Luther - vom Verlust des Wortes
Vom Verlust des Wortes
(Martin Luther: Auslegung zu 1. Kor 15,51-53, zitiert nach Walch, 2. Ausgabe, Bd. 8, Sp. 1321, Rechtschreibung angepasst)
Wenn Gott redet und sein Wort gibt, so gibt er’s reichlich, schüttet seinen Schatz überschwänglich aus, tut den Himmel weit auf, ruft und spricht: Alle gen Himmel, alle gen Himmel! Alsdann ist’s Zeit, dass man die Ohren auftue und höre. Wenn man aber sein Wort nicht hören will, so schweigt er stille, und nimmt sein Wort rein hinweg. So geht’s denn also: Haben wir Gott nicht wollen hören, da er mit uns redete, so mögen wir den Teufel hören, wenn Gott schweigt. Haben wir nicht gen Himmel wollen, weil er offen stand, so kann Gott den Himmel zuschließen, und die Hölle aufschließen; da mögen wir zusehen, wo wir bleiben. Dem Papst und dem Türken ist’s also gegangen, dass Gott sein Wort von ihnen genommen hat; sie haben’s auch nicht anders wollen haben; ihnen ist recht geschehen, wie das Sprichwort lautet: Volenti non fit injuria, der es so haben will, dem geschieht nicht unrecht; Willkür bricht Landrecht.
Jetzt schließt Gott auch den Himmel auf, und schließt die Hölle zu, schüttet sein Wort reichlich aus durch die Predigt des Evangelii, und redet getrost; aber nie-mand will es fast mehr hören. So wird’s auch geschehen, dass Gott den Himmel wird zuschließen, und die Hölle aufschließen, dass die Leute mit Haufen werden hinein fahren müssen, weil sie jetzt nicht in den Himmel wollen, weil er offen steht. Darum lasset uns fleißig hören, weil Gott mit uns redet, auf dass er sein Wort nicht hinwegnehme, und stille schweige. Nimmt er sein Wort hinweg, und schweigt stille, so ist’s mit uns aus. Verlieren wir Gottes Wort einmal, so werden wir es nicht mehr überkommen. Ich bin fünfzehn Jahr ein Mönch gewesen, und hätte gern eine einige rechtschaffene Predigt gehört, aber es konnte mir nicht so gut werden. Jetzt haben wir Gottes Wort reichlich, aber wir stellen uns dagegen, eben als ginge es uns nichts an. Wohlan, werden wir es versehen, dass wir Gottes Wort verlieren, so mögen wir erfahren, was wir gemacht haben. Zu raten wäre, wir höreten, weil Gott mit uns redet, und uns so treulich ruft und freundlich lockt.