V.

DIE SORGE DER UNSCHLÜSSIGKEIT,

DES WANKELMUTS, DER TROSTLOSIGKEIT.

 

Keiner kann zweien Herren dienen –

nach solchem allen trachten die Heiden.

 

Diese Sorge hat der Vogel nicht.

Sind die Engel Gottes Boten, die jedem seiner Winke gehorchen, braucht er die Winde wie seine Engel – der Vogel und die Lilie sind ebenso gehorsam, ob Gott sie auch nicht als Boten braucht, ob es auch ist, als könnte er sie zu nichts brauchen! Der Vogel und die Lilie haben keine Veranlassung dazu, sich selbst wichtig zu werden wegen des Gebrauches, der von ihnen gemacht wird, sie fühlen sich in Demut überflüssig. Doch sind sie deswegen Gott nicht weniger lieb, auch ist das nicht das geringste Glück, auf diese Weise überflüssig zu sein. Nicht selten scheint in dem vielgeschäftigen Leben der Menschen der ungewöhnlich-Begabte gerade überflüssig zu sein, weil er sich zu allem dem nicht eignet, was die Vielgeschäftigkeit ihm zuweisen, womit sie ihn beschäftigen, wozu sie ihn brauchen will – und doch dient seine Überflüssigkeit mehr zu des Schöpfers Ehre als alle Wichtigtuerei der Vielgeschäftigkeit! Maria erwies Christus mehr Ehre, indem sie zu seinen Füßen saß, als die Tätigkeit der geschäftigen Martha! Also ist die Lilie und der Vogel ein „Überfluß“ von Schönheit und Freude, die Gott an die Schöpfung verschwendet hat, aber gerade weil sie ein Überfluß sind, wird auch der vollkommenste Gehorsam von ihnen gefordert. Wohl ist alles, was da ist, aus Gnade; aber derjenige, welcher in dem Maße der Gnade alles schuldet, daß er versteht, er ist ein Überfluß, der muß um so gehorsamer sein! Wohl ist alles, was da ist, ein Nichts in des Allmächtigen Hand, der es aus nichts schuf; aber das, was, da es wurde, es doch nur dazu brachte, ein Überfluß zu werden, das muß am tiefsten verstehen, wie es ein Nichts ist! Wenn Eltern für ihre eigenen Kinder ein Fest veranstalten, fordern sie wohl den frohen Gehorsam oder die Freude, welche schon der Gehorsam ist. Wenn sie aber für arme Kinder ein Fest veranstalten und alles dazu geben, ganz so als ob es für ihre eigenen Kinder wäre, so verlangen sie noch entschiedener und bestimmter die Freude, deren Geheimnis unbedingter Gehorsam ist.

Ganz so ist die Lilie und der Vogel allein „dem Herrn“ dienstbar, ohne einen Ge-danken an irgend einen andern Herrn, und ohne einen einzigen Gedanken, der nicht für ihn wäre. Sie sind gehorsamer in seiner Hand als das schmiegsamste Gewächs in des Gärtners Hand, gehorsamer jedem seiner Winke als die an den Taubenschlag gewöhnte Taube ihrem Herrn ist. Alles, was Vogel und Lilie heißt, gehört einem Herrn; aber jeder Vogel und jede Lilie dient nur diesem einen Herrn.

Darum ist der Vogel nie unschlüssig, obgleich es so aussehen könnte, wenn er hin und her fliegt. Es ist aber das Entgegengesetzte der Fall, ganz bestimmt, es geschieht vor lauter Freude: Es ist nicht der unsichere Flug der Unschlüssigkeit, es ist der leichte Schwung des vollen Gehorsams! Wohl wird der Vogel seines Aufenthaltortes bald müde und fliegt weit weg; das ist aber nicht Wankelmut, es ist gerade das Entgegengesetzte, es ist der feste und bestimmte Entschluß zum vollkommenen Gehorsam, selten mag eines Menschen Entschluß so bestimmt sein und so fest stehen. Wohl sieht man auch zuweilen einen Vogel sitzen und den Schnabel hängen lassen, er kann Sorge und Trauer haben, es ist aber nicht Trostlosigkeit. Nie ist der gehorsame Vogel ohne Trost und wesentlich ist sein Leben Sorglosigkeit, gerade weil es nur einem Herrn dient – was wiederum dem Vogel und dem Menschen am besten dient, dazu dient, ihn vor trostlosen Sorgen zu bewahren!

