V.
Wir sind nun dem Heil näher
– als da wir gläubig wurden.
„Großer Gott, wo sind wir“, so ruft der Schiffer, wenn in der dunkeln Nacht das Schiff dem Steuer nicht gehorchen will, und keine Sterne sich zeigen, wenn Alles Dunkelheit und Finsternis ist, während der Sturm rast, wenn jede Bestimmung des Orts unmöglich ist: „Großer Gott, wo sind wir!“ Aber wer in diesen Zeiten das Christentum verkündigen soll, muß er nicht auch sagen: wo sind wir! Wir sind in der Christenheit, ja es ist wahr; da werden jedes Jahr so und so viel Christen – geboren, da werden so viele getauft, so viele konfirmiert, wir sind so und so viel Christen, ungefähr ebenso viel als Einwohner im Lande sind: aber was will das sagen? Ist das eine Bezeichnung der Stelle? Oder soll der, welcher das Christentum verkündigt, die ganze Sache so halten, daß er von der Wirklichkeit absieht, um ihr nicht zu nahe zu kommen, soll er vom Christlichen reden, aber es unentschieden lassen, zu wem er redet? Soll er davon reden, daß wir nun dem Heil näher sind, als da wir gläubig wurden, aber es gänzlich unbestimmt lassen, wer diese „wir“ sind, ob es die sind, welche jetzt leben, oder die welche vor hundert Jahren oder vor achtzehnhundert Jahren gelebt haben? soll er so reden und also in der Luft fechten, so
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daß sein Verkündigen des Christentums ein Fechten in der Luft ist? Wo sind wir! Wer in der Christenheit vom Christentum reden soll, ist er ein Missionar, der das Christentum ausbreiten soll, so daß all das Reden von der Christenheit auf einer Einbildung beruht, oder soll er annehmen, daß wir Alle Christen sind, oder soll er einen Unterschied machen, und wenn dies, wie soll er einen Unterschied machen – wo sind wir!
Auf diese Schwierigkeit scheint man in dieser Zeit weniger aufmerksam zu sein. Man betrachtet das Christentum als eine Summe von Lehrsätzen, man trägt es vor, gleich wie alte Philosophie, Hebräisch, oder jede andere Wissenschaft, das Verhältnis des Zuhörers oder des Lehrers dazu scheint gleichgültig zu sein. Dies ist im Grunde Heidentum. Christlich ist grade, daß das Verhältnis zum Christen-tum das Entscheidende ist. Es kann einer über das ganze Christentum Bescheid wissen, es zu erklären, entwickeln, darzustellen wissen – aber wenn er dabei meint, daß sein eignes persönliches Verhältnis zum Christentum gleichgültig sei, so ist er ein Heide. Doch wie man alle Regimenter gestürzt hat, so hat man auch das Regiment des Christentums gestürzt. Statt daß es über die Menschen herrschen, ihr Leben umbilden soll, nicht bloß am Sonntage sondern jeden Tag in alle Lebensverhältnisse bestimmend eingreifen soll: statt dessen hält man es sich wie eine bloße Lehre fern durch Wissenschaftlichkeit, zeigt die Übereinstimmung zwischen seinen verschiedenen Lehrsätzen – aber Dein und mein Leben, die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung des Lebens der Menschen mit dieser Lehre, dies ist das Gleichgültige.
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Deshalb haben wir diese Worte gewählt, darüber zu reden. Denn soll diese Rede nicht gänzlich sinnlos sein, so müssen wir auf die eine oder andere Weise den Menschen näher kommen, oder richtiger, sie veranlassen, sich selbst näher zu kommen. Und das ist es was wir wollen. Unsere Absicht ist es keineswegs, die Christenheit zu richten oder irgend einen Menschen in der Christenheit; wir befleißigen uns nur, uns selbst so nahe wie möglich zu kommen, das beste Mittel um uns zu verhindern, Andern durch Richten zu nahe zu kommen. Aber wohl ist es unsre Absicht, dem Zuhörer Anlaß zu geben, aufmerksam zu werden, sich selbst, sein Leben, sein Christentum zu prüfen, wo „er“ ist. Und über die Worte „wir sind nun u. s. w.“ zu reden, ohne zu bestimmen, wo „wir“ sind, würde ja eben so nichtssagend sein, wie auf einer Karte von Kopenhagen nach Jerusalem zu reisen. Über diese Worte zu reden, ohne dieses „nun“ zu bestimmen und dieses „da“, ist eben so nichtig wie in der Einbildung von einem Punkt zu einem andern reisen.
