIR, DASS KOMMEN SOLLE?

 

Gottes Reich, damit das Reich des Satans mehr und mehr verstöret und vertrieben werde. 

 

844. WIE VIELERLEI IST DAS REICH GOTTES?

 

Dreierlei: Das Reich der Allmacht oder der Natur, das Reich der Gnaden, und das Reich der Herrlichkeit. 

 

S. oben Fr. 584ff. 

 

845. UM WELCHES REICH BITTEN WIR HIER?

 

Nicht sowohl um das Reich der Macht (denn in demselben sind ohnedas alle Kreaturen für sich selbst, und kann solches nicht erst zu uns kommen, so doch, dass aus demselben die ganze Kirche insgemein und jeglicher Gläubiger Schutz haben, bewahret und erhalten werden muss), als eigentlich um das Reich der Gnaden und der Herrlichkeit. 

 

846. WIE BITTEN WIR UM DAS REICH DER GNADEN?

 

Weil das Reich der Gnaden heißet die ganze christliche Kirche, so beten wir in solchem Verstand, dass Gott die christliche Kirche immer weiter ausbreiten und noch viele Ungläubige und Irrende dazu bekehren, den Haufen derjenigen, die bekehret sind und ihm dienen, wider alle Gewalt, List, Verführung und Verfolgung kräftig erhalten und schützen, auch der Ursach willen sein Wort und Sakramente, und auch äußerlichen Dienst in demselben beständig erhalten wolle. Weil aber das Reich der Gnaden (welches bestehet in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist, Röm. 14,17.) auch ist in jeglicher gläubigen Seele, so bitten wir in dieser Bitte, dass Gott seinem Wort und Mitteln des Heils die Kraft geben solle, dass sein Reich auch wahrhaftig in den Herzen aufgerichtet, und was demselben widerstehet, überwunden werde: damit also Er allein in den Herzen kräftiglich regiere. 

 

Ps. 68,29: Gott hat sein Reich aufgerichtet; dasselbe wollest du, Gott, uns stärken, denn es ist dein Werk. V. 34: Dem, der da fähret im Himmel, allenthalben vor Anbeginn: siehe, der wird seinem Donner Kraft geben. 

1 Kor. 4,20: Das Reich Gottes stehet nicht in Worten, sondern in Kraft. 

Jes. 55,10.11: Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fället, und nicht wieder kommt, sondern feuchtet die Erde, und macht sie fruchtbar und wachsend, dass sie gibt Samen zu säen, und Brot zu essen: also soll das Wort, so aus meinem Munde gehet, auch sein: es soll nicht wieder leer zu mir kommen, sondern tun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ichs sende. 

2 Thess. 1,11.12: Derhalben beten wir auch allezeit für euch, dass unser Gott euch würdig mache des Berufs, und erfülle alles Wohlgefallen der Güte, und das Werk des Glaubens in der Kraft, auf dass an euch gepriesen werde der Name unsers Herrn Jesu Christi, und ihr an ihm, nach der Gnade unsers Gottes und des Herrn Jesu Christi. 

 

847. WIE BITTEN WIR ABER UM DAS REICH DER HERRLICHKEIT?

 

Dass Gott in den Herzen der Gläubigen solchen Glauben bis ans Ende, und da sie in das Reich der Herrlichkeit eingehen sollen, erhalten, und sie endlich wirklich in dasselbe versetzen wolle, entweder durch einen seligen Abschied, oder Erscheinung seiner letzten Zukunft am jüngsten Tage: also, dass wir hiermit zugleich um die Offenbarung seines herrlichen Reichs bitten. 

 

Tit. 2,13: Wir warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi. 

2 Tim. 4,8: Hinfort ist mir beigeleget die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird; nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben. 

Offenb. 22,20: Es spricht, der solches zeuget: Ja, ich komme bald, Amen. Ja, komm Herr Jesu! 

S. auch Röm. 8,18-23. 

 

848. WARUM SAGEN WIR: ZU UNS KOMME DEIN REICH, UND NICHT: LASS UNS IN DEIN REICH KOMMEN?

 

Weil wir für uns selbst unvermögend sind, darein zu kommen, und deswegen solches zu uns kommen, oder wir darein gezogen werden müssen. 

 

Joh. 6,44: Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat. 

 

849. WAS STEHET DEM REICH CHRISTI ENTGEGEN?

 

Das Reich des Satans, welcher der Gott und Herr dieser Welt ist, und in der Finsternis herrschet, Eph. 6,12. 2 Kor. 4,4. 

 

850. WAS IST DAS REICH DES SATANS?

 

Ein Sündenreich, in dem man Gott zuwider lebet, und dessen Ende die Verdammnis ist. 

 

851. WORAN ERKENNT MAN, OB MAN IN DEM REICH GOTTES ODER DES SATANS SEI?

 

Wer der Sünde dienet und daran sein Wohlgefallen hat, der ist in des Satans Reich (A): wer sich aber von Christo durch den Heiligen Geist regieren lässet, welches man an den Früchten des Geistes (B) erkennet, der ist in Gottes Reich, und hat Gottes Reich in seinem Herzen (C). 

 

(A)

Röm. 6,16: Wisset ihr nicht, welchem ihr euch begebet zu Knechten in Gehorsam, deß Knechte seid ihr, dem ihr gehorsam seid, es sei der Sünde zum Tode, oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit. 

Eph. 5,5: Das sollt ihr wissen, dass kein Hurer oder Unreiner, oder Geiziger, welcher ist ein Götzendiener, Erbe hat an dem Reich Christi und Gottes?

(B)

Eph. 5,9: Die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit. 

Gal. 5,22: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. 

Röm. 8,14: Welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder. 

 

(C)

1 Thess. 2,12: Dass ihr wandeln sollt würdiglich vor Gott, der euch berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit. 

Hebr. 12,28: Dieweil wir empfangen ein unbewegliches Reich, haben wir Gnade, durch welche wir sollen Gott dienen, ihm zu gefallen, mit Zucht und Furcht.

 

852. WAS FORDERT NUN SOLCHE ZWEITE BITTE VON UNS?

 

Dass wir erkennen, wie wir verbunden seien, für Gottes Reich zu sorgen, auf dass nicht nur wir desselben genießen, sondern es immer noch weiter komme, welches wir zwar nicht selbst ausrichten, oder solches Reich durch unsere Kraft zu uns zu bringen vermögen, aber so viel angelegentlicher darum bitten müssen. Also auch, dass wir nach allen Kräften dasselbe bei uns und andern zu befördern trachten, und weil es ein Himmelreich ist, es allen irdischen Reichen und dero Herrlichkeit weit vorziehen. Daher wir auch stetig wider des Teufels Reich kämpfen müssen. 

 

853. SAGE HER DIE DRITTE BITTE?

 

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden. 

 

854. WAS IST DAS?

 

Gottes guter gnädiger Wille geschieht wohl ohne unser Gebet, aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns geschehe. 

 

855. WIE GESCHIEHT DAS?

 

Wenn Gott allen bösen Rat und Willen bricht, und hindert, so uns den Namen Gottes nicht heiligen, und sein Reich nicht kommen lassen wollen, als da ist des Teufels, der Welt und unsers Fleisches Wille; sondern stärket und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an unser Ende: das ist sein gnädiger guter Wille. 

 

856. WAS BITTEN WIR, DAS GESCHEHEN SOLLE?

 

Allein Gottes Wille, wie er sonderlich des Teufels und der Welt und unsers Fleisches Willen entgegen stehet, als welche nicht bei oder neben dem Willen Gottes geschehen sollen. 

 

857. WAS IST ABER SOLCHER WILLE GOTTES?

 

Sowohl der Wille des Gesetzes, dass wir nach demselben heilig und Gott wohlgefällig wandeln (A), als auch des Evangelii, dass wir durch den Glauben an Christum aus göttlicher Gnade selig werden mögen (B). 

 

(A)

1 Thess. 4,3: Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung. 

 

(B)

Joh. 6,39.40: Das ist der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, dass ich nichts verliere von allem, das er mir gegeben hat, sondern dass ichs auferwecke am jüngsten Tage. Das ist aber der Wille deß, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn siehet und glaubet an ihn, der habe das ewige Leben; und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. 

 

858. WAS IST ABER DER GÖTTLICHE WILLE?

 

Er ist allezeit gnädig und gut: denn Gott kann nichts anders wollen, als was gut ist; so sind auch seine Gerichte heilig und gut, ob wir schon nicht allezeit verstehen, wie sie gut oder nützlich sind. So ist er auch ein freier und durchdringender Wille, dem nichts widerstehen kann, wo er ohne Bedingung etwas will. 

 

Ps. 135,6: Alles, was er will, das tut er, im Himmel, auf Erden, im Meer und in allen Tiefen. 

Jes. 14,27: Der Herr Zebaoth hats beschlossen: wer wills wehren?

 

859. WIE GESCHIEHT ABER SOLCHER WILLE, ODER WAS BITTEN WIR IN DIESEM GEBET?

 

Dass Gott wolle alle Menschen noch ferner zur Buße rufen, und welche seine Gnade in sich kräftig sein lassen, zu dero Genuss bringen und dabei beständig erhalten (A): auch in ihnen wirken, dass sie nach seinem Willen würdiglich wandeln, wie ers von ihnen erfordert. Dass er auch, damit solcher sein Wille bei ihnen statt habe, alles mit uns und ihnen also schicken wolle, wie er befindet, zu seinen Ehren und Erhaltung seines Zwecks an uns dienlich zu sein, es sei nun in leiblicher Glückseligkeit, oder im Kreuz (B). Endlich, dass er auch an der ganzen Welt und an allen andern, welche seinem gnädigen Willen nicht wollen bei sich Platz lassen, dasjenige tue, was seines Willens ist. 