 Wie sind denn die Lilie und der Vogel für uns Lehrmeister? Ganz einfach! Der Vogel und die Lilie dienen nur einem Herrn und, was dasselbe ist, sie dienen ihm ganz. So sei denn du wie die Lilie und der Vogel, diene auch du nur einem Herrn, diene ihm von ganzem Herzen, mit ganzem Gemüt und mit deiner ganzen Kraft – so bist du auch ohne Sorgen. Vornehmer als der Vogel und die Lilie bist du ver-wandt mit jenem Herrn (die Lilie und der Vogel sind nur wie die armen Kinder), aber in Gehorsam dienst du doch demselben Herrn, wenn du wie die Lilie und der Vogel ihm ganz dienst.

Der Christ hat diese Sorge nicht!

„Keiner kann zweien Herren dienen“, – oder, es gibt nur einen Herrn, dem man ganz dienen kann! Es ist nämlich nicht so mit der Wahl zwischen diesen zwei Herren, daß man, wenn man bloß den einen von zweien wählt und dann diesem einen dient, einerlei welchem von ihnen, daß man auf diese Weise nur einem Herrn dient. Nein, es gibt nur einen, der so Herr ist, ja „der Herr“ ist, daß man, wenn man ihm dient, einem Herrn dient. Das ist ja auch klar, daß, wenn es nur „einen Herrn gibt“, man nicht einem Herrn dient, wenn man nicht ihm dient. Daher ist es nicht wahr, daß derjenige, der es erwählte, dem Mammon ganz zu dienen, nur einem Herrn dient; denn gegen seinen Willen ist er doch in des andern Herrn, in „des Herrn“, Dienst. Erwählt ein Mensch einen andern Herrn als Gott, so muß er Gott hassen; „denn er muß entweder den einen lieben und den andern hassen“, das heißt, wenn er den einen liebt, so haßt er den anderen. Aber wie sehr er auch Gott hasse, darum entgeht er doch nicht seinem Dienst – und dient dabei doch nicht dem einen Herrn! Es steht mit dem Dienst-Verhältnis eines Menschen zu Gott nicht wie mit dem Verhältnis eines dienenden Menschen zu einem andern Menschen, der aus seinem Dienste so weit weglaufen mag, daß sein erster Herr ihn nicht greifen kann. Nein, derjenige Mensch, welcher es erwählte, ob es auch sein noch so verzweifelter fester Wille wäre – einem „anderen“ Herrn zu dienen als „dem Herrn“, der bleibt doch in zweier Herren Dienst. Und dieser Selbstwiderspruch gerade ist seine Strafe: das Unmögliche zu wollen, denn es ist unmöglich, zweien Herren zu dienen! Aber es ist auch nur da möglich, einem Herrn zu dienen, wo man es erwählt, ganz „dem Herrn“ zu die-nen. Es sieht beinahe verführerisch aus, es ist, als wollte das Evangelium die menschliche Willkür (Wahlfreiheit) entfesseln, indem es sagt: Einen von den zwei mußt du wählen! O, aber hier eben ist der schreckliche Ernst der Ewigkeit gegenwärtig, um uns zurückzuhalten; denn nur den einen kannst du so wählen, daß du dadurch, daß du ihn wählst, einem Herrn dienst. Darum ist es nicht wahr, daß derjenige, der es bei sich selbst sich vorgenommen hat, zu zweifeln, nur einem Herrn, dem Zweifel, dient. Denn „zweifeln“ ist gerade, wie das Wort selbst darauf hinweist, mit sich selbst uneins, „entzweit“, sein. Auch das ist nicht wahr, daß derjenige, welcher – wie abscheulich es auch ist, – ganz eins mit sich wurde, ein Bösewicht werden zu wollen, nur einem Herrn, dem Teufel dient. Denn so wenig Einigkeit in einer Räuberhöhle ist, so wenig Einigkeit ist auch in einem Herzen, das eine Räuberhöhle ist. Wie wäre es denn auch möglich, in Uneinig-keit „einem“ Herrn zu dienen! Der Christ dient nur einem Herrn, „dem Herrn“, und er dient ihm nicht nur, sondern er liebt ihn, er „liebt Gott seinen Herrn von gan-zem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen Kräften“. Eben darum dient er ihm ganz; denn nur Liebe einigt ganz, einigt das Verschie-denartige in Liebe, und einigt hier den Menschen ganz mit Gott, der die Liebe ist. Liebe ist das festeste von allen Banden, denn sie macht den Liebenden eins mit dem Geliebten; fester kann kein Band binden, oder so fest kann kein Band binden. Und die Liebe, die Gott liebt, ist das Band der Vollkommenheit, das in vollkommenem Gehorsam den Menschen eins macht mit dem Gott, den er liebt. Und die Liebe, die Gott liebt, ist das „dienlichste“, das nutzbringendste Band, denn indem es einen Menschen allein in Gottes „Dienst“ festhält, erlöst es ihn vom Sorgen. Diese Liebe einigt einen Menschen, sie macht ihn ewig einig mit sich selbst und mit dem Herrn, der ein einiger Herr ist; und sie vereinigt den Menschen in Ähnlichkeit mit Gott. O seliger Dienst, so Gott allein zu dienen! Darum lautet es auch so feierlich, wenn wir es in einem Wort aussprechen; denn dieser Dienst ist ja „Gottes-Dienst“, des Christen Leben ist lauter Gottesdienst. So hoch trieb es der Vogel nie, daß man dessen Leben einen Gottesdienst hätte nennen können, so vollkommen im Gehorsam ward der Vogel niemals, ob er auch noch so gehorsam war!