Wir sind nun dem Heil näher – als da wir gläubig wurden.
Zu einer Ortsbestimmung gehören immer zwei Punkte. Von einer Stadt sagen, sie liegt „dort“, von einem Wege, er geht „dort“, von einem Manne, er wohnt „dort“, heißt den zum Narren halten, mit welchem man redet, und sich selbst zum Narren machen, wenn man nicht die Absicht hat, den Andern zu necken, sondern ernsthaft zu reden meint. Soll Sinn und Ernst in der Rede sein, und soll der Andere Gewinn davon haben, so muß ein Punkt gegeben sein, welchen er weiß, in Bezug auf den man dann das
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„dort“ bestimmt. Deshalb läuft ja der Fremde irre in der Wüste, und deshalb wird ein Mensch ratlos auf dem Meere, weil er kein „dort“ hat, mit dessen Hilfe er merken kann, wo er ist, oder weil er keinen Punkt hat, in Bezug auf welchen er das „dort“ bestimmen könnte.
Dasselbe gilt von der Bestimmung der Zeit. Soll ich bestimmen, wo ich „nun“ bin, muß ich einen andern Zeitpunkt haben, in Bezug auf welchen ich dies „nun“ bestimme. Deshalb enthalten die als Gegenstand für diese Rede gewählten Worte, auch ganz richtig eine andere Bestimmung, mit deren Hilfe der Redende dieses „nun“ bestimmt: wir sind „nun“ dem Heil näher, denn „da“ wir gläubig wurden. Darin ist ja ein sehr guter Sinn. Wenn ein Mann sagt: „ich bin nun weiter in der oder der Arbeit, als da ich begann“, so ist Sinn darin und Bestimmung der Zeit; er hat einen Zeitpunkt, mit dessen Hilfe feststeht, daß er begann, und er mißt den Abstand vom Beginn um zu sehen, wo er nun ist. Aber wenn ein Mann diese Arbeit niemals begonnen hätte, ja, dann ist seine Rede sinnlos: es ist sinnlos zu sagen, man sei „nun“ näher, als „da“ man begann, wenn man gar nicht begann. Und wenn einer der niemals gläubig wurde, diese Worte gedankenlos nachsagte: „wir sind nun dem Heil näher, als da wir gläubig wurden“, so ist das Sinnlosigkeit.
Lege Dir da selbst dieses Wort vor, um mit seiner Hilfe Dein eigenes Leben zu prüfen, um zu wissen zu bekommen, wo Du „nun“ bist. Sollst Du dies zu wissen bekommen, so mußt Du Dich also erst sicher stellen, daß Du mit Bestimmtheit weißt, wann jenes da war, „da“ Du gläubig wurdest, oder daß die Entscheidung in Deinem
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Leben eingetreten ist, daß Du gläubig geworden bist. Bist Du auch recht auf-merksam auf diese Schwierigkeit, die einem gleichsam von rückwärts kommt? Denn die Frage ist nicht, ob Du seit jener Zeit, da Du gläubig wurdest, rückwärts gegangen seist, ob Du den Glauben aufgegeben habest. Man könnte ja nämlich so schließen: Es folgt von selbst, daß ich „nun“ dem Heil näher bin, als „da“ ich gläubig wurde; denn „nun“ ist ein späterer Augenblick als „da“, also folgt es von selbst, es müßte denn sein, daß Du seit der Zeit den Glauben aufgegeben hättest. Aber dagegen folgt nichts von selbst, wenn es nicht gewiß ist, daß Du einmal gläubig geworden bist, daß Du den Augenblick erlebt hast, da Du gläubig wurdest.