 

(A)

2 Petr. 3,9: Gott will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre. 

 

(B)

Matth. 26,39: Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. 

1 Sam. 3,18: Er aber sprach: Es ist der Herr, Er tue, was ihm wohlgefällt. 

 

860. VON WEM SOLL ER DENN GESCHEHEN?

 

Von uns Menschen, sonderlich den Gläubigen auf Erden: denn was die übrigen Kreaturen anlanget, tun dieselben allerdings den Willen Gottes aus Trieb ihrer Natur. 

 

861. WIE SOLL ER ABER GESCHEHEN?

 

Wie in dem Himmel, nämlich, wie die Engel und seligen Auserwählten in dem Himmel solchen tun. 

 

Ps. 103,20.21: Lobet den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet, dass man höre die Stimme seines Worts. Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen, seine Diener, die ihr seinen Willen tut. 

 

862. KANN ER ABER ALSO GESCHEHEN, WIE IN DEM HIMMEL?

 

Obwohl nicht in solcher Vollkommenheit, jedoch mit solcher herzlichen Aufrichtigkeit, Freudigkeit, und aus allen Kräften. 

 

863. WIE WIRD ABER SOLCHER WILLE GOTTES BEFÖRDERT?

 

Indem Gott allen Willen des Teufels, der Welt und unsers Fleisches hindert, und demselben steuret, hingegen uns stärket in dem Wort und Glauben. 

 

864. WAS ERFORDERT SOLCHE BITTE VON UNS?

 

Dass wir 1. selbst uns befleißen, Gottes Willen nach allem Vermögen zu tun (A), indem sonsten das Gebet wiederum nichts anders als ein Gespött sein würde: aber 2. dabei erkennen, es sei solches uns von selbsten nicht möglich, sondern müsse auch dieses von Gott erbeten sein (B): dass wir 3. auch mit allem zufrieden seien, was Gott geschehen lässet, obs wohl nicht nach unseren Gedanken und Meinung gehet, nur deswegen, weil wir wissen, dass es also Gottes Wille sei, welcher nicht anders als gerecht, weise und gut sein kann, ob wir ihn schon nicht verstehen: sonderlich aber 4. dass wir mit herzlichem Willen und demütiger Gelassenheit alles Kreuz von Gott aufnehmen, als die wir uns täglich darzu in dieser Bitte anerboten und erkläret haben, dass wir nicht wollen, dass unser, sondern allein sein heiliger guter Wille geschehe (C). Daher ein großes Stück der Verleugnung unser selbst in dieser Bitte stehet. 

 

(A)

Röm. 12,2: Stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch Verneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gottes Wille. 

Eph. 5,16.17: Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit; darum werdet nicht unverständig, sondern verständig, was da sei des Herrn Wille. 

1 Petr. 4,12: Wer am Fleisch leidet, der höret auf von Sünden, dass er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüsten, sondern dem Willen Gottes lebe. 

 

(B)

Hebr. 13,21: Der mache euch fertig in allem guten Werk, zu tun seinen Willen, und schaffe in euch, was vor ihm gefällig ist, durch Jesum Christum. 

Kol. 4,12: Epaphras ringet allezeit für euch mit Gebeten, auf dass ihr bestehet vollkommen und erfüllet mit allem Willen Gottes.

 

(C)

Hebr. 10,36: Geduld ist euch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut, und die Verheißung empfahet. 

Matth. 26,39. 1 Sam. 3,18. S. Fr. 859. 

 

865. WIE LAUTET DIE VIERTE BITTE?

 

Unser täglich Brot gib uns heute. 

 

866. WAS IST DAS?

 

Gott gibt das tägliche Brot auch wohl ohn unser Bitten allen, guten und bösen, Menschen, aber wir bitten in diesem Gebet, dass ers uns erkennen lasse, und mit Danksagung empfahen unser täglich Brot. 

 

867. WAS HEISST DENN TÄGLICHES BROT?

 

Alles, was zur Leibes Nahrung und Notdurft gehöret, als Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromm Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesinde, fromme und getreue Oberherren, gut Regiment, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn, und desgleichen. 

 

868. WAS WIRD INSGEMEIN IN DIESER BITTE GEBETEN?

 

Alles Zeitliche, dessen wir zu diesem unseren armen leiblichen, natürlichen Leben benötiget sind, dass wirs nicht nur bekommen mögen, sondern dass es uns auch gesegnet sei. 

 

869. MIT WAS BEDINGUNG BITTEN WIR SOLCHES ZEITLICHE?

 

Wofern und wie es göttlicher Wille ist: darum folgt sie alsbald auf die Bitte von dem göttlichen Willen. Wir bitten erst, Gottes Wille möge geschehen, und alsdann, wie es nämlich seinem Willen gemäß ist, wolle er uns das tägliche Brot geben. 

 

Matth. 8,2: Herr, willst du, so kannst du mich wohl reinigen. 

 

870. VON WEM ERWARTEN WIR DAS TÄGLICHE BROT?

 

Von unserem himmlischen Vater, der uns erschaffen hat, und also auch erhält (A), der uns auch solche Erhaltung versprochen (B), und ohne den wir mit aller Arbeit nichts ausrichten können (C). 

 

(A)

Ps. 145,15.16: Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit; du tust deine Hand auf und erfüllest alles was lebet mit Wohlgefallen. 

Apg. 14,17: Gott hat sich selbst nicht unbezeugt gelassen, hat uns viel Gutes getan, und vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, unsere Herzen erfüllet mit Speise und Freude. 

 

(B)

Ps. 37,18.19: Der Herr kennet die Tage der Frommen, und ihr Gut wird ewiglich bleiben; sie werden nicht zu Schanden in der bösen Zeit, und in der Teurung werden sie genug haben. 

Matth. 6,33: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zu fallen. 

 

(C)

Ps. 127,1-4: Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst, die daran bauen; wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufstehet, und hernach lange sitzet, und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt ers schlafend. 

1 Kor. 3,7: Es ist weder der da pflanzet, noch der da begießet etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. 

 

871. FÜR WEN BITTEN WIR DENN DAS TÄGLICHE BROT?

 

Nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen Menschen, gute und böse, sonderlich aber für unsere gläubigen Mitbrüder. 

 

872. GIBT DENN GOTT AUCH DAS TÄGLICHE BROT DEN GOTTLOSEN?

 

Ja, wie er ihnen das Leben gegeben, also gibt er ihnen auch das tägliche Brot zur Erhaltung desselben (A), wozu das Gebet der Frommen viel tut, also, dass die Welt den Frommen für ihr Stücklein Brots zu danken hat. Er gibts ihnen aber vornehmlich, damit sie aus solchen leiblichen Wohltaten ihn erkenneten, und auch nach seiner geistlichen Gnade begierig würden (B): sodann, dass sie nicht gar seiner Güte ledig ausgehen, von der sie das Geistliche nicht annehmen, damit sie dann aufs wenigste in dem Leiblichen etwas empfangen (C). So teilet er mit seinen bösen Stiefkindern beizeiten ab, so dass hernach, wann die frommen Lazari getröstet werden, sie ihre Güter schon in diesem Leben empfangen haben (D). 

 

(A)

Matth. 5,45: Der Vater im Himmel lässet seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten; und lässet regnen über die Gerechten und Ungerechten. 

 

(B)

Apg. 14,17. S. oben Fr. 870. 

 

(C)

Ps. 17,14: Von den Leuten deiner Hand, Herr, von den Leuten dieser Welt, welche ihr Teil haben in ihrem Leben, welchen du den Bauch füllest mit deinem Schatz. 

 

(D)

Luk. 16,25: Abraham sprach: Gedenke Sohn, dass du dein Gutes emfangen hast in deinem Leben, und Lazarus dagegen hat Böses empfangen. 

 

873. EMPFANGEN NUN BEIDES FROMME UND AUCH GOTTLOSE IHR TÄGLICH BROT AUF EINERLEI WEISE?

 

Nein: denn die Frommen empfahens mit Danksagung, und erkennen, dass sie es von Gott allein haben, dem sie dafür danken; daher wirds ihnen zum Segen (A), und auch zur Beförderung ihres geistlichen Guten. Die Gottlosen aber empfahen es mit Undank, glauben nicht, dass sie es von Gott haben, sondern schreiben es ihrem Fleiß und Arbeit, oder dem blinden Glücke zu; daher gedeihet es nicht, und wird ihnen zum Fluch, und wegen des Missbrauchs eine Gelegenheit zu schweren Sünden und Verdammnis (B). 

 

(A)

1 Tim. 4,3-5: Gott hat die Speise geschaffen, zu nehmen mit Danksagung den Gläubigen, und denen, so die Wahrheit erkennen; denn alle Kreatur Gottes ist gut, und nichts verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiliget durch das Wort Gottes und Gebet. 

1 Kor. 10,31: Ihr esset oder trinket, oder was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre. 

Sir. 50,24.26: Nun danket alle Gott, der große Dinge tut an allen Enden; der uns von Mutterleib an lebendig erhält, und tut uns alles Gutes. Er gebe uns ein fröhlich Herz, und verleihe immerdar Friede zu unseren Zeiten in Israel, dass seine Gnade stets bei uns bleibe, und erlöse uns, so lang wir leben. 

 

(B)

Jer. 5,23.24: Dies Volk hat ein abtrünniges ungehorsames Herz, bleiben abtrünnig, und gehen immerfort weg, und sprechen nicht einmal in ihrem Herzen: Lasset uns doch den Herrn unsern Gott fürchten, der uns Frühregen und Spätregen zu rechter Zeit gibet, und uns die Ernte treulich und jährlich behütet. 