So ist denn der Christ noch gehorsamer als der Vogel? Ja, das ist er auch! Der Vogel hat keinen andern Willen als Gottes Willen, der Christ aber hat einen andern Willen, den er im Gehorsam gegen Gott stets opfert, um so gehorsamer ist er. Schweres, aber Gott wohlgefälliges und darum seliges Opfer! Man redet von sehr Verschiedenem, was der Mensch am meisten, am höchsten lieben kann: Sein Weib, sein Kind, seinen Vater, sein Vaterland, seine Kunst, seine Wissenschaft. Was aber jeder Mensch im Grunde am meisten liebt, mehr als sein einziges Kind, das Kind der Verheißung, mehr als seine im Himmel und auf Erden einzige Geliebte, ist doch der eigene Wille. Darum sollst du an dein Kind nicht Hand legen – Gott ist nicht grausam –, deine Geliebte nicht verlassen – Gott ist nicht hartherzig! Es gibt etwas anderes, noch tieferes in dir, das zu deinem eigenen Heile dir genommen wird, und doch hältst du, zu deinem eige-nen Schaden, nichts so fest und nichts hält so fest an dir (denn eher würde das Kind sich hineinfinden, geopfert zu werden, und das Mädchen, das Opfer zu werden) – als der eigene Wille. Sieh, der Vogel ist sogleich bei der Hand, um Gottes Willen zu gehorchen; aber erst von weitem her, in einem gewissen Sinne, kommt der Christ, der doch gehorsamer ist als der Vogel. Wessen Schnelligkeit ist denn auch größer, desjenigen, der an deiner Seite steht und im selben Augenblick sich bloß umzuwenden braucht; oder desjenigen, der aus der Ferne doch im selben Nu auf dem Platze ist? Der Vogel kommt, so schnell er kann, sobald Gott ihn ruft, Ehre ihm, es ist eine Freude, ihn anzusehen. Aber der Christ kommt unsäglich schneller, denn er kommt eben so schnell von dem her – seinen eigenen Willen aufzugeben!

Darum ist auch der Christ frei von Sorgen, niemals unschlüssig – er ist gläubig, niemals wankelmütig – er ist ewig-entschlossen, niemals trostlos – er ist allezeit froh, allezeit dankerfüllt! Daß Gehorsam der Weg dahin ist, hat er gelernt und lernt er von dem, der „der Weg“ ist, von ihm, der selber Gehorsam lernte und gehorsam war. Er war gehorsam in allem, gehorsam darin, alles aufzugeben (die Herrlichkeit, die er vor Grundlegung der Welt hatte), gehorsam, alles zu ent-behren (auch das, woran er sein Haupt anlehnen konnte!), gehorsam, alles auf sich zu nehmen (der Menschheit Sünde), gehorsam, alles zu leiden (der Mensch-heit Schuld), gehorsam, sich allem im Leben zu unterwerfen, gehorsam im Tode.