Wann wurdest Du nun gläubig? Es ist von ungeheuerer Wichtigkeit, daß Du dies feststellen kannst, wenn Du sollst bestimmen können, wo Du „nun“ bist. Und wenn die Zeitverhältnisse von der Beschaffenheit sind, daß sie dazu beitragen, es in unbestimmter Dämmerung zu lassen ob Du wirklich gläubig wurdest: Dann siehst Du wohl, wie nahe Dir die Sinnlosigkeit ist, wie sie Dich gleichsam umgibt, wie leicht es Dir sein würde, Dein ganzes Leben in Sinnlosigkeit hinzuhalten – und deshalb wie wichtig es ist, daß Du dich aus allem Sinnenbetrug reißest, der Dich verhindern will zu wissen zu bekommen, ob Du jemals gläubig wurdest, aus allen Sinnenbetrug, welcher Dir behilflich sein will, daß Du sogar eine Predigt hören könntest über diese Worte: „wir sind nun dem Heil näher, als da wir gläubig wurden“, ohne zu entdecken, daß diese Worte wie ein Spott über Dich klingen, weil Du ganz ruhig bliebst, in Gedankenlosigkeit sicher, daß Du „nun“
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dem Heil näher wärest, als „da“ Du gläubig wurdest – Du, der Du niemals gläubig wurdest. Dich zu prüfen, ob Du etwa später den Glauben verleugnet hättest, darauf warst Du doch vielleicht aufmerksam geworden. In dieser Hinsicht warst Du Dir indessen nichts bewußt; Du durchforschtest Dein Leben, aber fandest, daß Du freimütig sagen dürftest, Du habest niemals verleugnet, oder wissentlich den Glauben aufgegeben Also mußtest Du ja „nun“ dem Heil näher sein, als damals „da“ Du gläubig wurdest. Ach, und das blieb vor Dir verborgen, daß das Unglück grade war, daß Du niemals warst gläubig geworden und es also nur insofern ganz in Richtigkeit war, daß Du ihn allerdings später – nicht aufgegeben hast.
Wann wurdest Du gläubig, oder, was dasselbe ist, bist Du Dir wesentlich bewußt, diese Entscheidung, das gläubig werden, erlebt zu haben? Denn es ist nicht das Wichtige, ob es eines Mittags um 12 Uhr war oder dergleichen. Nein, die ganze Angelegenheit ist eine Geistes-Angelegenheit und hat deshalb den wahren Ernst, welcher keineswegs nach Stunde und Glockenschlag fragt. Aber auf der andern Seite ist es ja doch auch einleuchtend, daß es ein Spiel wird, wie das Verstecken spielen, wenn ein Mensch, der als Greis gefragt wird, wann er gläubig wurde, antworten wollte „ja, das ist lange her“; „war es als Mann?“ „nein, es ist länger her“; „war es als Jüngling?“ „nein, es ist länger her, kurz und gut, es ist so lange her, daß ich mich nicht mehr erinnern kann, wenn“. Es ist einleuchtend, daß dies ein Spiel wird, und daß es dann sinnlos ist, wenn dieser Mann sagen will, wo er in Bezug auf das Heil „nun“ ist, weil die Entscheidung, durch die er
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gläubig wurde, sich für ihn in die Dunkelheit des Fabelhaften und Abenteuer-lichen zurückzieht. Wann wurdest Du gläubig, bist Du gläubig geworden? Es ist ja jetzt nicht wie in jenen – schwierigeren Zeiten, da ein Jude oder ein Heide in reiferem Alter Christ wurde; denn da wußte er leicht und mit Bestimmtheit wenn und daß er gläubig geworden war. Wir leben jetzt in – begünstigteren Verhält-nissen, in der Christenheit, es ist nun weit leichter ein Christ zu werden, – in jedem Fall weit leichter sich zu täuschen und sein ganzes Leben in einer Einbildung hinzubringen. Du wirst als Kind getauft, in der christlichen Religion unterwiesen, konfirmiert, Jeder sieht Dich für einen Christen an, Du nennst Dich selbst so, wenn irgend eine Veranlassung ist, Deinen Namen, Deinen Stand und die Religion, welche Du bekennst, anzugeben. Ob Du Kaufmann oder Gelehrter, oder Künstler oder Soldat werden, ob Du Dich mit der oder mit der verheiraten sollst; wo Du wohnen willst, in der Stadt oder auf dem Lande, u. s. w. u. s. w.: solcherlei Fragen bekamst Du gewiß einmal in Deinem Leben Gelegenheit Dir vorzulegen und zu beantworten. Du wirst auch sagen können „wann“, und also auch in dieser Beziehung sagen können, wo Du „nun“ bist. Aber die Frage, ob Du gläubig geworden bist, ist Dir vielleicht gar nicht vorgekommen; es ist, soweit Dein Gedächtnis zurückreicht, vorausgesetzt gewesen, daß Du gläubig seist, dann mußt Du es wohl auch einmal geworden sein – Gott weiß wann.