Hos. 2,8: Sie will nicht wissen, dass ichs sei, der ihr gibt Korn, Most und Öl, und ihr viel Silber und Gold gegeben habe, das sie haben Baal zu Ehren gebraucht.

Hagg. 1,5.6: So spricht der Herr Zebaoth: Schauet, wie es euch gehet. Ihr säet viel, und bringet wenig ein; ihr esset, und werdet doch nicht satt; ihr trinket, und werdet doch nicht trunken; ihr kleidet euch, und könnt euch doch nicht erwärmen; und welcher Geld verdienet, der legets in einen löcherichten Beutel. 

 

874. WIE SOLLEN ABER DIE FROMMEN IHR BROT ERLANGEN?

 

Sie bitten, Gott wolle es ihnen geben: ist also ein Geschenk. Vor Menschen mögen sie es mit ihrer Arbeit verdienen, aber von Gottes Seiten ist es ein Geschenk, der ihre Arbeit gesegnet hat. Indessen will es Gott nicht anders mit Segen geben, als in seiner Ordnung, und also durch die Arbeit derjenigen, die zu arbeiten vermögen. 

 

Ps. 127,2: Es ist umsonst, dass ihr früh aufstehet, und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt ers schlafend. 

Spr. 10,22: Der Segen des Herrn machet reich ohne Mühe. 

 

875. WAS HEISST BROT? 

 

Alles, was nur zu der Erhaltung des leiblichen Lebens nötig ist: denn solches alles pfleget in der Schrift Brot genennet zu werden; insoferne die Speise, und unter so viel Arten der Speisen das Brot das Notwendigste und Gemeinste ist. 

 

1 Mos. 19: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen. 

Jes. 58,7: Brich dem Hungrigen dein Brot. 

 

876. WIE VIELERLEI SIND SOLCHER LEIBLICHEN GÜTER, DIE WIR UNTER DEM NAMEN DES TÄGLICHEN BROTS BITTEN?

 

Zweierlei: teils bedarf der Mensch für sich selbst und seine Person, als da ist die Nahrung, Essen und Trinken, die Decke, Kleider und Schuh, die Wohnung, Haus und Hof, die Mittel, wodurch solche Notdurft zuwege gebracht wird, Acker, Vieh, Geld, Gut, gut Wetter; sodann, womit wir alles andere gebrauchen mögen, Gesundheit: teils aber bedarf der Mensch, sofern er in anderer Gesellschaft und unter anderen lebet, als da ist, gute Verfassung des weltlichen Standes, wozu gehöret fromme und getreue Oberherren, gut Regiment, Friede, Zucht, Ehre; sodann gute Ordnung des Hausstandes, dabei erfordert wird fromm Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesinde, gute Freunde, getreue Nachbaren. 

 

877. BITTEN WIR DENN EIGENTLICH UM ALLE DIESE GÜTER?

 

Ja, so viel deren unser weiser himmlischer Vater von allen denselbigen uns nötig zu sein erkennet. 

 

878. WARUM SAGEN WIR ABER: UNSER BROT?

 

Weil wir darum bitten sollen, nicht allein in der Maß, wie es einem jeglichen nach seinem Zustande, mehr oder weniger vonnöten ist, sondern auch so, dass es kein fremdes, gestohlenes, gewuchertes Brot sei; vielmehr, dass wirs mit gutem Recht, und aus unserer Arbeit haben mögen, und niemand darunter Unrecht tun, noch anderer Brot essen dürfen. 

 

2 Thess. 3,12: Wir gebieten ihnen, und ermahnen sie, durch unsern Herrn Jesum Christ, dass sie mit stillem Wesen arbeiten, und ihr eigen Brot essen. 

Sir. 41,30: Wer sich auf eines andern Tisch verlässt, der gedenket sich nicht mit Ehren zu nähren; denn er muss sich versündigen um fremder Speise willen. 

 

879. WARUM WIRD ES NUN GENENNET DAS TÄGLICHE BROT?

 

Dass wir mit wenigem, was wir zu täglicher Notdurft bedürfen, zufrieden sein sollen und wollen. 

 

1 Tim. 6,8: Wenn wir Nahrung und Kleider haben, so lasset uns begnügen. 

S. oben Fr. 313. 314.

Spr. 30,8: Armut und Reichtum gib mir nicht; laß mich aber mein bescheidenes Teil Speise dahin nehmen. 

 

880. WANN SOLL ES UNS GOTT GEBEN?

 

Heute: es soll uns genügen, wo wir heut unser Auskommen haben, mit dem Vertrauen, dass, der den morgenden Tag schaffet, auch seine Notdurft geben werde; da wir ihn abermal darum bitten wollen. 

 

Matth. 6,34: Sorget nicht für den andern Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen; es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine Plage habe. 

 

881. WAS FORDERT ABER SOLCHE BITTE VON UNS?

 

Dass wir also erkennen, wir mögen uns selbst nicht ernähren, sondern stehen alle, Groß und Klein, als die armen Bettler vor Gottes Gnadentür, die unser Stücklein Brot von ihm erbitten müssen (A): dass wir uns auch der Genügsamkeit befleißen (B), und alle Kostbarkeit in Speis, Trank, Kleidung, Wohnung und so fortan, meiden, vor misstrauiger Bauchsorge uns hüten, weil alles an des Herrn Segen lieget (C), und die Arbeit uns lassen angelegen sein, in welcher der Herr uns das Brot geben will (D); wer aber nicht arbeiten will, stößet das Brot hinweg, das ihm der Herr hätte geben wollen: also auch widerspricht man mit Geiz und unziemlicher Sorge seinem eigenen Gebet. Gleichfalls, dass wir auch unserem Nächsten sein Stücklein Brots gönnen und helfen befördern, nicht aber entziehen, weil wir auch für ihn um dasselbige bitten; sonsten spotten wir abermal Gottes in dem Gebet. 

 

(A)

Ps. 104,27.28: Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du ihnen deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättiget. 

 

(B)

1 Tim. 6,6.7: Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lasset ihm genügen; denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen. 

 

(C)

Matth. 6,31.32: Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden? Nach solchem allem trachten die Heiden; denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr deß alles bedürfet. 

 

(D)

1 Thess. 4,11.12: Ringet darnach, dass ihr stille seid, und das Eure schaffet und arbeitet mit euren eigenen Händen, die wir euch geboten haben; auf dass ihr ehrbarlich wandelt gegen die, die draußen sind, und ihrer keines bedürfet. 

 

882. MUSS DENN JEGLICHER MENSCH ARBEITEN, ODER MÖGEN NICHT DIE REICHEN IHNEN ALLEIN GUTE MÜSSIGE TAGE SCHAFFEN?

 

Es ist die Arbeit allen Menschen nach dem Fall, und also eben so wohl den Wohlbegüterten anbefohlen: wer also nicht, um sein Brot zu verdienen, arbeiten muss, der soll arbeiten aus Gehorsam gegen Gott und Liebe des Nächsten, was sein Beruf, die von Gott verliehenen Gaben, und die Gelegenheit dem Nebenmenschen zu dienen, ihm an die Hand gibet. 

 

1 Mos. 3,19: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist. 

1 Petr. 4,10: Dienet einander ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. 

 

883. WAS IST DER INHALT DER DREI LETZTEN BITTEN?

 

Dass wir, nachdem wir in dem vorigen um allerhand Gutes gebeten, in denselbigen allerhand Böses abbitten. 

 

884. WAS IST DAS BÖSE, WIDER WELCHES WIR BITTEN?

 

Vornehmlich die Sünde, sodann was aus derselben kommt oder darzu führet. Also bitten wir in der fünften Bitte wider die Sünden, dass sie uns vergeben werden; in der sechsten, wider die Versuchung, welche uns zu der Sünde führet; in der siebenten, um gänzliche Abwendung der Sünde und aller dero Strafen. 

 

885. WIE LAUTET DIE FÜNFTE BITTE?

 

Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern. 

 

886. WAS IST DAS?

 

Wir bitten in diesem Gebet, dass der Vater im Himmel nicht ansehen wolle unsere Sünden, und um derselben willen solche Bitte nicht versagen: denn wir sind der keines wert, das wir bitten, und habens auch nicht verdienet, sondern er wolle uns alles aus Gnaden geben: denn wir täglich viel sündigen, und wohl eitel Strafe verdienen; so wollen wir zwar wiederum auch herzlich vergeben, und gerne wohltun denen, die sich an uns versündigen. 

 

887. WAS SIND DIESES FÜR SCHULDEN, UM DERO VERGEBUNG WIR BITTEN?

 

Die Sünden (A); und zwar alle Sünden ohne Unterschied: alldieweil alle der Vergebung bedürfen, auch Gott alle zu vergeben willig ist (B). Also sinds auch bekannte und unbekannte Sünden (C). 

 

(A)

Die Sünden werden den Schulden verglichen Luk. 7,41. 

 

(B)

S. oben Fr. 769. 

 

(C)

Ps. 19,13: Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Fehler. 

 

888. FÜR WEN BITTEN WIR DIE VERGEBUNG?

 

Für uns und alle Menschen, die mit uns einigerlei Weise Einen Vater im Himmel haben; welche auch alle Sünder sind (A): sonderlich für die Mitbrüder (B). 

 

(A)

Ps. 32,6: Dafür werden dich alle Heiligen bitten zur rechten Zeit. 

 

(B)

Jak. 5,14.15: Ist jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten von der Gemeine, und lasse sie über sich beten, und salben mit dem Öl in dem Namen des Herrn; und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und so er hat Sünden getan, werden sie ihm vergeben sein. 