So dient denn der Christ in vollkommenem Gehorsam nur einem Herrn. Wie der Vogel unaufhörlich zu des Schöpfers Ehre singt, so ist des Christen Leben, oder er versteht es und gesteht es wenigstens, daß es so sein sollte, und schon dieses Verstehen, dieses Gestehen, ist eine Ehrenbezeugung. So lautet des Christen Leben wie ein Lobgesang zu Gottes Ehre, denn dieses Leben lauscht auf Gott in noch willigerer und seligerer Übereinstimmung als der Sphären Lob-gesang. Dieses Leben ist der Lobgesang; denn Gott kann nur gelobt werden durch Gehorsam, am besten durch vollkommenen Gehorsam. Deshalb ist aber der Ton dieses Lobgesanges so hoch gestimmt und so tief gegriffen, weil der demütige und freudige Gehorsam nicht das preist, was ein Mensch versteht, sondern was er nicht versteht. Und deshalb ist das Instrument dieses Lobge-sanges nicht die Kindertrompete des menschlichen Verstandes, sondern die himmlische Posaune des Glaubens. Der Christ preist nur eins, und das in Ge-horsam: daß Gott alles tut, und daß alles, was Gott tut, lauter Gnade und Weis-heit ist. Eigentlich ist es denn auch eine Art Naseweisheit, eine Aufsässigkeit, die der Christ sich nie erlauben würde, so ohne weiteres Gott dafür zu danken, daß es so geschieht, wie man es selbst verstehen zu können meint, daß es einem dienlich und erfreulich ist. Widerfährt solches dem Christen, so dankt er wohl, er, der allezeit dankt; aber er ist dann gerade gegen sich selbst mißtrauisch und zweifelhaft, er bittet Gott um Vergebung, sollte er zu heftig danken, zu heftig, weil das, was geschah, nach seinem kindischen Begriff ihm dienlich und erfreulich schien. Darin nämlich besteht der eigentliche Lobgesang, die Hymne, das „hohe Lied“: mit freudigem und unbedingtem Gehorsam Gott loben, wenn man ihn nicht verstehen kann. Ihn zu preisen an jenem Tage, wo alles dir zuwider geht, wo es dir schwarz vor den Augen wird, wenn andere es dir vielleicht leicht beweisen könnten, daß es keinen Gott gibt – da, statt dich wichtig zu machen mit Bewei-sen, daß es einen Gott gibt, demütig zu beweisen, daß du glaubst, daß es einen Gott gibt und dies durch freudigen und unbedingten Gehorsam beweisen – das ist der Lobgesang! Nicht ist der Lobgesang etwas Höheres als der Gehorsam, sondern der Gehorsam ist der einzige wahre Lobgesang; im Gehorsam ist der Lobgesang, und ist der Lobgesang Wahrheit, so ist er Gehorsam.

In deinem Verhältnis zu einem Menschen kannst du, um dich seinem Willen zu fügen, etwas tun, was dir selbst wirklich zum Schaden gereicht, dich beraubt; wenn auch der Schade nie groß wird, da es dir selbst doch auch zum Segen gereicht, um eines anderen Willen ein Opfer zu bringen. Aber sollte das denn möglich sein, daß ich, durch Gehorsam in Gottes Willen mich selbst in irgend einer Weise schädigte – wo doch sein Wille mein einziger wahrer Gewinn ist! Wenn dem nun so ist, sollte da der Gehorsam nicht allezeit ein freudiger sein, sollte er sich noch einen einzigen Augenblick bedenken, freudig zu sein, da es doch einzig und allein mein Gewinn ist, der von mir verlangt wird!