Und wo bist Du „nun“, bist Du „nun“ Deinem Heil näher? Du hast wohl von jenem einfältigen Weisen im Altertum gehört, der so verschlagen zu fragen wußte.
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Diese Frage kann leicht wie eine solche lauten, wie eine Frage, deren Absicht ist, in Verlegenheit zu bringen, die Unklarheit des Gefragten offenbar zu machen. Ich will nicht und kann Dich auch nicht fragen; aber denk Dir es wäre jener einfältige Weise, der Dich fragte. Du weißt, selbst in der Christenheit hat sich die kate-chetische Kunst nach ihm gebildet; aber niemals hat ein Katechet fragen können wie er. Denk Dir diesen einfältigen Weisen, diesen entschiedenen Feind aller Ausflüchte und Entschuldigungen und Unklarheiten und Mißlichkeiten, der dabei in gleichem Grade schlau, verschlagen, behend und unerschrocken war ihnen nachzuspüren: ihn, der keine Lehre hatte, welche er in Abstand den Menschen vortrug, sondern der grade als Lehrer durchschauend in die Menschen hinein-drängte, so daß es dem, der mit ihm sprach, vorkam als spräche er mit sich selbst, so wurde sein Inneres ihm selbst offenbar; ihn, der nicht bloß die Weisheit vom Himmel herabrief, sondern in „den Einzelnen“ einzudringen wußte. Denk Dir, daß dieser einfältige Weise Dich fragte; denk Dir, wie unermüdlich er einen Menschen mit dieser Frage necken könnte, ob er „nun“ seinem Heil näher sei; denk Dir wie er diese Frage auf unzählige Weise wenden und drehen könnte, aber immer neckend, immer mit diesem Lächeln auf dem Angesicht, das ihm so eigen war, wenn er vermutete, daß der, mit welchem er redete, nicht mit Be-stimmtheit wisse, worauf es ankomme, ob er es verstehe oder nicht verstehe, ob er gläubig geworden war, oder nicht gläubig geworden war; denk Dir seine Ausdauer, bis er, der Einfältige, den Gefragten fing, und es offenbar machte, daß er in einem Sinnenbetrug war. „Bist Du ihm (dem Heil) denn „nun“
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näher?“ „Ja“ „Aber, als wann?“ Ja, hier stockt es vielleicht; und wenn es hier stockt, dann bekommt diese Stockung Macht, die ganze Rede in Verwirrung zu verwandeln. Du bist ihm nun „näher“; dieses „näher“ ist eine Vergleichung, aber womit vergleichst Du da? Kann man wohl sagen, daß einer größer sei als ein Anderer, der gar nicht da ist. Es ist etwas Versuchendes, etwas Beredendes in dieser vergleichenden Steigerung, das lockend vor einem steht, als ginge es so von selbst, als brauche man nicht mutlos zu werden, denn es ginge doch vorwärts. Aber wenn es nicht fest steht, daß der Beginn gegeben ist, so führt all dieses Locken nur in Sinnlosigkeit hinein. So wenig wie der, welcher an Bord eines Schiffes ist, wie manche Stunde er auch geht und wie manche Meile er auch so zurücklegt, vom Schiffe fortkommt, so wenig kommt der einem Gegen-stand näher, der nicht auf dem Wege anfing, welcher näher und näher führt. Aber der Weg zum Heil ist der Glaube, und nur dann kann von einem „nun“ näher sein geredet werden, wenn es entschieden feststeht, daß man gläubig wurde.