 

889. SOLLEN WIR DENN AUCH UM VERGEBUNG DER SÜNDEN BITTEN FÜR DIE GOTTLOSEN?

 

Ja, aber in der Ordnung, dass sie mögen bekehret werden, und also Vergebung erlangen (A): sonderlich aber haben wir zu bitten für diejenigen, die uns beleidigen, nicht, dass sie Gott in seinem Gericht strafen und vergelten wolle, was sie an uns unrecht getan, sondern dass er sie bekehre und ihnen vergebe (B). 

 

(A)

1. Tim. 2,1.3.4: So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen; denn solches ist gut, dazu auch angenehm vor Gott, unserem Heiland; welcher will, dass allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. 

 

(B)

Matth. 5,44: Ich sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.

Luk. 23,34: Jesus sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun. Apg. 7,59: Stephanus knieete nieder und schrie laut: Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht. 

 

890. VON WEM BITTEN WIR DIESE VERGEBUNG?

 

Von dem himmlischen Vater, dem allein solche Macht zustehet. Er gebraucht sich aber auch hierinnen seiner Diener, ja eines jeglichen Mitbruders, welcher, wo er demjenigen, der ihn beleidiget, sein Unrecht vergibet und für ihn bittet, damit auch jenem die Vergebung von Gott erlanget. 

 

Jer. 31,34: Ich will ihnen ihre Missetat vergeben, und ihrer Sünde nicht mehr gedenken. 

 

891. WIE MÖGEN WIR ABER DER SÜNDEN LOS WERDEN?

 

Nicht, dass wir sie Gott abverdienen möchten, sondern dass er sie uns erlasse und vergebe. 

 

892. SIND WIR ABER SOLCHER VERGEBUNG WERT?

 

Für uns selbst nicht (A), aber Christus hat sie uns verdienet. Daher werden sie uns vergeben, wo Gott sie nicht mehr ansehen will, sondern Christum mit seiner Gerechtigkeit uns schenket (B). 

 

(A)

Dan. 9,18: Wir liegen vor dir mit unserem Gebet, nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. 

 

(B)

1 Joh. 2,12: Lieben Kindlein, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben werden durch seinen Namen. 

 

893. WIE WERDEN SIE UNS ABER VERGEBEN?

 

So, dass Gott sie nicht ansehen und ihrer nicht mehr gedenken will, und also allen Zorn und Strafe, so wir sonsten damit verschuldet, uns zugleich erlässet. 

 

S. oben Fr. 775. 

Ps. 51,11: Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge alle meine Missetat. 

 

894. WAS VERSPRECHEN WIR HINWIDERUM GOTT DEM HERRN?

 

Dass wir auch unseren Schuldigern vergeben wollen. 

 

895. ERLANGEN ODER VERDIENEN WIR MIT UNSERER VERGEBUNG DIE GÖTTLICHE VERGEBUNG?

 

Nein, sondern die Vergebung Gottes geschiehet aus lauter Gnaden, um Christi und des Glaubens willen: solcher Glaube aber wirket alsobald zu schuldiger Dankbarkeit gegen Gott die nötige Liebe gegen den Nebenmenschen, und darnach auch diese Vergebung. 

 

896. WEM SOLLEN WIR ABER DIE SCHULD VERGEBEN?

 

Allen denjenigen, die uns beleidiget haben, wie schwer und oft solches geschehen wäre. 

 

Matth. 18,21.22: Da trat Petrus zu ihm, und sprach: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündiget, vergeben? Ists genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir, nicht siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal. 

 

897. WIE SOLLEN WIR SIE IHM VERGEBEN?

 

Von Herzensgrund, dass man auch nicht nur ins künftige eine Rache sich nicht vorbehalte, sondern noch bereit sei, seinen Beleidigern Gutes zu tun: denn also vergibet Gott, dass er seine Guttätigkeit nicht zurück zeucht; wir erbieten uns aber, also zu vergeben, wie wir die Vergebung von ihm bitten. 

 

898. WAS SOLL UNS ABER ZU DER VERGEBUNG BEWEGEN?

 

Die große und unaussprechliche Wohltat Gottes, der, ob er wohl so viel höher ist, als wir, uns viel mehrere und schwerere Verbrechen vergibet, damit wir uns an ihm vergriffen haben; und weil wir sonsten von Gott keine Vergebung erlangen können, sondern, wo wir einige erlanget, dieselbe durch unsere Unbarmherzigkeit wieder zurück gezogen wird. 

 

Kol. 3,13: Vergebet euch unter einander, so jemand Klage hat wider den andern; gleich wie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. 

Matth. 18,32-35: Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach: Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; solltest du dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? Und sein Herr ward zornig, und überantwortete ihn den Peinigern, bis er bezahlete alles, was er schuldig war. Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebet von Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler. 

Matth. 6,14.15: So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben; wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. 

Sir. 28,1-5: Wer sich rächet, an dem wird sich der Herr wieder rächen, und wird ihm seine Sünde auch behalten. Vergib deinem Nächsten, was er dir zu Leid getan hat, und bitte den Herrn, so werden dir deine Sünden auch vergeben. Ein Mensch hält gegen den andern den Zorn, und will bei dem Herrn Gnade suchen; er ist unbarmherzig gegen seines gleichen, und will für seine Sünde bitten; er ist nur Fleisch und Blut, und hält den Zorn: wer will ihm denn seine Sünde vergeben?

 

899. WAS IST UNSERE SCHULDIGKEIT BEI DIESER BITTE?

 

Dass wir 1. die uns allen noch anklebende Sünde erkennen, und erwägen, was die Sünde, davon wir ohne diese gnädige Erlassung nicht können befreit werden, für ein Greuel und schwere Last sei. 2. Dass wir deswegen von fernern Sünden, die wir also erkannt, uns sorgfältig hüten: sonsten wenn wir die Sünden, um dero Vergebung wir bitten, noch wollten üben und lieben, würden wir Gottes damit spotten. Vornehmlich aber 3. dass wir bereit seien, nach unserem Verspruch, allen und jeden, die uns beleidiget, auch willig zu vergeben: denn wo wir solches nicht tun, sondern Rache in dem Herzen gegen den Nächsten halten, oder um der Beleidigung willen ihm unsere Liebestaten ins künftige entziehen wollen, so bitten wir gegen uns selbst, indem wir in der Bitte ja begehren, Gott solle uns auf diese Art vergeben, wie wirs unseren Schuldigern tun; und wird damit aus dem Gebet ein schrecklicher Fluch gegen uns selbst.

 

900. WIE LAUTET DIE SECHSTE BITTE?

 

Und führe uns nicht in Versuchung. 

 

901. WAS IST DAS?

 

Gott versucht zwar niemand, aber wir bitten in diesem Gebet, dass uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge, noch verführe in Missglauben, Verzweiflung und andere große Schande und Laster, und ob wir damit angefochten würden, dass wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten. 

 

902. WIDER WAS BITTEN WIR IN DIESER BITTE?

 

Wider die Versuchung. 

 

903. WIE VIELERLEI IST DIE VERSUCHUNG?

 

Zweierlei: eine gute Versuchung, die von Gott kommt, und eine böse Versuchung, die von dem Teufel, der Welt und eigenem Fleische herkommt. 

 

904. VERSUCHET DENN GOTT NICHT ZUM BÖSEN?

 

Nein: denn sollte derjenige zum Bösen versuchen, welcher die Gütigkeit selbsten ist?

 

Joh. 1,13: Niemand sage, wenn er versuchet wird, dass er von Gott versuchet werde; denn Gott ist nicht ein Versucher zum Bösen; er versuchet niemand. 

 

905. WIE VERSUCHET ER DENN?

 

Zum Guten, dass er unsern Gehorsam und Glauben prüfet. 

 

906. WIE GESCHIEHET SOLCHES?

 

Auf allerlei Art: durch Wohltaten, ob wir ihm auch dafür dankbar werden (A): durch Befehle, ob wir ihm gehorchen (B): durch Gelegenheit, die er uns schickt, Gutes zu tun, ob wir uns derselben gebrauchen (C): durch Gelegenheit zu sündigen, ob wir uns darinnen vergreifen (D): sonderlich aber durch allerhand Kreuz und Leiden, wie geduldig wir solches von ihm aufnehmen wollen (E). 

 

(A)

2 Mos. 16,4: Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen; und das Volk soll hinausgehen, und sammeln täglich, was es des Tages bedarf, dass ichs versuche, obs in meinem Gesetz wandle oder nicht.

5 Mos. 8,2.3: Dass du gedenkest alles des Weges, durch den dich der Herr, dein Gott, geleitet hat, diese vierzig Jahre in der Wüste, auf dass er dich demütigte und versuchte, dass kund würde, was in deinem Herzen wäre, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. Er demütigte dich, und ließ dich hungern, und speisete dich mit Manna, das du und deine Väter nie erkannt hattest. 

 

(B)

1 Mos. 22,2: Nimm Isaak, deinen einigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Morija, und opferte ihn daselbst zum Brandopfer, auf einem Berge, den ich dir sagen werde. V. 12: Lege deine Hand nicht an den Knaben, und tue ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest, und hast deines einigen Sohnes nicht verschonet um meinetwillen. 

2 Mos. 20,20: Fürchtet euch nicht; denn Gott ist kommen, dass er euch versuchte, und dass seine Furcht vor euren Augen wäre, dass ihr nicht sündiget. 

 

(C)

2 Kor. 8,8 sagt Paulus: Nicht sage ich, dass ich etwas gebiete, sondern dieweil andere so fleißig sind, versuche ich auch eure Liebe, ob sie rechter Art sei. 