Alle Geschöpfe loben Gott, indem sie seinem Wink gehorchen. Der Christ preist ihn mit einem noch vollkommeneren Gehorsam, mit freudigem Gehorsam auch dann, wenn er versteht, daß er Gott nicht versteht. Wo sollte denn da noch eine Tür offen gelassen sein, oder die Hintertür unbewacht bleiben, durch welche die Unschlüssigkeit oder der Wankelmut oder gar die Trostlosigkeit sich in des Christen Seele hineinschleichen könnte? Nein, keine Festung ist so sicher wie die des Glaubens! Bei jeder anderen Festung – selbst wenn der Feind keine Tür offen fände, keinen Steg gebahnt oder die Möglichkeit, einen zu bahnen – wird er doch durch gänzliches Abschneiden aller Verbindungen mit der Außenwelt, aller Zufuhr, sie zuletzt aushungern und zur Übergabe zwingen. Aber je mehr du dem Glauben alle Zufuhr von der Außenwelt abschneidest (der Unschlüssigkeit, des Wankelmutes, der Trostlosigkeit Zufuhr – ja, es entspricht bei ihm nichts anderes der Zufuhr, die eine Festung von außen bedarf), desto sicherer ist die Festung, du irrst dich, wenn du meinst, daß du sie angreifst, du befestigst sie nur. Es ist nur eine prunkende Unwahrheit, eine Festung eine kleine Welt für sich zu nennen. Aber die Glaubensfeste ist eine Welt für sich, und sie hat das Leben innerhalb ihrer Wälle; und wessen du am wenigsten bedarfst, ja, was dir am meisten schadet, ist alle Zufuhr von der Außenwelt. Schneide dem Glauben jede Verbindung mit der Außenwelt ab, hungere ihn aus – desto uneinnehmbarer wird er, desto reicher dessen Leben! Und beim Glauben in dieser Festung wohnt der Gehorsam.

Der Heide dagegen hat diese Sorge. Denn Heidentum ist eben Doppelheit, zwei Willen, Herrenlosigkeit oder, was dasselbe ist – Knechtschaft! Das Heidentum ist ein Reich, das mit sich selbst entzweit ist, ein Reich in lauter Aufruhr, wo der eine Tyrann den andern ablöst, wo aber doch keiner Herr ist. Das Heidentum – ein Gemüt in Aufruhr; mit des Teufels Hilfe wird des Augenblicks Teufel ausgetrieben, und es fahren sieben ärgere hinein! Das Heidentum ist, wie verschieden es sich auch äußert, im letzten Grunde Ungehorsam, der ohnmächtige, sich selbst wider-sprechende Versuch, zwei Herren dienen zu wollen! Dafür ist aber auch die Stra-fe: „Wehe dem Sünder, der auf zwei Wegen geht!“ In Einem gleichen alle Heiden einander, im Ungehorsam gegen „den Herrn“; und es gibt Eins, was kein Heide tut, er dient nicht einem Herrn. In allem andern versucht er sich vielleicht darin, einem Herrn dienen zu wollen, der doch nicht der Herr ist, ohne selbst Herr sein zu wollen, ja mehreren Herren dienen zu wollen – und je mehr er in dergleichen versucht wird, desto mehr wird dann sein letztes ärger als sein erstes war.

Zuerst ist der Heide unschlüssig. Solange er unschlüssig ist, sieht es aus, als sei noch nichts verschuldet, als hätte er noch die Möglichkeit, den einen Herrn zu wählen, als sei er ohne Sorge, und seine Unschlüssigkeit ernste Erwägung. Viel-leicht meint er, daß, je länger der Mensch beim Erwägen verweilt, desto ernster sein Entschluß werde. Vielleicht – wenn derselbe nicht ganz ausbleibt! Und man vergesse doch um alles nicht, daß es ein Etwas gibt, das keiner langen Überle-gungen bedarf. So z. B. einer Geringfügigkeit gegenüber, da würde ein langes Überlegen doch ein sehr bedenkliches Zeichen sein! Solcher Geringfügigkeiten gibt es viele im Leben. Aber es gibt auch noch etwas, dem gegenüber langes Überlegen zu bedürfen ein sehr bedenkliches Zeichen ist: Gott gegenüber oder der Frage – Gott zu erwählen. Das Unbedeutende steht in keinem Verhältnis zu langem Überlegen und Bedenken. Hier aber ist das lange Überlegen so weit davon entfernt, Ernst zu sein, daß es im Gegenteil den Mangel an Ernst beweist, und sich dadurch als Unschlüssigkeit erweist. Denn es kann nicht heißen, daß ein Mensch, je länger er erwägt und überlegt, Gott desto näher kommt! Im Gegenteil, je länger das Überlegen wird, während die Wahl hinausgeschoben wird, desto mehr entfernt er sich von Gott. Gott zu erwählen ist allerdings die entscheidendste und höchste Wahl; aber wehe dem Menschen, der hierzu langer Überlegungen bedarf, und wehe über ihn, je länger er ihrer bedarf! Denn gerade des Glaubens ungeduldige Entschlossenheit, sein unendlicher Drang, der von nichts anderem hören will, ist nicht nur der Wahl am nächsten, sondern am besten auf die Wahl vorbereitet. Derjenige, der die Gottlosigkeit verschuldete, es ganz ruhig sich vorstellen zu wollen, ob er nun Gott oder einen andern Herrn wählen soll, wird gewiß unschlüssig und zwar in dem Grad, daß er vermutlich nimmer da herauskommt! Wunderbar, man redet sonst davon, daß eine arme Familie schlimm daran ist, und es schwer hat, aus der Armut herauszukommen. Aber demjenigen, welcher in Unschlüssigkeit reich an Überlegungen geworden ist, wird es doch noch weit schwerer, aus diesem Reichtum herauszukommen. Denn Gott ist nicht wie etwas, das man im Kramladen kauft, oder wie ein Besitz-tum, bei dem man, nachdem man klug und vorsichtig lange Zeit geprüft und gemessen und berechnet hat, sich davon überzeugt, daß es wert ist, gekauft zu werden! Die gottlose Ruhe eben, mit welcher der Unschlüssige sein Verhältnis zu Gott anfangen will (er will ja mit dem Zweifel anfangen!), sie gerade ist die Auf-sässigkeit. Denn damit wird Gott vom Throne gestürzt, und hört auf, „der Herr“ zu sein! Wenn man dies getan hat, so hat man eigentlich schon einen andern Herrn gewählt, den Eigenwillen, und wird somit ein Knecht der Unschlüssigkeit!