Wo bist Du nun; bist Du nun Deinem Heil näher? Deinem Heil! Es ist Dein Heil, von dem die Rede ist, vom näher kommen dem eignen Heil. Und ist davon die Rede, so ist ja also zugleich von etwas ganz Anderem die Rede, von dem verloren gehen. Von Deinem Verlorengehen! Von Deinem Verlorengehen ist die Rede, von dem tiefer und tiefer in Verlorenheit versinken! Sieh, wenn Du im Leben fehlgriffst, wenn Du Kaufmann wurdest, aber eigentlich hättest sollen Künstler werden: nun, Herr Gott, das kann schwer genug sein, aber das Unglück läßt
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sich doch verwinden. Wenn Du im Leben fehlgriffst, wenn Du dies Mädchen heiratetest, aber ihre Schwester ganz anders für Dich gepaßt hätte: nun, Herr Gott, es läßt sich ertragen, so sein Glück verloren zu sehen. Aber wenn ein Mensch sein Heil verloren sähe! Sieh, wenn Du in Deiner Jugend kraftvollstem Augenblick den Plan zu einem Riesenwerk gefaßt hättest, welches Du ausführen wolltest, und welches das Werk Deines Lebens sein sollte; aber Du verzögertest Dich unterwegs, Du wurdest auf mancherlei Weise verhindert, Du warst auch nicht ganz im Besitz der nötigen Kräfte, kurz Du warst am Ende Deines Lebens der Lösung der Aufgabe nicht sonderlich näher gekommen als da Du begannst: nun Herr Gott, auch für diesen Schmerz gibt es Trost. Aber wenn Du am Ende Deines Lebens Deinem Heil nicht näher gekommen wärest! Gibt es etwas Fürchterlicheres als von seinem Heil entfernt zu sein? Und von seinem Heil oder von seiner Rettung entfernt sein und in diesem Zustand bleiben, das heißt ja sich mehr und mehr entfernen. Rettung entspricht der Gefahr; wer nicht in Gefahr ist, kann auch nicht gerettet werden. Bist Du also in Gefahr – und kommst Du also Deiner Rettung nicht näher, so sinkst Du ja mehr und mehr in die Gefahr. O, wenn der Schiffbrüchige, der sich auf eine Planke rettete, und nun, von den Wogen umhergeworfen, über dem Abgrunde schwebend, zwischen Leben und Tod, nach Land ausschaut: so müßte wohl ein Mensch um seine Rettung bekümmert sein. Aber kann wohl ein Mensch von seiner Rettung weiter entfernt sein, als wenn er nicht einmal mit Bestimmtheit weiß, ob er begonnen hat, die Rettung zu wollen.
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So prüfe denn Dich selbst mit Hilfe dieser Worte. Es ist ein seliger Trost wissen zu dürfen „daß man nun seinem Heil näher ist, als da man gläubig wurde“ – aber nicht wahr, dann muß man gewiß sein, daß man gläubig geworden ist. Dies Wort kann daher zum Trost dienen, aber es kann einem auch gleichsam in den Rücken kommen. Geschieht dies daß ein Mensch so aufmerksam wird, so ist es gewiß fürchterlich, aber selbst in diesem Schrecken, in diesem heilsamen Schrecken ist ein Trost; denn wenn ein Mensch doch aufmerksam darauf ge-worden ist, daß er noch nicht begonnen hat, so ist er seinem Heile immer etwas näher als er war, so lange er sicher in Sinnenbetrug und Einbildung hinlebte.
Doch noch Eins, laß uns nicht vergessen, daß das Wort bei dem Apostel etwas anders lautet, als wir es benützt haben. Er sagt: „unser Heil ist jetzt näher als da wir gläubig wurden“. Die Worte, wie wir sie benützt haben, lenken den Gedanken ganz auf die Selbstwirksamkeit und sind deshalb gebraucht, um die Menschen aufmerksam zu machen. Das apostolische Wort schärft zugleich ein, daß das Heil von Gott ist. Er sagt nicht, daß wir dem Heil näher kommen, sondern daß das Heil uns näher kommt. Und auch darüber zu reden könnte wohl not tun, indem man den Gläubigen ermahnt, sich nicht zu verhasten, nicht zu meinen, selbst erwerben zu wollen, was wesentlich geschenkt wird. Es könnte wohl not tun, darüber zu reden – wenn es nur immer klar wäre, wo wir sind. Aber um hierauf aufmerksam zu werden, müssen wir erst wissen, ob wir denn sind gläubig geworden.