 

(D)

Richt. 2,21.22: Ich will hinfort die Heiden nicht vertreiben, die Josua hat gelassen, da er starb; dass ich Israel an ihnen versuche, ob sie auf dem Wege des Herrn bleiben, dass sie darinnen wandeln, wie ihre Väter geblieben sind, oder nicht. 

2 Kor. 32,31: Da die Botschaften der Fürsten von Babel zu Hiskia gesandt waren, zu fragen nach dem Wunder, das im Lande geschehen war, verließ ihn Gott also, dass er ihn versuchte, auf dass kund würde alles, was in seinem Herzen war.

5 Mos. 13,3: So sollst du nicht gehorchen den Worten solches Propheten oder Träumers; denn der Herr, euer Gott, versuchet euch, dass er erfahre, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt. 

 

(E)

1 Petr. 4,12: Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet nicht befremden, (die euch widerfähret, dass ihr versuchet werdet,) als widerführe euch etwas Seltsames. 

Ps. 66,10: Gott hat uns versuchet, und geläutert, wie das Silber geläutert wird. 

 

907. WEISS DENN NICHT GOTT VORHIN, WAS IN DEM MENSCHEN IST, DASS ER IHN ERST VERSUCHEN MUSS?

 

Gott kennet von selbsten wohl das Innerste des Herzens bei einem jeglichen, er versuchet aber die Menschen, dass er sie zu ihrer Selbsterkenntnis bringe, und andern zeige, was in ihnen ist, welches sonst nicht also würde kund werden. 

 

Joh. 6,6: Das sagte er aber, ihn zu versuchen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 

 

908. VON WEM KOMMT DIE BÖSE VERSUCHUNG HER?

 

Von dem Teufel, der Welt und unserem eigenen Fleisch. 

 

909. HAT GOTT BEI SOLCHER BÖSEN VERSUCHUNG NICHTS ZU TUN?

 

Er wirket sie zwar nicht, hat aber doch sein Werk dabei, dass er sie aus heiligen und guten Ursachen zulässet und verhänget, indem ohne ihn unsere Feinde uns nicht versuchen könnten: sodann, dass er in der Versuchung den Seinigen beistehet, und diese überwinden hilft (A). Dieses sein Verhängnis ist von seiner, Gottes Seiten ganz gut und wohl gemeinet, daher eine gute Versuchung, obwohl die Sache selbst, die er verhänget, eine böse Versuchung sein kann (B). 

 

(A)

Hiob 1,12: Der Herr sprach zum Satan: Siehe, alles was er hat, sei in deiner Hand, ohne allein an ihn selber lege deine Hand nicht. Kap. 2,6: Siehe da, er sei in deiner Hand; doch schone seines Lebens. 

 

(B)

1 Kor. 10,13: Gott ist getreu, der euch nicht lässt versuchen über euer Vermögen, sondern machet, dass die Versuchung so ein Ende gewinne, dass ihrs könnet ertragen. 

 

910. WER IST DENN DER HAUPTVERSUCHER?

 

Der leidige Teufel, welcher daher auch der Versucher genennet wird. 

 

Matth. 4,3: Und der Versucher trat zu ihm. 

Eph. 6,12: Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.

1 Thess. 3,5: Auf dass nicht euch vielleicht versucht hätte der Versucher, und unsere Arbeit vergeblich würde. 

 

911. WIE VERSUCHET ABER DER SATAN?

 

Er versuchet teils, dass er den Leuten Böses in das Herz gibet, und böse Gedanken oder Begierden erreget (A), teils, dass er seine Werkzeuge anreizet, andere zu verführen (B). 

 

(A)

Eph. 6,16: Vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts. 

1 Chr. 22,1: Und der Satan stund wider Israel, und gab David ein, dass er Israel zählen ließ. 

Joh. 13,2: Da schon der Teufel hatte dem Juda Simonis Ischarioth ins Herz gegeben, dass er ihn (Jesum) verriete. 

 

(B)

1 Kön. 22,22: Ein Geist sprach: Ich will ausgehen, und will ein falscher Geist sein in aller seiner Propheten Munde. Er sprach: Du sollst ihn überreden, und sollsts ausrichten. 

 

912. ISTS ABER NICHT EINE ANZEIGUNG, DASS WIR VON GOTT VERWORFEN SEIEN, WO ER DEM TEUFEL ZULÄSSET, DASS ER UNS MIT BÖSEN UND GOTTESLÄSTERLICHEN GEDANKEN PLAGET?

 

Nein, denn auch gegen diejenigen, welche den Schild des Glaubens haben, schießet der Teufel die feurigen Pfeile aus (A): so ist Paulus in göttlicher Gnade gewesen, ob er wohl einen Pfahl in seinem Fleisch, und die Faustschläge des Engels des Satans leiden musste (B); und ist solchen Angefochtenen vielmehr ihr herzlicher Hass gegen die bösen Gedanken, ihre Angst, die sie darüber empfinden, und ihr Verlangen, mit reinem Herzen ihrem Gott dienen zu können, als lauter Früchte des bei ihnen wohnenden heiligen Geistes, ein Zeugnis, dass sie in göttlicher Gnade fest stehen, als dass solche Anfechtung, die sie wider ihren Willen leiden müssen, ihnen solche zweifelhaftig machen könnte (C). 

 

(A)

Eph. 6,16. S. die vorige Fr. 

 

(B)

2 Kor. 12,7-9: Auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlägt, auf dass ich mich nicht überhebe. Dafür ich dreimal dem Herrn geflehet habe, dass er von mir weiche. Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. 

 

(C)

Röm. 7,18-20: Ich weiß, dass in mir, dass ist in meinem Fleisch, wohnet nichts Gutes. Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht; denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. So ich aber tue, das ich nicht will, so tue Ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. 

Röm. 8,1: So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist. 

 

913. ISTS ABER DER GÖTTLICHEN LIEBE NICHT ZUWIDER, DASS ER DIE SEINIGEN ALSO ERBÄRMLICH PLAGEN LÄSSET?

 

Nein, indem er in solchem allen so wohl seine Kraft und Ehre an ihnen, die er in allem solchen Kampf erhält, erweiset, als auch ihr Bestes suchet und befördert: denn damit werden sie am kräftigsten zur Erkenntnis ihrer sündlichen Verderbnis, und wie sogar sie für sich selbst nichts seien noch vermögen, gebracht. Sie lernen in der Tat, wie es nicht ihre Würdigkeit, oder ihre eigene Heiligkeit, sondern allein die Gnade Gottes sei, die sie selig mache, alldieweil sie in ihren heiligsten Vorhaben mit solchen bösen Gedanken sich schleppen und ihre Andacht stören lassen müssen: ihr Glaube wird geprüfet, geübet und gestärket: sie werden zum Gebet desto heftiger getrieben, und wo sie von den bösen Gedanken in dem äußerlichen Gebete irre gemacht, und ganz gehindert werden, so wird damit das innerliche und verborgene Herzensgebet, bestehend in dem unaussprechlichen Seufzen des heiligen Geistes, Röm. 8,26., und in ihrem ängstlichen Verlangen nach göttlicher Gnade so viel mehr entzündet und befördert: sie werden zu der tiefsten Demut vor Gott in Erkenntnis ihres inwendigen Greuels, und zur Demut, auch Sanftmut gegen den Nebenmenschen so viel nachdrücklicher gebracht: der Schlaf der Sicherheit wird vertrieben, und das Gewissen so viel zarter gemacht, seinen Gott mit Willen nicht zu erzürnen, da man so viel Sündliches wider seinen Willen bei sich leiden muss: sie werden so viel williger, alles andere Kreuz, welches sie gegen dieses geringer achten, geduldig aufzunehmen: und endlich werden sie von der Liebe der Welt desto kräftiger abgezogen, und in ihnen ein heiliges Verlangen nach der seligen Ewigkeit, wo sie ganz rein vor ihrem Gott stehen werden, erwecket. Wodurch also Gott so viel Gutes in ihnen wirket, kann demnach seiner Liebe nicht entgegen, sondern soll billiger deroselben Zeugnis sein. 

 

914. WIE HAT MAN SICH DENN GEGEN SOLCHE ANFECHTUNGEN UND VERSUCHUNGEN ZU HALTEN?

 

Man soll sowohl herzlich in dieser Bitte gegen dieselben, oder um göttlichen Beistand darinnen beten, und sich nicht abhalten lassen, da es in solcher Beunruhigung des Gemütes scheinet, dass wir nicht recht beten können, denn je größer die Herzensangst, aus der die Seufzer aufsteigen, je angenehmer ist das Gebet vor Gott; als auch in den übrigen Stücken sich dem göttlichen Rat in Zulassung solcher Versuchung gemäß halten: dass Angefochtene zum vördersten daraus ihre schreckliche Verderbnis so viel mehr erkennen, und sich so viel tiefer vor Gott demütigen: desto angelegentlicher sich vor allen bei andern etwa gering geachteten Sünden hüten, und wo sie finden, dass sie mit einigen gewissen Sünden sollten Gott zu dergleichen Verhängnis Ursache gegeben haben, desto sorgfältiger dieselben von sich ablegen: mit göttlichem Wort sich gegen den Feind wappnen, des heil. Abendmahls sich zu ihrer Stärkung gebrauchen, den Trost anderer Mitbrüder und Mitschwestern, sonderlich die in dergleichen Leiden auch geübet worden, nicht verachten, sondern suchen und annehmen: sodann mit Geduld der Hilfe des Herrn erwarten, und demnach ihm nicht Zeit noch Maß vorschreiben, sondern willig sein, wo es ihm gefällig sollte sein, sie noch länger und immerfort in solcher Angst zu lassen, dies ihr Kreuz auf sich zu nehmen, und also ihm in dem Stande gefällig zu dienen, darein er sie nach seinem Willen gesetzet habe. Damit wandeln sie würdiglich solchem ihrem Beruf, und überwinden alles, da es scheinet, dass sie immer unterliegen. 