Wenn nun die Unschlüssigkeit lange genug geherrscht hat, kommt der Wankel-mut (Luc. 12,29.) zur Herrschaft. Es sah vielleicht eine Zeitlang aus, als berge die Unschlüssigkeit die Spannkraft der Wahl, diese Möglichkeit in sich. Die ist nun verzehrt, falls sie überhaupt vorhanden war, des Heiden Seele ist abgespannt, da wird offenbar, was die Unschlüssigkeit eigentlich in sich birgt. In der Unschlüssig-keit ist noch eine Macht, um die Gedanken niederzuhalten; die Unschlüssigkeit macht wenigstens einen Versuch, selbst Herr im Hause zu sein, sie selbst setzt die Gedanken zusammen. Nun ist aber die Herrenlosigkeit der Gedanken vollends zur Herrschaft gekommen, oder des Augenblickes Einfall. Der Einfall herrscht auch im Verhalten zur Frage über die Wahl Gottes. In einem augenblick-lichen Einfall scheint es dann dem Heiden, daß es doch richtig wäre, Gott zu erwählen, dann aber wiederum etwas Anderes, etwas Drittes zu wählen. Aber diese Bewegungen, welche in sich nichts bedeuten, erhalten auch hintennach keine Bedeutung, hinterlassen keinerlei Spur, außer der vermehrten Indolenz und Abgespanntheit. Wie bei der Trägheit des stehenden Wassers eine Blase träg aufsteigt und leer zerplatzt, so treibt der Wankelmut Blasen in lauter Einfällen ohne Ende.

Nachdem der Wankelmut lange genug geherrscht und selbstverständlich, wie alle ungöttlichen Herrscher, das Blut ausgesogen und entnervt hat, kommt die Trost-losigkeit zur Herrschaft. Dann wünscht der Heide den Gedanken an Gott am liebsten ganz los zu werden. Er möchte nun in die Leere der Weltlichkeit versin-ken, um dort Vergessenheit zu suchen, Vergessenheit für den gefährlichsten, weil den erhebendsten, von allen Gedanken, den – an Gott erinnert zu werden, für Gott zu existieren. Was ist denn wohl gefährlicher für denjenigen, der sinken will, als alles, was erheben will! So meint er nun, seinen Schmerz verwunden, alle Einbildungen verscheucht, und sich zu trösten gelernt zu haben. O ja, wahrhaftig, gleich wie wenn der Tiefgesunkene, um sich zu „trösten“ (entsetzliche Trostlosig-keit!) zu einem Menschen sagt, bei dessen Anblick er an etwas Höheres erinnert wird: Laß mich nur für das gelten, was ich bin! So geht das Licht des Geistes aus, ein einschläfernder Nebel hängt sich über seine Augen, er mag gar nichts mehr; und doch wünscht er nicht zu sterben, er lebt auf seine Weise. O entsetzliche Auflösung, ärger als die des Todes, lebendig zu vermodern, ohne Kraft, um auch nur über sich selbst und seinen Zustand zu verzweifeln. So geht des Geistes Licht aus, und der Trostlose wird unsinnig geschäftig in allerhand Dingen, wenn ihn nur nichts dabei an Gott erinnert. Er plagt sich von morgens bis abends, sammelt Geld, macht Pläne, macht Umsätze – ja, wenn du mit ihm sprichst, wirst du ihn nur vom „Ernst des Lebens“ reden hören! O schauerlicher Ernst, dann wäre es beinah noch besser, den Verstand zu verlieren!