 

915. WAS HEISST DIE WELT, UND IHRE VERSUCHUNG?

 

Alle Menschen, die Böses tun, sind die Welt (A), und solche auf diese Weise, wann sie andere zu dem Bösen zwingen, überreden, locken oder mit bösen Exempeln reizen (B), ihre Versuchung; dahin alle Ärgernisse gehören (C).

 

(A)

1 Joh. 5,19: Die ganze Welt liegt im Argen. 

 

(B)

1 Kor. 15,33: Lasset euch nicht verführen; böse Geschwätze verderben gute Sitten. 

Spr. 1,10: Mein Kind, wenn dich die bösen Buben locken, so folge nicht. 

1 Joh. 2,15: Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist (nämlich des Fleisches Lust, und der Augen Lust, und hoffärtiges Leben), ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. 

 

(C)

Matth. 18,7: Wehe der Welt der Ärgernis halben! Es muss ja Ärgernis kommen; doch wehe dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt! 

 

916. WAS IST ENDLICH DIE VERSUCHUNG DES EIGENEN FLEISCHES?

 

Wo uns solches selbst zu dem Bösen reizet, und die Versuchung des Teufels und der Welt willig annimmet: welche deswegen die gefährlichste ist, weil ohne des Fleisches Einwilligung die übrigen Versuchungen uns nicht werden schaden, oder etwas ausrichten können. 

 

Jak. 1,14.15: Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizet und gelocket wird; darnach, wenn die Lust empfangen hat, gebieret sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebieret sie den Tod. 

1 Petr. 2,11: Lieben Brüder, ich ermahne euch, als die Fremdlinge und Pilgrimme, enthaltet euch von den fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten. 

 

917. WOHIN GEHEN ABER SOLCHE VERSUCHUNGEN?

 

Zu allerhand Sünden, in dem Geistlichen zu Missglauben (das ist, Irrtum in der Religion, oder auch Sicherheit und falsches Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, ob man schon in den Sünden fortfähret,) oder Verzweiflung: sodann in dem Weltlichen, zu allerhand Schande und Lastern, wider göttliche Gebote. 

 

918. WIDER WELCHE VERSUCHUNG BITTEN WIR?

 

Nicht wider die göttliche und gute Versuchung, als die selbst zu unserem Besten gemeinet ist, sondern wider die bösen Versuchungen. 

Jak. 1,2-4: Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet, und wisset, dass euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirket. Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen, und ganz, und keinen Mangel habt. 

 

919. BITTEN WIR ABER, DASS UNS GAR KEINE BÖSE VERSUCHUNG BETREFFEN SOLL?

 

Nein, denn solches wäre wider Gottes Willen gebeten, welcher will, dass wir mit unsern geistlichen Feinden kämpfen sollen: so müssen denn dieselben auch die Macht haben, uns anzugreifen; und dienet auch solches durch Gottes gnädige Regierung zu unserem Besten. 

 

920. WAS BITTEN WIR DENN IN SOLCHER BITTE?

 

Dass er uns nicht in die Versuchung führe, das ist, uns also davon lasse umgeben werden, dass wir unterliegen müssten; sondern er wolle keine Versuchung über uns kommen lassen, die uns zu schwer wäre (wie er gleichwohl auch versprochen hat): dafern wir aber in Versuchung stehen, wolle er uns nicht verlassen. Denn wo wir würden allein kämpfen müssen, so würden wir gewisslich überwunden, als die wir für uns selbst unseren Feinden viel zu schwach sind. 

 

1 Kor. 10,13. S. oben Fr. 909. 

 

921. WAS BITTEN WIR HINGEGEN, DASS UNS GOTT TUN SOLLE?

 

Dass er uns, wo wir angefochten werden, behüte und erhalte, stärke und beistehe (A), und verleihe, dass wir in seiner Kraft und Stärke die Versuchung überwinden (B), und den Sieg davon tragen mögen (C). 

 

(A)

Ps. 17,5: Erhalte meinen Gang auf deinen Fußsteigen, dass meine Tritte nicht gleiten. 

2 Thess. 3,3: Der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen. 

 

(B)

Eph. 6,13: Um deswillen ergreifet den Harnisch Gottes, auf dass ihr, wenn das böse Stündlein kommt, Widerstand tun, und alles wohl ausrichten und das Feld behalten möget. 

2 Petr. 2,9: Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen. 

 

(C)

1 Joh. 5,4: Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt. 

 

922. WAS FORDERT ABER GOTT BEI SOLCHER BITTE VON UNS?

 

1. Dass wir uns nicht nur hüten, unseren Nächsten nicht mit Ärgernis, bösem Exempel und Verführung zum Bösen zu versuchen, sondern auch, dass wir die Gefahr erkennen, darinnen wir in dieser Welt unter so viel Feinden leben, und dero wir gleichwohl aus eigenen Kräften uns nicht entbrechen können, also, dass wir Gott um seinen Beistand so viel ernstlicher anzurufen haben. 2. Dass wir die Gelegenheit meiden, dadurch wir besorglich in Versuchung geraten möchten, daher uns in keine begeben, und dadurch Gott den Herrn nicht versuchen. 3. Dass wir auch uns insgesamt der Mittel und Waffen gebrauchen, die uns Gott gegen unsere geistlichen Feinde gegeben hat, stark zu werden an dem inwendigen Menschen, in welcher Stärke wir durch den Glauben alles überwinden mögen; unter welchen das Wort Gottes das vornehmste, und der übrigen Rüstkammer ist. Sonsten spotten wir Gottes in solcher Bitte. 

 

1 Petr. 5,8.9: Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge; dem widerstehet fest im Glauben. 

Eph. 6,10.11: Meine Brüder, seid stark in dem Herrn, und in der Macht seiner Stärke; ziehet an den Harnisch Gottes, dass ihr bestehen könnet gegen die listigen Anläufe des Teufels. 

Eph. 6,14-18: So stehet nun, umgürtet eure Lenden mit Wahrheit, und angezogen mit dem Krebs der Gerechtigkeit, und an Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts, und nehmet den Helm des Heils, und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes; und betet stets in allem Anliegen mit Beten und Flehen im Geist, und wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen. 

 

923. WIE LAUTET DIE SIEBENTE BITTE?

 

Sondern erlöse uns von dem Übel. 

 

924. WAS IST DAS?

 

Wir bitten in diesem Gebet, als in der Summa, dass uns der Vater im Himmel von allerlei Übel Leibes und der Seele, Gutes und Ehre, erlöse, und zuletzt, wann unser Stündlein kommt, ein seliges Ende beschere, und mit Gnaden von diesem Jammertal zu sich nehme in den Himmel. 

 

925. WIDER WAS BITTEN WIR IN DIESER BITTE?

 

In einer Summa, oder über einen Haufen, wider alles Übel, dessen in vorigen Bitten Meldung entweder getan oder nicht getan ist. 

 

926. WOHER KOMMT ALLES SOLCHES ÜBEL?

 

Von dem Teufel, der alles andern Bösen Ursache, und für sich der Böse oder der Bösewicht ist. Sodann von der Sünde, daraus auch das Übrige entstehet. Daher wir auch beides wider den Teufel und auch die Sünde in dieser Bitte bitten. 

Eph. 6,16. S. oben Fr. 911. 

 

927. BITTEN WIR DENN NICHT WIDER DIE SÜNDE IN DER FÜNFTEN UND SECHSTEN BITTE?

 

Ja, aber auch in der siebenten, dass sie nicht nur uns vergeben, und wir dagegen verwahret werden, sondern auch, dass uns Gott dermaleins gar von derselben befreien und erlösen wolle. 

 

Röm. 7,24: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?

 

928. WAS IST ABER DAS ÜBRIGE BÖSE ODER ÜBEL, DAVON WIR BITTEN ERLÖSET ZU WERDEN?

 

Alle Strafen und Jammer, so über uns durch die Sünde gekommen ist. 

 

929. WIE VIELERLEI IST SOLCHES ÜBEL?

 

Dreierlei: der Seele, des Leibes, des Gutes und Ehre. 

 

930. WAS IST DAS ÜBEL DER SEELE?

 

Sowohl die Sünde selbst, als gefährliche Versuchungen und Anfechtungen, böses Gewissen, Verstockung und Verzweiflung, böser Tod, die ewige Verdammnis. 

 

931. WAS IST DAS ÜBEL DES LEIBES?

 

Krankheit, Schmerzen, Gebrechen, Lebensgefahr, Hunger, Gefängnis und dergleichen. 

 

932. WAS SIND DIE ÜBEL GUTES UND EHRE?

 

Schmach, Verachtung, Armut, Beraubung der Güter, Verlust und dergleichen: wie auch zuweilen gewisse von solchen Übeln in dem Gebet ausgedrücket werden, von denen wir etwa auf Gott gefällige Weise erlöset zu werden bitten.

 

933. WARUM LÄSST ABER GOTT ZU, DASS WIR UNS NOCH MIT SO VIELERLEI ÜBEL IN DER WELT SCHLEPPEN MÜSSEN, DA ER UNS JA, SO BALD WIR SEINE KINDER WERDEN, DAVON AUF EINMAL ERLÖSEN KÖNNTE?