Was ist denn Trostlosigkeit? Nicht so sehr des Schmerzes wildester Schrei, nicht die Vermessenheit der Verzweiflung, so fürchterlich das auch ist, ist Trostlosig-keit. Sondern jene in ausgestorbener Stille getroffene Übereinkunft mit sich selbst, daß alles Höhere verloren ist, während man doch noch leben kann, wenn nur nichts einen daran erinnert, – das ist Trostlosigkeit. Auch nicht das, trostlos zu trauern, sondern das, zu trauern ganz aufgehört zu haben, ist Trostlosigkeit. Gott so verlieren zu können, daß man ganz und gar gleichgültig geworden ist und doch auch das Leben nicht unerträglich findet, das ist Trostlosigkeit. Und das ist zugleich die entsetzlichste Art von Ungehorsam, entsetzlicher als jeder Trotz; nicht Gott zu hassen, nicht ihn zu verwünschen ist so entsetzlich als ihn so zu verlieren, oder, was dasselbe ist, so sich selbst zu verlieren. Eine Kleinigkeit so zu verlieren, daß man sie nicht aufheben mag, nun, das ist vielleicht in der Ordnung. Aber sein eigenes Selbst so zu verlieren (d. i. Gott zu verlieren!), daß man sich auch nicht bücken mag um es aufzuheben, oder so, daß es einem ganz entgeht, daß man es verloren hat – o entsetzliches Verderben! Es ist doch ein unendlicher Unterschied nicht nur zwischen dem, was man verliert, sondern auch zwischen dem, wie man verliert! Gott so zu verlieren, daß die Reue unmittelbar darnach in Zerknirschung nacheilt, um das Verlorene einzuholen; Gott so zu verlieren, daß man sich an ihm ärgert, sich gegen ihn auflehnt oder gegen ihn seufzt; Gott so zu verlieren, daß man darüber verzweifelt – aber Gott so zu ver-lieren, als wäre er nichts, und als bedeute das nichts!! – – –

Laßt uns nun zum Schluß an den Vogel denken, der mit im Evangelium war und mit in der Rede sein soll. Der Vogel gehorcht in der Weise Gott, daß es noch zweifelhaft ist, ob dies nicht eins ist mit dem Eigenwillen. Der Christ verleugnet sich in der Weise, daß dies eins ist mit dem Gehorsam gegen Gott. Der Heide ist in der Weise eigenwillig, daß es ewig offenbar wird, wie er Gott nicht gehorcht! Der Vogel hat keinen Eigenwillen aufzugeben; der Christ gibt den eigenen Willen auf; der Heide gibt Gott auf! Der Vogel hat Gott weder gefunden noch verloren; der Christ gewann Gott und hält ihn für sein alles; der Heide verlor Gott und hält ihn für nichts! Der Vogel dient nur einem Herrn, den er nicht kennt; der Christ dient nur einem Herrn, den er liebt; der Heide dient dem Herrn, der Gottes Feind ist! Der Vogel gehorcht sogleich, sobald Gott ruft; der Christ ist noch gehorsamer; der Heide kann Gott nicht einmal anrufen, denn es ist, als wäre niemand da, um angerufen zu werden. Des Vogels Gehorsam dient zur Ehre Gottes; des Christen Gehorsam noch vollkommener zur Ehre Gottes; des Heiden Ungehorsam ehrt nicht Gott, er dient zu nichts – als dazu, hinausgeworfen zu werden, wie das Salz, das seine Kraft verloren hat. 

 

- Fortsetzung -