 

Gott hat solches zuzulassen viele heilige und uns nützliche Ursachen. Zum Exempel 1. damit unser alter Adam und Fleisch, dessen größte Kraft in dem eigenen Willen bestehet, wo es uns wider unseren fleischlichen Willen ergehet, gekreuziget, und mehr und mehr mürbe gemachet, und die Lust zu sündigen durch solche Züchtigung gedämpfet werde; da das Fleisch hingegen bei guten Tagen sicher und allzu stark wird, und den Geist unterdrücket (A): 2. damit die Liebe der Welt so vielmehr bei uns getilget, und was das Verlangen des Ewigen hindern möchte, weggeräumet werde (B): 3. damit Gott die Gelegenheit habe, seine Güte und Allmacht an uns zu erweisen, da er uns in dem Leiden stärket, erhält und heraus reißet (C): damit unser Glaube und dessen Früchte, Gebet, Liebe zu Gottes Wort, Hoffnung und dergleichen herrlich geübet, geprüfet und gestärket werden (D): 5. damit nach mehrerm Leiden dorten die Herrlichkeit auch so viel größer sei (E): 6. damit wir dem Ebenbild seines Sohnes gleichförmig werden (F). Daher bleibets dabei, dass wir müssen in viel Leiden unser Leben zubringen (G). 

 

(A)

2 Kor. 4,16: Ob unser äußerliche Mensch verweset, so wird doch der innerliche von Tag zu Tag erneuert. 

1 Petr. 4,1.2: Wer am Fleisch leidet, der höret auf von Sünden; dass er hinfort, was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüsten, sondern dem Willen Gottes lebe. 

1 Kor. 11,32: Wenn wir gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtiget, auf dass wir nicht samt der Welt verdammet werden. 

 

(B)

Röm. 8,22.23: Wir wissen, dass alle Kreatur sehnet sich mit uns, und ängstet sich noch immerdar. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unsers Leibes Erlösung. 

 

(C)

Joh. 11,4: Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch geehret werde. 

2 Kor. 1,8.9: Wir waren über die Maßen beschweret und über Macht, also, dass wir uns auch des Lebens erwegeten, und bei uns beschlossen hatten, wir müssten sterben. Das geschah aber darum, dass wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst stelleten, sondern auf Gott, der die Toten auferwecket. 

 

(D)

Hebr. 12,11: Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünket sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber darnach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübet sind. 

1 Petr. 1,6.7: Ihr werdet euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wo es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube rechtschaffen, und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold (das durchs Feuer bewähret wird), zu Lob, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. 

Ps. 119,74: Es ist mir lieb, dass du mich gedemütigt hast, dass ich deine Rechte lerne. 

Jes. 26,16: Herr, wenn Trübsal da ist, so suchet man dich; wenn du sie züchtigest, so rufen sie ängstiglich. Kap. 28,19: Die Anfechtung lehret aufs Wort merken.

Röm. 5,3-5: Wir rühmen uns der Trübsalen, dieweil wir wissen, dass Trübsal Geduld bringet; Geduld bringet Erfahrung; Erfahrung bringet Hoffnung; Hoffnung aber lässt nicht zu Schanden werden. 

 

(E)

2 Kor. 4,17.18: Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige, und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. 

Jak. 1,12: Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfahen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieben. 

 

(F)

Röm. 8,29: Welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. 

1 Petr. 2,21: Denn dazu seid ihr berufen; sintemal auch Christus gelitten hat für uns, und uns ein Vorbild gelassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen. 

2 Kor. 4,10: Wir tragen um allezeit das Sterben des Herrn Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben des Herrn Jesu an unserm Leibe offenbar werde. 

 

(G)

Apg. 14,22: Sie stärkten die Seelen der Jünger, und ermahneten sie, dass sie im Glauben blieben, und dass wir durch viel Trübsal müssen in das Reich Gottes gehen. 

 

934. IST DENN SOLCHES ÜBEL, WELCHES DIE KINDER GOTTES ANNOCH BETRIFFT, EINE STRAFE?

 

An und für sich selbst ist zwar alles Leiden eine Strafe, aber weil die gläubigen Kinder Gottes bei ihrem himmlischen Vater in Gnaden sind, so ist ihnen ihr Leiden keine Strafe mehr, sondern ein Kreuz, Züchtigung und heilsame Heimsuchung, die aus Liebe herkommt und ihr Bestes suchet. 

 

935. KANN ABER EINIGES SOLCHES ÜBEL EINEN GLÄUBIGEN OHNE GOTTES WILLEN BETREFFEN?

 

Nein, sondern es muss aus wohlbedachtem Rat Gottes geschehen; daher kanns nicht zu schwer sein, noch zu lang währen. 

 

Matth. 10,29.30: Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig? Noch fällt derselbigen keiner auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählet. 

 

936. BITTEN SIE DENN, DASS NICHTS VON SOLCHEM LEIDEN UND KREUZ SIE BETREFFEN MÖCHTE?

 

Nein, denn also würden sie wider ihres Vaters Willen bitten, sondern allein, dass er sie davon erlösen wolle. 

 

937. WIE GESCHIEHET NUN SOLCHE ERLÖSUNG?

 

Sie fänget schon in der Welt an, wann Gott das Leiden mildert, lindert und erträglich machet; sodann darneben mit kräftigem Trost beistehet, und damit die Geduld stärket, damit es uns nicht endlich an der Seele schade; darauf auch eines nach dem andern wieder abnimmet. Sie wird aber erst vollkommen, wann wir durch den Tod in die selige Ewigkeit versetzet werden, oder der Herr mit seiner letzten Zukunft allem Übel ein Ende macht. 

 

Jer. 31,13: Ich will ihr Trauren in Freude verkehren, und sie trösten, und sie erfreuen nach ihrer Betrübnis. 

2 Kor. 1,10: Welcher uns von solchem Tode erlöset hat, und noch täglich erlöset; und hoffen auf ihn, er werde uns auch hinfort erlösen. 

 

938. UM WELCHE ART DER ERLÖSUNG BITTEN WIR DENN?

 

Um beide, dass Gott mit seinem Trost und kräftiger Geduld uns zum vördersten beistehen (A), nachmals ein Kreuz nach dem andern überwinden lassen (B), und uns endlich durch einen seligen Abschied, oder den lieben jüngsten Tag von allem Übel befreien wolle (C). 

 

(A)

Joh. 17,15: Ich bitte nicht, Vater, dass du sie von der Welt nehmest, sondern dass du sie bewahrest vor allem Übel. 

Jes. 38,17: Siehe, um Trost war mir sehr bange; du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünde hinter dich zurück. 

Ps. 94,19: Ich hatte viel Bekümmernisse in meinem Herzen; aber deine Tröstungen ergötzten meine Seele. 

Hebr. 10,36: Geduld ist euch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut, und die Verheißung empfahet. 

 

(B)

1 Kor. 1,3-5: Gelobet sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. 

Ps. 119,75.76: Herr, ich weiß, dass deine Gerichte recht sind, und du hast mich treulich gedemütiget. Deine Gnade müsse mein Trost sein, wie du deinem Knecht zugesagest hast. 

Ps. 68,20.21: Gelobet sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch, Sela. Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn Herrn, der vom Tode errettet. 

 

(C)

2 Tim. 4,18: Der Herr wird mich erlösen von allem Übel, und aushelfen zu seinem himmlischen Reich; welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. 

 

939. DÜRFEN WIR DENN UM DEN TOD BITTEN?

 

Wo solches geschieht aus Verdruss des Leidens und Kreuzes, und ohne völlige Ergebung in göttlichen Willen, so ist es Sünde und Ungeduld. Fromme Christen aber haben Verlangen nach ihrem Abschied, und bitten Gott darum, aber mit gänzlicher Heimstellung in göttlichen Willen, dass sie auch bereit seien, wo Gott noch länger durch ihr Leiden gepriesen werden wollte, noch länger in dem Fleisch zu bleiben: sodann geschiehets von ihnen nicht aus Ungeduld des Kreuzes, sondern aus Hass gegen die Sünde, davon sie in diesem Leben niemals vollkommen frei werden können, und aus liebreichem Verlangen, ihren Heiland zu sehen, und mit ihm noch genauer vereiniget zu werden. 

 

Röm. 7,24: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?

Phil. 1,22-24: Sintemal im Fleisch leben dienet mehr Frucht zu schaffen, so weiß ich nicht, welches ich erwählen soll; denn es liegt mir beides hart an: Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein, welches auch viel besser wäre; aber es ist nötiger im Fleisch bleiben, um euretwillen. 

2 Kor. 5,6-9: Wir sind getrost allezeit und wissen, dass, dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn: denn wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem Herrn; darum fleißigen wir uns auch, wir seien daheim, oder wallen, dass wir ihm wohlgefallen. 

 

940. WAS ERFORDERT ABER SOLCHE BITTE VON UNS?

 

Dass wir das Elend dieses Lebens so viel mehr erkennen, welches aus der Sünde herkommt, und so viel weniger unser Herz an etwas Zeitliches hängen, welches mit so viel Übeln vermischet ist: sodann mit Freuden der endlichen Erlösung erwarten sollen, als warum wir täglich gebeten haben. 

 

941. WAS FASSET DER BESCHLUSS DES VATER UNSERS IN SICH?

 

Einen Lobspruch, und die Bekräftigung der getanen Bitten durch das Amen. 

 

942. WIE LAUTET DER LOBSPRUCH?

 

Denn dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit in Ewigkeit. 

 

943. GEHÖREN DENN SOLCHE WORTE AUCH ZU DIESEM GEBET?

 

Ja, denn Christus hat sie darzu gesetzt in dem Evangelisten Matthäus, wo sie auch in den ältesten Griechischen Büchern, und den Vätern, die in solcher Sprache geschrieben haben, befindlich sind, ob sie wohl in der Lateinischen Bibel ausgelassen worden. So scheinet auch, dass Christus in solchem Lobspruch auf das Alte Testament gesehen (A), und hingegen Paulus wiederum 2 Tim. 4,18. auf diese Worte Christi gesehen habe (B). 

 

(A)

1 Chron. 30,10-13: Gelobest seist du Herr, Gott Israels, unsers Vaters, ewiglich. Dir gebühret die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Dank; denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. Dein ist das Reich, und du bist erhöhet über alles zum Obersten; dein ist Reichtum, und Ehre vor dir; du herrschest über alles, in deiner Hand stehet Kraft und Macht; in deiner Hand stehet alles, jedermann groß und stark zu machen. Nun, unser Gott, wir danken dir, und rühmen den Namen deiner Herrlichkeit. 

 

(B)

2 Tim. 4,18: Der Herr wird mich erlösen von allem Übel, und aushelfen zu seinem himmlischen Reich. Welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. 

 

944. WAS IST SOLCHER WORTE MEINUNG?

 

Dass wir 1. sowohl unseren Glauben damit stärken, es werde uns Gott gewiss erhören, weil das Reich sein, und wir seine Untertanen seien; weil er auch allein die Macht habe, und solches durch die Erhörung erweisen werde; weil auch die Herrlichkeit sein sei, und also die Erhörung zu seinen Ehren gereichen werde: als auch, dass wir 2. Gott dem Herrn die Ursachen darinnen vortragen, warum wir uns der Erhörung von ihm getrösten, nicht um unsertwillen, sondern weil alle Ehre sein sei, und zum Preis seines Reichs und Macht gereichen solle; daher wir in unserem Gebet nicht nur auf unseren Nutzen, sondern zum vördersten auf seine Ehre gesehen und darum gebeten haben: endlich 3. dass wir in gewisser Zuversicht der erwünschten Erhörung ihm bereits dafür danken. 

 

Jer. 33,9: Das soll mir ein fröhlicher Name, Ruhm und Preis sein unter allen Heiden auf Erden, wenn sie hören werden alles das Gute, das ich ihnen tue. 

Ps. 79,9: Hilf du uns, Gott unser Helfer, um deines Namens Ehre willen; errette uns und vergib uns unsere Sünde, um deines Namens willen. 

 

945. WIE LANG KOMMET ABER SOLCHES GOTT DEM HERRN ZU?

 

In Ewigkeit: da hingegen alle anderen Reiche, Macht und Herrlichkeit ein Ende haben. 

 

946. WAS HEISSET ENDLICH DAS AMEN, WOMIT WIR DAS VATER UNSER BESCHLIESSEN?

 

Dass ich soll gewiss sein, solche Bitten sind dem Vater im Himmel angenehm und erhöret: denn er selbst hat uns geboten, also zu beten, und verheißen, dass er uns wolle erhören. Amen, Amen, das heißt: Ja, ja, es soll also geschehen. 

 

947. WAS IST DENN DIE EIGENTLICHE MEINUNG DIESES AMEN?

 

Dass wir wissen, von wem, wie und was wir gebeten haben, glauben, dass uns Gott solches geben wolle, und setzen unser Vertrauen darauf, wünschen auch endlich von Herzen, dass es möge erfüllet werden. Ist also sowohl ein Glaubens- als ein Wunschwort, damit wir unser Gebet versiegelen. Daher es auch die Andacht erfordert. 

 

948. KÖNNEN WIR DENN DER ERHÖRUNG GEWISS SEIN, DIE WIR MIT SOLCHEM AMEN BEZEUGEN?

 

Ja freilich, können und sollen wir der Erhörung gewiss sein.

 

949. WELCHES SIND ABER DIE GRÜNDE SOLCHER GEWISSEN UND ZUVERLÄSSLICHEN ERHÖRUNG?

 

1. Gottes Befehl: weil er uns hat heißen beten, so kann er auch die Erhörung nicht versagen, noch uns vergebens beten lassen (A). 2. Seine gnädige Verheißung, und also in derselben seine Gütigkeit, die ihn bewogen, uns solches zu versprechen, sodann seine Wahrheit, nachdem ers versprochen hat (B). 3. Christi und des heiligen Geistes Fürbitte, durch welche, was an unsers Gebets Würdigkeit mangelt, genugsam ersetzet wird (C). 4. Der ganzen christlichen Kirche allgemeines Gebet, dieweil kraft der Gemeinschaft der Heiligen unser Gebet niemals allein vor Gott kommet, sondern allemal von dem Seufzen so vieler gläubiger Mitbrüder und Mitschwestern begleitet wird (D). 5. Sodann unser eigen und so viel anderer Exempel, denen Gott nicht nur viel Gutes, ehe sie gebeten, erwiesen, sondern vornehmlich ihr Gebet wirklich erhöret hat (E). 

 

(A)

Ps. 27,8: Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen; darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz. 

Ps. 50,15: Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. 

 

(B)

Jes. 65,24: Es soll geschehen, ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. 

Joh. 16,23: Wahrlich, wahrlich ich sage euch, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird ers euch geben. 

1 Joh. 5,14.15: Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, dass, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns; und so wir wissen, dass er uns höret, so wissen wir, dass wir die Bitte haben, die wir von ihm gebeten haben. 

Luk. 11,9-13: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfähet; und wer da suchet, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgetan. Wo bittet unter euch ein Sohn seinen Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete? und so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange für den Fisch darbiete? oder so er um ein Ei bittet, der ihm einen Skorpion dafür biete? So denn ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?

 

(C)

1 Joh. 2,1: Ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. 

S. oben Fr. 581. 669. 

Röm. 8,26: Desselbigen gleichen der Geist hilft unserer Schwachheit auf; denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sichs gebühret, sondern der Geist selbst vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen. 

 

(D)

Jak. 5,16: Betet für einander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.

Eph. 6,18: Betet stets in allem Anliegen, mit Bitten und Flehen im Geist und wachet dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen. 

Ps. 65,3: Du erhörest Gebet; darum kommt alles Fleisch zu dir. 

 

(E)

Ps. 22,5.6: Unsere Väter hofften auf dich, und da sie hofften, halfest du ihnen aus; zu dir schrien sie, und wurden errettet; sie hofften auf dich, und wurden nicht zu Schanden. 

 

950. KÖNNEN NUN ALLE SOLCHER ERHÖRUNG GEWISS SEIN?

 

Ja alle, welche gläubige Kinder Gottes sind: denn Unbußfertige und Ungläubige mögen nicht erhörlich beten (A). Sodann muss das Gebet selbst auch in dem Glauben, und nach göttlichem Willen geschehen, sollen wir der Erhörung versichert sein (B). Daher, wo unser Gebet lange nicht erhöret wird, sollen wir uns prüfen, ob wir etwa hierinnen einigen Fehler begangen, damit wir ihn bessern, oder ob Gott allein durch solchen Aufschub unsere Geduld üben wolle. 

 

(A)

S. oben Fr. 801. 

 

(B)

1 Joh. 5,14: Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, dass, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns. 

Jak. 4,2.3: Ihr habt nicht, darum dass ihr nicht bittet. Ihr bittet und krieget nicht, darum dass ihr übel bittet, nämlich dahin, dass ihrs mit euren Wollüsten verzehret. 

 

951. GESCHIEHET DENN ALLEZEIT, WAS DIE GLÄUBIGEN GEBETEN HABEN?

 

In allen Dingen, welche gewiss zu ihrem Heil und Wohlfahrt gehören, geschiehet solches, warum sie gebeten haben, ohnzweifentlich (A). Wo sie aber etwas unwissend bitten, das ihnen nicht gut würde sein, so erhöret sie Gott nicht sowohl nach ihrem Willen, als, welches ihnen viel besser ist, nach seinem Willen, und gibet ihnen für das Gebetene etwas noch Vortrefflicheres; wie sie auch selbst nicht anders gebeten haben, als mit demütiger Unterwerfung unter göttlichen Willen (B). 

 

(A)

1 Joh. 5,14.15. S. oben Fr. 949. 

Ps. 145,18.19: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen die ihn mit Ernst anrufen. Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und höret ihr Schreien und hilft ihnen. 

 

(B)

2 Kor. 12,8.9: Dafür ich dreimal dem Herrn geflehet habe, dass er von mir wiche. Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. 

Matth. 26,39: Mein Vater, ists möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst. 

 

952. ERHÖRET ABER GOTT DAS GEBET ALSOBALD?

 

Alles rechtschaffene und gläubige Gebet erhöret Gott alsobald, dass er bestimmt, dasselbe zu erfüllen, und die Hilfe zu tun (A): aber solche Hilfe selbst kommt nicht allezeit alsobald, sondern zu der Zeit, die Gott zu seiner Ehre und unserem Besten nützlich befindet. Daher es manchmal ein langer Verzug uns scheinet zu sein, und ist doch wohl gemeinet (B): also dass man mit dem Gebet zwar anhalten, aber doch dabei seinen Willen dem göttlichen Willen unterwerfen muss (C). 

 

(A)

Dan. 9,23: Da du anfingst zu beten, ging dieser Befehl aus. 

 

(B)

2 Kor. 6,2: Ich habe dich in der angenehmen Zeit erhöret, und habe dir am Tage des Heils geholfen. 

Habak. 2,3.4: Die Weissagung wird ja noch erfüllet werden zu seiner Zeit, und wird endlich frei an den Tag kommen, und nicht ausbleiben; ob sie aber verzeucht, so harre ihrer; sie wird gewisslich kommen, und nicht verziehen. Siehe wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens. 

2 Petr. 3,9: Der Herr verzeucht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten, sondern er hat Geduld mit uns, und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße bekehre. 

 

(C)

Luk. 18,1: Er sagte ihnen aber ein Gleichnis davon, dass man allezeit beten, und nicht laß werden sollte u.s.w. 

S. Matth. 26,39.42.44. 

 

 - FORTSETZUNG -